Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 103. Psalm.

Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 103. Psalm.

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Dieser 103. Psalm, wie schon aus dem ersten Verse zu sehen ist, gehört zu den sogenannten Lobepsalmen. Wenn ihr den Psalter durchleset, so findet ihr verschiedene Arten von Psalmen, da sind z. B. Lobepsalme, Klagepsalme. Bußpsalme, Glaubenspsalme daraus sehen wir, daß wir Sünder sind, und daß der Psalter von Sündern gebraucht werden soll, denn wenn wir keine Sünder wären, so könnte es nur Lobepsalme geben. Im Himmel gibt es keine Buß- und Klagepsalme, weil da keine Sünde mehr ist, sondern nur Lobepsalme. So lange wir auf Erden der Vergebung der Sünden gewiß sind, können wir auch nur loben und danken, fangen wir aber an zu klagen und zu weinen, so ist davon der Grund: Wir sind der Vergebung unserer Sünden nicht gewiß. Darum muß das Gebet: Vergib mir meine Sünde, unser tägliches Brot sein. Ist man der Erhörung dieses Gebets gewiß, dann hört die Traurigkeit auf und das Loben geht an. Es ist nicht wahr, was die Weltkinder sagen, daß die Christen immer traurig sind und keine fröhliche Stunde haben, nein, glaubt es nur, es gibt keinen fröhlicheren Menschen auf Erden, als den wahren Christen, der der Vergebung seiner Sünden gewiß ist. Man kann das bei den verschiedensten Gelegenheiten wahrnehmen, und selbst der vor seinen Augen stehende Tod kann die Freude aus dem Herzen und das Lächeln von den Lippen des begnadigten Christen nicht nehmen. Willst du ein seliger Christ sein, so laß dir das am Herzen liegen, daß du nicht aus der Vergebung der Sünden heraus kommst. Werden dir täglich und reichlich deine Sünden vergeben, dann bist du ein fröhlicher Mensch. Wenn die Menschen diese Vergebung nicht haben, so sind sie selbst Schuld daran, entweder durch ihre Thorheit oder durch ihre Faulheit. Wenn ich des Morgens aufstehe, was ist da das erste, was ich an meinem Leibe thue? Ich wasche und reinige ihn. So, mache ich es auch mit meiner Seele, ich wasche sie rein in Christi Blut. Nun weiß ich wohl, daß die Sünde mir noch immer anklebt und mich träge macht, daß ich strauchle und falle. Was thun aber die meisten Menschen, wenn sie deß inne werden? Sie schleppen sich den ganzen Tag, bis zum Abend mit der Sündenlast herum, spielen also den ganzen Tag den Packesel, statt gleich zu Jesu zu gehen und den um Vergebung zu bitten. Man kann Tag und Nacht fröhlich sein, wenn man sich nur nicht aus der Vergebung der Sünden heraus bringen läßt. Bitte nur darum, und wer da bittet, dem wird gegeben, wer da suchet, der wird finden, wer da anklopft, dem wird aufgethan. Darum prägt der Psalm in seiner ersten Hälfte uns das ein, daß alles Lob Gottes aus der Vergebung der Sünden kommt. Wunderbar sind die Worte des Psalms. Lobe den HErrn, meine Seele, und was in mir ist, Seinen heiligen Namen; lobe den HErrn, meine Seele, und vergiß nicht, was Er dir Gutes gethan hat. Welches ist denn das Gute? Der dir alle deine Sünde vergibt, und heilet alle deine Gebrechen. Hörst du wohl: Alle deine Sünden; und ob sie blutroth wären, so sollen sie schneeweiß werden, und ob sie wären wie Rosinfarbe, so sollen sie wie Wolle werden, und ob sie siebenzigmal siebenmal geschehen wären, so sollen sie werden, als wären sie nie geschehen. Damit erlöst Er dein Leben vom Verderben und krönt dich mit Gnade und Barmherzigkeit, - denn wo Vergebung der Sünden ist, da ist auch Leben und Seligkeit, - damit macht Er deinen Mund fröhlich, daß du wieder jung wirst, wie ein Adler. Sagt, sollte der nicht fröhlich sein, der als Sünder nichts als Tod und Verdammniß vor Augen sieht und dem Gott alle Sünden vergibt? Ja, der HErr schaffet Gerechtigkeit und Gericht Allen, die Unrecht leiden. Er hat Seine Wege Mose wissen lassen, die Kinder Israels Sein Thun. Was sind das für Wege? was ist das für ein Thun? hört: Barmherzig und gnädig ist der HErr, geduldig und von großer Güte. Er wird nicht immer hadern, noch ewiglich Zorn halten. Er handelt nicht mit uns nach unsern Sünden, und vergilt uns nicht nach unserer Missethat. Denn so hoch der Himmel über der Erde ist, läßt Er Seine Gnade walten über die, so Ihn fürchten. So fern der Morgen ist vom Abend, läßt Er unsere Uebertretung von uns sein. Wie sich ein Vater über Kinder erbarmt, so erbarmt sich der HErr über die, so Ihn fürchten. Was ist das anders alles, als ein Preisen der Vergebung der Sünden. Es scheint so, als ob David nichts anders zu preisen hat als dieses Eine, und es ist auch in der That so. Denn haben wir Vergebung der Sünden, so haben wir auch einen gnädigen Gott. Aber saget mir, woher kommt das denn, daß wir einen gnädigen Gott haben, der unsere Sünden vergibt, zu dem wir immer laufen können und der nie müde wird uns anzunehmen? verdient haben wir es doch nicht? Sehet, das sagt uns David in den Worten: Wie sich ein Vater über Kinder erbarmt, so erbarmt sich der HErr über die, so Ihn fürchten. Ein Vaterherz hat Gott gegen uns und darum erbarmt Er sich über uns. Das ist der Grund, warum du immer bei Ihm anklopfen kannst: Sein Vaterherz steht immer vor dir offen; hätte Er das nicht, so könnte Er dich nicht annehmen. Woher kommt das Vaterherz? vielleicht daher, weil Er dich erschaffen hat? Ach nein, sagt Luther, die Ochsen und Enten hat Er auch erschaffen und ist doch nicht ihr Vater. Es kommt daher, weil Er dich wiedergeboren hat durch Sein Wort in der heiligen Taufe und weil Christus dein Bruder worden ist. Darum ist Er dein Vater und hat nun ein Vaterherz gegen dich und muß Vaterpflicht an dir erfüllen; wir aber haben Kindesrecht und können Kindesrecht verlangen. Wir können Ihn bitten um Alles, was Kinder von ihrem Vater bitten, und Er darf uns nichts versagen, was gut ist. Wäre ich nicht durch die heilige Taufe wiedergeboren, wäre Jesus nicht mein Bruder worden, so hätte ich kein Recht an Gott, nun aber habe ich Kindesrecht und Gott hat Vaterpflicht. Da sehet einmal wieder hervorleuchten die von den armen dummen Menschen so verachte Taufgnade, denn dadurch sind wir Kinder Gottes geworden. Was könnten wir auch sonst für Recht bringen, wenn wir nicht durch die heilige Taufe wiedergeboren wären? Der Psalm beschreibt weiter, was wir ohne die heilige Taufe sind: Denn Er kennet, was für ein Gemachte wir sind; Er gedenket daran, daß wir Staub sind. Ein Mensch ist in seinem Leben wie Gras, er blühet wie eine Blume auf dem Felde; wenn der Wind darüber geht, so ist sie nimmer da, und ihre Stätte kennt sie nicht mehr. Und solch arme, elende Menschen, die nichts sind als Gras, Blumen und Staube, die sollten vor Gott Verdienst haben? Nein, sind sie nicht in ein anderes Verhältnis zu Gott getreten durch die heilige Taufe, so müssen sie verloren gehen. Denkt euch einen Menschen, der von Vater und Mutter in Sünden gezeugt und geboren ist, und der sündigt so lange er lebt, nun kann jeden Tag der Tod kommen und er kommt gewiß über kurz oder lang, wo fährt der Mensch hin, wenn der Tod wirklich kommt? Doch nicht zu Gott, doch nicht in den reinen Himmel? Zur Hölle fährt er, der Teufel nimmt ihn hohnlachend in Empfang. So wird es dir ergehen, wenn du nicht wiedergeboren bist durch die heilige Taufe, wenn du keinen Heiland hast. Stirbst du aber in der Taufgnade, durch welche du Vergebung der Sünden, Leben und Seligkeit empfangen hast, so nimmt dich dein Vater in sein Vaterhaus und das ist der selige Himmel. Dahin gehöre ich als Gottes Kind, und ich will einmal sehen, wer mir diesen Platz streitig machen kann. Nicht wahr, meine Lieben, da muß wohl Freude sein beim Tode der Frommen und Jammer und Herzeleid beim Tode der Gottlosen. - Die Christen loben den HErrn im Wetteifer mit den heiligen Engeln, darum heißt es weiter im Psalm: Lobet den HErrn, ihr Seine Engel, ihr starken Helden, die ihr Seinen Befehl ausrichtet, daß man höre die Stimme Seines Worts. Lobet den HErrn, alle Seine Heerschaaren, Seine Diener, die ihr Seinen Willen thut. Lobet den HErrn, alle Seine Werke, an allen Orten Seiner Herrschaft. Lobe den HErrn, meine Seele. Wir sollen mit den heiligen Engeln in die Wette singen, wer es wohl am besten kann? Ich zweifle nicht daran, daß wir erlösete Christen das Loben besser können, als die heiligen Engel. Denn wer erlöst ist von . der Sünde, vom Tode und von der Gewalt des Teufels, der muß tausend Mal besser singen können, als die Engel, die dieses alles nicht erfahren haben. Es ist so, wie Jesus zu dem Weibe im Hause Simons, des Pharisäers, sagt: Ihr ist viel vergeben, darum liebt sie viel. Uns Christen hat der HErr alle unsere Sünden vergeben (V. 3), den Engeln hat Er gar keine Sünden vergeben, weil sie keine Sünder sind, darum müssen wir Ihn auch viel mehr lieben, als die Engel können. Daher findet ihr auch in allen Christen-Häusern Lobgesang und in allen Heiden-Häusern ein stummes Maul. Daran kann man schon die Häuser der Christen von den Häusern der Heiden unterscheiden. Die Heiden können nicht singen, denn sie haben keinen Grund dazu, die Christen aber, die Vergebung der Sünden haben, müssen loben und danken. Wie die Menschen zum geistlichen Gesang stehen, so stehen sie auch in ihrem Herzen zu Gott. Wird ein geistlicher Gesang gesungen und ein Christ hört das, so singt er mit, oder wenigstens er brummt im Herzen mit. Hört aber ein Weltkind einen solchen Gesang, so heißt es gleich: Das verfluchte Bölken. Auch wir haben heute alle Ursache zum Loben und Danken. Wir haben vorhin den HErrn angerufen auf unsern Knieen um Vergebung der Sünden in dem Gebet: Christe, Du Lamm Gottes, und der HErr erhört das Bußgebet Seiner Kinder; wir haben den HErrn im Glauben angerufen um Vergebung der Sünden, indem wir die drei Glaubensartikel sangen, und der HErr erhört das Gebet des Glaubens. So haben wir nun Vergebung der Sünden und wir können jubeln: Mein Herze geht in Sprüngen und kann nicht traurig sein. Voll lauter Lust und Singen sieht es den Sonnenschein. Die Sonne, die mir lachet, ist mein HErr Jesus Christ, das, was mich singend machet, ist, was im Himmel ist. Wir haben heute noch mehr Ursache zum Loben und Danken, denn heute feiern wir das Erntedankfest. Ich sage euch, ich habe ein solches Wunderjahr noch nicht erlebt, wie dieses Jahr es ist, ich habe gesehen, daß das, was bei Menschen unmöglich ist, bei Gott möglich ist. Nach der menschlichen Vernunft konnte kein Halm auf dem Felde und kein Gras auf der Wiese bleiben bei dieser großen Dürre, denn nicht allein der Regen, sondern auch der Thau fehlte. Wer hat uns das Alles geschenkt, was wir eingeerntet haben? Unser treuer Gott und HErr. Dazu hat Er uns verhältnißmäßig so überreichlich geschenkt, Alles ist schön und trocken in's Haus gekommen und das Vieh verzehrt Heu und Stroh mit Stumpf und Stiel. Wann haben wir ein solches Jahr gehabt, wo Alles so trocken und schön in's Haus gekommen ist? Dazu haben uns die heiligen Engel uns, unser Dorf und unsere Felder vor allem Schaden und Unglück behütet, daß wir weder über Feuersnoth, noch über Hagelschäden zu klagen haben. Nun vergeßt aber auch nicht wohlzuthun und mitzutheilen, denn solche Opfer gefallen Gott wohl. Kannst du deine Brüder und Schwestern hungern lassen? kannst du es, was bist du denn? Ein Teufel, aber nicht ein Gotteskind. Darum, wer ein Christenherz im Leibe hat, der sei ein Christ und kein Teufel. Speisest und tränkest du deine hungrigen Brüder und Schwestern, so wird es dir gehen, wie der Wittwe zu Zarpath, die meinte, sie müsse Elias ernähren, und siehe, Elias ernährte sie. Das schreibt euch in das Herz hinein und beweiset es mit der That und Wahrheit, aber nicht mit Lippengeplapper und macht heute gleich den Anfang damit, denn die Becken sind ausgestellt, Gaben in Empfang zu nehmen für unsere Hausarmen, wie es hier am Entedankfeste Sitte ist. Amen.

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Vorlesung am Michaelis- und Erntedankfeste 1865.
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