Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 28. Psalm.

Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 28. Psalm.

Wenn ich rufe zu Dir, HErr, mein Hort, so schweige mir nicht, auf daß nicht, wo Du schweigest, ich gleich werde denen, die in die Hölle fahren. In den Worten fleht David zum HErrn um Erhörung seines Gebets, und zwar um stetige Erhörung seines Gebets, wann und so oft er ruft. Wenn ich rufe, so schweige mir nicht, d. h. gieb mir Antwort auf mein Beten, denn wenn Du schweigst, wäre ich ja gleich denen, die in die Hölle fahren. Da Gott ein lebendiger Gott ist und ein Vaterherz hat, so ist Erhörung des Gebets ein Zeichen Seiner Vaterliebe, Seiner Freundschaft; dagegen, wenn Er schweigt, so ist das ein Zeichen, daß Er uns feind ist und nichts von uns wissen will. Denn als der lebendige Gott hat Er Augen zum Sehen, Ohren zum Hören, einen Arm zum Helfen. Wenn es also scheint, Er höre nicht, so kann das nur darin seinen Grund haben, daß Er uns ungnädig ist, daß Er um unsertwillen das Gebet nicht erhören kann und will. Wie kann Er der Gottlosen Gebet erhören? Sie können ja nicht beten; und wenn sie dennoch beten, so ist ihr Gebet ja Sünde. Schweigt Er also, so hat Er Sein Angesicht vor uns verborgen, und das kommt von Seiner Ungnade und unserer Gottlosigkeit. Dann sind wir aber gleich denen, die in die Hölle fahren, denn stürben wir in diesem Gemüthszustande, so könnten wir ja nicht selig werden, wir müßten in die Hölle fahren. Darum wiederholt er seine Bitte: Höre die Stimme meines Flehens, wenn ich zu Dir schreie, wenn ich meine Hände aufhebe zu Deinem heiligen Chor. Der heilige Chor war das Allerheiligste, worin die Bundeslade stand. So zeigen diese Worte darauf hin, daß David in der Versammlung derer war, die im Tempel standen, und während der Priester räucherte, um den süßen Geruch des Betens anzudeuten, ihre Hände betend ausstreckten nach dem heiligen Chor, dem Allerheiligsten. Darum betet er erhörlich. Ein Kirchenverächter kann nie erhörlich beten; wer aber nicht seine Hände ausstreckt zum heiligen Chor, der ist ein Kirchen-Verächter, den findet man nicht in der Kirche, er gehört zu den Gottlosen, deren Stimme Gott nicht hört. David aber gehört nicht zu den Kirchenverächtern, in der Versammlung derer, die zum Tempel kommen, ist sein Platz. Darum weiß er, daß er einen gnädigen, lebendigen Gott hat, der Gebet erhört. Es ist ja das Gebet allenthalben ein gesegnetes, wenn es aus dem Glauben kommt. Ich kann beten im Kämmerlein, und Gott erhört mein Gebet; ich kann beten im Felde und Walde, und Gott erhört mich; ich darf, sagt die Bibel, allenthalben heilige Hände des Gebets aufheben; ich darfs und ich kann auch nicht anders. Ich möchte den Christen sehen, der nicht allenthalben bereit ist, seine Kniee zu beugen und seine Hände aufzuheben zum Gebet. Bist du nicht dazu bereit, so zweifle ich daran, daß du ein Christ bist. Ich habe früher auch hundertmal die Saaten gesehn und nicht daran gedacht, die Kniee zu beugen, ich bin hundertmal in Feld und Wald gewesen, und habe keine Hand aufgehoben zum Gebet. Aber seitdem ich mich bekehrt hatte, habe ich's manchmal gethan zwischen den Saaten, im Walde, im Felde und im Kämmerlein; und allenthalben wird das Gebet erhört. Dennoch das beste, das erhörlichste, das kräftigste Gebet wird nirgend anders gebetet, als in der Kirche. Und wenn alles andere Gebet nicht erhört würde, - es ist das unmöglich, aber ich nehme es einmal an - das Gebet in der Kirche wird immer erhört. Das sage ich aus der Schrift und aus eigener Erfahrung. Wollt ihr euch überzeugen von der Kraft des Gebets in der Kirche, so schlagt, wenn ihr zu Hause seid, das Gebet Salomo's bei der Einweihung des Tempels im Buche der Könige auf 1. Könige 8. 9. Da heißt es jedesmal: Wenn einer betet, so wollst Du es hören im Himmel, im Sitz Deiner Wohnung. Wie wäre es auch anders möglich? Das Gebet in der Kirche ist nicht die Stimme eines Einzelnen, sondern ein tausendstimmiges Geschrei und Gebet der Kinder Gottes, das zu Gottes Herzen geht. Das sollte der HErr nicht erhören, der gesagt hat: Wo zwei oder drei unter euch eins werden, daß sie Mich um etwas bitten, es sei was es sei, das soll ihnen widerfahren? Matth. 18,19. O wenn in der Kirche weiter nichts wäre, als das gemeinsame Gebet, das schon würde jeden wahren Christen unwiderstehlich in die Kirche treiben, würde es ihm unmöglich machen, auch nur Einen Sonntag ohne Noth die Kirche zu versäumen. Man kann nicht begreifen, wie es möglich ist, daß die Menschen auch nur Einen Sonntag ohne Noth die Kirche versäumen können. Wenn du alle deine Sorgen, Plagen und Nöthen in ein Bündlein bindest und legst sie in der Kirche deinem Jesu zu Füßen, so nimmt Er Alles von dir und dein Herz ist leicht und fröhlich in Ihm. Aber Eins ist noth bei solchem Gebet: Ein aufrichtiges, wahrhaftiges, einfältiges Herz. Wie kann das Gebet eines Lügners oder Heuchlers erhört werden? Die Lügner und Heuchler lügen und heucheln ja vor Gott, wenn sie beten, und wenn sie noch so schön und fließend beten können, es sind doch nur Redensarten, die sie vor Gott bringen, und das ist kein Ausschütten des innersten Herzens. Darum betet David: Ziehe mich nicht hin unter den Gottlosen, und unter den Uebelthätern, die freundlich reden mit ihrem Nächsten, und haben Böses im Herzen. Um Gottes willen keine Gemeinschaft mit Lügnern und Heuchlern, die freundlich nicht bloß aussehen mit ihren Mienen, sondern selbst freundlich reden mit ihrem Nächsten, und haben Böses im Herzen. Ziehe mich nicht hin, ich will keine Gemeinschaft haben mit den Lügnern, aber auch selbst nicht zu ihnen gehören. Er will ehrlich hintreten vor Gott, sein Mund und Angesicht soll sein wie sein Herz. Sein Mund soll reden als sein Herz denkt, er will aussehen, wie es in seinem Herzen ist. Das ist ein Herzensgebet, wenn einer so sein Herz ausschüttet; denn nur solche Leute ohne Lügen und ohne heuchlerische Redensarten werden erhört. Mit Lügnern und Heuchlern keine Gemeinschaft haben, und selbst kein Lügner und Heuchler sein, das ist der Inhalt dieser Bitte; ja, er spricht mit heiligem Ernst: Gieb ihnen nach ihrer That, und nach ihrem bösen Wesen, gieb ihnen nach den Werken ihrer Hände, vergilt ihnen, was sie verdient haben. Denn sie wollen nicht achten auf das Thun des HErrn, noch auf die Werke Seiner Hände. Darum wird Er sie zerbrechen und nicht bauen. Ausrotten soll Er sie, denn sie sind eine Schande für die Christenheit, für die Gemeinde der Heiligen, vergelten soll Er ihnen nach dem Werk ihrer Hände. Gott allein ist ja der Herzenskündiger und kennt das Thun der Menschenkinder. Betest du zu Gott: Rotte diesen aus, strafe jenen, so richtest du, und das sollst du nicht, denn das ist Sünde. Betest du aber, daß der HErr den Heuchlern, die Er weiß, vergelten und sie ausrotten wolle, so überlassest du Ihm das Gericht. Seht auch daraus, daß es keine Sünde giebt, die solch ein Gräuel vor Gott wäre, als Heuchelei und Lüge. Es ist wahrhaft teuflisch, freundlich reden und Böses im Herzen hegen, als fromme Beter vor Gott stehen, oder auf den Knieen liegen und keine Aufrichtigkeit und Andacht im Herzen haben. Gegen alle andern Sünden kann der HErr noch eher ein Auge zudrücken, als gegen Heuchelei und Lüge, eben weil nichts so scheußlich ist, als dieses, darum: Rotte sie aus. Du kannst sie nicht brauchen. Nun David gebetet hat, so sagt er: Gelobt sei der HErr, denn Er hat erhöret die Stimme meines Flehens. Eben hat er seine Bitte geendet, und man sollte nun meinen, es ist noch lange hin bis zur Erhörung; aber kaum hat er gebetet, so ist die Erhörung schon da. So ist's, so haben es alle Gläubigen erfahren. Darum sagt der Apostel Johannes: Und das ist die Freudigkeit, die wir haben zu Ihm, daß, so wir etwas bitten nach Seinem Willen, so hört Er uns. Und so wir wissen, daß Er uns hört, was wir bitten, so wissen wir, daß wir die Bitte haben, die wir von Ihm gebeten haben 1. Joh. 5,14.15. Es kann nicht anders sein, ist mein Gebet ein gläubiges, so muß es der Erhörung gewiß sein. Hat der HErr nun Davids Gebet erhört, so muß David auch danken. Das thut er mit den Worten: Der HErr ist meine Stärke und mein Schild; auf Ihn hoffet mein Herz, und mir ist geholfen, und mein Herz ist fröhlich, und ich will Ihm danken mit meinem Liede. Das ganze Herz strömt über von Dankbarkeit, so wie ich mir deß bewußt werde, daß mein Gebet erhört ist. Unwillkührlich zieht's einem zu Jesu Füßen, und wie es möglich ist, das Danken zu vergessen, versteht man nicht. Daß es freilich möglich ist, sieht man an den neun Aussätzigen Luc. 17,11-19. Der rechtschaffne Christ macht's wie David, fröhlich ist sein Herz, vor Freude jubelt es, und das Wort des HErrn ist erfüllt: Bittet, so werdet ihr nehmen, daß eure Freude vollkommen sei Joh. 16,24. - Aber nun heißt's auf einmal weiter V. 8: Der HErr ist ihre Stärke. Wo will David hin? Bisher hieß es immer: Ich, mir, mich, mein, warum der Wechsel? Der wahre Christ steht nie allein, sondern immer in der Gemeinschaft der Heiligen. Daher ist's nicht möglich, daß ein Christ ein einzig Mal vor Gott im Gebet stehen kann, ohne der Heiligen, in deren Gemeinschaft er steht, zu gedenken. Ein Gebet ohne der Brüder und Schwestern im HErrn zu gedenken, ist dem Christen eine Unmöglichkeit, das wäre ein selbstsüchtiges Gebet. Ein Christ ist sich seines Christenthums nicht anders bewußt, als in der Gemeinschaft der Gläubigen; darum nichts schrecklicher ist, als ein Alleinstehen ohne Gemeinschaft. Heißt es etwa in dem allerheiligsten Gebete: Mein Vater? Nein: Unser Vater, der Du bist im Himmel. Gieb mir Brot? Nein: Unser täglich Brot gieb uns heute.. Darum kann David auch nicht für sich allein beten, sondern betet auch für seine Brüder und Schwestern. So faßt denn David Alles zusammen und betet zum Schluß des Psalms: Hilf Deinem Volke, und segne Dein Erbe, und weide sie, und erhöhe sie ewiglich. Da steht David mit dem ganzen Erbe des HErrn, d. h. mit der ganzen Kirche, und eins mit der Kirche betet er: Segne sie, weide sie, d. h. erhalte ihr Dein Wort und Sakrament, erhöhe sie, d. h. bringe sie zur Vollendung, daß aus der streitenden die triumphirende Kirche werde, in der Erhöhung und Herrlichkeit. Amen.

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