Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 56. Psalm.

Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 56. Psalm.

Dieser Psalm handelt ganz ähnlich wie der letzte am vorigen Sonntage von den Leiden und Verfolgungen, welche David erdulden mußte. David wendet sich im Gebet zu dem HErrn, um bei Ihm die Kraft zu holen, daß er die Verfolgung ertragen könne. Daher ist auch in diesem Psalm wenig zu erklären, man versteht ihn fast Wort für Wort von selbst. Was aber nöthig ist zu seinem besseren Verständniß, das soll jetzt gesagt werden.

Ueberschrieben ist er: Ein güldenes Kleinod Davids, von der stummen Taube unter den Fremden, da ihn die Philister griffen zu Gath. David war, als die Philister ihn griffen und er sich nicht wehren noch vertheidigen konnte, wie eine stumme wehrlose Taube. Davon ist diese Ueberschrift genommen. Weil er aber seine ganze Zuflucht zu Gott im Gebet nahm, so heißt der Psalm ein güldenes Kleinod Davids. Das ist aber ein schweres Ding, seine ganze Zuversicht allein auf Gott zu stellen, und bis der Mensch das lernt, muß er dahin gekommen sein, die Unbrauchbarkeit aller eigenen Mittel und Hülfe zu erkennen; nur dann kann er seine ganze Zuversicht auf Gott setzen. Aber erst braucht der Mensch dieses Mittelchen und jenes Mittelchen, und so möchte er die ganze Welt durchlaufen, um nur nicht Gott zu vertrauen. Erst dann, wenn alles andere nicht mehr helfen will, erst dann nimmt er seine Zuflucht zu Gott. So schwer wird dem Menschen das Gottvertrauen. Sehet das an Davids Geschichte. Er war an dem Hofe Sauls in den glücklichsten Verhältnissen, Saul hatte ihm seine Tochter Michal zum Weibe gegeben, war also sein Schwiegervater, Jedermann im Lande achtete und ehrte ihn, als einen tapferen General. Aber dabei hing sein Leben an einem seidenen Faden, denn sein Schwiegervater hatte beschlossen ihn zu tödten. Dieser Haß Sauls hatte in der Frömmigkeit Davids seinen Grund. Saul haßte David eben so, wie der gottlose Kam seinen frommen Bruder Abel haßte. Das ist heute noch so, die Gottlosen hassen die Frommen, auch wenn ihnen die Frommen kein Wort sagen, denn der Frommen Werke verdammen die Werke der Gottlosen und das können die Weltkinder nicht vertragen. Saul bedachte gar nicht, daß David sein größter Wohlthäter sei, der durch sein Spielen auf der Harfe den bösen Geist vertreibe. Und wenn ihm das auch noch zuerst angenehm war, so wünschte er es doch nachher gar nicht mehr, weil er sich dem Teufel ganz ergeben hatte. Ueber diesen teuflischen Haß klagt David. In dieser schrecklichen Noth ist sein Leben in Gefahr, so daß er zuletzt aus seinem Hause fliehen muß. Saul hat seinen Tod geschworen, Soldaten stehen vor feiner Thür, die ihn, wenn er herauskommt, greifen und zu Saul bringen sollen. Da rettet ihn sein Weib Michal, indem sie ihn in einem Korbe zum Fenster hinaus läßt und sagt: Eile deine Seele zu erretten, wenn du nicht fliehst, so sollst du morgen getödtet werden. Er geht erst zu Samuel, weil er da aber auch nicht sicher ist, so denkt er, bei den Feinden Israels bin ich besser geborgen, als unter meinem Volk, und so flieht er zu Achis. Ist es erst so weit mit einem Menschen gekommen, daß er sich bei seinen Feinden sicherer glaubt, als bei seinen Freunden, so muß die Noth groß sein. Als er zu Achis kommt, geräth er in neue Noth. Um den König stehen seine vornehmsten Knechte, und wie sie David sehen, sagen sie: Das ist ja der, von dem die Weiber gesungen haben: Saul hat Tausend geschlagen, aber David Zehntausend 1. Sam. 18, 7. Als ob sie sagen wollten: Das ist ja unser Erzfeind, der wird es einmal mit uns Philistern ein Ende machen; jetzt ist er allein, laßt uns ihn tödten. Dem Tode wollte er entfliehen, aber er läuft ihm gleichsam in den Rachen. Da erschrickt David auf das Heftigste und weiß nicht, was er anfangen soll. Jetzt gerade, wo das Vertrauen die Probe bestehen soll, wirft er das Vertrauen weg und sieht nicht auf Gott, sondern auf die drohende Todesgefahr. Wer aber das Vertrauen verloren hat, der kann nicht beten. Es bleibt nichts anders übrig, er muß sich selbst helfen, und das thut er auch, indem er sich auf einmal wahnsinnig stellt und als ein Wahnsinniger gebehrdet. Er rennt mit dem Kopf gegen den Ständer, schlägt mit Händen und Füßen und läßt den Geifer in seinen Bart fließen. Achis glaubt auch wirklich, daß David wahnsinnig sei und sagt deshalb: Habe ich nicht Wahnsinnige genug in meinem Lande, warum bringt ihr diesen auch noch? Das war Davids Glück, denn nun konnte er in die Wüste, in die Höhle Adullam fliehen. In dieser Einsamkeit kam er zur Besinnung, und die Frucht davon ist dieser Psalm. Was er da in der Höhle mit Gott abgemacht hat, legt er in diesem Psalm nieder. Da sehet ihr, daß kein Mensch es nöthiger hat sich vor sich selbst in Acht zu nehmen als der Kluge. Denn die Klugen erfinden leicht allerlei Mittel sich selbst zu helfen; und dabei wird nur gefragt, ob die Mittel passend sind, aber darnach wird nicht gefragt, ob sie recht sind. So wird denn die Klugheit gemißbraucht zum Sündigen, nicht weil man sündigen will, sondern weil man kluge Mittel ergreift, sich aus der Noth zu befreien. Daß David, um Saul zu entschlüpfen, zu den Philistern flohe, kann man ihm nicht verdenken, denn das ist wahr, daß ein frommer Christ bei den Heiden sicherer ist, als bei den gottlosen Christen, denn die ärgsten Feinde des Reiches Gottes sind nicht die Heiden, sondern die gottlosen Christen. David ist gewiß bei dem Heiden Achis sicherer verwahrt, als unter seinem Volke. Die schlechtesten Menschen sind nicht die Heiden, sondern die abgefallenen Christen, und darum sind diese abgefallenen Christen wahre Teufel zu nennen, weil sie mit besserem Wissen und Willen dem Teufel dienen, während die Heiden, ich möchte sagen unbewußt dem Teufel dienen. Wenn z. B. ein Heide allen Lüften des Teufels sich hingibt, so finde ich das natürlich; wenn aber ein Christ sich den Lüsten des Teufels hingebt, so finde ich das unnatürlich. Wenn der Heide tanzt, spielt, hurt, säuft, tobt, das finde ich natürlich, denn er hat nichts anders von seinem Vater, dem Teufel, gelernt; wenn aber ein Christ diese Sünden thut, das finde ich unnatürlich, denn er weiß, daß bei Gott nur ein rechtschaffenes und heiliges Wesen gilt. Also, daß David bei Achis Schutz und Hülfe sucht, das ist ganz in der Ordnung, denn die Heiden sind lange nicht so schlimm, als die abgefallenen Christen, die Gottes Wort haben und verachten. Aber nun kommt die Gefahr. Die Leute, die bei Achis sind, stellen David als den größten Feind der Philister dar, von dem sie das meiste Unglück zu erwarten haben. Da hing sein Leben an einem seidenen Faden, und in dieser Noth verliert er das Vertrauen zu Gott. Weil er nun klug ist, so sucht er sich selbst zu helfen, das Mittel dazu ist bald gefunden. Er denkt, wenn du dich unklug und wahnsinnig stellst, so können sie dich nicht fürchten. Er stellt sich wahnsinnig, das Mittel gelingt, denn Achis spricht: Habe ich nicht der Wahnsinnigen genug in meinem Lande, warum bringt ihr noch einen Fremden? Nun ist die Frage nicht die, ob das Mittel gelingt? sondern ob das Mittel recht ist? Ich frage: Heißt das recht thun zu lügen, zu betrügen, zu heucheln? David hat gelogen, betrogen und geheuchelt, denn er war nicht wahnsinnig, er hat sich nur so angestellt. Darf das ein frommer Christ? Das war Davids Sünde, dazu ließ er sich fortreißen, weil er das Vertrauen verloren hatte und sich nun durch seine Klugheit helfen wollte. Hätte Gott ihn in seiner Sünde abgerufen aus dieser Welt, wer weiß, was aus ihm geworden wäre, ob Gott nicht über ihn das Urtheil der ewigen Verdammniß hätte aussprechen müssen, denn David wußte was Gottes Wille war. Daß David Buße gethan hat, daß er zur Erkenntniß und Bereuung seiner Sünde gekommen ist, das sehen wir aus diesem Psalm. Denn er sagt: Im fürchte mich. Aber er glaubt auch an Gottes Gnade, denn er sagt weiter: Ich will rühmen Gottes Wort, ich will rühmen des HErrn Wort; und schließt den Psalm mit den Worten: Denn Du hast meine Seele vom Tode errettet, meine Füße vom Gleiten, daß ich wandeln mag vor Gott im Lichte der Lebendigen. David sagt, daß seine Seele dem Verderben entrissen sei, und seine Füße dem Gleiten; jetzt wandelt er wieder den Weg zum Himmel im Lichte des Wortes Gottes. Das Einzige was uns in der Noth beim Vertrauen auf Gott erhalten kann ist, daß wir nicht sehen auf das was vor Augen ist, sondern daß wir uns halten an Gottes Wort. Und thun wir das treu, so ist an keine Furcht zu denken; wir können dann sagen: Was kann uns nun der Teufel thun? Was Sünde, Tod und Leiden? Ich kann vor ihnen sicher ruhn, der Hirte wird mich weiden, der gar mein Bruder worden ist, der alle Bitterkeit versüßt im Leben und im Sterben. Als Jesus einst auf dem Meere wandelte, während Seine Jünger im Schiffe waren, da sagte Petrus zu Ihm: HErr, laß mich Dir entgegen kommen aus dem Wasser; und der HErr antwortete: Komm her! Da steigt Petrus aus dem Schiffe und das Wasser trägt ihn, also daß er zu Jesu gehen kann. Warum trägt ihn das Wasser, da es ihn doch nach den Naturgesetzen nicht tragen kann? Er hielt sich an Jesu Wort, und dieses Wort machte, daß ihn das Wasser tragen konnte Matth. 14, 22 - 33. Nehmt ein Beispiel. Da ist ein Kind, das will auf dem Wasser gehen, ich fasse es unter die Arme und nun geht es auf dem Wasser ohne unterzusinken; da halten also meine Arme das Kind. Und Gottes Arm ist doch noch wohl viel stärker als mein Arm? Gottes Arm habe ich aber in Seinem Worte. Dieses Wort hatte Petrus. Als er aber sahe auf die große Welle, die kam und nicht auf Gottes Wort, da sank er unter, er hatte den Glauben verloren und die Furcht vor dem Sichtbaren hatte sich seiner bemächtigt. Willst du dich nicht fürchten und in keiner Noth untergehen, so darfst du von dem Worte Gottes nicht ablassen; verlierst du das aus den Augen, so mußt du sinken, und da fange an was du willst, es hilft dir alles nichts, reise nach London und Paris, nach Australien und Afrika, alles das hilft dir nichts. Läßt du Gottes Wort fahren, so kommst du in allerlei Sünden und Schanden, besonders wenn du zu den sogenannten klugen Leuten gehörst. Und Gottlob, wer denn nur noch wieder auf den rechten Weg kommt, denn Viele finden ihn gar nicht wieder. Darum ist es so nöthig, daß der Christ täglich mit Gottes Wort umgeht, so daß er nicht bloß ohne Gottes Wort nicht leben kann, sondern daß Gottes Wort seine Seele wird und darum seines Fußes Leuchte und ein Licht auf seinen Wegen. Einen Solchen regiert das Wort Gottes, es bewahrt seine Füße vor dem Gleiten, seine Seele vor dem Tode. Hat man dieses selige Vertrauen auf Gottes Wort, so fürchtet man sich nicht vor wilden Thieren, nicht vor bösen Menschen, auch nicht vor dem Teufel, man bleibt vor eigener Klugheit bewahrt, betet zu dem HErrn, seinem Gott und des HErrn Wort ist wahrhaftig, was Er zusagt, das hält Er gewiß Ps. 33,4. Amen.

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