Goßner, Johannes - Evangelische Hauskanzel - Am Oster-Montage.

Goßner, Johannes - Evangelische Hauskanzel - Am Oster-Montage.

Evang. Luc. 24, 13 - 35.

Jesus wandelt mit Seinen Jüngern nach Emmaus.

Durch mancherlei Erweisungen hat sich Jesus nach Seiner Auferstehung Seinen Jüngern lebendig dargestellt, und sich sehen lassen unter ihnen vierzig Tage lang, und vom Reiche Gottes mit ihnen geredet, sagt Lucas in der Apostelgeschichte. Eine der lieblichsten und lehrreichsten dieser Erscheinungen und Darstellungen ist die des heutigen Evangeliums, Sein Wandeln und Seine Begleitung der zwei Jünger nach Emmaus.

Und siehe, zween aus ihnen gingen an demselbigen Tage in einen Flecken, der war von Jerusalem sechzig Feldweges weit, deß Name heißt Emmaus. Und sie redeten mit einander von allen den Geschichten. Ihr Herz war voll davon, wovon sollten sie sonst reden, als von ihrem Meister, auf den sie alle ihre Hoffnung setzten, und nun war Er ihnen genommen. Sein Kreuz, Sein Tod stand ihnen immer vor Augen. Wer Jesum so lieb und im Herzen hat, der kann wohl auch auf allen Wegen von nichts Anderm reden, als von Ihm. Der Mund verräth, was man im Herzen hat. Wenn du auf deinen Wegen von allen andern Dingen eher und lieber sprichst, als von Ihm, wie kann Er, wie Seine Liebe in dir seyn? Sein Leiden und Tod muß dir alle Tage so neu, so lebendig vor der Seele stehen, und dich so beschäftigen, als sie am dritten Tage darnach noch damit umgingen und davon redeten. Oft ist es besser schweigen, als nicht von Ihm reden.

Und es geschah, da sie so redeten und befragten sich miteinander, nahete Jesus zu ihnen und wandelte mit ihnen. Aber ihre Augen wurden gehalten, daß sie Ihn nicht kannten. Das hat man zum Gewinn; wenn man von Ihm redet, so kommt Er gern, und will auch bei uns seyn. Sind unsere Augen gleich gehalten, daß wir Ihn nicht sehen, aber unsere Seele kann's doch gewahren, Er kann sich fühlbar genug offenbaren auch ungesehn. Denn Sein Naheseyn bringt großen Frieden in's Herz hinein, und Sein innerer Gnadenblick macht uns so selig, daß auch's Gebeine darüber fröhlich und dankbar wird. Es ist ja auch Seine Verheißung, daß wir, so oft wir in Seinem Namen beisammen sind, Ihn in unserer Mitte haben, Er will alle Tage bis an's Ende bei uns seyn. - Es ist Seine Lust, bei den Menschenkindern zu seyn, und bei welchen sollte Er lieber seyn, als bei denen, die Ihn gerne haben, die von Ihm reden, an Ihn denken, Ihn verlangen, Ihm ihr Herz einräumen und eine Wohnung bereiten?

Er sprach aber zu ihnen: Was sind das für Reden, die ihr zwischen euch wechselt unterwegs und seyd traurig? Ihre Traurigkeit war zu sehen. Und das war keine weltliche Traurigkeit, um zeitlichen Verlusts willen, sondern sie trauerten nur um Ihn. Hätten sie Seine Annäherung erkannt, augenblicklich wäre ihre Traurigkeit in Freude verwandelt worden. Selig sind die Trauernden, die um Ihn trauern, weil sie Ihn verloren haben, die werden getröstet werden. Die Traurigkeit der Welt wirket den Tod, diese Traurigkeit um Ihn wirket das Leben. Sieht Er ein Herz, das um Ihn trauert, so nahet Er sich dem Herzen gewiß, und leitet ein Herzensgespräch ein, bei dem man Ihn zwar nicht gleich kennt und versteht, aber es wird nicht lange währen, so wird Er dem Herzen durch Sein Wort und Seinen Geist Trost beibringen, daß man am Ende ein brennendes Herz davon trägt. Dürfte Er wohl dich allemal, wenn du mit Andern gehest oder redest, fragen, was sind das für Reden, die du wechselst mit Andern? Würdest du nicht oft erröthen und erschrecken müssen? Könntest du allemal antworten wie diese Jünger - von wem sonst, als von Dir, Heiland? denn Einer von ihnen, Kleophas mit Namen, antwortete und sprach zu Ihm: Bist Du allein unter den Fremdlingen zu Jerusalem, der nicht wisse, was in diesen Tagen darinnen geschehen ist? Sie waren so voll von der Geschichte des Herrn, daß sie glaubten, daran müsse nun Jedermann denken, da sollte er doch nicht fragen; von was, wollten sie sagen, sollten wir denn reden, als von dem, was ganz Jerusalem erfüllt hat? wer könnte davon schweigen, oder das vergessen? - O wie voll waren sie, und wie leer davon sind jetzt die Christen-Herzen! Wie selten ist die Rede davon! Wer hat solche Eindrücke von der Leidens- und Auferstehungs-Geschichte? Die Jünger meinten: es könnte selbst kein Fremdling in Israel, zu Jerusalem, seyn, der nicht von dieser Geschichte Jesu wisse und rede. Aber wie viele Fremdlinge in Israel giebt es nun in der Christenheit, die nicht davon wissen, nicht daran denken und nicht davon reden! Laßt uns ja nicht diesen Fremdlingen in Israel gleichen, sondern den mit Jesu Tod und Leiden erfüllten Jüngern!

Und Er sprach zu ihnen: Welches? Sie aber sprachen zu Ihm: Das von Jesu von Nazareth, welcher war ein Prophet, mächtig von Thaten und Worten, vor Gott und allem Volk; wie Ihn unsere Hohenpriester und Obersten überantwortet haben zur Verdammniß des Todes und Ihn gekreuziget. Er fragt, was Er schon weiß, also nicht, als wüßte Er's nicht, sondern um es von ihnen selbst zu hören, und sie ihr Herz ausschütten zu lassen. Wie Gott alle unsere Bitten und Wünsche schon vorher weiß, aber Er will Seine Kinder hören und mit Ihm reden lassen. Er hört herzlich gern unsre Klagen, unsre Herzens-Angelegenheiten, und laßt sie sich von uns erzählen, als wüßte Er's nicht, damit wir unsre beschwerten Herzen erleichtern können.

Wie willkommen war es den Jüngern, so gefragt zu werden; wie bereit waren sie, ihr volles Herz auszuschütten, die Ursache ihrer Betrübniß und Traurigkeit zu entdecken. Es war ja nur Er, der Jesus von Nazareth, der in ihrer Mitte wandelte, und den sie nicht kannten, den sie betrauerten als den Abwesenden, den Verlornen, ohne zu wissen, daß sie Ihn so nahe hatten. Es ist ja auch diesmal wahr: man hat Ihn, wo man um Ihn trauert. Und wie sprachen sie von Ihm; was hörte Er von Ihm selber sprechen? Ein Prophet, mächtig in Wort und That - so dachten sie sich Ihn - bloß als Propheten - und Er nahm es ihnen nicht übel - sie werden Ihn schon noch besser kennen lernen. Er war ihnen doch Alles; die ganze Welt erfreute sie nicht - Ihn, nur Ihn wollten sie wieder haben. Darum schmerzte es sie so sehr, daß ihre Hohenpriester und Obersten Ihn zum Tode an's Kreuz gebracht haben. Noch verstanden sie auch nicht, warum das Gott hat geschehen lassen; daß dieses ihr größter Gewinn, ihr ewiges Heil und Leben ist. Noch war es ihnen so leid, daß Er gestorben und gekreuziget ist, was sie nachher, da es ihnen der Herr erklärte, und der heilige Geist sie erleuchtete, als die größte Gnade priesen. Jetzt bedauerten sie Seinen Tod nur als den Märtyrer-Tod eines Propheten oder Heiligen - wie ganz anders aber ward ihnen, als sie erkannten, daß es so seyn mußte zum Heil der Welt. Wer aber nur erst so weit ist, wie die Jünger; wer Ihn nur erst so lieb hat, dem wird Er schon weiter und zur vollen Erkenntniß helfen. Sie fuhren fort:

Wir aber hofften, Er wäre, der Israel erlösen soll. Und über das Alles ist heute der dritte Tag, daß solches geschehen ist. Ihre Hoffnung war ganz falsch; sie hatten nämlich ganz irdische Hoffnungen von Seiner Erlösung Israels - sie meinten, Er werde ein irdisches Königreich aufrichten, und Israel von der Herrschaft der Römer, der Heiden, erlösen. Die Erlösung von Sünde, Tod und Teufel verstanden sie noch nicht und hofften sie noch nicht. Daß Er am dritten Tage auferstehen würde, hofften sie, weil sie es anführten: es ist heute schon der dritte Tag nach Seinem Tode, und noch ist nichts zu sehen von Ihm. Darum trauern sie, und fürchten, sie möchten in ihrer Hoffnung betrogen werden. Sieh, die armen Jünger, wie sie sich mit Zweifeln plagen, und in ihren Hoffnungen täuschen, weil sie noch schwach im Glauben, und irrig in ihrer Erkenntniß waren. So werden Alle betrogen, die bei Jesu nur auf zeitlichen Segen und irdisches Glück hoffen, und glauben, ihre Frömmigkeit müsse ihnen leiblichen Wohlstand verschaffen, und der Herr müsse alle Bitten und Wünsche des Fleisches erhören.

Es haben uns auch erschreckt etliche Weiber aus den Unsern, die sind frühe beim Grabe gewesen, haben seinen Leib nicht gefunden, kommen und sagen, sie haben ein Gesicht der Engel gesehen, welche sagen, Er lebe. Und etliche unter uns gingen hin zum Grabe, und fanden es also, wie die Weiber sagten, aber Ihn fanden sie nicht. So haben sie ihr Herz ausgeschüttet, und all ihren Kummer herausgegeben - die Ursache ihrer Traurigkeit. Das, was ihre Hoffnung hätte vermehren und ihren Glauben stärken sollen, hat sie erschreckt. Haben es Engel gesagt, Boten, Zeugen vom Himmel, so hätten sie nicht mehr zweifeln sollen, besonders, da sie es aus seinem Munde vorher wußten: Ich werde am dritten Tage auferstehen. Und da wirklich auch Männer das Grab leer, und Alles so gefunden haben, wie die Weiber es sagten, warum zweifelt ihr noch? Aber so schwer wird dem Menschen das Glauben, sogar denen, die es gerne glauben möchten, die das zu Glaubende von Herzen wünschen. Wie schwer muß es denen werden, die nicht gern glauben wollen, die das zu Glaubende nicht lieben, nicht wünschen? Wenn die Zweifel selbst den Frommen plagen, wie wird sie der Gottlose überwinden? - Man sieht aus dieser Herzensergießung der zwei Jünger, wie doch alle so lästig und thätig waren; wie sie alle liefen zum Grabe, und den Herrn suchten; wie ihnen um Ihn zu thun war. Weiber, Männer von dem kleinen Häuflein liefen, forschten, sehen nach, wollten auf's Gewisse kommen, ob Er lebe. Ach daß doch allen Christen noch so darum zu thun wäre. Sie würden alle in's Reine kommen; sie würden Ihn alle lebendig finden und erfahren; Er würde sich allen offenbaren. O daß doch Niemand es vom Hörensagen so annähme, und sich damit begnügte, sondern daß Jeder Ihn selber zu erfahren, und Seiner Auferstehung und Seines Lebens im Herzen gewiß zu werden trachtete. Denn eines Theils war es gut, daß die Jünger mit dem bloßen Hören von Weibern, von Engeln, von Brüdern nicht zufrieden waren, sondern daß sie Ihn selbst lebendig sehen und sich mit Augen und Ohren und Herzen überzeugen wollten, daß Er lebe, und dann recht von Ihm zeugen und sagen und schreiben zu können, wie Johannes 1 Br. 1, 1: Was wir gesehen haben mit unsern Augen, betastet mit unsern Händen vom Wort des Lebens, das verkündigen wir euch - - -

Das ist ja schön, daß sie sich mit dem leeren Grabe nicht begnügten, da sie Ihn nicht fanden - Begnüge du dich auch nicht mit dem todten Buchstaben, mit der leeren Form, mit keinem Dinge, es heiße wie es wolle, wenn du Ihn nicht darin findest. Was hilft uns Alles, wenn wir Ihn nicht haben? - Nun fing Er an,

Und Er sprach zu ihnen: O ihr Thoren und träges Herzens, zu glauben alle dem, das die Propheten geredet haben. Mußte nicht Christus leiden, und also in Seine Herrlichkeit eingehen?

Er schalt sie also doch - denn wenn es gleich gut war, daß sie Ihn selber lebendig sehen wollten, so hätten sie doch erst dem Zeugniß der Engel und der Weiber glauben sollen, weil sie's ja ohnehin aus den Propheten und Seinem eignen Munde wußten, daß es geschehen müsse. Es war also doch ein strafbarer Unglaube, Trägheit und Langsamkeit im Glauben, die Gott nimmermehr gefällt. Was geschrieben steht im Alten und Neuen Gottes-Buche, das muß geglaubt werden, daran darf nicht gezweifelt und gegrübelt werden; kein Jota bleibt unerfüllt. Die Welt halt Glauben für Thorheit, der Heiland sagt: Nicht glauben ist Thorheit, schon langsam und träge glauben ist Thorheit. Schnell, ganz, freudig, lebendig glauben alle dem, was geschrieben steht, ist wahre Weisheit und Seligkeit. Wie viel Traurigkeit, wie viel Kummer und Schmerzen hätten sich die guten Jünger erspart; wie viel Freude und Seligkeit hätten sie früher genossen, wenn sie gleich geglaubt hätten: Er hat's gesagt, in drei Tagen lebe ich wieder, und über ein Kleines sehe ich euch wieder - die Engel sagen es: Er lebt wirklich wieder, das Grab ist schon leer; todt kann Er nicht mehr seyn, denn die Todten liegen in Gräbern - also Er lebt, Er muß leben - Er konnte nicht lügen, die Schrift trügt nicht, die Engel lügen nicht - Nun wollen wir nur warten, bis Er sich zeigt - es kann nicht lange mehr seyn, Er kann selbst nicht so lange warten, Er liebt uns - wir sehen Ihn bald. - Das wäre Glauben und Seligkeit gewesen. So ist's mit all unsrer Traurigkeit, sie ist eine Geburt des Unglaubens - wer glaubt, ist selig, nicht traurig - denn er hat Verheißungen genug, daß er frisch glauben und freudig seyn darf selbst in großen Leiden, denn er weiß ja, sie werden ihm zum Besten gewendet und enden sich mit Seligkeit.

Die Jünger haben sich am Leiden und Tode Jesu geärgert, das hat ihnen allen Glauben genommen. Sie erwarteten Herrlichkeit ohne Leiden und Sterben; nun mußten sie die große Schmach und den bittern Tod mit ansehen; das war ganz gegen ihre falschen Hoffnungen. Aber darüber schalt sie Jesus indem Er sprach: Mußte nicht Christus leiden, und so in die Herrlichkeit eingehen? Ist's nicht so geschrieben in der Bibel? Sie hatten sich wohl, wie viele Christen, nur die schönen Sprüche von Freuden und Herrlichkeiten des Messias aus der Bibel gewählt; aber die kommen hernach - zuvor kommt Leiden und Kreuz, Schmach und Tod - und das überschlugen sie, und achteten es nicht, weil es Fleisch und Blut nicht gefällt. Sie wünschten sich einen Christus, der ohne Leiden, ohne Kreuz und Tod in die Herrlichkeit eingeht, und sie mit Ihm. O wie viele Christen haben denselben Sinn! Er hat es ihnen aber oft genug gesagt, was sie bei Ihm zu erwarten hatten, und was Er leiden müsse. Aber darauf horchten sie nicht, oder verstanden es nicht, weil sie nicht Lust dazu hatten. Christi Reich ist auf Erden ein Kreuz-Reich, das Reich der Herrlichkeit kommt hernach. Wie Christus durch Leiden für uns in Seine Herrlichkeit eingehen mußte, so müssen auch alle Seine Jünger durch viel Trübsal in die aus Gnaden erworbene Herrlichkeit Christi eingehen. Wer nur auf Gnade, und Herrlichkeit ohne Kreuz und Leiden rechnet, der verrechnet sich.

Und nun fing Er an von Mose und allen Propheten, und legte ihnen aus in allen Schriften, was von Ihm gesagt war. Wer möchte nicht dabei gewesen seyn, und selbst aus Seinem Munde gehört haben, wie Er die Schrift auslegte, welche Stellen Er anführte, und wie Er sie erklärte?! - Doch wir haben dieselbe Schrift, dieselben Stellen - und da die ganze Schrift von Ihm handelt und zeugt, so fehlen wir nicht, wenn wir sie alle auf Ihn auslegen, und wenn wir Seinen Geist bitten, den Er uns versprochen hat, daß Er uns in alle Wahrheit leite, so wird Er uns auch in diese Wahrheit, und auf die Stellen hinleiten, und sie uns so klar machen, als Er selber, wenn Er da wäre. Nur fleißig gelesen und gebetet! Das 53. Kap. Jesaia wird da gewiß zur Sprache gekommen seyn, so wie Psalm 2. und wie viele andere! - Die Jünger haben diese Stellen gewiß oft gelesen und lesen hören in der Synagoge, aber wie konnten sie es verstehen, ehe Er ihnen sie öffnete und an's Herz legte. Glauben wir ja nicht, daß wir die Schrift verstehen, ohne Ihn, ohne Seinen Geist, ohne daß uns erleuchtete Augen gegeben sind. Und darum muß man bitten.

Und sie kamen nahe an den Flecken, da sie hingingen, und Er stellte sich, als wollte Er weiter gehen. Und sie nöthigten Ihn und sprachen: Bleibe bei uns, denn es will Abend werden, und der Tag hat sich geneiget. Und Er ging hinein, bei ihnen zu bleiben. Sie waren nun nach Emmaus gekommen, wahrscheinlich zu ihrem Wohnhause, und Er stellte sich - das heißt nicht, Er verstellte sich, nein, Er wollte wirklich, und wäre auch weiter gegangen; denn Er hatte noch viele so traurige Jünger zu trösten, wie Er denn wirklich hernach gleich nach Jerusalem ging zu den Elfen. Hätten sie Ihn nicht genöthigt, so wäre Er nicht bei ihnen geblieben. Aber ihre Herzen, so sehr Er sie schalt, waren doch so angezogen von dem Fremdling, daß sie Ihn nicht gehen lassen konnten. Was ist das für ein Mann? müssen sie gedacht haben, wie ist uns so wohl um Ihn, und so leicht um's Herz! den können wir nicht von uns lassen. Wer einmal geschmeckt hat, wie freundlich der Herr ist, der kann ohne Ihn nicht mehr leben. Selbst wenn Er ernstlich ist, und schilt uns, macht Er Einem wohl und zieht an; man kann Ihn nicht mehr lassen. Er will sich aber nicht aufdringen, Er will genöthigt seyn, das Herz muß Ihn gerne haben wollen, muß Ihn ergreifen und sagen: Ich lasse Dich nicht, Du segnest mich denn. Diese Nöthigung, diesen Zwang hat Er gerne. Wenn sich's um Ihn handelt, muß man nicht bescheiden seyn, sondern Gewalt üben - das Himmelreich leidet Gewalt, die Gewaltthätigen reißen Ihn und Sein Reich an sich. Bei den Bescheidenen geht Er weiter. Er nahet sich denen, die um Ihn trauern; ist das nicht genug? - aber dann müssen sie Ihn halten und nicht lassen. Halte, was du hast, sagt Er selbst, Offenb. 3, 11., damit deine Krone kein Anderer raube - Andre greifen gern darnach. Wenn deinem Herzen so wohl wird, wie den Jüngern aus dem Wege nach Emmaus, daß es dich brennt, da mußt du nicht zweifeln; der Herr ist da; da mußt du Ihn festhalten und mit in dein Kämmerlein, in dein Herz nehmen und einschließen, mußt dich Ihm ganz hingeben; da findet sich leicht ein Grund, Ihn zu bereden und zum Bleiben zu nöthigen - die Jünger sagten: Bleibe bei uns, der Tag hat sich geneigt, es will Abend werden, wo willst du noch hin? Eigentlich war es ihnen aber um Ihn und Sein Bleiben bei ihnen zu thun - Er würde sich wohl auch in der Nacht ohne sie und ihre Hütte zurecht gefunden haben - aber sie nicht ohne Ihn. Er ließ sich aber auch durch solche Gründe bereden; Er sah ihre Herzen an, daß sie Ihn herzlich gerne haben möchten. Und wo Er dieses sieht, kann Er nicht weiter gehen. O wie leicht könnte Ihn doch Jeder in seiner Hütte, in seinem Herzen haben, wenn sie nur Alle ernstlich wollten, und Ihn ein wenig nöthigen möchten! Er läßt sich beim Arm ergreifen und heimführen. Wie glücklich waren die Jünger, da sie Ihn nun bei sich hatten.

Denn es geschah, da Er mit ihnen zu Tische saß, nahm Er das Brod, dankte, brach es und gab es ihnen. Da wurden ihre Augen aufgethan, und erkannten Ihn; und Er verschwand vor ihnen. Er machte es so, wie Er es beim Abendmahl und sonst machte, wenn Er mit ihnen aß - und die Decke wurde von ihren Augen genommen, nun sahen sie, Er ist's selber - o welche Freude im Herzen, wenn man auf einmal erkennt und erfährt: Er ist's, Er ist mir nahe, Er selber! Am Brodbrechen, beim heiligen Abendmahl hat Ihn wohl manche Seele schon erkannt und erfahren. Er kann sich einem Herzen, das Ihn hat, ohne es zu wissen, nicht lange verbergen, Er muß sich bald offenbaren, Seine Liebe ist zu brünstig und Er hat uns viel zu lieb. Er war so familiär, Er setzte sich gleich mit ihnen in ihrer Hütte zu Tische, und macht den Hausvater, bricht das Brod und giebt es ihnen. Thue Ihm nur dein Herz auf, laß Ihn nur ein, Er wird gleich das Herzens-Hausrecht übernehmen, und vertraulich mit dir seyn; du wirst bald Himmelbrod, Manna aus Seiner Hand bekommen, und schmecken, daß Er es ist - wenn du Ihn gleich nicht siehst. Erfahren, schmecken, wie freundlich Er ist, ist mehr als sehen.

O welch ein Licht tritt in's Gesicht, wenn Er im Herzen funkelt!
Er, der's schönste Morgenroth wie der Tag verdunkelt!
Er segnet mich so fühlbarlich, daß sich Geist, Leib und Seele
Gottes meines Heilands freut bei Gebrech und Fehle!
O sehnt ich mich herzinniglich nach Ihm nur unverrücklich,
So wär ich nach Leib und Seel' unaussprechlich glücklich!
Denn wenn ich wein um's Seligseyn in Seiner lieben Nähe,
Ist's schon immer ein Beweis, daß Er vor mir stehe.
Die Seligkeit, Ihm allezeit das Herze zuzuschicken.
Hat den Trost niemalen weit, Er will uns erquicken.

Und sie sprachen zu einander: Brannte nicht unser Herz in uns, da Er auf dem Wege mit uns redete, und uns die Schrift öffnete?

Seht, nun kommt's heraus, das Feuer ist schon angegangen in ihren Herzen, sobald Er zu ihnen kam, mit ihnen redete, und ihnen die Bibel erklärte. Jetzt gestehen sie es. Wie todt und kalt ist der Buchstabe - auch der Bibel, wenn wir sie ohne Ihn lesen; wie brennt s, wenn wir sie in Seiner Nähe mit Ihm und durch Ihn betrachten, und sie uns von Ihm öffnen lassen! Ja in einem Augenblick sieht man mehr und wird klüger als die Alten, wenn man sich nicht von seiner eignen Vernunft und Kraft, sondern von Ihm und Seinem Geiste beim Hören und Lesen des Wortes Gottes leiten läßt und Ihn bei sich hat. Wenn dir dein Herz nicht brennt beim Worte Gottes, so muß wohl Er dir fehlen, und du nicht recht mit Ihm stehen. Darum gehe nie ohne Ihn zur Bibel oder In die Predigt - nöthige Ihn, mitzugehen, und dir die Schrift zu öffnen, so wirst du gewiß nicht kalt oder lau davon kommen, sondern das Herz wird dir allemal brennen, so oft du in Seiner Nähe Sein Wort hörst oder liesest.

Die einfältigen, die lieben, schlichten Jünger haben uns ein großes Geheimniß entdeckt und hinterlassen, daß wir wissen, es ist dort schon so gewesen; das Herz brennt einem, wenn Er nahe ist, wenn Er uns Sein Wort öffnet. Am Herzbrennen erkennt man Seine Nähe. Wir würden es jetzt nicht glauben, wenn wir es nicht lesen könnten in der Bibel, in der Geschichte dieser Jünger, die Ihn leibhaftig in ihrer Mitte hatten und nicht kannten, also so viel als nicht sahen, wie wir, aber das Feuer der Liebe des göttlichen Freundes im Herzen war ihnen der Beweis und das unfehlbare Zeugniß: Er war's, Er öffnete uns die Schrift. Mag der kalte Verstand lachen; die Einfalt hat es doch, erfährt es und ist selig. Und das war so Seine Weise schon damals, die vierzig Tage nach Ostern, und so erfahren wir es noch, glauben und sind selig. - O daß es Keiner nur vom Hören sel‘ger Lehren möge schließen, sondern haben und genießen.

Nun waren die zwei Emmauser die Glücklichsten; sie hatten Ihn von innen und außen gesehen und erfahren - Augen und Herzen hatten Ihn wahrgenommen. Nun hatten sie, was sie wollten. Da konnten sie aber nicht länger in ihrer Hütte bleiben und ruhig schlafen. – „Nein doch,“ hieß es, - „schnell auf, fort nach Jerusalem, das müssen die traurigen Brüder heute noch erfahren - diese Freude können wir allein nicht ertragen, die müssen wir ihnen heute noch mittheilen.“ Aber der Herr ist ihnen schon zuvorgekommen. Da sie nach Jerusalem kommen, rufen ihnen die andern schon entgegen: Der Herr ist wahrhaftig auferstanden und dem Simon erschienen, der es am wenigsten verdient hatte, aber am bedürftigsten war - darum kam auch der Herr zuerst zu Ihm - Er sieht die Elenden an, und die zerbrochenen Herzens sind. Sie erzählten darauf: Ja wir haben Ihn selbst gesehen und erkannt am Brodbrechen, Er wandelte mit uns auf dem Wege, öffnete uns die Schrift, daß uns das Herz zu brennen anfing - Er ist, Er lebt. Nun war große Freude - doch aber noch das Verlangen in denen, die Ihn noch nicht gesehen, daß Er doch auch ihnen erscheinen möchte. Und gleich war Er da - sie redeten noch, und Er kam und stellte sich mitten unter sie, und sprach Sein: „Friede sey mit euch!“ und zeigte ihnen die Wunden in Händen und Füßen.

O laßt uns so dem Heiland anhangen, so nach Ihm verlangen wie die Jünger, so werden auch Alle Seine lebendige Nähe erfahren und dieselbe Freude haben. Amen.

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