Gerhard, Johann - Heilige Betrachtungen - Von der Reinheit des Gewissens.

Gerhard, Johann - Heilige Betrachtungen - Von der Reinheit des Gewissens.

Ein Gemüt, des Rechten bewusst, ist Leben.

In allem deinem Tun bedenke mit der ernstesten Sorge dein Gewissen. Wenn der Teufel dich zu einer Sünde reizt, so achte das innere Gericht des Gewissens. Wenn du dich fürchtest in Gegenwart anderer Menschen zu sündigen, so halte dich noch viel mehr das eigene Gewissen von der Sünde ab: das innere Zeugnis ist mächtiger als das äußere. Obgleich also deine Sünden der Anklage aller Menschen entgehen, so wirst du doch niemals der inneren Bezeugung des Gewissens entgehen können. Das Gewissen wird mitten unter jenen Büchern sein, von denen die Offenbarung bezeugt, dass sie im Gericht dereinst aufgetan werden Off. Joh. 20,12. 5,1 ff.

Das erste ist das Buch der göttlichen Allwissenheit, in welchem die Taten, Worte und Gedanken aller Menschen ohne Unterschied im hellen Wiederschein leuchten.

Das zweite Buch ist Christus, welcher ist das Buch des Lebens Off. Joh. 13,8; wer in diesem Buch durch den Glauben geschrieben gefunden wird, der wird von den Engeln in das Himmelreich geführt werden.

Das dritte Buch ist die Schrift, nach deren Regel der Glaube und unsere Werke werden gerichtet werden. Das Wort, welche sich geredet habe, spricht der Erlöser, das wird sie richten am jüngsten Tage Joh. 12,48.

Das vierte Buch enthält die äußeren Zeugnisse der Armen, welche am Tag des Gerichte uns aufnehmen werden in die ewigen Hütten Luk. 16,9.

Das fünfte Buch enthält das innere Zeugnis des Gewissens, weil das Gewissen eine Urkunde ist, in welche alle Sünden eingetragen werden. Eine große Rolle ist das Gewissen, in die alles mit dem Griffel der Wahrheit eingegraben ist. Die Verdammten werden im Gericht ihre Sünden nicht leugnen können, weil sie durch das Zeugnis des eignen Gewissens werden überführt werden; sie werden sich der Anklage des Gewissens nicht entziehen können, weil das Gericht des Gewissens ein innerliches und unwiderlegbares ist.

Das reine Gewissen ist der hellste Spiegel der Seele, in dem sie sich und Gott schaut: ein unreines Auge kann den Glanz des wahren Lichts nicht sehen. Daher spricht der Erlöser: Selig sind, die reines Herzens sind, denn sie werden Gott schauen Matth. 5,8. Wie das wohl gebildete und reine Antlitz eines Menschen lieblich anzuschauen ist, so ist das lautere und reine Gewissen vor den Augen Gottes angenehm; aber das befleckte Gewissen erzeugt Würmer, die nicht sterben Jes. 66,24. Mk. 9,44.46.48. Jetzt muss man darum den Wurm des Gewissens fühlen und töten, nicht aber für die Unsterblichkeit ihn hegen. In der Verbesserung dieses Buchs wird ein jeder anders befunden. Was nützt das große Wissen, wenn ein unreines Gewissen da ist? Nicht aus dem Buche des Wissens, sondern des Gewissens wirst du einst vor dem Thron Gottes gerichtet werden. Willst du dies Buch recht schreiben, so schreibe es nach dem Muster des Buchs des Lebens. Das Buch des Lebens ist Christus. Nach der Regel der Lehre Christi gestalte sich das Bekenntnis deines Glaubens; nach der Regel des Lebens Christi gestalte sich die Führung deines Lebens. Das Gewissen wird gut sein, wenn es im Herzen Reinheit, im Mund Wahrheit, im Handeln Ehrbarkeit hat. Das Gewissen brauche als eine Leuchte in allein Tun; denn das wird dir gründlich zeigen, welches Tun im Leben gut, und welches schlecht ist.

Fliehe dieses Gericht des Gewissens, in welchem einer und derselbe Angeklagter, Anwalt, Zeuge, Richter, Peiniger, Gefängnis, Geißel, Vollstrecker, Stockmeister ist. Welch Entrinnen wäre hier möglich, wo der selbst Zeuge ist, der anklagt, und wo dem nichts verborgen sein kann, welcher richtet? Was nützt's, wenn alle dich loben, und das Gewissen dich anklagt? Was wird es schaden können, wenn alle sich von dir lossagen, und das Gewissen dich verteidigt? Dieser einige Richter ist genug für einen jeden zum Anklagen, zum Richten, zum Verdammen. Dieser unbestochene Richter kann weder durch Bitten andern Sinnes, noch durch Geschenke andern Willens gemacht werden. Wohin du auch gehst, wo du auch bist, da ist immer dein Gewissen bei dir, und trägt bei sich, was du in es gelegt hast, es sei nun Gutes, oder Böses; dem Lebendigen bewahrt es und dem Gestorbenen erstattet es, was in es niedergelegt worden ist und was es zur Bewahrung empfangen hat. So sind in Wahrheit des Menschen Feinde seine eignen Hausgenossen Matth. 10,36, so hast du im eignen Haus und von der eignen Familie Ankläger, Beobachter und Reiniger. Was nützt's in der Fülle des Überflusses leben und von der Geißel des Gewissens gefoltert werden? Der Quell des menschlichen Glücks und Elends liegt in dem Herzen. Was hilft's einem Fieberkranken auf einem goldenen Bett liegen? Was hilft's einem von den Bissen des Gewissens Geängsteten an der Masse äußeren Glücks sich ergötzen?

Wie groß die Sorge um das ewige Heil ist, so groß sei auch die Sorge um das Gewissen. Ist das gute Gewissen verloren, so wird auch der Glaube verloren. Ist der Glaube verloren, so wird die Gnade Gottes verloren. Ist die Gnade Gottes verloren, wie kann auf das ewige Leben gehofft werden? Wie das Zeugnis deines Gewissens ist, so wirst du auch das Gericht von Christo erwarten. Die Sünder werden, ohne dass sie jemand der Schuld zeiht oder etwas wider sie vorbringt, selbst ihre eigenen Verkläger werden. Wie der Trunkene, wenn er eine Masse Wein's hinabgestürzt hat, keinen Schaden vom Wein merkt, hernach aber, wenn er vom Taumel erwacht ist, die nachteiligen Folgen der Trunkenheit empfindet: so auch verfinstert die Sünde, bis sie vollbracht wird, den Geist, und umdüstert gleich wie eine dicke Wolke den Glanz des wahrhaften Gerichts: hernach aber erhebt sich das Gewissen und nagt gewaltiger als irgend welcher Verkläger.

Es sind drei Gerichte: das Gericht der Welt, das Gericht deiner selbst, und das Gericht Gottes. Wie du aber dem Gerichte Gottes nicht entlaufen kannst, so wirst du auch deinem eigenen Gericht nicht entlaufen können, wenn du auch einmal dem Gericht der Welt entläufst. Es gibt keine Wände, die es verhindern können, dass dieser Zeuge deine Handlungen steht. Welche Entschuldigung wird's vermögen, dich in Schutz zu nehmen, wenn die innere Anklage dich verdammt?

Die Ruhe des Gewissens ist der Anfang des ewigen Lebens. Wahrer und zu größerer Erquickung wirst du mitten in Trübsal des guten Gewissens dich freuen, als des bösen mitten in der Freude. Aller Anschuldigung der Boshaften wirst du die Entschuldigung des Gewissens entgegenstellen können. Frage dich über dich, weil du dich viel besser kennst, als irgend ein andrer Mensch. Was werden im letzten Gericht die falschen Lobeserhebungen anderer helfen, was die falschen Verunglimpfungen anderer schaden? Gottes und deinem Gericht wirst du stehen oder fallen, nicht dem Zeugnis anderer wirst du stehen oder fallen. Das Gewissen hat kein Ende, wie die Seele kein Ende hat. So lange werden die göttlichen Strafen die Verdammten drücken, als die Anklage des Gewissens dauern wird. Kein äußerliches Feuer greift den Körper so heftig an, als diese innerliche Flamme die Seele mit ihrem Brand angreift. Ewig ist die Seele, die den Brand empfindet, ewig das Feuer des Gewissens, welches brennt. Keine äußerlichen Streiche sind dem Leibe so lästig, als der Seele diese innerlichen Schläge beschwerlich sind. Hüte dich darum vor dem Fluch der Sünde, damit du der Marter des Gewissens entgehst. Tilge durch wahre Buße die Sünden aus dem Buch des Gewissens, damit sie im Gericht nicht gelesen werden und du die Stimme des göttlichen Urteilsspruches nicht hören musst. Töte den Wurm des Gewissens durch den Eifer in der Demut, damit nicht sein Biss dir ewigen Schauder bereitet. Lösche dieses innerliche Feuer aus durch Tränen, damit du zu den Freuden der himmlischen Erquickung gelangst.

O Herr, gib, dass wir den guten Kampf kämpfen, den Glauben und das gute Gewissen bewahren, auf dass wir endlich wohl behalten und unversehrt zum himmlischen Vaterland gelangen!

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