Gerhard, Johann - Heilige Betrachtungen - Von dem seligsten Schauen Gottes im Himmel.

Gerhard, Johann - Heilige Betrachtungen - Von dem seligsten Schauen Gottes im Himmel.

Das Vaterland der Heiligen ist der Himmel.

In meines Vaters Haus sind viel Wohnungen, spricht unser Heiland Joh. 14,2. Ich sehne mich, Herr, den Ort zu sehen, an dem du mir eine ewige Wohnung bereitet hast. Ich bin beides - dein Fremdling und dein Bürger, wie alle meine Väter Ps. 39,14. Die Tage meiner Pilgrimschaft sind wenig und böse 1 Mos. 47,9; darum verlangt mich in diesem Elend der Welt nach dem himmlischen Vaterland; denn mein Wandel ist im Himmel Phil. 3,20; mich verlangt zu sehen das Gute des Herrn im Land der Lebendigen Ps. 27,13. Wie ein Bild geht dieses Leben vorüber, meine Tage sind einer Hand breit, und mein Leben ist wie nichts vor dir Ps. 39,7. Was also ist meine Hoffnung? Nicht wahr, der Herr? Herr Jesu, wie lange wird es währen, dass ich zu dir komme? Wann werde ich erscheinen vor deinem Angesicht? Ps. 42,3. Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser, so schreit meine Seele, Gott, zu dir! Ps. 42,2. O wahre, und vollkommene und volle Freude! O Freude über Freude, die über alle Freude geht, außer der es keine Freude gibt; wann werde ich eingehen zu dir, dass ich meinen Gott schaue, der in dir wohnt? Herr, du erfreust mich mit Freuden deines Antlitzes Ps. 21,7; liebliches Wesen ist zu deiner Rechten ewiglich Ps. 16,11; ich werde trunken werden von den reichen Gütern deines Hauses, und du wirst mich mit Wollust tränken als mit einem Strom; denn bei dir ist die lebendige Quelle Ps. 36,9.10.

O ersehntes Leben! O seliges Glück, in dem die Heilige Dreieinigkeit die Erfüllung unserer Verlangen sein wird, die ohne Ende geschaut, ohne Abnahme der Lust geliebt, ohne Ermüdung gelobt werden wird! Gott schauen wird über alle Freuden gehen. Christum sehen, mit Christo leben, Christum hören wird alles, was unser Herz sich ersehnen kann, weit übersteigen. O Jesu Christe, süßester Bräutigam meiner Seele, wann wirst du deine Braut in den königlichen Palast einführen? . Woran wird es da mangeln können? Was wird es da weiter zu wünschen oder zu erwarten geben können, wo Gott alles in allem sein wird? 1 Kor. 15,28. Schönheit wird er für das Gesicht, Süßigkeit für den Geschmack, Lobgetöne für das Gehör, Balsam für den Geruch, Pracht für das Gefühl sein. Alles wird Gott sein, und einem jeden wird er nach dem Wohlgefallen seines Herzens Güter zuteilen. Verlangst du Leben, Gesundheit, Frieden, Ehren: dort wird Gott alles in allem sein. Die Geheimnisse, welche nur den größten Lehrern in der Kirche bestimmt sind, werden dort selbst kleinen Mädchen zugänglich sein. Christi gebenedeite Menschheit wird uns zur Seite sein, und über die verborgenen Geheimnisse unseres Heils wird die lieblichste Verkündigung erschallen. Seine Stimme ist süß, und seine Gestalt ist lieblich Hohel. 2,14, über seine Lippen ist Gnade ausgegossen Ps. 45,3, mit Ehren und Schmuck gekrönt geht er einher Ps. 8,6. Wenn Gott alles in allem sein wird, so wird er dem Verstand die Fülle des Lichts, dem Willen die Menge des Friedens, dem Gedächtnis die Fortsetzung der Ewigkeit sein. Der Sohn wird den Verstand mit vollständigster Erkenntnis sättigen, der Heilige Geist den Willen mit der süßesten Liebe, der Vater das Gedächtnis mit sicherer Erinnerung beider. Du, o Gott, wirst das Licht sein, in dessen Licht wir das Licht sehen werden Ps. 36,10, dich nämlich in dir, in dem Glanz deines Angesichts, wenn wir dich sehen werden von Angesicht zu Angesicht. Und wir werden sich nicht bloß sehen, sondern wir werden auch mit dir leben; und wir werden auch nicht bloß mit dir leben, sondern wir werden dich auch loben; und wir werden dich nicht bloß loben, sondern wir werden auch Genossen deiner Freude sein; und wir werden uns nicht bloß mit dir freuen, sondern wir werden auch gleich wie die Engel sein Matth. 22,30; und nicht bloß gleich wie die Engel, sondern sogar auch gleich wie der in Ewigkeit hochgelobte Gott. 1 Joh. 3,2.

Hier erstaune die gläubige Seele und bete die Barmherzigkeit ihres Heilandes an. Er nimmt uns, die wir Feinde sind, nicht bloß zu Gnaden an, sondern vergibt uns auch die Sünden, schenkt uns Gerechtigkeit, führt uns zum himmlischen Erbe, ja macht uns den Engeln und sich selbst ähnlich. O seligste Stadt! O himmlisches Jerusalem! O heilige Wohnung der heiligsten Dreieinigkeit, wann wird die Zeit kommen, wo ich eingehen werde in deinen Tempel? Der Tempel des himmlischen Jerusalem ist das Lamm Off. 21,22, dass Lamm nämlich, welches der Welt Sünde trägt Joh. 1,29, und erwürgt ist von Anfang der Welt Off. 13,8. Wann wird die Zeit kommen, da ich meinen Gott in jenem Tempel, nämlich Gott in Gott anbete? Wann wird mir die Sonne aufgehen, die jene heilige Stadt erleuchtet Off. 21,23. Ich wandle noch fern von meinem Vaterland in der Verbannung, aber ein herrliches Erbe ist mir aufbehalten 1 Petr. 1,4. Ps. 16,6. Denen, die da glauben, ist durch Christum die Macht verliehen, Gottes Kinder zu werden Joh. 1,12. Sind wir denn Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Gottes Erben, und Miterben Christi Röm. 8,17.

Sei frohen Mutes, meine Seele, und schaue voll Sehnsucht nach deinem Erbe. Der Herr ist das Teil meines Erbes Ps. 16,5, und mein sehr großer Lohn 1 Mos. 15,1. Was könnte mir außer dem die erbarmungsreichste Güte Gottes schenken? Er schenkt das Leben; er schenkt den Sohn; er schenkt sich selbst. Wüsste er noch etwas Größeres im Himmel und auf Erden, so würde er es uns auch noch schenken. In Gott leben wir Ap. Gesch. 17 28, Gottes Tempel sind wir 1 Kor. 3,16, Gott besitzen wir, hier zwar im Geist und Geheimnis, dort aber in Wahrheit; dort wird unsere Hoffnung etwas Erkennbares sein; dort werden wir nicht bloß bleiben, sondern auch ewig wohnen.

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