Diedrich, Julius - Der siebzehnte Psalm.
David bittet aus der Seele aller wahrer Frommen und Reichsgenossen in großer Not vor den Verfolgern auf Erden zu Gott, Er möge ihn aus aller Gefahr dadurch entrücken, dass Er ihn im rechten Glauben erhalte, die Feinde dämpfe und ihn selbst Gottes Gnadenantlitz zu seinem vollen Troste zu schauen gebe. Zuerst beruft er sich aber darauf, dass ihn Gott doch als aufrichtigen Herzens kenne und gibt damit zu erkennen, welche allein die wahren Reichsgenossen seien, die sich der Hilfe Gottes getrösten dürfen. Das sind nämlich die aufrichtigen, wahrhaftigen, welche weder sich selbst, noch Gott, noch Menschen belügen wollen. Dessen muss man in großen Anfechtungen vor Gott immer selbst wieder gewiss werden, weil einem da der böse Feind alles mögliche aufrückt und einen an seinem eigenen Wesen auch da irre machen will, wo es rechtschaffen ist.
Ein Gebet Davids. So kann David samt allen, die mit ihm im rechtschaffenen Glauben stehen, vertrauensvoll zu Gott reden, so stehen sie denn auch alle mit Freuden und getröstet auf. HErr höre die Gerechtigkeit in meiner Person, welche ja nur Deinen Willen gelten lassen will und aus Deiner Gnadenwahrheit lebt. Was aber nicht Gerechtigkeit in mir ist, das wolle Gott abtun. Merke auf mein Geschrei, vernimm mein Gebet: ach gar mächtig stürzen die Seufzer aus des Angefochtenen Herz zu Dir empor! Höre mein Flehen, das nicht aus Lippen des Truges hervorgeht. Wo einer bloße Worte macht und das Herz doch voll Unglaubens, Murrens und Eigenwillens ist, da kann Gott nicht erhören. Darum lass vor deinem Beten dein Herz erst richtig werden, oder bitte vor allen Dingen doch um ein lauteres Herz; sonst ist alles Bitten vergebens.
Von Dir gehe aus mein Recht, Du Gott der Gerechtigkeit und Wahrheit, Du allein seiest mein Richter im Streite mit meinen Feinden. So kann nur einer beten, welcher der Vergebung seiner Sünden zuvor gewiss geworden ist. Deine Augen mögen meine Redlichkeit anschauen, dass ich doch fürwahr nichts andres als Deine Ehre suche und darüber nun Feindschaft und Ungemach leide.
Und darin müssen wir uns täglich wieder fest setzen, dass wir nichts anderes als Gottes Wahrheit wollen.
Du prüfst mein Herz und besuchst es des 3. Nachts, wenn ich einsam auf meinem Lager mein Leben überdenke, Du weißt, dass ich mich also innerlich von Deinem heiligen Geiste gern strafen lasse, Du läuterst mich, wenn Du mir alles noch von mir abzutuende sündliche vorhältst und klar machst und findest dabei nicht, dass ich heucheln, vor Dir mich verbergen oder gar verstecken wollte.
Meine Gedanken überschreitet nicht mein Mund, dass ich wie die heuchlerischen Schwätzer mehr reden sollte, als in meinem Herzen ist. Sage es Gotte immer ganz so, wie du es in dir fühlst und findest, so wird Er dich durch Seine Gnade auch zurecht bringen; die aber so unkeusch andern Leuten fromme Reden nachschwatzen, haben keine Hilfe.
Bei den Händeln der Menschen habe ich auf das 4. Wort Deiner Lippen, nach Deinem Gesetze, mich bewahrt vor den Wegen des Gewalttätigen, dass ich nimmer meinen Nächsten übervorteilen noch ausbeuten wollte; und wer das noch sucht, der kennt fürwahr nicht den Gott der Gnade und Liebe. Freilich muss ich dabei zugleich seufzen: Erhalte meinen Gang auf Deinen Fußsteigen, 5. dass meine Tritte nicht gleiten. Du Herr musst freilich immer das Beste dabei tun, denn in mir ist viele Neigung zum Zurückweichen, ich würde leicht straucheln, fallen und liegen blieben; Du wollest aber fort und fort mich durch Deinen Geist treulich strafen und trösten, dass ich an Dir meine Kraft habe. Nachdem nun David ausgesprochen, 6. wie er in Lauterkeit an Gottes Gnade hange, trägt er hierauf seine Bitte selbst vor und beruft sich danach vor Gott darauf, dass ja seine Feinde nur Gottes Feinde seien, welche Er nach Seiner Gerechtigkeit wohl dämpfen müsse. Ich rufe zu Dir, denn Du, Gott, wirst mich erhören, das weiß ich im Glauben zuvor, obwohl ich das Wie noch nicht sehe; neige Dein Ohr zu mir, höre meine Rede: was Du mir gewiss zugesagt hast dadurch, dass Du mein Gott sein wolltest, das führe nun auch herrlich hinaus; gib mir nur erst die Gewissheit, dass Du hier mich gehört habest, so habe ich auch den Sieg in diesem Kampfe.
7. Wunderbar beweise Deine Gnaden, Du Heiland derer, die Dir vertrauen, vor Widersachern behüte mich durch Deine Rechte! Der Kampf ist mir zu schwer, Du HErr musst der eigentliche Kämpfer sein und zwar durch wunderbares Dreingreifen von oben her; darauf sind wir, die kleine Herde, ganz gewiesen: so wird es Gott auch über unsern Verstand vollbringen.
8. Bewahre mich wie den Augapfel im Auge, Du hast es uns ja vor Alters so verheißen, dass Du Deiner Gläubigen Leben also sorglich behüten willst (5 Mos. 32,10) und willst ganz in unsern Seelen fühlen; verbirg mich unter dem Schatten Deiner Flügel, dass ich bei Dir sichre Zuflucht habe und die da draußen getrost toben lasse. Ja Gott ist fürwahr ein solcher, welcher uns in Ihm selbst die höchste Zuflucht gibt. So wird aber Gott in Christi Wunden am höchsten offenbar, in welche wir unsre Seelen flüchten. Solche Liebe ist Gott, welcher die Sünder in 9. Seine Sühne aufnimmt, die Er für sie dargebracht. Ach verbergen wollest Du mich, ja vor den Gottlosen, die mich verstören, vor meinen Feinden, die um und um nach meiner Seele stehen. Was Du gesegnet hast und im Segen erhalten willst, meine Seele, die wollen sie verstören, die halten sie dazu, von allen Seiten lauernd, umlagert, da wollest Du mir gegen solche Deine Feinde 10. helfen! Ihr Fett, denn ihr Herz ist lauter Fett, das verschließen sie, dass sie meinen Schmerz und meine Angst nimmer fühlen; mit ihrem Munde reden sie stolz und fragen nichts nach meinem Leiden noch nach den Schranken, welche ihnen Gottes Wort gesetzt. Alle unsere 11. Schritte, wohin wir Bekenner Deiner Wahrheit uns nur wenden, umgeben sie mich jetzt, ihre Augen richten sie dahin uns zur Erde zu strecken. Sie wollen uns nur eine schwache Seite abgewinnen, uns bequem beikommen 12. und dann zu Boden strecken. Er (der Feind) gleicht einem Löwen, begierig des Raubes und wie ein junger in der Höhle liegender Löwe, welcher bereit ist auf arglos vorübergehendes Wild sich herzustürzen. Da muss derjenige wohl Gott selber sein, welcher uns schwache Schafe schützen soll. Gottes Wort ist aber solche Rüstung, dass mit demselben wir Schafe auch über die Löwen triumphieren müssen.
Noch heftiger betet der Sänger jetzt zu Gott, Er wolle doch 13f. solchem Jammer ein Ende machen und Seinen Bekennern zum Frieden helfen. Stehe auf HErr, nachdem Du uns! durch Dein Sitzen so lange im Glauben geprüft hast, komm ihm zuvor, da er sich schon rühmt uns den Garaus zu machen, demütige ihn, errette meine Seele. von dem Gottlosen durch Dein Schwert. Es kommt wohl so weit, dass wir unser Leben und gar unsern Glauben in Gefahr sehen; so muss Gott denn Sein Schwert für uns gebrauchen, damit Er alle Welt zu Boden legen kann; das ist aber das Schwert Seines Wortes, das alles erschafft und trägt und die Welt mit Feuer vernichtet. Von den Leuten wollest Du mich mit Deiner Hand retten, HErr, von den Leuten der Welt, welche ihr Teil haben in diesem irdischen Leben, da sie es wie der reiche Mann haben wollen, und mit Deinem Schatz, mit Deinen Gütern füllst Du Gott selbst ihnen auch den Bauch (ihr Herz und ihr Kopf merken nichts davon), sie haben kräftiger Söhne die Fülle, dass ihr Geschlecht nie verlassen und einsam erscheint, und sie lassen ihren Überfluss ihren Kindern. So scheint sich Gott zu ihnen zu bekennen, während unterdes Seine Kinder arbeiten und seufzen und vereinsamt dastehen. Von denen wollest Du mir helfen! Und mir 15. ist ja genug in Dir geholfen, der Du mein Gott bist! Ich brauche die Nießlinge in der Welt, den großen Haufen um seinen Reichtum und Frieden nicht zu beneiden: Ich werde, wenn ich auch eine Zeit lang darbte (selig sind die Armen) - in Gerechtigkeit Dein Antlitz schauen, ich werde mich sättigen beim Erwachen an Deiner Gestalt. Das ist mein Erbteil, dass ich meinen Gott schaue, von welchem jene Weltlinge nichts wissen, und Er ist mir liebend zugewandt und hat mich durch Seine Gnade gerechtfertigt, dass ich vor Ihm selbst bestehe. Welche Fülle des Reichtums und aller Seligkeit ist in der Erkenntnis unsers Gottes! Er schließt sich den Seinigen völlig ohne Rückhalt auf, dass sie sich an Ihm sättigen und erquicken. Die Welt füllt sich den Bauch auf den Tag des Gerichtes; wir aber füllen unsre Seelen mit Gottes Licht und Liebe, denn als lauter Licht und Liebe erscheint Er uns durch Sein Wort. An einem so gestalteten Gotte, wie wir Ihn in Christo erblicken, hat unsre Seele ewige Erquickung, und bald wird sie es nach vorübergehender Trübsalsnacht gewahren und genießen. Über Nacht wird so schon manches anders, morgens sehen sich die Sachen oft lichter und leichter an, welche bei Abend sehr düster drohten. So hat uns Gott einen frohen Morgen verheißen; und die Morgenlüfte gehen auch schon durch Sein Evangelium; so wird es ja bald völlig kommen, wo wir aus allen bangen Träumen dieser Zeitlichkeit zu Gottes seligstem Anschauen erwachen, Ihn sehen werden, wie Er ist. So werden wir uns Seiner sättigen, dass wir Seiner selbst voll werden. Weiß man das nur erst wieder, so lässt man die arme Welt sich ihren Bauch gern füllen, man fürchtet sie nicht mehr und beneidet ihre Kinder wahrlich nicht mehr.
Gebet. Du ewiger heiliger Gott, zeige uns Dein Licht und Dein Heil mitten in allen Finsternissen und Nöten dieses Lebens, dass wir die Welt weder fürchten noch beneiden, sondern in Deiner Erkenntnis uns ewig reich gemacht erkennen: durch Jesum Christum. Amen.