Calvin, Jean - Der Prophet Jesaja - Kapitel 36.
V. 1. Und es begab sich usw. In diesem und den folgenden Kapiteln bringt der Prophet Geschichtliches, gleichsam als Siegel unter seine Weissagungen über die zukünftigen Heimsuchungen seines Volkes. Er hatte verheißen, Gott werde sich barmherzig erweisen und nach Vertreibung der Assyrer Jerusalem und das heilige Land schützen. Dass das nicht leere Redensarten gewesen, trat damals offen zu Tage. Gott wollte dasselbe auch der Nachwelt bezeugen lassen. Zwar war eine solche Bezeugung ebenso sehr für die Leute jener Zeit von Nutzen. Oft hatte der Prophet gedroht, Gottes Rache stehe nahe bevor, und die Assyrer stünden für ihn schon bereit, um sie als Zuchtrute zu benutzen. Dabei hatte Gott aber verheißen, er werde Jerusalem auch in der höchsten Not nahe sein. Beides erfüllte sich. Doch ging der größte Teil des Volkes, wie mit geschlossenen Augen, an solchen offenbaren Gottesgerichten vorüber, und in ebenso schändlicher Weise verachtete es die ihm dargebotene Hilfe. Umso weniger war solch entsetzlicher Wahnwitz zu entschuldigen. Der kleinen Schar von Gläubigen war es jedoch von Nutzen, in so deutlichen Vorgängen Gottes Hand zu erkennen; umso glaubwürdiger wurde Jesaja für sie in Zukunft. Auch der Seher selbst konnte auf seiner Bahn getroster, mit unerschrockener Standhaftigkeit weiter schreiten, da Gott vom Himmel herab so herrlich sich zu seinem Wort bekannt hatte. Und weil die göttliche Wahrheit, wenn sie bei uns haften soll, durch sichere Zeugnisse bestätigt werden muss, so hilft Gott damit ebenso sehr unserer Schwachheit auf, sodass wir nun wie in einem Spiegel erkennen, dass den Worten Jesajas göttliche Kraft innewohnte und dass, was er auf Erden lehrte, vom Himmel herab seine Bestätigung fand. Die göttliche Berufung des Propheten wurde zumal damals deutlich versiegelt, als Gott Jerusalem von der schweren Belagerung des Sanherib befreite, obschon gar keine Hoffnung auf Befreiung mehr vorhanden war. Da erkannten die Gläubigen, dass sie allein durch Gottes Hand dem Rachen des Todes entrissen waren. Deshalb sagte ich, dass diese geschichtlichen Berichte gleichsam das Siegel unter des Propheten Weissagungen bilden, die sonst hätten in Zweifel gezogen werden können.
Nicht ohne Grund gibt der Prophet die Zeit an, in der jenes geschah: im vierzehnten Jahr des Königs Hiskia. Damals hatte Hiskia in seinem ganzen Herrschaftsgebiet die rechte Gottesverehrung wiederhergestellt. Damit nicht zufrieden, hatte er hierhin und dorthin Boten geschickt und die Israeliten eingeladen, nach Jerusalem zu kommen, um Opfer darzubringen und nach langer Zeit sich wiederum zu einer heiligen Glaubensgemeinschaft zu vereinigen und nach der Vorschrift des Gesetzes Gott anzubeten. So war damals die Lage des Reiches. Der Götzendienst war aufgehoben, der Tempel gereinigt und die rechte Gottesverehrung wiederhergestellt. Da wird Judäa von den Assyrern überschwemmt, die Äcker werden verwüstet, die Städte genommen, das ganze Land kommt in ihre Gewalt. Nur mit wenigen anderen Städten bleibt Jerusalem noch frei, wo Hiskia wie in einem Gefängnis eingeschlossen war. Da müssen wir an das denken, was dem frommen König, wie auch andern Leuten, in den Sinn kommen konnte. Wenn wir nämlich jene Heimsuchung vom natürlichen Standpunkt aus beurteilen, dann kommen wir zu der Ansicht, Gott handle unbillig, dass er seinen Knecht in solche Not geraten lässt. Mit seiner Frömmigkeit schien Hiskia es zu verdienen, dass der Herr ihn in Frieden und von aller Heimsuchung frei ließ, sintemal er doch nur das Eine suchte, dass Gott in der Wahrheit angebetet und verehrt würde. So hatte Hiskia keine leichte Glaubensprüfung zu bestehen. Das müssen wir uns fleißig vor Augen halten, da wir denselben Versuchungen unterworfen sind. Der Herr strafte bei Hiskia nicht etwa Lässigkeit, Üppigkeit und Genusssucht, noch viel weniger Abgötterei oder heidnische Gottesverachtung. Denn von Anfang seiner Regierung an war er mit allem Eifer und der größten Sorgfalt darauf bedacht, die Reinheit der väterlichen Religion wiederherzustellen. Der Herr wollte also seinen Glauben und seine Geduld auf die Probe stellen.
V. 2. Und der König von Assyrien sandte den Rabsake usw. Dieser geschichtliche Vorgang wird im zweiten Buch der Könige (Kap. 18) ausführlicher erzählt. Dort wird uns gezeigt, wie sehr Hiskia auf den Frieden aus war, wie er ihn auf alle Weise zu erlangen suchte. Er zahlte 300 Talente Silber und 30 Talente Gold, wie jener Tyrann es gefordert hatte. Da die königliche Schatzkammer erschöpft war, so musste er diese Summe aus den heiligen Gefäßen des Tempels und aus den Goldplatten, mit denen die Tempeltüren überzogen waren, aufbringen. Solch ein habgieriger Schlund ist aber unersättlich. Nachdem Rabsake diese Geldsumme erhalten, forderte er noch mehr und wollte noch härtere Bedingungen auflegen, und das alles nur, um den Hiskia recht zu bedrücken. Er missbrauchte die Willfährigkeit des frommen Königs in dem Glauben, er werde von ihm erlangen, was er wolle. Und das wiederum nur, um eine Ursache zum Kriege zu finden. Zu beachten ist dabei, dass die Missetaten des Volkes in durchaus gerechter Weise bestraft wurden, wie es vorausgesagt worden war. Äußerlich stand zwar die reine Gottesverehrung in Blüte, aber das Leben des Volkes hatte sich noch nicht im Geringsten geändert; die Gottlosigkeit war noch nicht abgetan, und die Herzen waren von der inneren Fäulnis noch nicht gereinigt. Doch war auch das Maß ihrer Missetaten noch nicht voll. Darum milderte Gott seinen schweren Zorn und brachte ihnen, als alles verloren schien, unvermutet eine Hilfe, an die sie nicht geglaubt hätten.
V. 3. Und es ging zu ihm heraus Eljakim usw. Diesen Eljakim hat der Prophet schon im 22. Kapitel erwähnt. Er ist derjenige, dem der Herr die erste Stelle des Königreichs nach Vertreibung des Sebna verheißen hatte. Nun aber scheint diese Verheißung hinfällig. Als Hilfeflehender wird er ja zum Feinde geschickt, als einer, der sich bald mit andern übergeben und einem harten Tyrannen unterwerfen muss. Auch dies konnte die Herzen der Frommen mit Besorgnis erfüllen und sie an den Verheißungen Gottes zweifeln lassen. Dazu war jener fromme König an treuen Männern so arm, dass er mit jenem den Sebna zu schicken sich gezwungen sieht, den er als einen treulosen Verräter kannte. Dieser wird als Schreiber bezeichnet. Darunter sind gelehrte, schriftkundige Leute zu verstehen; auch wurden die Aufseher der königlichen Bibliothek und die Vorsteher des königlichen Archivs so genannt.
V. 4. Und Rabsake sprach zu ihnen: Saget doch dem Hiskia usw. Die drei Gesandten, welche doch noch einen Rest königlichen Glanzes repräsentierten, erfuhren nicht nur eine Zurückweisung, sondern wurden auch schmachvoll von dem Trabanten des Tyrannen empfangen und mit unwürdigen Vorwürfen überschüttet und gequält. Als wenn der König Hiskia eines verbrecherischen Abfalls überführt gewesen wäre, fragt er, wie derselbe es hätte wagen können, sich zu empören. Er redet wie ein Mann, der Besiegten oder solchen, die aus Furcht sich unterworfen haben, seine Bedingung diktiert. Um seinem Wort noch mehr Gewicht zu geben, führt Rabsake den assyrischen König selbst redend ein. Dessen Größe erhebt er hoch, um dem Hiskia Schrecken einzujagen, dass er es gewagt habe, mit solch einem mächtigen König Händel anzufangen. Er weist darauf hin, dass Hiskia dem ersten König der Welt ganz und gar nicht gleich komme. Mit dem verglichen war er ja nur ein kleiner König. Der Assyrer aber ist, wie er sich ausdrückt, der große König, der mit seiner Macht alle andern verdunkelt und hoch über ihnen steht. Solche stolzen, prahlerischen Worte waren wohl geeignet, den Hiskia niederzuschmettern und zu brechen, zumal er in Jerusalem derart eingeschlossen war, dass er gar nicht herauskonnte, geschweige, dass er die Macht jenes Tyrannen hätte zurückwerfen können.
V. 5. Ich achte, dass nur Worte der Lippen usw. In der heiligen Geschichte (2. Kön. 18, 20) lautet der Eingang etwas abweichend: „Du achtest.“ Dann wäre etwa der Sinn: Du meinst und rühmst, dass du nicht bloß Worte der Lippen habest, sondern auch Rat und Macht, zu streiten. Nach unserem Text aber wollen die Worte des Rabsake besagen: Du hast zwar Worte, aber im Kriege bedarf es auch des Rats und der Stärke. Der Unterschied im Sinn ist nicht erheblich. Ich fasse also diesen Vers so: Hiskia hat nur leere Worte, d. h. er gebraucht allerlei schöne Redensarten, um das Volk in seiner Gewalt zu behalten, aber mit solch schönen Redensarten lässt sich nicht Krieg führen. Rabsake deutet also an, er habe das Treiben Hiskias in Erfahrung gebracht, dass er hauptsächlich auf seine Worte und seine Beredsamkeit sich stütze. Aber für den Krieg habe das keinen Wert, da seien Rat und Macht nötig. Man kann passend den letzten Teil des Verses auch auf die Ägypter beziehen, von denen im folgenden Verse die Rede ist. Rabsake will dann sagen: Hiskia ist ein Tor, dass er sich mit leeren Versprechungen zum Besten halten lässt. Zweifellos versprachen ihm die Ägypter goldene Berge, in Wirklichkeit leisteten sie aber gar nichts. Jedenfalls wird also Hiskia hier verspottet, dass er durch windige Prahlereien die Hoffnung des Volkes nähre, aber zum Kriege gar nicht gerüstet sei.
V. 6. Verlässest du dich auf den zerbrochenen Rohrstab Ägypten? Rabsake hat davon gesprochen, Hiskia umschmeichele das Volk mit beredten, aber leeren Worten, sein Vertrauen sei jedoch eitel. Er setzt alle Hebel in Bewegung, um die Herzen des Volkes zu erschüttern, damit sie, starr vor Schrecken, sich ihm eiligst übergeben. Dem Volke gegenüber also macht er den Hiskia verächtlich. Nun beleuchtet er die Sache von einer andern Seite her. Er zeigt, dass die Hilfe, die sie von außen erwarten, eitel und nichtig sei; sie würden sich sehr täuschen, wenn sie von den Ägyptern irgendwelche Hilfe erhofften. Er vergleicht die Ägypter ihrer Schwäche wegen mit einem zerbrochenen Rohrstab und sagt weiter, derselbe sei so wenig zur Stütze tauglich, dass er vielmehr die Hände derer durchbohrt, die sich auf ihn stützen wollen. Kurz, die Hoffnung, welche die Juden auf die Ägypter setzten, sei nicht nur eine trügerische und eitle, sondern auch eine verderbenbringende. Rabsake hätte damit allerdings recht gehabt, wenn es wirklich wahr gewesen wäre, dass Hiskia auf die Ägypter sein Vertrauen setzte. Doch fälschlicher, verleumderischer Weise beschuldigt er den frommen König dieses eitlen Vertrauens. Allerdings das aufrührerische, ungehorsame Volk strafte Gott in gerechter Weise damit, dass er dessen frevelhaften Abfall durch die Schimpfreden eines unreinen, hündischen Menschen deutlich kennzeichnen ließ. Diese Sünde hatte Jesaja vorher strenge verdammt, aber ihre Ohren waren taub, das ernste Mahnwort des Propheten wurde zurückgewiesen. Weil also die Juden den im Namen Gottes redenden Propheten in gottloser Weise verachtet hatten, verdienten sie einen Lehrer, wie Rabsake. Das soll uns eine Mahnung sein. Es ist nicht zu verwundern, dass die Ungläubigen, die dem Heilsrat Gottes nicht gehorchen und alle Weissagungen verachten, die Spottreden ihrer Feinde über sich ergehen lassen müssen, wie hier Rabsake, der Feldherr des assyrischen Königs, die Juden mit schändlichen Schmähreden überhäuft. Dabei lohnt es sich, darüber nachzudenken, welch ein Unterschied zwischen den Warnungen Gottes und den Spottreden des Satans besteht. Gott will uns von eitlem, fleischlichem Vertrauen losmachen und erklärt offen: Verflucht ist, der sich auf Menschen verlässt. Die ganze Welt soll uns nichts gelten, an ihm allein sollen wir uns genügen lassen. Er nimmt uns alles falsche Vertrauen und bietet uns gleich das rechte Heilmittel dar und stärkt uns das Herz. Der Satan aber, wenn er irgendeine Hoffnung als eitel hinstellt, stürzt uns tückischer Weise in innere Aufregung und Verzweiflung; er reißt uns zu vielen andern, ebenso schlimmen, ja noch schlimmeren Hoffnungen fort und verführt uns, unerlaubte Hilfsmittel zu suchen. So macht Rabsake die Hoffnung der Juden auf die Ägypter zunichte, aber nicht zu dem Zweck, dass diese nun auf Gott allein ihr Vertrauen setzen; er setzt vielmehr an Stelle der Ägypter den assyrischen König, als ob nur bei dem allein das Heil zu finden wäre.
V. 7. Willst du aber mir sagen: Wir verlassen uns auf den Herrn usw. Rabsake nimmt eine dreifache Möglichkeit an; entweder glaubt Hiskia, er sei selbst stark genug, um den Assyrern Widerstand zu leisten, oder er erwartet von Ägypten Hilfe, oder er setzt sein Vertrauen auf Gott. Setzt er sein Vertrauen auf sich selbst, - was bedeutet er doch, denkt Rabsake meinem König gegenüber? Was aber Ägypten angeht, so wird ihm von dort keine Hilfe zuteil, er wird da vielmehr schweres Ungemach erfahren. Es bleibt also nur die Möglichkeit übrig, dass er Hilfe von Gott erwartet. Aber dessen Altäre hat er zerstört, dessen Verehrung hat er beeinträchtigt. Wird der ihn nicht vielmehr dafür strafen? So nimmt jener Rabsake dem frommen Hiskia alle göttlichen und menschlichen Stützen weg. Mit der letzten Schmähung aber wollte der Satan nicht nur des Königs Herz verwunden, damit er unter der Last der Anfechtung den Mut verlöre, er wollte damit auch auf das leichtsinnige und unstete Volk einwirken. Denn in den Herzen vieler steckte noch die Liebe und ein starker Zug zum Götzendienst. Da nun unter Hiskia die früheren, altgewohnten Religionsübungen verändert worden waren, so konnte das Volk leicht zu dem Schluss kommen, Hiskia zahle nun den Lohn für seine Verwegenheit. – Wie schmählich das ist, was im zweiten Teil des Verses Rabsake dem Hiskia vorwirft, dass er die rechte Gottesverehrung zugrunde gerichtet habe, ist klar. Hiskia hatte gerade die selbstgemachten Götter und die von Gott verabscheute heidnische Abgötterei abgetan. Aber dass die Gottlosen den wahren Gott von einem falschen und den Götzendienst von dem rechten Gottesdienst nicht zu unterscheiden vermögen, ist nicht zu verwundern. Allerdings scheint es auf den ersten Blick verwerflich, eine ganze Reihe von Altären umzustürzen und nur einen einzigen übrige zu lassen, eine ganze Zahl von Tempeln zu entweihen und nur einen zu erhalten. Aber die eine Bemerkung genügt schon zur Verteidigung und Rechtfertigung des Hiskia, dass er dabei lediglich nach Gottes Wort gehandelt hat. Er begnügte sich mit einem Altar, weil Gott die Errichtung vieler verboten hatte; er hatte alle Bildsäulen zerstört, weil sie dem Gesetze zuwider errichtet worden waren.
V. 8. Wohlan, so nimm´ s an mit meinem Herrn usw. Rabsake zieht aus dem allen den Schluss, für den Hiskia werde es das Beste sein, seinen Kriegseifer abzulegen, sich zu ergeben und dem assyrischen König dauernden Gehorsam zu geloben. Um ihn dazu leichter zu bestimmen, hält er ihm wieder in spöttischer Weise seine Schwäche vor: Wenn ich dir zweitausend Rosse gebe, du wirst in deinem ganzen Volke nicht so viel Reiter finden. Wie steht es also mit deiner Stärke? Oder worauf trauest du, dass du meinem Könige zu widerstehen wagst? Die Rosse bietet er jenem nicht Ehren halber oder aus Wohlwollen an, sondern um Hiskias Mut noch mehr zu erschüttern und zu brechen. Ich kenne zwar auch andere Auslegungen dieser Stelle; wer aber dieselbe recht erwägt, erkennt leicht, dass diese Worte ironisch gemeint sind.
V. 9. Wie willst du denn bleiben vor einem Hauptmann usw. Rabsake verstärkt noch das vorher Gesagte. Weit entfernt, meint er, dass Hiskia mit seinem Könige, wäre derselbe gegenwärtig, auf gleicher Stufe stünde oder ihm Widerstand leisten könnte, vielmehr dürfe er nicht einmal mit dem geringsten seiner Heerführer verglichen werden. So schmäht er in unverschämter Weise, damit die Abwesenheit des Sanherib, welchen die Belagerung von Lachis festhielt, die Juden nicht etwa ermutigte. Wenn auch Sanherib noch nicht mit seinem ganzen Heere erschienen sei, so seien, prahlt Rabsake, schon seine Unterfeldherren stark genug, den Hiskia zur Unterwerfung zu zwingen.
V. 10. Dazu, meinst du, dass ich ohne den Herrn bin heraufgezogen? Nun beschreitet Rabsake einen andern Weg, um dem Hiskia zu zeigen, dass es umsonst sei, Truppen und sonstige Hilfsmittel auszurüsten. Er hält ihm vor, dass er nicht mit einem sterblichen Menschen, sondern mit Gott selbst zu tun und zu streiten habe. Nicht aus sich, sondern auf Gottes Antrieb hin sei er in dies Land gekommen, um es zu verderben. Die sich ihm widersetzten, würden also gegen Gott streiten, und darum würden alle ihre Bemühungen umsonst sein. Daraus lernen wir, dass wir, wie sehr wir auch um die Religion uns bemühen und wie sehr wir auch das Reich Christi zu fördern bestrebt sind, dennoch nicht hoffen dürfen, nun von allen Beschwerden frei zu bleiben; vielmehr soffen wir uns auf die schwersten Heimsuchungen gefasst machen. Der Herr vergilt nicht immer die Frömmigkeit mit irdischem Lohn. Das wäre ja auch gewiss ein zu unwürdiger Lohn, wenn wir an irdischen Gütern Überfluss hätten, äußern Frieden genössen und uns alles nach Wunsch ginge. Nach der Seite gelten die Gottlosen für glücklich, weil sie weder böse Krankheit, noch Unglück, noch sonst irgendeinen Mangel und irgendein Ungemach zu leiden haben. Dann wäre unsere Lage von der der Gottlosen ja in nichts verschieden. Den Hiskia müssen wir uns also fleißig als Beispiel vor Augen halten. Obwohl er sich alle Mühe um die Wiederherstellung der Religion und der rechten Gottesverehrung gegeben hatte, musste er doch sehr schweres Unheil erdulden, so dass er der Verzweiflung nahe kam. Darum müssen wir uns, auch wenn wir unsere Pflicht erfüllt zu haben meinen, nichtsdestoweniger auf Kämpfe und Trübsale aller Art gefasst machen und sollen nicht in Unruhe geraten, wenn auf den ersten Ansturm die Feinde derart die Oberhand gewinnen, als wollten sie uns jählings verschlingen. Denn schnell sinken jene hochmütigen, stolzen Herzen dahin, sobald die erste Hitze verflogen ist; ja, haben sie ihren Geifer ausgespritzt, dann schwindet alsbald auch ihr frecher Hochmut.
Rabsake rühmt, um den Hiskia einzuschüchtern, die Größe und Macht seines Königs. So pflegen die Gottlosen mit uns umzugehen. Sie fallen uns mit drohenden Worten an und stellen durch allerlei Schreckschüsse unsere Standhaftigkeit auf die Probe. Oder vielmehr, der Satan tut das durch sie, wie wir ihn ja hier offenbar aus dem Munde des Rabsake reden hören. Ja er stellt sich selbst als Gott hin und verwandelt sich in einen Engel des Lichtes. Weil des Menschen Kräfte gebrechlich und hinfällig sind, sagt der Geist Gottes selber (Jer. 17, 5): „Verflucht ist der Mann, der sich auf Menschen verlässt und hält Fleisch für seinen Arm.“ Ebendasselbe lehrt Rabsake hier, und er redet dabei so, als ob er in Gottes Auftrag das Prophetenamt ausübte. Wohlweislich ist also zu unterscheiden, wann Gott redet und wann Menschen fälschlicherweise in seinem Namen reden. Denn der Satan sucht unter mancherlei Masken Gott ähnlich zu erscheinen. Jene Vorwürfe, die Rabsake dem Hiskia macht, waren, wie gesagt, unverdient. Denn Hiskia setzte sein Vertrauen nicht auf seine Kraft, auch überhob er sich nicht etwa im Vertrauen auf die Ägypter. Aber die Frommen müssen, wenn sie auch recht handeln, getadelt werden. Mit solchen Künsten greift Satan unsern Glauben an und setzt uns mit Unrecht vor den Menschen herunter, darin liegt eine sehr gefährliche Versuchung. Wir möchten in der Öffentlichkeit rechtschaffen dastehen, und es ist uns sehr unangenehm, wenn andere, obgleich wir von den besten Absichten erfüllt sind, unser Streben falsch auslegen. So sucht der Satan unser Tun, bei dem wir ein reines Gewissen haben, durch Verleumdung auf den Kopf zu stellen, oder er dichtet uns eine Schlechtigkeit an, deren wir uns nicht im Geringsten schuldig gemacht haben. Da müssen wir ein reines Gewissen haben; das muss uns umgeben, wie eine eherne Mauer. Dann stehen wir solchen Anschuldigungen und Verleumdungen gegenüber unbesiegt da, wie Hiskia.
V. 11. Rede doch mit deinen Knechten auf syrisch usw. Hier zeigt es sich wieder deutlich, wie verzagt Hiskia war, dass er den Diener seines Feindes durch seine Gesandten so flehentlich bitten lässt, dann aber auch weiter, von welchem Hochmut Rabsake erfüllt war, wenn er alle Bitten voller Trotz abschlägt. Diese Zurückweisung ist umso schmachvoller, weil der Gegenstand der Bitte von keiner Bedeutung war. Hiskia vermochte seinen wütenden Feind nicht zu besänftigen, obschon er, seine königliche Würde fast völlig vergessend, ihn mit einem Entgegenkommen, wie es größer nicht sein konnte, milder zu stimmen suchte. Wenn wir einmal mit Unrecht und Gewalt bedrängt werden, soll es uns nicht gereuen, obgleich wir im Recht sind, nachzugeben und demütig zu bitten. – Dass Hiskia sich nun so demütigte in der Erkenntnis, dem Assyrer nicht gewachsen zu sein, dient in ganz besonderer Weise zur Verherrlichung Gottes, der das fast verlorene Volk rettete. Diese Errettung wäre ja bei weitem nicht so herrlich gewesen, wenn das Volk nur aus geringer Gefahr herausgerissen worden wäre. Es war aber dem Untergang nahe; darum tritt die Hand Gottes umso deutlicher hervor, der durch ein herrliches Wunder den Feind, der ihnen schon im Nacken saß, vertrieb und vernichtete. Die Gesandten bitten den Rabsake, er möchte doch nicht öffentlich vor dem Volk in ihrer Sprache reden. Denn ein von Natur leichtfertiges und unbeständiges Volk ist schwer zusammenzuhalten. Ein solches gerät bei dem geringsten Schrecken leicht in Angst und Verwirrung. Daher hätten sie gewünscht, Rabsake redete zu ihnen nicht in ihrer jüdischen Muttersprache; sie wollten ja einen soweit wie möglich günstigen Frieden erlangen. Alles versuchte der fromme König, um die Wut jenes Tyrannen zu besänftigen, aber vergebens. Nichts erlangten die Gesandten von Rabsake; je unterwürfiger er gebeten wird, umso frecher gebärdet er sich, wie es bei solch hochmütigen Menschen zu sein pflegt.
V. 12. Da sprach Rabsake usw. Hier tritt die maßlose Frechheit des Feindes zutage. Er redet wie ein Sieger; auch spricht er nicht wie zu einem Könige, sondern wie einer, der seinen Sklaven schilt. Wenn wir den Rabsake so von Hochmut aufgebläht sehen, muss es uns zum Bewusstsein kommen, wie völlig Hiskia niedergeschmettert und aller Hoffnung beraubt war, sodass er für verloren galt. Wie wir aus diesen Worten ersehen, war Rabsake nicht mit dem Auftrag abgeschickt worden, irgendwelche Friedensbedingungen anzubieten, sondern die Unterwerfung Hiskias anzunehmen und dem Volk Schrecken einzujagen. Dazu hatte Sanherib ihn mit einer starken Macht gesandt. Darum prahlt auch Rabsake, er habe es nicht mit dem Könige zu tun; mit dem Volke rede er, damit dasselbe für sein eigen Wohl Sorge trage. Um alle noch mehr in Angst zu setzen, erwähnt er den Jammer und das Elend, in das sie sich stürzen würden, wenn sie dem Hiskia folgten; sie würden verhungern, sie würden ihren eignen Mist fressen und ihren Harn saufen. Es würde demnach sich lohnen, bei Zeiten sich zu ergeben und auf sein Heil bedacht zu sein.
V. 13. Und Rabsake trat hin und rief laut auf jüdisch usw. Der Prophet zeigt hier, mit welcher List Rabsake den Mut des Volkes zu erschüttern suchte. Er redet in jüdischer Sprache, obwohl die Gesandten ihn gebeten hatten, es nicht zu tun. Das war recht nichtswürdig, diese heilige Sprache, welche durch die Geheimnisse göttlicher Weisheit geweiht war, zu entweihen und sie zu gottlosen Schmähreden zu missbrauchen. Er stand, - heißt es hier. Damit will der Prophet den Trotz und den Hochmut jenes gottlosen Menschen zum Ausdruck bringen, der selbst in seinen Gebärden seinen Stolz offenbarte. Er hat sich in seiner ganzen Größe vor den Juden aufgepflanzt, um ihnen noch furchtbarer zu erscheinen. Von neuem aber redet er von der Größe seines Königs und verkündet dessen Auftrag. Das ist die Gepflogenheit des Satans, der Feinde Macht mit viel Worten aufzubauschen und so die Gefahren schlimmer darzustellen, um uns dadurch zur Verzweiflung zu bringen. Sind nämlich unsere Augen von solch eitlem menschlichem Glanz geblendet, dann verlieren wir den Mut. Allen Gefahren sollen wir daher Gottes Macht entgegenstellen. Haben wir diese allezeit vor Augen, dann kann uns nichts schaden. Mit Pauken und Trompeten mögen die Feinde ihre Größe und Macht rühmen und anderseits unsere Schwachheit und geringe Zahl verspotten, - ist Gott mit uns, dann fürchten wir nichts.
V. 14. So spricht der König: Lasst euch Hiskia nicht betrügen. Seinem Herrn gibt Rabsake den königlichen Namen, von Hiskia dagegen redet er, ohne irgendeinen Titel hinzuzufügen, als wäre er ein ganz gewöhnlicher Mensch. In unverschämter Weise fährt er fort, den Hiskia zu verleumden; seinen Geifer speiet er gegen Gott aus. Täuschung und Betrug nennt er es, dass Hiskia auf Gottes Gnade sich stützt und die Seinen zu der gleichen Zuversicht ermuntert.
Denn er kann nicht erretten. Gewiss konnte Hiskia das nicht aus eigener Kraft, aber er konnte es mit Gottes Hilfe. Jenes maßte sich Hiskia auch gar nicht an, er raubte Gott nicht die Ehre, vielmehr bezeugte er es, dass sein und seines Volkes Heil allein in Gott ruhe. Aber irgendein Kniff musste von den Feinden gebraucht werden, wie es noch heute bei den Gottlosen zu geschehen pflegt, wenn sie unsere Lehre verspotten. Sie lassen alle ihre Reden im schönsten Lichte erscheinen und betrügen damit die Leute, wenn diese ihre Redensarten nicht näher besehen.
V. 15. Und lasst euch Hiskia nicht vertrösten auf den Herrn usw. Rabsake führt die mahnenden Worte an, mit denen Hiskia seinem Volke Mut machte. Aber er tut es so, als wäre das eine törichte, wertlose Rede. Wenn auch die Gottlosen von Gottes Macht reden, so halten sie dieselbe doch für nichts. Zwar leugnet Rabsake nicht, dass Gott helfen könne, wenn er wolle; er behauptet nur, Gott sei dem Volke Israel feindlich gesinnt. Dabei macht er sich aber doch über den Glauben lustig und sucht Gottes Macht als nichtig hinzustellen. Sein Plan ist ja, den Mut des Volkes bis zur Verzweiflung zu erschüttern und dasselbe zu bewegen, die Bedingungen des siegreichen Tyrannen anzunehmen. - Noch durch einen andern Kunstgriff erschüttert Rabsake das Vertrauen des Volkes auf Gottes Hilfe. Er umschmeichelt ihre Herzen mit der verlockenden Aussicht auf ein angenehmes Leben. Wir fallen von Gott ja nur zu leicht ab, wenn uns die Aussicht auf Nutzen und Gewinn anderswohin lockt. Wenn die Welt schmeichelt und lockt, verblasst leicht die Hoffnung auf das ewige Leben. Wir bleiben dann mit unserm Sinnen und Trachten immer an den Dingen des Diesseits haften. Diesen Kunstgriff gebraucht Rabsake und ruft den Juden warnend zu: Hängt euch doch nicht an eine ungewisse Hoffnung, nehmt lieber das, was sicher ist. Solche Worte vermögen am ehesten Leute zu gewinnen; denn den Menschen ist nichts angenehmer, als wenn sie das, was sie wünschen, in Händen haben. Aber schwer nur lassen sie sich auf Zukünftiges vertrösten, sodass sie dies einem gegenwärtigen Glück vorzögen. Der Gedankengang des Rabsake ist also folgender: Hiskia verspricht euch Gottes Hilfe, aber sie kommt nicht, er hält euch mit einer ungewissen Sache hin; mein König aber verspricht euch etwas Sicheres, und er wird es euch geben. In derselben Weise greift uns oft der Satan an und raubt uns das Vertrauen auf Gott. Der Herr beruft uns zur Hoffnung auf ein ewiges Leben; dasselbe ist ein verborgenes, denn wir hoffen auf das, was wir nicht sehen; er verheißt uns, er werde unser Retter sein. Unterdessen lässt er uns oft müde und matt werden, sodass, wenn wir auf unsere augenblickliche Lage sehen, wir vergeblich zu hoffen scheinen. Hier nun fasst uns der Satan an und raunt uns zu: Was hoffst du so vergeblich? Was bringt dir dein Glauben ein? Was erwartest du denn außer diesem Leben? Da gibt es denn einen täglichen Kampf. Christus ruft uns zum Himmel, der Satan versucht uns auf der Erde festzuhalten. Daher müssen wir uns mit aller Kraft an Gottes Verheißungen anklammern, wo nichts zu hoffen ist, auf Hoffnung uns stützen, auf Gott vertrauen und uns durch keine Verlockungen abwendig machen lassen.
V. 16. Gehorchet Hiskia nicht! Rabsake sucht dem Hiskia die Herzen des Volkes abspenstig zu machen; zugleich malt er dem Volk das Bild eines genussreichen Lebens vor, damit es Gott vergesse und von ihm nichts erwarte. Er will ihnen sagen: Gehorchet und glaubet nicht Gott, sondern meinem Könige. So macht es der Satan mit uns. Gottes Güte verdunkelt er mit seinem Dunst, hält uns trügerische Hoffnungen vor und setzt sich still und heimlich an Gottes Stelle. Oder um uns in seine Schlingen zu fangen, stellt er uns allerlei Genüsse und ein gar leichtes Leben vor Augen und prahlt dabei: Gott zeigt euch das nur in der Ferne; ich aber gebe es euch wirklich. Obwohl Rabsake also nur den Hiskia nennt, stellt er in Wirklichkeit doch einen Vergleich an zwischen Gott und dem assyrischen König. Denn Hiskia schützte als Diener Gottes nichts fälschlich vor und prahlte nicht mit einer leeren Hoffnung, sondern stützte sich auf wahre und ganz gewisse Gottesverheißungen und ermahnte treulich das Volk, Gott zu suchen. Rabsake aber schmückte seinen König mit dem aus, was er Gott raubte; als ein Diener des Satans wollte er das Volk vom Vertrauen auf Gott abwenden und in allerlei Gottlosigkeit hineinstürzen. Das Volk soll also von Hiskia abfallen und zu ihm herausgehen. Durch solchen traurigen Abfall sollen die Juden ein ruhiges Leben und andere Vorteile, die sie vorher hatten, wieder erlangen. Das wäre aber doch der Gipfel alles Jammers und Elends gewesen, wenn sie von dem frommen Könige, der von Gott eingesetzt und ein Vorbild auf Christum war, abgefallen wären. Das wäre nicht möglich gewesen ohne Verleugnung des Gottes, der in jenem Könige dem Reiche Juda einen Beweis seiner Gnade gegeben hatte.
V. 17. Bis dass ich komme und hole euch usw. Hier stellt Rabsake noch eine andere Bedingung, weit härter, als die vorhergehende. Mit Sanherib könne dann erst Frieden geschlossen werden, wenn das Volk in die Verbannung wandere. Das hieß aber nichts anderes, als die wahre Gottesverehrung dahinten lassen, zum Götzendienst herabzusinken und von dem überlieferten göttlichen Erbe sich gänzlich loszusagen. Rabsake hatte aber schwer heimgesuchte, in der äußersten Gefahr befindliche, geängstigte Leute vor sich; darum befiehlt er kühn, was er will, damit sie nur ihr Leben erkaufen. Da durchschauen wir die Absicht des Rabsake noch deutlicher. Seine Worte sind nichts anderes als ein Spiegelbild der Versuchungen, mit denen der Satan täglich gegen unsern Glauben ankämpft. Denn nichts ist ihm geläufiger, als durch dieser Welt Lust und Freuden uns abzuziehen von dem Vertrauen auf Gott: man müsse doch Ruhe und Frieden haben, den müsse man auf jede Art erkaufen, das Glück läge in dem reichen Überfluss an den Dingen dieser Erde. Am meisten missbraucht Satan unser Unglück dazu, um uns so zu bedrängen, und mit größerer Frechheit reizt er uns, das Joch Gottes abzuschütteln. So schleicht er nach und nach mit heimlich verborgenen Künsten sich ein. Wenn er uns aber einmal soweit angelockt und umgarnt hat, dass wir die gegenwärtigen Güter höher achten als die zukünftigen, fügt er noch diese Bedingung hinzu, dass wir uns voll und ganz in seine Gemeinschaft begeben, eine Bedingung, an der wir sicherlich nicht vorbeikommen, wenn er uns mit seinen betrügerischen Hoffnungen und der Lust an irdischen Dingen schon umstrickt hat. Das Wort Verbannung war nun ein raues, hartes Wort, und es war nicht leicht, auf die liebe, süße Heimat zu verzichten. Darum sagt Rabsake den Juden, sie würden keinen Schaden haben, wenn sie aus ihrer Heimat auswanderten; das Land, in das sie gebracht werden sollten, sei ebenso reich und fruchtbar. Er verhüllt ihnen die Augen mit einer Decke, damit sie nur nicht meinen sollten, es wäre alles verloren. Dabei übergeht er schlauer Weise, was doch höher als alles andere zu schätzen war, die rechte Gottesanbetung, den Tempel, das Gesetz, ihr Königtum, ihre heilige Verfassung und alles andere, was zu ihrem göttlichen Erbe gehörte. Wenn das aber fehlte, konnte da noch von Glück die Rede sein? Daher soll jeder eifrig lernen, auf die geistlichen Güter sein Sinnen und Trachten zu richten. Nicht ohne Grund preist der Psalmist das Wohnen im Hause Gottes als das höchste Gut, herrlicher, als alle Freuden der Welt und als alle Erfolge irdischen Glücks (Ps. 84, 11). Daran lasst uns denken, damit wir nicht durch die Hoffnung auf irdische Dinge uns verführen lassen und des wahren Glückes beraubt werden. Das ist die schreckliche Strafe, die der Herr über den Unglauben der Menschenkinder verhängt. Alle Frommen sollen mit Schrecken ihrer gedenken und durch keine Heimsuchungen und Trübsale sich überwinden und bestimmen lassen, von Gott abzufallen.
V. 18. Lasst euch Hiskia nicht bereden usw. Mit einer neuen Begründung sucht Rabsake das Volk von Hiskia und von seinem Gottesvertrauen abzubringen. Vorher rühmte er, er sei ein Diener Gottes, von ihm gesandt, Judäa zu zerstören, und versprach sich darum den gewissen Sieg. Hier aber fügt er eine offene Beleidigung Gottes hinzu. Die Gottlosen pflegen eben nicht von vornherein ihre Gottesverachtung und ihre Gottlosigkeit hervorzukehren. Aber der Herr macht doch zuletzt ihre Gedanken offenbar und zwingt sie ihres Herzens vergiftete Gesinnung aufzudecken. Rabsake steigert hier also seine Gottlosigkeit; er prahlt, seine Macht werde sich stärker erweisen als Gottes Macht. Er schiebt dabei die Person seines Herrn vor, der, wie gesagt, große Siege über viele mächtige Völker davongetragen hätte. Diese Völker glaubten sich sicher unter dem Schutz ihrer Götter. Sanherib meint nun, diese Götter selbst besiegt zu haben, weil er die Völker, die auf ihre Hilfe bauten, besiegt hatte. So geht er in seiner Kühnheit so weit, dass er kein Bedenken trägt, sich mit dem lebendigen Gott zu vergleichen; ja in seinem wilden Wahn stellt er seine Macht der Macht Gottes gegenüber. Wie sehr also auch die Gottlosen anfänglich mit ihrer Gottesverachtung zurückhalten, zuletzt zeigen sie doch, dass sie alles sich selbst zuschreiben und nicht Gott. Zwar in ihren Worten tun sie, als ob sie ihre Siege ihren Götzen zuschrieben, hernach aber opfern sie, wie Habakuk (1, 16) sagt, ihrem Netze und räuchern ihrem Garn, wie wir es heute noch bei den Heuchlern sehen. Wenn sie einen Sieg erlangt haben, beeilen sie sich, ihren Götzen ihre Aufwartung zu machen, dann aber prahlen sie mit ihrer Einsicht, ihrer Klugheit, ihrer Tapferkeit, ihren Anstrengungen. Mit seiner frechen Prahlerei beweist Rabsake also, dass es eine Lüge war, wenn er behauptete, er erkenne Gott als den Urheber seiner Siege an. Das musste nun das Herz des frommen Hiskia auf tiefste quälen, wenn er hörte, wie Gottes Verheißungen als Lug und Trug hingestellt wurden. Denn jener gottlose Mensch schmähte öffentlich Gott und stellte ihn mit den Götzen auf gleiche Stufe. Das wird uns deshalb erzählt, damit wir die Geduld des frommen Königs erkennen, und wenn uns Ähnliches begegnet, ihn nachahmen.
Haben auch der Heiden Götter usw. Dass Rabsake sich allen Göttern gegenüberstellt und behauptet, er sei stärker als sie, widerstreitet so sehr dem allgemein menschlichen Empfinden, dass selbst die Gottlosen vor solcher Sprache zurückschrecken. Doch wenn der Herr sie drängt und prüft, dann presst er ihnen ohne Schwierigkeit derartige Reden aus. Bei ruhiger Überlegung geben sie vor, Verehrer Gottes zu sein, nachher aber zwingt Gott sie, ihres Herzens Gedanken offenbar zu machen. Abgötterei ist immer mit Hochmut verbunden. Leute, die Gott nicht kennen, scheuen sich nicht, gegen jedes höhere Wesen sich zu erheben. Über die Verderbtheit und Frechheit der Gottlosen brauchen wir uns nicht zu wundern. Nur wahre Gotteserkenntnis führt zur Demut. Jener gottlose Mensch kann zur Entschuldigung nicht anführen, dass er doch ganz mit Recht die Götzen, ihre Schwachheit und Nichtigkeit vorwerfe; er verspottet ja nicht nur die Abgötterei und das eitle Vertrauen der Heiden; in diesen Götzen verachtet er die Macht des lebendigen Gottes. Gerade dieser Punkt seiner Gotteslästerung ist besonders zu beachten. Rabsake stellt Gott mit den heidnischen Götzen auf gleiche Stufe, stellt ihn als einen unter vielen andern hin. Wie soll man das nennen: den unsterblichen Gott, den Schöpfer aller Dinge, mit den nichtigsten Dingen, die Wahrheit mit der Lüge, den Himmel mit der Erde gleichstellen? Sagt doch David mir Recht (Ps. 96, 4 – 6): „Der Herr ist groß und hoch zu loben, wunderbarlich über alle Götter. Denn alle Götter der Völker sind Götzen, aber der Herr hat den Himmel gemacht. Es stehet herrlich und prächtig vor ihm und gehet gewaltiglich und löblich zu in seinem Heiligtum.“
V. 19. Wo sind die Götter zu Hamath und Arpad? Hamath hält man für die Stadt Antiochien in Syrien, Arpad und Sepharvaim für in der Nähe von Damaskus gelegene Städte. Wenn das stimmt, so nennt Rabsake hier lauter Namen von Städten, von denen einst mehrere Völkerschaften ausgegangen waren. Diese Städte hatten aber zur Zeit nicht nur ihren gefeierten Ruhm, sondern sogar ihr ursprünglichen Namen verloren. Durch den Hinweis auf eine so gewaltige Veränderung hoffte er einen besonderen Eindruck auf das Volk zu machen. Wie dem auch sei, Rabsake nennt jedenfalls nicht zu ferne Städte, die den Juden bekannt waren, deren Untergang einen großen Eindruck auf sie machen musste. Er will ihnen sagen: Seht doch, wie diese Städte, die von ihren Göttern beschützt wurden, unterworfen worden sind! Wird denn nun euer Gott mir widerstehen? Durch diese Worte klingt Ironie hindurch, als wollte er spotten: Wie die Götter der Heiden ihre Anbeter befreit haben, ebenso wird euer Gott euch helfen! Dieses freche Gebaren der Gottlosen hat seinen Grund darin, dass sie nicht erkennen, dass, wenn über die Menschen Leid und Unheil kommt, ihre Sünden von Gott gestraft werden. Völlig verkehrt ist der Schluss, den die Gottlosen ziehen: Ich habe jenes Volk besiegt, also bin ich besser und mächtiger. Sie erkennen nicht, dass sie Werkzeuge göttlichen Zorns und dazu bestimmt sind, die Freveltaten der Menschen zu rächen. Zwar sagen sie, sie seien von Gott dazu angewiesen; doch das ist nur Heuchelei; sie achten weder auf seinen Willen, noch auf seine Gerechtigkeit. Dann erheben sie sich noch stolzer, sie wagen es, sich mit Gott selbst zu vergleichen. Jene habe ich besiegt, an deren Spitze Gott stand, also habe ich Gott selbst besiegt.
Hier wird uns klar, was der Prophet im 10. Kapitel (V. 5 und 7) geschrieben: „O weh Assur, der meines Zornes Rute und in des Hand meines Grimmes Stecken ist! Wiewohl er es nicht so meinet und sein Herz nicht so denket.“ Dort ermahnte Gott die Gläubigen, sie sollten, ob auch Sanherib in blindem Wahnwitz sich überhob und den ganzen Gottesstaat zu stürzen versuchte, nur daran festhalten, dass derselbe nicht mehr tun könne, als ihm vom Himmel erlaubt wäre. Von Gott werden Strafen auferlegt durch die Hand der Gottlosen, die Werkzeuge göttlichen Zorns sind. Von ihnen sollen wir also die Augen abwenden und ganz auf Gott schauen, der uns mit Recht bestraft. Haben die Gottlosen die Oberhand, dann sollen wir nicht meinen, Gottes Macht sei gebrochen, vielmehr sollen wir dann denken, wir seien seiner Hilfe unwert. Er bewaffnet Feinde zu unserm Verderben, er verleiht ihnen Kraft und Macht, er treibt und leitet sie, wohin er sie haben will, er gibt uns in ihre Hände, weil wir von ihm abgefallen sind. Freilich mag selbst den Gottlosen eine Gotteslästerung, wie sie in den Worten Rabsakes liegt, verabscheuenswert sein; aber wenn teuflischer Hochmut uns derart verblendet, dass wir uns mit der Ehre, die allein Gott gebührt, als mit einem Raube schmücken, dann ist es bis zu jener Gotteslästerung nur ein kleiner Schritt. Zwar behielt Sanherib noch einen gewissen Schein von Frömmigkeit bei. Wir werden ja später (37, 38) lesen, dass er im Tempel seines Gottes getötet wurde, als er dort anbetete. Ohne Zweifel wollte er sich Gott geneigt machen. Aber wir er hier mit den Götzen der Heiden zugleich den Schöpfer Himmels und der Erde mit Füßen tritt, so hätte er es bei gegebener Gelegenheit auch gewagt, in derselben Weise gegen seine eignen Götzen sich zu erheben.
V. 21. Sie schwiegen aber stille usw. Aus diesen Worten können wir entnehmen, wie jämmerlich die Lage in ganz Judäa war. Der fromme König hatte fast gar keine Macht und keinen Schutz mehr; daher verstummt er trotz der Frechheit des Feindes. Diesen sollten die Gesandten besänftigen; da sie aber nichts erreichen, so befiehlt er ihnen zu schweigen, um nicht jene wilde Bestie, deren Wut schon genugsam entflammt war, noch mehr zu reizen. Ob der Befehl Hiskias: „Antworte ihm nichts“ – seinen Gesandten oder dem Volk gegeben war, vor dem Rabsake jene Schmähungen ausstieß, ist nicht ganz klar. Am besten denken wir ihn wohl an die Wächter gerichtet, die auf den Mauern standen. Die Schmähungen des Feindes mussten diese hart treffen, aber sie veranlassten sie doch nicht zu Streit und Aufruhr; vielmehr handelten die Wächter dem Befehle des Königs gemäß. Dass der König in solch schlimmer Lage doch seine Leute fest im Zaume hatte, das war auch eine besondere Gottesgnade.
Nun könnte jemand einwenden, wo solche Gotteslästerungen laut wurden, sei Schweigen durchaus nicht angebracht gewesen. Man darf doch nicht einfach darüber weggehen, wenn die Gottlosen den Herrn mit Schmähungen, mit Vorwürfen und Spott überhäufen, selbst wenn das Leben dabei auf dem Spiel stünde. Wir müssen doch kundtun, dass wir einen Angriff auf Gottes Ruhm und Ehre nicht gleichgültig hinnehmen. Aber jene haben doch nicht deshalb geschwiegen, um damit ein Zeichen der Zustimmung zu geben, oder weil ihnen jene Schmähungen nichts gewesen wären. Diese gegen Gott geschleuderten Schmähungen waren ihren Herzen eine Qual, wenn sie dem auch nicht in Worten Ausdruck gaben. Ja diese Schmähungen gaben den Gesandten Anlass zu jenen sichtbaren Zeichen und Äußerungen ihres Schmerzes, von denen im nächsten Verse erzählt wird. In bitterem Schmerz zerreißen sie ihre Kleider, um dadurch ihren Abscheu und ihren Schauder vor solchen Gotteslästerungen kundzutun. Weil doch alles Streiten mit Rabsake fruchtlos gewesen wäre, so kehrten sie still und ohne jede Erwiderung zurück; das Volk aber hielt es, da ein Protest nutzlos war, für hinreichend, der Frechheit jenes gottlosen Menschen mit stillen Seufzern zu begegnen. Und das ist auch eine nicht zu verachtende Tapferkeit, selbst dann nicht zu wanken und sich nicht beugen zu lassen, sondern stille zu bleiben, wenn man nicht einmal mehr atmen kann. Ja, hier werden wir daran gemahnt, dass wir uns nicht immer mit den Gottlosen herumzustreiten brauchen, wenn sie den Namen Gottes verunglimpfen und mit ihren Schmähungen herunterreißen. Denn wenn in heißem Kampfe hin und her geschrien wird, hört man doch die Wahrheit nicht. Aber darum dürfen wir uns doch nicht der Feigheit hingeben und etwa meinen, wir seien immer zu entschuldigen, wenn wir schweigen, so oft die Gottlosen sich gegen Gott erheben. Unser Schweigen ist nur dann zu entschuldigen, wenn wir es auf andere Weise bezeugen, dass uns das Gebaren der Gottlosen in hohem Grade missfällt, und wenn wir, soviel wir können, kundtun, dass uns nichts bitterer ist, als eine Schmähung des Namens Gottes. Unser Zorn muss sich also irgendwie äußern, damit nicht die Gottlosen wähnen, wir kümmerten uns nicht um die Ehre Gottes und würden nicht davon getroffen, wenn sie von ihnen herabgesetzt wird.
V. 22. Da kamen Eljakim usw. Da sehen wir, dass Eljakim und die andern Gesandten nicht deshalb geschwiegen haben, weil sie etwa der Gottlosigkeit des Rabsake zustimmten oder aus Furcht solche Schmähungen überhörten; sie zerreißen vielmehr ihre Kleider und bezeugen damit, wie sehr jene gottlosen Schmähungen ihr Missfallen erregen. Es war bei den Juden und andern Orientalen Sitte, wenn sie über irgendetwas ihren besonderen Abscheu bekunden wollten, ihre Kleider zu zerreißen. Jene Nationen haben heißeres Blut, als wir, die wir kältere Himmelsstriche bewohnen, und so sind sie auch in Gebärden, Haltung, Bewegung und sonstigen Äußerungen weit lebhafter als wir. Auch das ist zu beachten, dass die Leute, die persönliche Beleidigungen stille ertragen hatten, ihre Kleider zerreißen, sobald sie vernehmen, wie Gott mit Schimpf beladen wird. Denn Menschen, deren Herzen bei persönlichem Ungemach, wo Geduld am Platze wäre, erregt sind, aber nicht davon berührt werden, wenn sie den Namen Gottes mit Schmach bedeckt sehen, die zeigen damit, dass sie von heiligem Eifer und wahrer Frömmigkeit nichts besitzen.