Calvin, Jean – Hiob 8, 1-6.
1) Da nahm Bildad von Suah das Wort: 2) Wie lange noch willst du so reden? Die Worte deines Mundes sind wie ein starker Wind! 3) Sollte Gott das Recht verfälschen und der Allmächtige die Gerechtigkeit zerstören? 4) Deine Söhne haben gesündigt, und Gott hat sie an den Ort ihrer Missetat gebracht. 5) Kehrst du aber frühe zu Gott zurück und flehest zu dem Allmächtigen, 6) – bist du rein und aufrichtig, ja, dann erwacht er über dir und macht die Wohnung deiner Gerechtigkeit voll Friedens.
Die Freunde Hiobs führen eine üble Sache, gleichwohl tun sie es mit guten und vernünftigen Gründen. Freilich machen sie eine schlechte Anwendung davon, aber die Lehre an sich ist heilig und nützlich. Nehmen wir also das hier Gesagte allgemein, so finden wir schöne und gute Sprüche. Mit seiner ersten Behauptung will Bildad die Wahrheit feststellen, dass Gott ins seinen Strafen gerecht und untadelig ist. Das aber ist ohne Zweifel eine gute Lehre und gehört zu den Hauptartikeln unseres Glaubens; Bildad begeht nur den einen Fehler, dass er seinen Satz auf die Person Hiobs anwendet. Denn dieser Mann war viel zu heilig, als dass er sich hätte über Gott beklagen oder sich wider ihn auflehnen wollen. Er beklagt sich nur darüber, dass seine Not ihm in Anbetracht seiner Schwachheit zu hart und schwer falle, ohne dass er es jedoch unterließe, Gott dafür zu preisen. Bildad hat also eine schlechte Sache gehabt; nichtsdestoweniger aber ist sein Spruch gut und richtig, und wir müssen ihn auch annehmen, weil er zu unserer Erbauung dienlich ist.
Er meint: Die sich so über Gott beklagen, blasen nur Wind in die Luft. Wir hören die Gottlosen und Ungläubigen ihre Lästerungen ausspeien, wenn sie Gottes Gerechtigkeit herabsetzen und scheinbar über Donner und Blitz verfügen – aber alle ihre Wort sind wie Wind, der schnell vergeht, und so hoch können sie nicht kommen, wie die Majestät Gottes sich darin zu erkennen gibt. Wir dürfen uns durch diese Lästerungen nur nicht davon abschrecken lassen, Gott immerdar zu preisen. Denn er bleibt unangetastet, und die Menschen können nicht im Geringsten seine Majestät verkleinern, ob sie ihn gleich mit vollem Munde schmähen – das ist nur Wind und lauter Eitelkeit. Wir dürfen nicht anders als mit Bescheidenheit, Ehrerbietung und Demut von Gott reden und nicht solche windigen Reden führen. Gott können wir freilich auch nicht im Geringsten Abbruch tun, aber er wird sich an denen, die sich unterfangen, sich mit stolzen und vermessenen Worten gegen ihn aufzulehnen, nicht ungerächt lassen. Was soll also geschehen? Wenn wir die Lehre der Schrift zu Herzen nehmen, so wird uns das in rechter Festigkeit erhalten, und wenn wir nach dem Maße unseres Glaubens reden, so werden wir nicht schönen Wind machen, sondern Gott wird in allen unseren Worten erhöht und gepriesen.
Zuerst stellt Bildad die Frage: Sollte Gott das Recht verfälschen und der Allmächtige die Gerechtigkeit zerstören? Damit werden wir angewiesen, Gott die Ehre zu geben, dass er der Brunnquell aller Billigkeit und Gerechtigkeit ist und dass er unmöglich etwas tun kann, was nicht gut und gerecht wäre. Manche schreiben Gott wohl alle Macht zu, aber als gerecht wollen sie ihn nicht anerkennen. Wir dürfen aber keins vom andern trennen, wir dürfen uns nicht einbilden, in Gott gäbe es Dinge, die voneinander geschieden werden könnten. Freilich müssen wir wohl unterscheiden zwischen Gottes Weisheit und Güte, Gerechtigkeit und Macht, aber es liegt in seinem göttlichen Wesen, dass diese Dinge in ihm vereinigt sind und zu seinem Wesen gehören. Hüten wir uns wohl, etwa eine „absolute Macht“ in Gott anzunehmen, als regierte er die Welt wie ein Tyrann voll Übermut und Grausamkeit! Nein, ob er gleich alles unter seiner Hand hat, ob er gleich durch seine unbegrenzte Macht alle Dinge schafft, so hört er deshalb doch nicht auf, gerecht zu sein. Allerdings ist uns diese Gerechtigkeit Gottes zum Teil verborgen, und wir verstehen sie nicht, aber ebenso ist es mit seiner Macht. Können wir sie denn mit unserm Sinn oder Verstand ermessen? Sicherlich nicht! Ist also von Gottes Gerechtigkeit die Rede, so sollen wir wissen: Sie ist uns zwar nicht völlig bekannt und offenbar, aber wir müssen sie anbeten. Es steht geschrieben: „Dein Recht ist wie eine große Tiefe“ (Ps 36, 7); „Wie gar unbegreiflich sind seine Gerichte“ (Röm 11, 33); und „Er wohnt in einem Licht, da niemand zukommen kann“ (1. Tim 6, 16). So hoch können wir nicht kommen, dass wir erkennten, was Gott an und für sich ist. Aber das muss uns außer allem Zweifel stehen, dass es Gottes Art und Natur ist, alles, was er tut, in vollkommener Redlichkeit zu tun, und dass nichts daran zu tadeln ist. So müssen wir uns Gott vorstellen.
Wenn die Weltmenschen von Gott reden, so nennen sie ihn wohl den allerhöchsten Weltschöpfer, aber von seinem eigentlichen Wesen wissen sie nichts, ebenso wenig davon, dass er sich uns offenbaren will in seiner Güte, seiner Weisheit und in alledem, woraus wir einen Geschmack seiner Erkenntnis gewinnen können, um ihn zu lieben, zu ehren und ihm zu dienen. Und darauf müssen wir doch vornehmlich Acht geben. Denn was hätten wir damit gewonnen, wenn wir eine ganz genaue Kenntnis von seinem Wesen und seiner Majestät hätten, dabei aber nicht begriffen, was wir erfahrungsmäßig von ihm spüren und erkennen sollen? Es heißt doch: „In ihm leben, weben und sind wir“ (Apg 17, 28); er wohnt in uns, seine Barmherzigkeit erfüllt alle Dinge, wir werden durch seine Güte erhalten, wir haben Klarheit, soviel er uns gibt, und mehr nicht, er „heilet alle unsre Gebrechen“ (Ps 103, 3), und nicht ein Körnlein oder Tröpflein Gerechtigkeit haben wir, nur soviel wir aus ihm, dem Brunnquell der Gerechtigkeit, schöpfen. Wenn wir das alles nicht wissen, was nützt uns dann die Erkenntnis, dass es einen Gott gibt, der alle Dinge umfasst, und ein gewisses Verständnis von seiner Majestät? Darum müssen wir um so mehr auf unsere Stelle achten, wonach wir vor allen Dingen festzuhalten haben, dass Gottes Wesen Gerechtigkeit ist und dass ihm eine Abkehr von Recht und Billigkeit ebenso wenig möglich ist wie eine Verleugnung seines Wesens und Daseins. Denn es ist ebenso abgeschmackt zu sagen, Gott tue etwas ohne Vorsatz, wie: es gebe keinen Gott, und sein Wesen habe eine Einbuße erlitten. So sagt auch Paulus: „Ist denn Gott ungerecht? Das sei ferne! Wie könnte sonst Gott die Welt richten?“ (Röm 3, 5.6). Mit dem Worte „richten“ will er uns die Gewissheit geben, dass Gott auf das Recht so viel Gewicht legt, dass alles, was er tut und was von ihm ausgeht, dieser Richtschnur angepasst ist. Der Spruch des Paulus deckt sich also völlig mit diesem Worte Bildads. Denn unter dem Wort „Gott“ versteht Bildad Recht und Gerechtigkeit, und mit dem Ausdruck „der Allmächtige“ will er sagen: Können wir Gott dessen berauben, was derart mit seinem Wesen verbunden ist, dass er gar nicht davon zu trennen ist? Es hieße ja ihn vernichten, ihn von seinem Throne reißen und in nichts auflösen, wollte man die Klage auf Ungerechtigkeit gegen ihn erheben. St. Paulus nennt ihn nicht einfach „Gott“, gibt ihm auch nicht den Beinamen des „Allmächtigen“, sondern er spricht von seinem Amt: Gott ist Weltrichter! Das ist er aber nicht nach der Weise derer, die sich bestechen lassen, wie man´s wohl bei sterblichen Menschen wahrnimmt. Warum? Er hat sich sein Weltrichteramt nicht erworben, ist auch nicht auf gut Glück dazu gewählt, er hat sich nicht um sein Amt beworben, hat´s auch nicht für Geld gekauft, sondern es steht ihm von Natur zu; er ist nicht Gott, wenn er nicht zugleich auch Richter ist. Darum sollen wir uns keine andere Vorstellung von ihm machen als die der vollkommenen Gerechtigkeit und daran festhalten, dass sein Wille das oberste Gesetz ist.
Freilich kann unser Wissen um diese Gerechtigkeit nicht derart sein, dass wir ihr Wesen völlig ergründen könnten, so dass wir für alles Handeln Gottes immer den Grund einsähen. Er braucht wirklich nicht unser Untergebener zu sein, er braucht sich wirklich nicht nach unserm Maß messen zu lassen. Wollten wir also nicht einsehen, dass all sein Tun gut ist, wo sollte das hinaus? Was für eine Anmaßung wäre es von sterblichen Kreaturen und armen Erdenwürmern, wenn sie Gott zwingen wollten, sie wissen zu lassen, was es um seine Werke sei, und darüber mit uns zu sprechen! Ganz im Gegenteil, wenn Gott uns auch den Grund seines Handelns verbirgt und wir sein Tun befremdlich finden, so dass wir meinen, nach dem Maß unseres Verständnisses ihm den Prozess machen zu können, so müssen wir dennoch seine unbegreiflichen Gerichte und Geheimnisse anbeten, allen unsern Verstand in Demut zusammennehmen und sagen: Ja, zur Zeit läuft es scheinbar aller Vernunft zuwider, aber wir werden unseren Prozess gegen Gott nicht gewinnen, und ohne alle Einrede muss das unser letzter Schluss bleiben: Er ist gerecht. Wenn also „unser Wissen Stückwerk ist“ und „wir jetzt durch einen Spiegel sehen in einem dunklen Wort“ (1. Kor 13, 9.12), so lasst uns des Tages warten, da wir die Herrlichkeit Gottes schauen dürfen von Angesicht zu Angesicht; dann werden wir auch begreifen, was uns jetzt noch verborgen ist.
So will Gott unsern Glauben üben; wir sollen bekennen, dass seine Gerechtigkeit über allen Widerspruch und alles Murren erhaben ist. Dies Bekenntnis sollen wir ablegen, wenn wir es auch nicht begreifen und nie völlig begreifen werden und jeder Grund zu haben glaubt, um mit Gott zu disputieren, warum er es also mache. Obschon wir also diese Dinge nicht mit Augen sehen, müssen wir doch demütig genug sein, um Gott zu geben, was Gottes ist. Machen wir es anders, so ist das gerade so, als wollten wir – wenn wir könnten – sein unsterbliches Wesen zunichte machen. Nehmen wir dies recht zu Herzen, so ist das schon ein guter Anfang der Demütigung unter seine Hand und der Geduld in der Widerwärtigkeit. Denn wenn einer in der Trübsal murrt, so soll er wissen, dass er sich gegen Gott auflehnt; das Murren gegen Gott bedeutet den Widerspruch gegen alle Gerechtigkeit und Billigkeit. Was kann aber dabei anders herauskommen als Schande und Zusammenbruch? Der Kampf gegen die Gerechtigkeit ist ein verlorener Krieg!
Um aber recht geduldig zu werden, müssen wir noch weiter gehen. Warum? Weil das Wissen um Gottes Gerechtigkeit uns noch nicht gegen alle Anfechtung des Verzweifelns schützt. Da steht ein armer Sünder unter schwerem Druck; er bekennt – und zwar ohne alle Heuchelei -, dass Gott in seiner Bestrafung gerecht ist; aber er meint, er müsse zugrunde gehen und es gebe für ihn keine Vergebung mehr. So ist es auch dem Hiob ergangen. Er war ja wirklich nicht ein Mensch ohne Geduld, aber er war doch immerwährend schwersten Anfechtungen unterworfen. An Gottes Gerechtigkeit hat er nie gezweifelt, aber zur Anfechtung wird ihm der Blick auf seine Schwachheit: Ach Herr, ich bin so gebrechlich, und doch lässest du mich deine Übermacht fühlen! Wer bin ich denn? Es sieht aus, als wolltest du deinen Donner aufbieten gegen dein kleinstes Geschöpf, das noch geringer ist als ein Wurm. Da sieht man, woher Hiobs Angst und Kummer kommt: er kann beim ersten Schlag nicht sofort schmecken, dass Gott mitten in seiner Strenge ihm doch helfend zur Seite steht und dass er ihm einen guten und glücklichen Ausgang schenken wird. Etwas davon hat Hiob wohl empfunden, aber seine Traurigkeit hat ihn so Verwirrung gebracht, dass es ihm auf den ersten Anhieb nicht gleich gelingt, sich der Anfechtung zu entschlagen. Wohl wird er uns als ein Beispiel der Geduld vor Augen gestellt, aber seine Trübsal ist so heftig, dass er ins Wanken und Straucheln kommt, weil er der väterlichen Fürsorge Gottes nie so gewiss war, wie es nötig gewesen wäre. Darum sagte ich: Nichts vermag uns so zur Geduld zu bringen, wie die Erkenntnis und feste Überzeugung von der Gerechtigkeit Gottes. Aber dabei müssen wir auch noch an ein zweites denken: Auch bei seiner Züchtigung hört Gott nicht auf, uns lieb zu haben, ja, auch seine größte Strenge soll uns zum Besten dienen, und alle unsere Züchtigungen werden durch seine Gnade versüßt, ja, er wird uns endlich den erwünschten Ausgang geben.
Nun fährt Bildad fort: Deine Söhne haben gesündigt, und Gott hat sie an den Ort ihrer Missetat gebracht. Bildad meint: Damit hält Gott dem Hiob einen schönen Spiegel vor, damit er aufhört, sich gegen Gott zu erheben, und es nicht macht wie ein wild gewordenes Pferd. Denn die Aufruhr gegen Gott machen, die müssen zu Schanden und in den Abgrund versenkt werden. Gott will uns damit demütigen, damit wir nicht der Schwachheit unseres Fleisches den Zügel locker lassen; denn wir stecken ohnehin voller Mutwillen. Gegen Gott zu murren wird uns viel leichter als gegen einen, der uns untergeordnet oder unseresgleichen ist. Diese satanische Vermessenheit geht durch die ganze Welt: vor einer sterblichen Kreatur fürchtet man sich und mag sie nicht gern beleidigen, aber kühnlich und ohne Bedenken murrt man wider Gott. Sooft also Gott die Bösen straft, tut er das, um unser aller Haupt zu beugen und groß und klein den Mund zu stopfen; es soll uns nicht mehr in den Sinn kommen, Gott auf die Anklagebank zu setzen, sondern wir sollen wissen, dass es uns ebenso gehen wird wie denen, die wir also umkommen sehen, wenn wir es so machen wie sie. Darum heißt es auch in der Schrift (Jes 26, 9): „Wo dein Recht im Lande gehet, so lernen die Bewohner des Erdbodens Gerechtigkeit.“ Damit will Jesaja sagen: Solange die Sünden ungestraft bleiben, verstocken sich die Menschen und sind guten Mutes: sie meinen der Hand des Richters entronnen zu sein; es ist keinerlei Furcht und Zucht mehr in ihnen. Aber sobald sich Gott auf seinen Thron setzt und zeigt, dass er noch Richter ist, so erschrecken wir; es überkommt uns eine derartige Furcht, dass wir vor ihm zusammenbrechen, und so kommen wir wieder zurecht. Gottes Gerichte über die Bösen sollen uns eine Unterweisung sein, damit ein jeder sich unter Gottes Hand schicke.
Ob die Söhne Hiobs verworfen waren oder nicht, haben wir nicht zu untersuchen, ja, es ist mehr als wahrscheinlich, dass Gott ihnen nur eine zeitliche Strafe zugeschickt hat, um ihre Seelen für ewig zu retten. Wir hörten ja schon von der Eintracht, die unter ihnen herrschte. Die Schrift redet von ihnen ganz anders als von den Söhnen Elis. Andererseits sahen wir, dass Hiob feierliche Opfer brachte, wenn ihre festlichen Gastmähler vorüber waren. Ohne Zweifel hat er sie ermahnt, Gott um Verzeihung zu bitten, und sie sind darin ihrem Vater gefolgt. Darum können wir auch von Hiobs Söhnen nicht sagen, sie seien verworfen gewesen; wir wissen doch auch, dass Gott manchmal zuerst die, die er erwählt und zum Heil bestimmt hat, gewaltsam von dieser Erde hinweg nimmt und so behandelt, dass seine Züchtigung ihnen zum Besten dient. Also muss ihr Leib eine Zeitlang zugrunde gehen, damit ihre Seelen ewig selig werden. Den Söhnen Hiobs kann es auch so ergangen sein. Aber wir müssen hier überhaupt nicht auf die Personen sehen, sondern nur die Lehre annehmen: Sooft Gott seinen Arm ausstreckt, um die Sünden der Welt zu strafen, gibt es keinen unter uns, der nicht erzittern müsste; und wenn wir vorher roh und wüst waren, so dass der Teufel uns hin und her riss, so müssen wir schnell wieder zu Gott zurückkehren und wissen, dass er uns durch fremden Schaden zurecht bringen will und uns sehen lässt, wie furchtbar sein Zorn ist über alle die, die sich so frevelhaft ihm widersetzen.
Sucht uns aber Gott in dieser Welt heim und lässt uns danieder liegen, so ist uns das Leben zwar bitterer und schwerer als ein tausendfacher Tod, aber gleichwohl lässt er uns Frist zur Buße, und wenn wir uns alsbald zu ihm wenden, so werden wir ihn gern bereit finden zur Gnade, - und er macht die Wohnung unserer Gerechtigkeit voll Friedens, nämlich wenn wir mit Gebet und einem reinen und aufrichtigen Herzen zu ihm kommen. Das ist eine gute und heilsame Wahrheit: wir lernen auf die Gnade achten, die Gott uns erzeigt, und die Gunst, die er uns erweist, indem er uns mit dem ersten Schlag nicht gänzlich zerschmettert, sondern uns noch in diesem Leben lässt. Wohl war dem Hiob diese Qual härter und schlimmer als der Tod, und wenn er nur auf seinen Zustand blickt, so wünschte er sich den Tod; aber wenn wir auf die Absicht Gottes sehen, so werden wir die Erfahrung machen, dass alle unsere Traurigkeit versüßt und gemildert wird; wir werden merken, dass er sich unser noch erbarmen will. Setzen wir den Fall: ein Mensch fühlt sich hier gleichsam in der Hölle, statt Trostes fühlt er mit grausamem Schrecken, dass Gott sein Gegner und Todfeind ist, und dabei brennt es ihm in seiner Seele wie loderndes Feuer – wenn ein armer Mensch solchen Kummer hat, am Leibe Schmach leidet, dazu große Qual und unerträgliche Anfechtungen, wahrlich, da könnte er sich wohl den Tod wünschen, und müsste er durch Feuer und Wasser und Schwert gehen, es wäre ihm alles recht. Auch unser Herr Jesus Christus sagt ja, wer unter der Last dieser Schrecken Gottes leide, der wünschte, die Berge möchten auf ihn fallen, ja die Erde möchte sich umdrehen und ihn verschlingen. Kommen uns jedoch solche Gedanken, so sollen wir denken: Mein Gott bietet mir doch hier seine Barmherzigkeit an, er lockt mich in seine Nähe, und sooft ich von seiner Hand gezüchtigt werde, ruft seine süße und liebliche Stimme mich zu sich, er ruft mich mit gewisser Verheißung, er wolle sich gütig und gnädig gegen mich erzeigen – sicherlich wird das unsere Traurigkeit lindern. So ist uns in unserer Trübsal doch noch eine Hoffnung gelassen. Sollten wir denn diese Wohltat Gottes nicht so hoch schätzen, dass wir uns in unserer Not etwas erleichtert fühlen, so schwer sie auch ist und so sehr es uns vorkommt, als hätten wir keine Schultern, um sie zu tragen? Ja, Gott lässt uns immer noch ein diensames Mittel übrig, und unsere Krankheiten sind nicht unheilbar, wenn wir nur zu ihm unsere Zuflucht nehmen. Es ist wie eine Aufforderung, vor ihm zu erscheinen, damit wir ihn als Richter spüren, dabei aber uns zu seiner Gnade und unendlichen Barmherzigkeit flüchten in der festen Gewissheit, dass er sich allen, die zu ihm ihre Zuflucht nehmen, als Vater erzeigt. Lasst uns kühnlich vertrauen, dass unser Gott uns gnädig ist, und lasst uns ihm danken, dass er uns nicht sofort aus dieser gegenwärtigen Welt herausgenommen, sondern uns Frist gegeben hat, an unsere Sünden zu denken, damit wir ein rechtes Missfallen daran bekommen und wieder zu ihm zurückkehren!
Und nun der Trost: Kehrst du frühe zu Gott zurück und flehest zu dem Allmächtigen, bist du rein und aufrichtig, ja, dann erwacht er über dir. Das wird hinzugefügt, weil die Menschen so halsstarrig sind und trotz aller göttlichen Ermahnung nicht auf den Weg des Heils zurück wollen. Aber wir sollen beizeiten zu ihm kommen und dürfen´s nicht auf die lange Bank schieben wie die Spötter, die sich über Gott lustig machen: Oh, mit einem kleinen Seufzer werden wir schon durchkommen! Ja, sie reden, als trügen sie ihr Leben in der Tasche und hätten eine gewisse Verheißung bekommen, wie lange sie in dieser Welt leben sollen. Ja, sie tun, als stünde die Buße in des Menschen Vermögen, als könnte man sich nach seinem Wohlgefallen bekehren, wann man will, und doch ist die Bekehrung ein besonderes Gnadengeschenk Gottes. So gering und wohlfeil dürfen wir die Buße nicht einschätzen, dazu ist sie doch ein viel zu heiliges und kostbares Ding! Tag für Tag mehr entzieht sich die Welt; sie macht´s wie die schlechten Zahler: gibt man ihnen Ausstand, so legen sie sich sorglos schlafen, bis der gesetzte Termin kommt. Wenn den Weltkindern das Leben verlängert, denken sie doch nicht an Buße, bis die Stunde kommt, da sie mit Schanden zugrunde gehen.