Calvin, Jean - Der Brief an die Galater - Kapitel 2.

Calvin, Jean - Der Brief an die Galater - Kapitel 2.

V. 1. Darnach über vierzehn Jahre. Es ist kaum sicher festzustellen, ob die Apg. 15, 2 ff. erwähnte Reise gemeint ist: vielmehr weist der Zusammenhang eher auf ein anderes. Nach der Apostelgeschichte ist Paulus viermal nach Jerusalem gekommen. Über seine erste dortige Anwesenheit hörten wir schon (1, 18). Das zweite Mal war, als er die in den griechischen und asiatischen Gemeinden gesammelten Almosen mit Barnabas überbrachte (Apg. 12, 25). Mehreres bestimmt mich, die Stelle lieber auf diese Reise zu beziehen. Einmal würde im anderen Fall der eine Berichterstatter eine unrichtige Darstellung geben. Weiter empfiehlt es sich dringend, den Tadel, welchen Paulus über Petrus aussprach (2, 11 ff.), in eine Zeit zu verlegen, als der erstere noch dauernd in Antiochia weilte. Das war aber der Fall, ehe er von den Gemeinden nach Jerusalem geschickt wurde, um den Streit über die Zeremonien zum Austrag zu bringen. Außerdem ist es nicht wohl denkbar, dass Petrus solche Heuchelei an den Tag gelegt hätte, wenn jene Streitfrage entschieden, und der Beschluss der Apostel (Apg. 15, 23 ff.) veröffentlicht gewesen wäre. Hier aber schreibt Paulus, er sei nach Jerusalem gekommen, und fügt bei, er habe die Heuchelei des Petrus getadelt. Petrus konnte aber nur solange schwanken, als die Dinge noch zweifelhaft lagen. Außerdem hätte Paulus unmöglich von jener berühmten, im Auftrage der Gläubigen unternommenen Reise sprechen dürfen, ohne deren Anlass und denkwürdigen Ausgang zu berühren. Auch ist die Abfassungszeit des Briefes nicht genau bekannt. Die Griechen meinen, er sei in Rom geschrieben, die Lateiner in Ephesus. Ich glaube, dass er nicht nur geschrieben ward, bevor Paulus Rom gesehen hatte, sondern auch vor der Zusammenkunft der Apostel und ihrer Festsetzung über die Zeremonien. Wenn doch die Gegner fortwährend die Namen der Apostel missbrauchten, um Paulus herabzudrücken, und er hätte sich bereits auf jenen überall verbreiteten apostolischen Erlass berufen können, - so wäre es ja ein unbegreiflicher Leichtsinn gewesen, davon zu schweigen! Das eine Wort hätte doch jeden Widerspruch niedergeschlagen: ihr haltet mir die Apostel entgegen, - nun kennt doch aber jedermann deren Urteilsspruch, aus dem hervorgeht, wie unverschämt ihr lügt! Im Namen der Apostel wollt ihr den Heiden ein bindendes Gesetzesjoch auflegen, - während wir doch einen apostolischen Erlass in Händen haben, welcher die Gewissen vom Gesetz befreit! – Endlich sei daran erinnert, dass Paulus im Anfange des Briefes (1, 6) die Galater wegen ihres schnellen Abfalles vom Evangelium tadeln musste. Und dabei wird noch immer anzunehmen sein, dass seit ihrer Bekehrung schon einige Zeit vergangen war, ehe jener Streit über die Zeremonien aufgerührt wurde. Im Zusammenhange rechne ich die vierzehn Jahre nicht von einer Reise bis zur anderen, sondern lasse die Rechnung immer auf Pauli Bekehrung zurückgehen. So liegen elf Jahre zwischen den beiden Reisen.1)

V. 2. Ich zog aber hinauf aus einer Offenbarung. Jetzt stützt Paulus sein Apostelamt und seine Lehre nicht mehr bloß auf seine Erfolge, sondern auch auf eine göttliche Offenbarung. Hat jene Reise, die zur Anerkennung der Lehre des Paulus dienen musste, unter Gottes Leitung stattgefunden, so kann er ja sich nicht bloß auf menschlichen Beifall berufen, sondern auf einen Spruch Gottes selbst. Dagegen konnte doch auch die hartnäckigste Berufung auf die Namen der Apostel nicht aufkommen. Wäre zuvor noch einige Ursache zum Streit gewesen, so musste jetzt, nachdem Gottes Meinung kund geworden, aller Streit ruhen.

Ich besprach mich mit ihnen. Es war also eine gegenseitige Besprechung. Nicht schreiben jene vor, was er lehren müsse: sondern was er gelehrt hat, erzählt er, damit jene es unterschreiben und ihre Meinung beifügen. Weil aber die Gegner die Verleumdung vorbringen konnten, Paulus habe vieles kürzlich verschwiegen und so die Gunst der Apostel sich erschlichen, sagt er mit besonderem Nachdruck: ich habe das Evangelium zur Besprechung vorgelegt, das ich predige unter den Heiden. So muss jeder Verdacht auf Falschheit und Erschleichung schwinden. Wir werden sehen, was zuletzt folgt. Die Apostel haben ihm keine Vorwürfe gemacht, dass er ohne ihren Befehl sein Amt begonnen habe, sondern ohne Streit und Beschwerde bestätigt, was er getan hatte, und zwar unter dem Einfluss desselben Geistes, unter dessen Leitung Paulus zu ihnen gekommen war. Er wurde also nicht von ihnen zum Apostel gemacht, sondern als solcher anerkannt; aber dies nachher.

Auf dass ich nicht vergeblich liefe. Fällt denn Gottes Wahrheit, wenn sie nicht durch das Zeugnis der Menschen gestützt wird? Nein, sondern wenn auch die ganze Welt ungetreu ist, so bleibt doch Gottes Wahrheit fest und unverkürzt; und die nach Gottes Auftrag das Evangelium verkündigen, wenden nicht vergebliche Mühe an, auch wenn sie keine Frucht von ihrer Arbeit ernten. Doch darauf zielen Pauli Worte nicht, sondern weil bei schwankenden und zweifelnden Gewissen das Amt des Wortes, was die Menschen anbetrifft, unnütz ist, so bedeutet „vergeblich laufen“ so viel wie unnütz arbeiten, wenn die erwartete Erbauung ausbleibt. Weiter war dies ein starkes Mittel zu Erschütterung der schwachen Gewissen, wenn die Betrüger logen, die von Paulus gepredigte Lehre sei der Lehre der Apostel entgegen. Dann mussten viele wankend werden. Die Gewissheit des Glaubens hängt zwar nicht von der Zustimmung der Menschen ab, vielmehr müssen wir so sicher ausruhen bei der bloßen Wahrheit Gottes, dass alle Menschen und Engel uns davon nicht abbringen können. Für die Anfänger aber und die, welche nur einen schwachen Geschmack von der heilsamen Lehre besitzen, ohne sie schon völlig in sich aufgenommen zu haben, ist die Versuchung kaum erträglich, wenn sie hören, dass die vorzüglichsten Lehrer unter sich uneinig sind. Ja sogar die Starken bringt Satan zuweilen durch dieses Kunststück zu Fall, wenn er auf die Uneinigkeit derer hinweist, für die sich einerlei Ansicht und Rede besonders geziemte. In unseren Tagen lässt sich kaum sagen, wie viele durch den unseligen Streit über den Leib Christi dem Evangelium fern gehalten, wie viele im Glauben erschüttert worden sind dadurch, dass sie sahen, wie Männer von höchstem Ansehen so feindselig über eine wichtige Lehre kämpften. Andererseits ist die Einhelligkeit aller Lehrer ein nicht geringes Hilfsmittel zur Stärkung des Glaubens. Weil nun Satan mit solcher List den Lauf des Evangeliums zu verhindern suchte, wollte ihm Paulus entgegen treten. Ließ sich nur klarstellen, dass er mit allen Aposteln in gutem Einvernehmen stand, so war jeder Anstoß gehoben: die Unerfahrenen brauchten nicht mehr ängstlich zu schwanken, wem sie folgen sollten. Das ist also die Meinung: damit nicht die vorher getane Arbeit verloren ist, und ich weiter ohne Frucht fortfahre, habe ich jenem Bedenken ein Ende gemacht, das viele beunruhigte, ob sie mir oder dem Petrus Glauben schenken sollten: denn durch einmütiges Zusammenstimmen haben wir uns zu dem bekannt, was ich immer gelehrt hatte. Wenn heute die Erbauung vielen so am Herzen läge wie damals dem Paulus, so würden sie sich um die gegenseitige Übereinstimmung mehr kümmern.

V. 3. Aber auch Titus. Ein neuer Beweisgrund dafür, dass Paulus und die übrigen Apostel völlig zusammenstimmen. Denn als er einen unbeschnittenen Menschen zu ihnen geführt hatte, trugen sie kein Bedenken, denselben als Bruder anzuerkennen. Paulus gibt auch die Ursache an, weshalb die Beschneidung unterblieb: es handelt sich in der Beschneidung um ein so genanntes „Mittelding“ (vgl. zu 1. Kor. 8; auch Röm. 14), welches man gebrauchen, aber auch unterlassen kann, je nachdem es im gegebenen Falle förderlich erscheint. Dabei gilt es stets, die Regel fest zu halten: wenn wir auch dazu alle Macht haben, müssen wir doch sehen, was frommt (1. Kor. 10, 23). Darum ließ Paulus den Timotheus beschneiden (Apg. 16, 3), damit nicht sein unbeschnittener Stand den Schwachen einen Anstoß böte: denn damals hatte er mit schwachen Gemütern zu tun, die er schonen musste. Und gern hätte er bei Titus dasselbe getan, - so wenig wurde er jemals müde im Ertragen der Schwachen; aber die Verhältnisse lagen hier anders. Denn gewisse falsche Brüder warteten nur auf eine Gelegenheit, die Lehre des Paulus verleumden zu können, und würden sofort das Gerücht ausgestreut haben: siehe, dieser kühne Verfechter der Freiheit lässt, wenn er den Aposteln unter Augen treten muss, alsbald seinen männlichen Geist und das Selbstbewusstsein fahren, das er bei den Unerfahrenen geltend macht. Demgemäß muss man freilich einerseits auf die Schwachen Rücksicht nehmen, andererseits aber böswilligen Menschen, welche darauf ausgehen, unsere Freiheit zu verkümmern, tapferen Widerstand leisten. Denn die Pflichten der Liebe dürfen dem Glauben nicht schaden. So wird die Liebe für die Behandlung der Mitteldinge uns immer den rechten Weg weisen, vorausgesetzt, dass wir vor allen Dingen den Glauben nicht außeracht lassen.

V. 4. Denn da etliche falsche Brüder usw. Diese Sätze können doppelt verstanden werden. Entweder: Titus wurde nicht beschnitten, obgleich die falschen Brüder dies verkehrter Weise forderten und ihn beschneiden wollten. Oder: Paulus hat ihn auch ohnedies mit Absicht nicht beschneiden lassen, weil er sah, dass jene ihn in diesem Falle nur verleumden würden. Denn darum hatten sie sich in die Genossenschaft Pauli begeben, um eins von beiden erhaschen zu können. Hätte er frei die Zeremonien verachtet, so hätten sie der Juden Gehässigkeit gegen ihn erregt; wenn er aber von der Freiheit gar keinen Gebrauch machte, hätten sie sogleich bei den Heiden über ihn triumphiert, als hätte er reumütig seine Lehre zurückgezogen. Ich bin für die zweite Auslegung, dass Paulus, da er ihre List merkte, den Titus nicht beschneiden wollte. Aus den Worten, er sei nicht gezwungen worden, sollen die Leser erkennen, dass Paulus nicht die Beschneidung an sich verurteilt, als wäre sie ein übles Ding, sondern nur gegen die Notwendigkeit ihrer Beobachtung kämpft. Es ist als wollte er sagen: ich wäre bereit gewesen ihn zu beschneiden, wenn hier nicht geradezu ein Entscheidungsfall vorgelegen hätte. Denn man wollte dem Apostel ein Gesetz aufbürden: und einem solchen Zwang durfte er nicht weichen.

V. 5. Wir wichen denselbigen nicht eine Stunde. Diese Standhaftigkeit war das Siegel auf die paulinische Lehre. Des Apostels unbeugsame Haltung in diesem Kampfe wider falsche Brüder, die nur einen Angriffspunkt wider seine Lehre suchten, beseitigte für die Zukunft jeden Zweifel. Jetzt kann man ihm nicht mehr nachreden, dass er vor den andern Aposteln etwas verheimlicht habe. Paulus ist den falschen Brüdern keinen Augenblick gewichen, ihnen untertan zu sein, - sodass etwa seine Nachgiebigkeit zum Denkmal der unterdrückten Freiheit geworden wäre. In anderen Lagen ist er doch bis zuletzt in Sanftmut und Duldsamkeit gern jedermann untertan geworden.

Auf dass die Wahrheit des Evangeliums bei euch bestünde. Es war keine Gefahr, dass Paulus seiner Freiheit beraubt würde, auch wenn er andere sich unterwarf: aber andern hätte sein Beispiel geschadet. Er hat also klug überlegt, was nützlich wäre. So lernen wir hier einerseits, wie weit man Ärgernis meiden soll, andererseits dass bei den sogenannten Mitteldingen immer die Erbauung des Nächsten das letzte Ziel sein muss. Alles in allem: wir sind der Brüder Knechte, jedoch mit dem Zweck, dass wir allesamt dem Herrn dienen, und den Gewissen ihre Freiheit unangefochten verbleibt. „Die Wahrheit des Evangeliums“ bedeutet dessen volle und ungetrübte Reinheit. Denn die falschen Apostel schafften das Evangelium nicht völlig ab, sondern verunreinigten es mit ihren Zusätzen, sodass es halb und halb zu Trug und Menschengedicht wurde, - wie es immer geschieht, wenn wir auch nur ein wenig von der Einfalt Christi abweichen. Es genügt also nicht, den Namen des Evangeliums und einen gewissen Bestandteil desselben festzuhalten, wenn nicht die Reinheit der Lehre völlig und unverkürzt bleibt. Nur das reine Evangelium sieht Paulus als wahr an.

V. 6. Von denen, die das Ansehen hatten. Paulus ist erst dann zufrieden, wenn die Galater auch wissen, dass er selbst von Petrus und den Aposteln nichts gelernt hat. Wer erwägt, wie notwendig dies sein Halten auf seine Selbständigkeit war, dem wird es ehrwürdig und durchaus lobenswert vorkommen. Denn durch das Eingeständnis, er hätte unter Leitung der Apostel Fortschritte gemacht, hätte Paulus den Gegnern eine doppelte Waffe zur Verleumdung in die Hand gegeben. Sofort hätten sie gesagt: Endlich bist du dahin gekommen, das zu bessern, was du vorher verfehlt hattest, und den Fuß von dem verwegenen Fortschritt zurückzuziehen. So wäre zunächst die ganze Lehre seiner früheren Zeit verdächtig geworden und, was er gebaut hatte, zerstört. Ferner hätte er für die Zukunft weniger Ansehen gehabt, weil er für einen gewöhnlichen Schüler gehalten worden wäre. Wir sehen also, wie er nicht so sehr seinetwegen, als weil er seine Lehre behaupten muss, zu diesem heiligen Rühmen sich erhebt. Hier ist kein Streit aus Ehrgeiz, weil es sich durchaus nicht um Personen handelt, sondern Paulus will nicht, dass durch die Größe irgendeines Menschen sein Apostelamt verdunkelt werde, mit welchem das Ansehen seiner Lehre stand und fiel.

Welcherlei sie weiland gewesen sind usw. Dieser Satz ist wie in Klammern zu lesen. Paulus hat ihn eingeschaltet, um die Gegner wissen zu lassen, dass er sich mit menschlichen Autoritäten überhaupt nicht aufhält. Er gesteht zu, dass jene Apostel der Zeit nach die ersten gewesen sind; aber das verhindert ihn nicht, jetzt selbst die gleiche Stufe zu beanspruchen. Er sagt nicht, dass er ihre gegenwärtige Stellung für nichts achtet. Aber er will aus der Tatsache, dass sie selbst bereits Apostel waren, als er die Gemeinde noch verfolgte, keinen besonderen Vorzug für sie abgeleitet wissen. Der Vortritt in der Zeit soll keinen Vortritt in Recht und Rang begründen.

Gott achtet das Ansehen der Menschen nicht. Was nach Menschenurteil ein großer Unterschied sein mag, das gilt vor Gott, welcher ohne Ansehen der Person seine Berufung an keinen irdischen Vorsprung bindet, unter Umständen nichts. So bedeutete die Ehrenstellung der ersten Apostel für Gott kein Hindernis, auch den Paulus zu berufen und aus dem Nichts auf die gleiche Höhe zu erheben. Wollte aber jemand aus unserem Satze einen verächtlichen Ton gegen die Urapostel heraushören, der möge bedenken, dass Paulus hier seine Worte nicht in Rücksicht auf den persönlichen Wert der Apostel, sondern lediglich im Hinblick auf die prahlerische Übertreibung seiner Gegner wählt. Zu den Personen der ersten Apostel an und für sich hat er bei seiner unvergleichlichen Bescheidenheit ohne Zweifel mit ehrlicher Anerkennung aufgeblickt und hat Gottes Gaben an ihnen willig anerkannt (vgl. 1. Kor. 15, 9).

Mich haben sie nichts anderes gelehrt. Der Sinn ist klar, dass die Apostel, nachdem sie das Evangelium des Paulus gehört, nichts Gegenteiliges ihrerseits vorgetragen haben, wie es zu geschehen pflegt, wo man etwas Besseres und Vollkommeneres weiß. Vielmehr waren sie mit seiner Auseinandersetzung zufrieden und haben seine Lehre einfach und ohne Verzug anerkannt.

V. 7. Sondern dagegen usw. Ohne Zögern geben sie ihm die Bruderhand. Das bedeutete aber eine uneingeschränkte Zustimmung zu seiner Lehre. Sie vermochten nichts Abweichendes hinzuzusetzen, wie man dies bei zweifelhaften Dingen zu tun pflegt. Sie bekannten sich zum selbigen Evangelium wie er, und erkannten ihn als Genossen ihres ehrenvollen Amtes an. Zu dieser Genossenschaft gehörte auch das, dass sie die Provinzen unter sich teilten: sie standen also alle gleich, und nicht etwa Paulus irgendwie unter den Uraposteln.

Da sie sahen, dass mir vertraut war das Evangelium an die Vorhaut. Dass er durch freundliches Entgegenkommen und Entschluss der Urapostel zu seinem apostolischen Amte erhoben worden wäre, hat Paulus nie zugestanden: vielmehr mussten sie seine Würde annehmen, wenn sie nicht bei Seite schieben wollten, was Gott gegeben hatte. Immer ist es ihm darum zu tun, dass er durch Gottes Gabe und Einsetzung zum Apostel geweiht ward, wobei er allerdings hinzusetzen kann, dass die Apostel ihn als solchen anerkannt haben. Daraus folgt denn, dass jene Lügenlehrer etwas angriffen, was die Apostel selbst unangetastet ließen, um nicht wider Gottes Erwählung zu streiten. An unserer Stelle beginnt Paulus insbesondere davon zu handeln, was ihm im Unterschiede von den anderen eigen war. War es doch das besondere Amt des Paulus und Barnabas, dass sie mit dem Evangelium für die Vorhaut, d. h. für die unbeschnittenen Heiden betraut waren. Das war durch Gottes Offenbarung geschehen, deren Erfüllung die Apostel nicht nur zuließen, sondern auch beförderten, weil Ungehorsam ein schwerer Frevel gewesen wäre. Sie haben daher der Offenbarung gemäß die Aufgaben unter sich geteilt, sodass Paulus und Barnabas die Apostel der Heiden, die andern die der Juden sein sollten. Aber widerspricht das nicht dem Auftrag Christi, der die Zwölf hinausgehen heißt in alle Welt (Mk. 16, 15)? Antwort: dies Wort Christi bezieht sich nicht gerade nur auf die Personen der Zwölf, sondern beschreibt ganz allgemein den Umfang des apostolischen Amtes, dass nämlich das Heil durch die Lehre des Evangeliums zu allen Völkern gelangen soll. Es ist ja bekannt, dass die Apostel niemals den Erdkreis durchwandert haben, und dass keiner von den Zwölfen jemals nach Europa gekommen ist. Was über Petrus berichtet wird, ist sagenhaft und jedenfalls überaus unsicher. Sollte jemand behaupten, dass dennoch jedem einzelnen Apostel die Juden ebenso wie die Heiden anbefohlen waren, so gebe ich dies bedingungsweise zu: bei gegebener Gelegenheit durfte jeder Apostel das Evangelium ebenso unter den Heiden wie unter den Juden verbreiten, und die Teilung sollte nicht unverrückbare Grenzen setzen, wie zwischen Ländern oder Verwaltungsbezirken. Denn Paulus hielt es überall für seine Pflicht, zuerst seinen apostolischen Dienst den Juden anzubieten. Und wie ihm dies erlaubt war, ebenso stand es den andern frei, von den Heiden, welche sie konnten, zu Christus zu führen. Von diesem Rechte machte Petrus bei Kornelius und andern Gebrauch (Apg. 10). Aber weil die übrigen Apostel in einer Gegend weilten, deren Bewohner fast sämtlich Juden waren, Paulus aber in Asien, Griechenland und andern fernen Ländern umherreiste, so ist er durch diesen Umstand besonders zum Heidenapostel bestimmt worden. Ja sogar als der Herr anfangs ihn abgesondert wissen wollte, verlangte er, dass er Antiochien und Syrien verließ und über das Meer in ferne Länder ginge der Heiden halber. So galt sein ordentliches Apostelamt den Heiden, sein außerordentliches den Juden. Die andern dagegen haben eigentlich die Juden sich ausgewählt, aber mit der Bedingung, dass bei sich bietender Gelegenheit ihr Amt auch den Heiden gelten dürfe; doch nachher ist dies für sie gleichsam zur Ausnahme geworden.

V. 8. Der kräftig ist gewesen. Paulus zeigt, dass die ihm übertragene Aufgabe ihm wirklich zustand: hatte doch Gott seine Kraft in seinem Amt geoffenbart. Eine solche Offenbarung der göttlichen Wirksamkeit ist aber, wie wir schon öfter sahen, gleichsam das Siegel, um die Zuverlässigkeit seiner Lehre zu besiegeln und sein Lehramt zu beglaubigen. Übrigens ist zweifelhaft, ob Paulus die Wirksamkeit Gottes auf den Erfolg seiner Predigt bezieht oder auf die Gaben des heiligen Geistes, welche damals den Gläubigen gegeben wurden. Ich denke nicht an den bloßen Erfolg, sondern auch an die Erscheinung geistlicher Kraft, von welcher auch sonst die Rede ist (1. Kor. 2, 4). Alles in allem: die von den Aposteln vorgenommene Teilung war nicht hohles Menschenwerk, sondern fand ihre Bestätigung in Gottes Entscheid.

V. 9. Und da sie erkannten die Gnade. Waren die Urapostel bewundernd vor Gottes Gnadengaben in Paulus stillgestanden, was soll man dann von dem stolzen Eigensinn der Leute denken, welche alle offenbaren Vorzüge nicht sehen wollten! So können wir hier lernen, dass man Gottes Gnade an ihrem Platze überall anerkennen soll, wo sie sich offenbart, - wenn man nicht etwa den Streit mit dem Geiste des Herrn aufnehmen will, der seine Gaben nie unwirksam bleiben lässt. Die Gnade also, welche die Apostel dem Paulus und Barnabas geschenkt sahen, hat sie angetrieben, ihn als Amtsgenossen zu begrüßen.

Jakobus war der Sohn des Alphäus, wie ich soeben schon (zu 1, 19) dargelegt habe. An den Bruder des Johannes dürfen wir nicht denken, weil ihn Herodes kurz vorher getötet hatte (Apg. 12, 2). Dass es sich aber um irgendeinen Mann aus dem weiteren Jüngerkreise handeln sollte, der nun in dieser Weise über alle Apostel hervorragte, erscheint unglaublich. Denn dass der Betreffende ein Haupt unter den Aposteln war, zeigt auch Lukas, der ihm in der Apostelversammlung (Apg. 15, 6 ff.) die abschließende Rede und somit den eigentlichen Entscheid zuteilt, und später (21, 18) erzählt, dass alle Ältesten der jerusalemischen Gemeinde bei ihm zusammen kamen. Dass Jakobus, Kephas und Johannes für Säulen angesehen waren, sagt Paulus nicht etwa im verächtlichen Sinne, sondern als Ausdruck der allgemeinen Ansicht, aus welcher sich ergibt, dass man ihre Entscheidung nicht leichtherzig bei Seite schieben darf. Übrigens überrascht uns, dass, wo es sich doch gerade um Rangfragen handelt, Jakobus hier noch vor Petrus genannt wird. Es geschieht dies wohl, weil er an der Spitze der Gemeinde zu Jerusalem stand. Gelten nun in der Gemeinde bestimmte Leute als „Säulen“, so ergibt sich diese besondere Autorität ganz naturgemäß aus ihrer besonderen Begabung mit Geist und Weisheit. Auch in der Gemeinde Gottes gebührt einem jeden seine Ehre nach dem Maß der ihm verliehenen Gnade. Denn es wäre undankbar, ja gottlos, den Geist Gottes nicht zu verehren, wo immer er durch seine Gaben sichtbar wird; weiter aber: wie die Gemeinde eines Hirten nicht entraten kann, so bedürfen wiederum die Pastoren irgendeiner Leitung. Dabei soll jedoch immer das Wort gelten: der Größte von allen soll wie ein Diener sein (Mt. 23, 11).

V. 10. Allein dass wir der Armen gedächten. Offenbar litten die Brüder in Judäa schlimme Not, sonst hätten sie die andern Gemeinden nicht belästigt. Dieser Notstand erklärt sich teils aus misslichen Umständen, welche die Juden überhaupt drückten, teils auch aus grausamen Verfolgungen, welche die jüdischen Christen von ihren Volksgenossen erleiden mussten. Dass nun die Heiden ihnen Unterstützung zu teil werden ließen, war nicht mehr als billig, da sie ja ihrerseits das unvergleichliche Gut des Evangeliums ihnen verdankten. Sagt nun Paulus, dass er fleißig gewesen, den empfangenen Auftrag auszurichten, so nimmt er seinen Gegnern einen Angriffspunkt, nach welchem sie fortwährend ausschauten.

V. 11. Da aber Petrus kam. Wer alle Umstände besonnen erwägt, wird mir hoffentlich darin beistimmen, dass das hier Berichtete geschehen ist, ehe die Apostel sich für die Befreiung der Heiden vom Zeremonialgesetz öffentlich ausgesprochen hatten. Denn Petrus hätte bei Jakobus oder dessen Abgesandten keinen Anstoß mehr zu fürchten brauchen, wenn schon jene Bestimmung vorgelegen hätte, die ja auf eine Aussprache des Jakobus selbst gegründet war. – Die ganze Darlegung führt uns auf die Höhe des apostolischen Selbstbewusstseins. Hatte Paulus zuerst nur gesagt, dass die Gewissheit seines Evangeliums von Petrus und den übrigen Aposteln unabhängig sei und keinesfalls nach deren Urteil stehe oder falle (1, 11 – 24), - hatte er dann von seiner einstimmigen und widerspruchslosen Anerkennung namentlich durch die Säulen der Christenheit berichten können (2, 1 – 10), so geht er jetzt noch einen Schritt weiter: er durfte sogar dem Petrus, der auf die entgegengesetzte Seite neigte, einen Tadel aussprechen, hat somit sein Evangelium gegenüber der Heuchelei desselben siegreich behauptet. Der Bericht über dies Ereignis führt uns zugleich tiefer in den Inhalt des paulinischen Evangeliums ein. Bei diesem Anlass trat die apostolische Würde des Paulus in ein helles Licht: denn er tadelte den Petrus nicht einfach, wie ein Christ dem anderen Vorhaltungen machen darf, sondern redete kraft seines apostolischen Amtes. Nebenbei haben wir hier einen entscheidenden Beweis gegen die unverschämte Erhebung des römischen Papstes über die ganze Kirche. Hier hat doch Paulus nicht in vorschneller Anmaßung, sondern kraft göttlicher Vollmacht den Petrus vor der ganzen Gemeinde zurechtweisen dürfen: und dieser hat sich in aller Demut gefügt!

Er hatte eine Zurechtweisung verdient. Rücksichtslos ist Paulus dem Petrus unter Augen und zwar Angesichts der ganzen Gemeinde (V. 14) entgegengetreten: denn die evangelische Freiheit stand in Gefahr, und der Gnade Christi drohte Verkennung. Immerhin ließe sich sagen, worin denn eigentlich der Fehler und die Heuchelei des Petrus bestand, wenn doch auch Paulus selbst sich dessen rühmt, dass er den Juden ein Jude ward (1. Kor. 9, 20). Der Unterschied war aber der, dass Paulus die christliche Freiheit unangetastet ließ, deshalb auch in die Beschneidung des Titus nicht willigte, um die Wahrheit des Evangeliums zu retten, - während Petrus in einer Weise den Juden nachgab, die eigentlich Gesetzeszwang für die Heiden und einen Gegensatz gegen die Lehre des Paulus bedeutete. Petrus überschritt das erlaubte Maß und übte sein Entgegenkommen mehr aus Menschengefälligkeit und Rücksicht auf ein paar Juden, als mit dem Blick auf die Erbauung der ganzen großen Gemeinde.

V. 12. Denn zuvor, ehe etliche kamen. Hier wird der Stand der Sache beschrieben, dass nämlich Petrus, um die Gunst der Juden zu behalten, sich den Heiden entzog, sodass sich dieselben von der christlichen Gemeinschaft ausgeschlossen sahen, falls sie nicht der Freiheit des Evangeliums entsagen und das Joch des Gesetzes auf sich nehmen wollten. Hätte Paulus hier geschwiegen, so fiel seine gesamte Lehre zusammen, und der ganze durch sein Amt hergestellte Bau stürzte hin. Daher hielt er heftigen Widerstand für nötig. Wir sehen hier, wie vorsichtig wir unsere Folgsamkeit gegen Menschen abzumessen haben, damit wir nicht aus maßloser Gefallsucht oder aus verkehrter Furcht, andere zu beleidigen, vom rechten Lauf abbiegen. Konnte das bei einem Petrus vorkommen, wie viel leichter bei uns, wenn wir nicht emsig auf der Hut sind!

V. 14. Da ich sah, dass sie nicht richtig wandelten. Dies bezieht sich auf Petrus, Barnabas und ihre Anhänger. Es hieß recht in die Wahrheit des Evangeliums eindringen, wenn man die Vereinigung der Heiden mit den Juden unter Bewahrung der reinen Lehre anstrebte. Aber dass die Gewissen der Frommen zur Beobachtung des Gesetzes verpflichtet wurden und man auf diese Weise der Lehre von der Freiheit ein stilles Begräbnis bereitete, - einen solchen Preis war die Einheit nicht wert. Von der Wahrheit des Evangeliums spricht Paulus hier im gleichen Sinn wie schon früher (2, 5): den Gegensatz dazu bildet die Unklarheit, mit welcher Petrus und die andern das wirkliche Evangelium verdunkelten. Das gab für Paulus einen ernsten Kampf. Mochten auch beide Teile in der Lehre selbst zusammenstimmen, so muss doch Petrus sich die Anklage auf Heuchelei gefallen lassen, weil er sich tatsächlich um die Lehre und erkannte Wahrheit nicht kümmerte und in knechtischem Gehorsam sich den Juden unterwarf. Dass er als Apostel der Beschneidung auf das Volk der Beschneidung besondere Rücksicht nehmen musste, entschuldigt ihn nicht. Vielmehr hat Paulus ganz Recht, wenn er hier, wo es sich um Gottes Sache handelt, die Reinheit des Evangeliums vor der Berührung mit jüdischem Sauerteig nachdrücklich bewahrt.

Vor allem öffentlich. Dies Beispiel mahnt zur öffentlichen Zurechtweisung derer, die öffentlich gefehlt haben, soweit eine solche zum wahren Besten der Gemeinde dient. Der Zweck dabei muss sein, dass nicht die Sünde, wenn sie ungestraft bleibt, ansteckend wirke. Und Paulus zeigt anderwärts, wie dies namentlich bei Presbytern (1. Tim. 5, 20) beobachtet werden muss, da bei ihrer Stellung ein schlechtes Beispiel umso mehr schadet. Besonders aber war die öffentliche Verteidigung der guten, alle angehenden Sache deshalb nützlich, weil Paulus dadurch umso besser bezeugte, dass er das Licht nicht zu scheuen brauchte.

So du, der du ein Jude bist. Die Rede des Paulus an Petrus besteht aus zwei Stücken. Das erste tadelt den Petrus, dass er ungerecht gegen die Heiden verfährt, wenn er sie zur Beobachtung des Gesetzes zwingt, von dem er selbst frei sein will. Denn abgesehen davon, dass jeder das Gesetz halten muss, welches er andern vorschreibt, fehlte er darin noch schlimmer, dass er die Heiden zum Judentum nötigte, während er selbst als Jude sich Freiheit vorbehielt. Denn den Juden, nicht den Heiden ist das Gesetz gegeben. Dazu war es ein ziemlich harter und heftiger Zwang, dass er den Heiden die Gemeinschaft kündigte, wenn sie nicht das Joch des Gesetzes auf sich nehmen wollten. Das war eine ungerechte Bedingung der Gemeinschaft. Die ganze Kraft des Tadels beruht in diesem Worte. Denn der Gebrauch der Zeremonien zur Erbauung war freigegeben, nur sollten die Gläubigen nicht ihrer Freiheit beraubt noch ihnen ein Zwang auferlegt werden, von dem sie das Evangelium losgekauft hat.

V. 15. Wir sind von Natur Juden. Jetzt beginnt der zweite Teil der Rede, und zwar zunächst mit einem willigen Eingeständnis des Vorzugs, dessen die Juden sich rühmen konnten: im Unterschiede von der unheiligen und unreinen Heidenwelt hatte sie Gott zu seinem Volke gemacht. Mit großem Geschick braucht aber Paulus diesen Vorzug als Waffe wider seine Gegner. Denn wenn die Juden selbst mit allem, dessen sie sich rühmen konnten, gezwungen waren, zum Glauben an Christum ihre Zuflucht zu nehmen, wie viel mehr musste es bei den Heiden der Glaube sein, durch den allein sie das Heil gewinnen konnten! Pauli Meinung ist also die: Wir, die wir dem Anschein nach vorzüglicher sind als die anderen, die wir durch die Wohltat des Bundes Gott immer nahe gestanden haben, haben doch keinen anderen Weg zum Heil gefunden an den des Glaubens an Christum, - warum sollten wir nun den Heiden einen anderen vorschreiben? Denn wenn das Gesetz nötig wäre oder seinen Tätern zur Seligkeit nützte, so würde es uns am meisten nützen, denen es gegeben worden ist. Haben wir nun aber das Gesetz aufgegeben und sind zu Christus gekommen, so darf man dies Gesetz viel weniger den Heiden auferlegen. – Das Wort „Sünder“ bezeichnet hier wie oft anderwärts den verlorenen und Gott entfremdeten Menschen. Solche waren die Heiden, die mit Gott gar keine Gemeinschaft hatten. Die Juden aber waren zu Gottes Kindern angenommen und gelten darum für heilig. „Von Natur“ soll nicht heißen, dass die Juden ihrer Natur nach von dem Verderben der Menschen frei wären, wie denn David, ein Nachkommen Abrahams, von seiner Geburt in sündlichem Wesen spricht (Ps. 51, 7). Aber über das natürliche Verderben, an dem auch Israel teilhatte, war das Heilmittel der heiligenden Gnade gekommen. Weil nun die Verheißung einen Erbsegen enthielt, darum wird dieses Gut „natürlich“ genannt. So heißt es auch im Römerbrief (11, 16), dass die Juden einer heiligen Wurzel entsprossen sind. „Wir sind von Natur Juden“, heißt also: wir werden als Heilige geboren, zwar nicht durch eigenes Verdienst, sondern weil uns Gott zu seinem Volk erwählt hat. Wir also, von Natur Juden, haben an Christum Glauben gelernt. Und weshalb? Um durch den Glauben gerechtfertigt zu werden: weil wir überzeugt waren, dass die Menschen die Gerechtigkeit durch die Werke des Gesetzes nicht erlangen können. Aus der Art und Wirkung des Glaubens zieht also Paulus den Schluss, dass das Gesetz den Juden zur Rechtfertigung gar nichts nützte. Denn wie sie über dem Trachten ihre eigene Werkgerechtigkeit aufzurichten, der Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, nicht untertan sind (Röm. 10, 3), so bekennen umgekehrt, die an Christum glauben, sich als Sünder und verzichten auf die Werkgerechtigkeit. - Hier stehen wir nun bei der Hauptfrage, ja in diesem einen Satz ist fast die ganze Streitsache enthalten. Vor allem müssen wir uns einprägen, dass man die Gerechtigkeit durch den Glauben an Christum suchen soll, weil des Gesetzes Werke uns nicht rechtfertigen können. Darunter versteht Paulus nicht nur das Zeremonial-, sondern auch das Moralgesetz; bezieht sich doch, was er den Gegnern vorhält, auf meisten auf dieses (vgl. zu Röm. 3, 20). Aller gesetzlichen Gerechtigkeit steht die Freiheit der Gnade gegenüber, mit welcher Gott uns annimmt. Bildete nun auch den Ausgangspunkt des ganzen Streites die Frage nach den Zeremonien, so greift die Aussprache des Paulus doch viel weiter. Eben darum klammerten ja sich die Gegner an die Zeremonien, um auf ihre Beobachtung die Seligkeit zu gründen: der Kultus sollte ein verdienstliches Werk sein. Demgegenüber betont Paulus nun nicht etwa bloß, dass man sich an die Sittengebote, sondern vor allem, dass man sich an die Gnade Christi halten solle. Denn das war doch schließlich die entscheidende Frage, ob wir durch Werke überhaupt oder durch Glauben gerecht werden.

V. 16. Sondern durch den Glauben. Der Satz sagt nicht, dass der Glaube zu den äußeren Zeremonien oder irgendwelchen sittlichen Leistungen ergänzend hinzukommen muss, sondern dass er allein es ist, welcher rechtfertigt. So musste Paulus reden, um seine Gegner zu treffen, welche ja nicht Christum und den Glauben verwerfen, sondern die Zeremonien nur noch hinzufügen wollten. Hätte der Apostel diese Verbindung anerkannt, dann wäre er ja mit den andern einig gewesen und hätte der Kirchen einen aufregenden Kampf ersparen können. Es stand aber bei ihm unbedingt fest, dass man nicht (wie heutzutage die römische Lehre will), die Gerechtigkeit halb aus dem Glauben und halb aus den Werken ableiten dürfe. Wenn er lehrt, dass wir durch den Glauben gerecht werden, weil es durch die Werke nicht möglich ist, so gilt es ihm als eine ausgemachte Wahrheit, dass wir uns von eigener Gerechtigkeit leer und ledig fühlen müssen, wenn anders wir Christi Gerechtigkeit uns aneignen wollen. So muss also entweder nichts oder alles dem Glauben oder den Werken zugeschrieben werden.

Wird kein Fleisch gerecht. Wofür Paulus eben das Gewissen des Petrus und seiner Genossen zum Zeugen genommen hatte, das verkündigt er jetzt selbst mit größtem Nachdruck: kein Sterblicher wird durch des Gesetzes Werke die Gerechtigkeit erlangen. Von eigener Gerechtigkeit entblößt werden, - das ist die Grundlage für die geschenkte Gerechtigkeit. Gerechtigkeit aus dem Gesetz ist eben für jeglichen Menschen ohne Ausnahme unerreichbar.

V. 17. Wir, die da suchen durch Christum gerecht zu werden. Die an Petrus gerichteten Worte sind nun zu Ende, und Paulus wendet sich wieder an die Galater. Denn die folgenden Bemerkungen hätten dem Petrus gegenüber keinen rechten Zweck. Da übrigens für die Sache selbst wenig darauf ankommt, so habe ich auch nichts dagegen, wenn jemand hier noch eine Fortsetzung der Rede an Petrus fände. Wichtiger ist ein anderer Punkt. Manche Ausleger lesen nämlich unseren Satz nicht als Frage, sondern als positive Aussage, und zwar in folgendem Sinne: Wenn wir, die wir Gerechtigkeit in Christo suchen, nicht völlig gerecht, sondern noch unrein sind, sodass Christus uns nicht zur Gerechtigkeit genügt, so folgt, dass Christus uns eine Lehre zudient, welche den Menschen in der Sünde stecken lässt. Diesen frevelhaften Satz würde dann Paulus den Leuten als notwendige Folgerung zuschieben, welche noch ein Stück der Gerechtigkeit nicht in Christo, sondern nur im Gesetz finden zu können meinen. Weil aber die anschließenden Worte: das sei ferne! bei Paulus immer und überall nur auf eine vorhergehende Frage in einem entschieden abweisenden Sinne antworten (z. B. 3, 21. Röm. 3, 5. 6. 9, 14), so halte ich auch diesen Vers für eine Frage und für bestimmt, die absurde Folgerung zurückzuweisen, welche sich zu ergeben schien. Nach seiner Weise legt Paulus gewissermaßen den Gegnern eine Frage in den Mund: wenn die Glaubensgerechtigkeit dieses bewirkt, dass sogar wir Juden als schuldig und besudelt angesehen werden, obwohl wir von Mutterleib an geheiligt sind, können wir dann nicht sagen, dass Christus der Urheber der Sünde ist, weil er ja die Macht der Sünde sich in den Seinen entwickeln lässt? Ein solcher Zweifel konnte wohl aufsteigen, wenn es doch hieß, dass Juden, die an Christum gläubig wurden, der Gerechtigkeit des Gesetzes den Rücken kehrten. Denn das Judentum ohne Christus, aber geschieden von der gemeinen Verunreinigung mit den Heiden, schien doch seine Glieder gewissermaßen als aus der Reihe der Sünder ausgeschieden hinzustellen. Die Gnade Christi aber stellt Juden und Heiden auf gleiche Stufe: haben beide das gleiche Heilmittel nötig, so muss ja wohl auch die Krankheit die gleiche sein. Dies liegt in der Wendung: auch selbst wir erden als Sünder erfunden, d. h. selbst so bevorzugte Leute, wie die Juden waren. Solchen Gedanken aber gilt es zurückzuweisen: Das sei ferne! Denn Christus in kein Sündendiener in dem Sinne, dass er vorhandener Sünde freie Bewegung gewährt, indem er uns von einem gerechten Leben geringer denken lehrt, noch gar in dem Sinne, dass er geradezu ein Reich der Sünde aufrichten wollte. Der Irrtum der Juden lag darin, dass sie sich außer Christo in einer Heiligkeit bespiegelten, die doch keine war. Daher denn die Frage: ist denn Christus dazu gekommen, um uns die Gerechtigkeit des Gesetzes zu nehmen, aus Heiligen Besudelte zu machen und uns der Sünde und der Schuld zu unterwerfen? Nein, sagt Paulus mit Entschiedenheit: so ist es nicht; weg mit dieser Gotteslästerung! Christus brachte die Sünde nicht, sondern machte sie nur offenbar; er nahm den Juden nicht eine wirkliche Gerechtigkeit, sondern zog ihnen nur die falsche Maske vom Gesicht.

V. 18. Wenn ich aber das, so ich zerbrochen habe. Paulus gibt eine doppelte Antwort. Zunächst eine indirekte, indem er darauf hinweist, dass die abgelehnte Folgerung seiner ganzen Predigt ins Gesicht schlagen würde. Hatte er doch den Glauben an Christum immer so gepredigt, dass der Zusammenbruch und das Sterben der Sünde damit in unlöslichem Zusammenhang stand. Wie Johannes sagt, dass Christus nicht gekommen ist, das Reich der Sünde aufzurichten, sondern die Werke des Teufels zu zerstören (1. Joh. 3, 8), ebenso bezeugt Paulus hier, dass die Predigt des Evangeliums die wahre Gerechtigkeit wiederhergestellt habe, damit die Sünde vernichtet würde. Also darf man unmöglich in einem Atemzuge sagen, dass derselbe Christus die Sünde aus dem Wege geräumt und zugleich wieder aufgerichtet habe. So wird der verleumderische Vorwurf der Lächerlichkeit preisgegeben und damit abgetan.

V. 19. Ich bin aber durchs Gesetz dem Gesetz gestorben. Jetzt erst folgt die direkte Antwort: was das eigenste Werk des Gesetzes ist, darf man nicht Christo aufbürden. Christus brauchte ja auch nicht erst zu kommen, um die Gerechtigkeit des Gesetzes klein zu machen: denn das Gesetz tötet seine eigenen Jünger. Paulus will zu verstehen geben: ihr betrügt die bejammernswerten Menschen durch die Wahnvorstellung, als ob sie aus der Quelle des Gesetzes Leben schöpfen müssten, und unter diesem Vorwand haltet ihr sie im Gesetz fest. Mittlerweile setzt ihr das Evangelium der Missgunst aus, als ob es die Gerechtigkeit, die wir aus dem Gesetz haben, zunichtemache. Gleichwohl aber ist es das Gesetz selber, das uns zwingt ihm zu sterben: denn es kündigt uns Verderben an, treibt uns also zur Verzweiflung und raubt uns damit alles Vertrauen auf seine Kraft. Das Verständnis dieser Stelle wird leichter durch einen Blick auf den Anfang von Römer 7. Dort beschreibt Paulus so schön, dass der Mensch nur so lange dem Gesetze lebt, als das Gesetz für ihn noch tot d. h. untätig und ohne Wirkung ist. Denn sobald das Gesetz in uns zu leben beginnt, schlägt es uns eine todbringende Wunde, haucht aber der vorher toten Sünde Leben ein. Darum haben diejenigen, welche noch dem Gesetze leben, niemals die Kraft des Gesetzes gefühlt, ja nicht einmal geschmeckt, was es eigentlich will: denn wenn wir das Gesetz recht verstehen, so zwingt es und, ihm zu sterben. Also daher stammt die Sünde, nicht von Christo. – Dem Gesetz sterben heißt, ihm entsagen und von seiner Herrschaft so frei werden, dass man kein Vertrauen mehr darauf setzt, noch unter dem Joch seiner Knechtschaft sich gefangen halten lässt.

Auf dass ich Gott lebe. Wenn wir dem Gesetze sterben, so fangen wir darum nicht an, der Sünde zu leben, sondern dem Herrn. Wenn wir dem Gesetze sterben, so fangen wir darum nicht an, der Sünde zu leben, sondern dem Herrn. „Gott leben“ hat nun bisweilen die Bedeutung: unser Leben nach seinem Willen einzurichten, so dass wir nichts anderes mehr begehren, als ihm wohlzugefallen. Hier aber bedeutet es sozusagen, das Leben Gottes leben. Erst bei diesem Verständnis treffen die Gegensätze aufeinander. Denn selbstverständlich sind die beiden Ausdrücke „dem Gesetz sterben“ und „Gott leben“ gegensätzlich aufeinander angelegt. Kurz, Paulus weist darauf hin, dass jener Tod nicht tötet, sondern vielmehr der Grund zu einem besseren Leben ist; Gott birgt uns aus dem Schiffbruch des Gesetzes, und seine Gnade versetzt uns in ein anderes Leben. – Sagt nun Paulus weiter: Ich bin mit Christo gekreuzigt, so beschreibt er damit die Art und Weise, wie wir als dem Gesetz Gestorbene dem Herrn leben sollen: indem wir nämlich, als in den Tod Christi eingepflanzt, von daher eine geheime Kraft schöpfen, wie das Pfropfreis aus der Wurzel. Ferner hat Christus die Handschrift des Gesetzes, so wider uns war, an sein Kreuz geheftet (Kol. 2, 14), so dass wir nun als mit ihm Gekreuzigte von aller Vermaledeiung und Schuld des Gesetzes befreit werden, wie andererseits derjenige das Kreuz Christi seiner Kraft beraubt, welcher diese Befreiung wirkungslos zu machen unternimmt. So wollen wir uns denn tief einprägen, dass wir nicht anders vom Gesetzesjoch loskommen können, als durch Einswerden mit Christo, ebenso wie das Pfropfreis nur durch völliges Ineinswachsen von der Wurzel den Saft zugeführt erhält.

V. 20. Ich lebe aber. Das Wort Tod ist dem Sinn des Menschen immer zuwider. Darum lässt Paulus, nachdem er uns darauf hingewiesen, dass wir zugleich mit Christo ans Kreuz geheftet sind, gleich mit einfließen, dass auch dieses für uns Leben bringt, und erläutert zugleich, was er vorher unter den Worten „Gott leben“ verstanden hat: er lebt nämlich selbst jetzt nicht mehr sein eigenes Leben, sondern wird durch Christi geheime Lebenskraft beseelt, so dass man sagen kann, dass Christus in ihm lebendig und kräftig ist. Denn wie die Seele den Körper durchströmt, so haucht auch Christus seinen Gliedern Leben ein. Welch großartiger Gedanke: die Gläubigen haben ein Leben außerhalb ihrer selbst, nämlich in Christo! Das ist aber nur dadurch möglich, dass sie in wahrer und wesenhafter Verbindung mit ihm stehen. – Nun lebt Christus auf eine doppelte Weise in uns: einmal regiert er uns mit seinem Geist und leitet alle unsere Handlungen; das andere Leben besteht darin, dass er uns einen Anteil an seiner Gerechtigkeit schenkt, so dass wir, was wir aus uns selbst nicht vermögen, in ihm vor Gott angenehm sind. Das erste ist das Leben der Wiedergeburt, das zweite das Leben in der freien Gnade, die uns als gerecht annimmt. Von diesem letzteren Leben scheint mir nun hier die Rede zu sein: doch erhebe ich keinen Widerspruch, wenn jemand zugleich an das erstere denken will.

Denn was ich jetzt lebe im Fleisch. „Im Fleische“ lebt, wer überhaupt noch ein irdisches Leben zu führen hat. Und es lag ja die Frage nahe: wie kann von einem himmlischen Leben Christi in einem Menschen die Rede sein, der noch in seinem vergänglichen Leibe steckt, essen und trinken muss usw.? Es ist doch wunderlich, davon zu reden, dass man kein eigenes Leben mehr führt, - und lebt doch offensichtlich wie jeder andere Mensch. Wenn nun Paulus erwidert, dass jenes himmlische Leben im Glauben besteht, so gibt er damit zu verstehen, dass dasselbe freilich ein für menschliche Sinne verborgenes Geheimnis ist. Das durch den Glauben empfangene Leben wird vor den Augen nicht offenbar, man spürt es nur innerlich im Herzen durch die Wirksamkeit des heiligen Geistes, so dass das leibliche Leben kein Hindernis für den Besitz des himmlischen Lebens im Glauben ist. Vgl. Eph. 2, 6: Gott hat uns in das himmlische Wesen gesetzt; Eph. 2, 19: Ihr seid nun Bürger mit den Heiligen und Gottes Hausgenossen; Phil. 3, 20: Unser Wandel ist im Himmel. Überhaupt sind die Schriften des Apostels voll von derartigen Zeugnissen: wir leben dergestalt in der Welt, dass wir auch im Himmel leben; erstens, weil dort unser Haupt ist, und zweitens, weil wir nach dem Recht der Vereinigung unser Leben in Gemeinsamkeit mit ihm führen (vgl. auch Joh. 14, 3).

Die Worte: der mich geliebt hat sind hinzugefügt, um die Kraft des Glaubens hervorzuheben; sonst käme sofort jedem der Gedanke in den Sinn: woher kommt diese große Kraft des Glaubens, dass sich das Leben Christi durch ihn in uns ergießt? Darum erklärt Paulus die Liebe und den Tod Christi für das Fundament, auf welches sich der Glaube stützt; denn nur daraus lässt sich die Wirkung des Glaubens recht erklären. Wie geschieht es nun, dass wir durch den Glauben an Christum leben? Weil er uns geliebt hat und sich selbst für uns dargegeben. Ja, die Liebe, mit der uns Christus empfangen hat, war die Ursache, dass er sich mit uns verband. Diese Vereinigung erreichte ihr Ziel in seinem Tode: denn indem Christus sich für uns dargab, litt er an unserer statt. Was also der Glaube in Christo findet, das macht er zu unserem persönlichen Besitz. Was Paulus hier von der Liebe sagt, stimmt völlig mit 1. Joh. 4, 10. 19: „Darinnen steht die Liebe, nicht dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns zuerst geliebt hat“. Denn wenn ihn irgendein Verdienst unsererseits zu unserer Erlösung angespornt hätte, so würde man das als die Ursache ansehen, während Paulus doch alles der Liebe zuschreibt, die unverdient und frei ist. Wir müssen noch einen Blick auf die Reihenfolge werfen: erst Liebe zu uns, dann Hingabe für uns; darin liegt, dass Christus keinen anderen Grund zum Sterben hatte als die Liebe zu uns, und das obendrein zu einer Zeit, da wir noch seine Feinde waren (vgl. Röm. 5, 10).

Sich selbst für mich dargegeben. Keine Worte können die Größe dieser Wohltat recht ausdrücken. Denn wer kann mit menschlicher Rede die Höhe und Vorzüglichkeit des Sohnes Gottes schildern? Und dieser ist es, der sich selbst als Lösegeld zu unserer Erlösung bestimmt hat! Das Wort „dargegeben“ enthält die ganze Frucht, welche uns aus dem Tode Christi als dem Opfer der Versöhnung, Abwaschung, Genugtuung usw. zuwächst. Weiter haben die Worte für mich einen eigenen Nachdruck: ist Christus für das Heil einer ganzen Welt gestorben, so wird uns dies so lange noch nicht helfen, als nicht ein jeder für seine Person die Wirkung und den Besitz dieser Gnade sich zueignen kann.

V. 21. Ich werfe nicht weg die Gnade Gottes. Auch auf diesem Worte liegt ein besonderer Nachdruck, denn was für eine furchtbare Undankbarkeit wäre es, diese so unschätzbare und mit einem so teuren Lösegeld erworbene Gnade Gottes zu verachten! Solche Ruchlosigkeit wirft aber Paulus den falschen Aposteln vor, weil sie, nicht zufrieden mit Christus allein, noch andere Hilfsmittel des Heils einschmuggelten. Es ist doch eine Verwerfung der Gnade Gottes, wenn man nicht auf alles andere verzichtet und Christum allein annimmt. Was bleibt aber einem Menschen übrig, wenn er die Gnade Gottes zurückgestoßen und sich so derselben unwürdig gemacht hat?

Denn so durch das Gesetz die Gerechtigkeit kommt, so ist Christus vergeblich gestorben. „Vergeblich“ (wörtlich: geschenkweise, umsonst) besagt: das Sterben wäre für Christus gar nicht der Mühe wert gewesen, weil ihm kein Preis für seinen Tod geworden wäre. Nun besteht aber der Lohn für seinen Tod darin, dass er uns durch die Sühnung unserer Sünden mit dem Vater versöhnte; woraus weiter folgt, dass wir durch seine Gnade, also nicht durch Werke, gerechtfertigt werden. Man hat auch diese Stelle von dem Zeremonialgesetz allein verstehen wollen, aber es liegt auf der Hand, dass sie sich auf das ganze Gesetz erstreckt. Paulus sagt also: wenn wir selber die Gerechtigkeit verdienen, dann hat Christus vergeblich gelitten; denn sein Leiden hatte doch nur den Zweck, uns Gerechtigkeit zu erwerben, - und es wäre völlig überflüssig gewesen, wenn wir uns die Gerechtigkeit selbst verschaffen könnten. Ist aber Christi Tod unsere Erlösung, so waren wir Gefangene; ist er unsere Genugtuung, so waren wir Schuldner; ist er unsere Sühne, so waren wir Angeklagte; ist er unsere Abwaschung, so waren wir unrein! Wenn nun jemand seine Reinheit – wir beginnen mit dem Letztgenannten -, seine Lossprechung, Sühnung, Gerechtigkeit und Befreiung den Werken zuschreibt, so macht er den Tod Christi unnütz. Diese ganze Beweisführung richtet sich übrigens gegen Leute, die – wie in unseren Zeiten die Römischen – die Gnade Christi nicht geradezu verleugnen, sondern nur durch ihre eigenen Werke ergänzen wollen. Dergleichen ist nach Pauli Ansicht aber ein vergebliches Unternehmen, weil vor Gott nicht eine eingebildete Gerechtigkeit gilt, mit welcher Menschen sich zufrieden geben mögen, sondern nur eine ganz vollkommene. Sagt nun der Apostel, dass Christus vergeblich starb, wenn unsere Gerechtigkeit aus dem Gesetz kommt, - so erkennt er in unseren eigenen Werken eben keine Spur von wahrer Gerechtigkeit an.

1)
Anm.: Unter den heutigen Auslegern ist die Meinung vorherrschend, dass die Gal. 2 gemeinte Reise und die in Apg. 15 erwähnte dieselben seien.
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