Calvin, Jean - Der erste Brief des Apostels Petrus - Kapitel 1
1 Petrus, ein Apostel Jesu Christi, den erwählten Fremdlingen der Diaspora von Pontos, Galatien, Kappadocien, Asien und Bithynien, 2 nach der Vorsehung Gottes, des Vaters, durch die Heiligung des Geistes, zum Gehorsam und zur Besprengung des Bluts Jesu Christi. Gott gebe euch viel Gnade und Frieden!
V. 1. Petrus, ein Apostel Jesu Christi usw. Was dieser Gruß mit denen des Paulus gemein hat, bedarf keiner neuen Erläuterung. Wo Paulus, ohne sich eines weiteren Zeitworts zu bedienen, einfach Gnade und Friede wünscht, sagt Petrus: Gott gebe euch viel Gnade usw. Das macht aber im Sinn keinen Unterschied. Denn auch Paulus wünscht den Gläubigen nicht bloß einen Anfang von Frieden und Gnade, sondern ein Wachstum, in welchem Gott einst vollenden soll, was er in ihnen angefangen hat.
Den erwählten Fremdlingen. Man könnte fragen, woher Petrus dies weiß, denn Gottes Erwählung ist geheim und lässt sich nur durch eine besondere Offenbarung des Geistes erkennen. Ein jeglicher wird durch das Zeugnis des Geistes der eignen Erwählung vergewissert, kann aber bezüglich der andern keine Gewissheit haben. Ich antworte, dass man über die Erwählung der Brüder nicht ängstlich fragen, sondern sein Urteil vielmehr auf ihre Berufung stützen soll: die durch Glauben Glieder der Gemeinde geworden sind, soll man für auserwählt halten. Denn sie sondert Gott von der übrigen Welt ab, was ein Zeichen der Erwählung ist. Gewiss fallen sehr viele, in denen bloßer Heuchelschein ist, wieder ab; aber es ist ein Urteil der Liebe, nicht des Glaubens, wenn wir alle als Auserwählte ansehen, an welchen sich das Zeichen der göttlichen Annahme zur Kindschaft sehen lässt. Der Zusammenhang zeigt aber, dass der Apostel deren Erwählung nicht aus Gottes verborgenem Rat erkennen will, sondern aus den Wirkungen erschließt. Denn kurz darauf (V. 2) gründet er dieselbe auf die Heiligung des Geistes. Soweit also ein Mensch als durch Gottes Geist wiedergeboren sich erkennen ließ, rechnet er ihn unter die Auserwählten: denn Gott heiligt nur diejenigen, die er zuvor erwählt hat. Zugleich aber erinnert der Apostel daran, aus welchem Quell die Erwählung fließt, die uns aus der Welt aussondert, damit wir nicht mit ihr zugrunde gehen: wir sind erwählt nach der Vorsehung Gottes. Hier liegt die Quelle und die erste Ursache, dass Gott vor Schöpfung der Welt sich diejenigen ersehen hat, die er zum Heil erwählen wollte. Man soll aber klüglich darauf merken, wie diese „Zuvorersehung“ verstanden sein will. Sophistische Lehrer, die Gottes Gnade verdunkeln möchten, träumen davon, dass Gott eines jeglichen Verdienste voraussehe; so ergebe sich der Unterschied zwischen den Verworfenen und Auserwählten, je nachdem der eine dieses, der andere jenes Los verdient habe. Die Schrift dagegen stellt überall Gottes Vorsatz, in welchem unser Heil begründet liegt, unsern Verdiensten gegenüber. Wenn also Petrus sagt, dass wir erwählt sind nach der Vorsehung Gottes, so gibt er zu verstehen, dass der Anlass nicht irgendwo anders liegt, sondern allein in Gott gesucht werden muss: seine freie Selbstbestimmung ist der Grund unsrer Erwählung. Durch Gottes Zuvorersehung also wird alle Rücksicht auf menschliche Würdigkeit ausgeschlossen. Wir haben darüber zum ersten Kapitel des Epheserbriefes und auch sonst ausführlicher gehandelt. Obwohl nun aber der Apostel bei unserer Erwählung die erste Stelle dem freien, göttlichen Wohlgefallen zuweist, so ist auf der anderen Seite doch seine Absicht, die Erkenntnis davon auf ihre Wirkungen zu gründen. Denn nichts ist gefährlicher und verkehrter, als dass man die Berufung dahinten lasse und die Gewissheit seiner Erwählung in Gottes Zuvorersehung suche. Hier ist ein gar zu tiefes Labyrinth. Um dieser Gefahr zu begegnen, wendet Petrus einen trefflichen Zügel an. Gewiss will er unsere Blicke zuerst auf Gottes Ratschluss lenken, der seinen Grund allein in sich selbst hat; alsbald aber weist er uns auf die Wirkungen, durch welche Gott uns die Erwählung eröffnet und bezeugt. Diese Wirkungen haben wir in der Heiligung des Geistes, das heißt in einer wirksamen Berufung, indem sich zur äußeren Predigt des Evangeliums der Glaube gesellt, der aus der inneren Anregung durch den Geist erwächst.
Die Bezeichnung der Leser als auserwählte „Fremdlinge“ deuten viele bildlich: die Frommen sollen so bezeichnet werden, weil sie in dieser Welt als Fremdlinge zum himmlischen Vaterland streben. Das ist aber ein Irrtum, wie sich aus der weiteren Bezeichnung ergibt: Fremdlinge der Diaspora von Pontus usw. Dieser Ausdruck passt allein für Juden, nicht bloß insofern sie hierhin und dorthin von ihrem Vaterlande zerstreut, sondern weil sie aus dem Lande vertrieben waren, welches der Herr ihnen als ein ewiges Erbe versprochen hatte. Später allerdings (2, 11) werden alle Gläubigen Fremdlinge genannt, weil sie auf Erden in der Fremde wallen; hier aber ist die Bedeutung des Wortes eine andere. Fremdlinge hießen die Juden darum, weil sie sich teils in Pontus, teils in Galatien, teils in Bithynien in der Diaspora oder Zerstreuung befanden. Wir dürfen uns auch nicht wundern, dass Petrus diesen Brief insbesondere für Juden bestimmt hat: denn er wusste sich, wie wir von Paulus hören (Gal. 2, 8), insbesondere zu deren Apostel bestellt. Die Landschaften, die er aufzählt, umfassen den ganzen Zug von Kleinasien, der sich vom Schwarzen Meer bis Kappadocien erstreckt.
Zum Gehorsam und zur Besprengung des Bluts Jesu Christi. In diese beiden Stücke, von welchen das eine auf die Erneuerung des Lebens, das andere auf die Vergebung der Sünden deuten dürfte, legt sich die Heiligung des Geistes auseinander. Haben wir aber in diesen Stücken Teile oder Wirkungen der Heiligung, so ist der Heiligungsbegriff hier etwas anders, nämlich weiter gefasst als gewöhnlich bei Paulus: Gott heiligt uns, indem er uns wirksam beruft. Dies geschieht aber, wenn wir zum Gehorsam gegen seine Gerechtigkeit erneuert und durch die Besprengung mit Christi Blut von Sünden gereinigt werden. Dabei scheint eine Anspielung an die alte Zeremonie der Besprengung vorzuliegen, die war unter dem Gesetze gebräuchlich war. Wie damals zur Schlachtung des Opfertiers und zur Vergießung des Blutes die Besprengung des Volkes kommen musste, so würde auch heute es uns nichts nützen, dass Christi Blut vergossen ward, wenn durch dasselbe nicht unser Gewissen abgewaschen würde. Wir haben also zwischen den Zeilen den Gegensatz zu lesen: wie einst unter dem Gesetz die Besprengung mit Blut durch die Hand des Priesters vollzogen wurde, so hat jetzt der Heilige Geist unsere Seelen zum Zweck der Sühne mit Christi Blut besprengt. Alles in allem ergibt sich der Gedanke, dass unser Heil aus Gottes gnädiger Erwählung fließt, dass wir aber dasselbe zugleich mit der Erfahrung des Glaubens erfassen müssen, nämlich darin, dass der Herr durch seinen Geist uns heiligt. Des Weiteren hat unsere Berufung einen doppelten Erfolg und Zweck: wir sollen zum Gehorsam gegen Gott erneuert und durch Christi Blut abgewaschen werden, und beides ist ein Werk des Heiligen Geistes. Wir ziehen daraus den Schluss, dass weder Erwählung und Berufung, noch die aus Gnaden geschenkte Gerechtigkeit des Glaubens und die Erneuerung des Lebens voneinander getrennt werden dürfen.
3 Gelobt sei Gott und der Vater unsers Herrn Jesu Christi, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten. 4 zu einem unvergänglichen und unbefleckten und unverwelklichen Erbe, das behalten wir im Himmel 5 euch, die ihr aus Gottes Macht durch den Glauben bewahret werdet zur Seligkeit, welche bereitet ist, dass sie offenbar werde zu der letzten Zeit.
V. 3. Gelobet sei Gott usw. Wir bezeichneten es als den Hauptzweck des Briefes, uns über die Welt hinauszuweisen und zum Bestehen der Kämpfe geistlichen Kriegsdienstes zu rüsten und zu stärken. Hierzu trägt die Erkenntnis der Wohltaten Gottes nicht wenig bei. Denn wenn sie bei uns ihren Wert behaupten, wird leicht alles andere für nichts gelten. Wenn wir insbesondere bedenken, was Christus mit seinen Gütern bedeutet, achten wir alles außer ihm als Kot. Darum erhebt der Apostel Gottes unermessliche Gnade in Christus hoch, damit es uns nicht beschwerlich falle, uns selbst und die Welt zu verleugnen, um den unvergleichlichen Schatz des zukünftigen Lebens zu gewinnen. Weiter sollen wir uns durch gegenwärtige Mühsale nicht zerbrechen lassen, sondern sie geduldig tragen, indem wir in der ewigen Glückseligkeit ausruhen. Die Danksagung für diese Gottesgaben ruft die Gläubigen zu der geistlichen Freude auf, die alle widerstrebenden Stimmungen des Fleisches erstickt.
Und der Vater unsers Herrn Jesu Christi. Die Worte sind etwa in dem Sinne aufzulösen: Gott, welcher der Vater Jesu Christi ist. Denn wie sich Gott einst den Gott Abrahams nannte und durch diese Bezeichnung sich von allen gemachten Göttern unterscheiden wollte, so will er, nachdem er sich in seinem Sohne geoffenbart hat, nicht anders als in ihm sich erkennen lassen. Wer also die bloße Majestät Gottes, abgesehen von Christus, im Geiste erfassen will, hat einen Götzen an Stelle Gottes. So geht es den Juden und Türken. Wer den wahren Gott wahrhaft zu erkennen begehrt, muss ihn mit dem Titel des Vaters Jesu Christi schmücken. Solange unseren Gedanken, die Gott suchen, nicht Christus begegnet, werden sie unklar und verworren umherirren und endlich ganz vergehen. Zugleich wollte Petrus daran erinnern, wie es kommt, dass Gott so freundlich und guttätig sich gegen uns stellt. Denn wenn wir nicht Christus als Mittler annehmen, können wir seine Güte niemals ernstlich schmecken.
Der uns wiedergeboren hat. Dieser Ausdruck lässt ersehen, dass das Leben ein übernatürliches Geschenk ist: denn wir werden als Kinder des Zorns geboren. Wären wir nach dem Fleische zur Hoffnung des Lebens geboren, so wäre die neue Geburt aus Gott überflüssig. Darum lehrt Petrus, dass wir, die wir von Natur für den ewigen Tod bestimmt waren, durch Gottes Barmherzigkeit ins Leben zurückgeführt wurden. Dies ist aber, wie wir im ersten Kapitel des Epheserbriefes lesen, gleichsam eine zweite Schöpfung. Von einer lebendigen Hoffnung ist die Rede, weil sich dieselbe auf das Leben bezieht. Dabei deutet der Ausdruck einen Gegensatz zwischen jener Hoffnung an, die sich fest auf Gottes unvergängliches Reich gründet, und den schwankenden und flüchtigen Hoffnungen der Menschen.
Nach seiner großen Barmherzigkeit. Die Aussage beschreibt erstlich die wirkende Ursache, sodann das Mittel der Durchführung. Gott ist durch keine Verdienste von unserer Seite bestimmt worden, uns eine Wiedergeburt zu lebendiger Hoffnung zu schenken: der Apostel schreibt dies gänzlich seiner Barmherzigkeit zu. Und um das Verdienst der Werke völlig zunichte zu machen, spricht er von seiner „großen“ Barmherzigkeit. Gewiss bekennt jedermann, dass Gott der einzige Urheber unsers Heils ist; dann aber fügt man allerlei äußere Ursachen hinzu, welche zur erheblichen Schmälerung seiner Barmherzigkeit dienen. Dagegen rühmt Petrus die Barmherzigkeit allein, spricht auch weiter davon, wie sie sich vermittelt: durch die Auferstehung Jesu Christi. Denn nirgends sonst noch auf eine andere Weise offenbart Gott sein Erbarmen gegen uns; darum leitet uns die Schrift immer zu diesem Zielpunkt. Dass der Apostel von Christi Tod schweigt und nur seiner Auferstehung gedenkt, darf uns nicht wundern. Denn in derselben ist der Tod eingeschlossen, weil es zur Vollendung nicht ohne den Anfang kommt. Genannt ist aber gerade die Auferstehung, weil vom neuen Leben die Rede ist.
V. 4. Zu einem unvergänglichen und unbefleckten und unverwelklichen Erbe. Diese drei Beiwörter dienen zur Erhöhung der Gnade Gottes. Denn wie ich schon sagte, ist dies das Hauptanliegen des Petrus, deren Erhabenheit unserm Gemüt gut und tief einzuprägen. Das unvergängliche Erbe und (V. 5) die „Seligkeit, welche bereitet ist, dass sie offenbar werde“, sind nun in dem Verhältnis zu denken, dass das letztere Stück erläuternd zum ersten gefügt wurde. Ein und dieselbe Sache ist mit doppeltem Ausdruck beschrieben. Dabei hat jedes Wort sein eigenes Gewicht. Dass unser Erbe behalten wird im Himmel, will uns lehren, dass es sich außer Gefahr befindet. Ruhte es nicht in Gottes Hand, so wäre es unendlichen Gefahren ausgesetzt. Befände es sich in dieser Welt, wie könnten wir unter so mannigfachen Erschütterungen sicher sein? Um uns also von allem Zittern zu befreien, betont der Apostel, dass unser Heil wider alle Angriffe des Satans an sicherem Ort geborgen sei. Weil aber die Gewissheit des Heils uns wenig Trost bringen würde, wenn nicht ein jeglicher sie auf sich ganz persönlich beziehen dürfte, fügt Petrus hinzu (V. 5): für euch. Nun findet das Gewissen sanfte Ruhe, da vom Gott vom Himmel ruft: Siehe, euer Heil ruht in meiner Hand und wir für euch verwahrt. Weil übrigens das Heil nicht ein unterschiedsloser Besitz aller Menschen ist, erinnert Petrus an den Glauben: wer mit dem Glauben beschenkt ist, soll sich von den andern unterschieden wissen und nicht zweifeln, dass er zu den wahren und rechtmäßigen Erben des Gottesreichs gehört. Der Glaube dringt bis in die Himmel hindurch und macht uns darum die Güter zu eigen, die im Himmel sind.
V. 5. Die ihr aus Gottes Macht bewahret werdet. Bemerkenswert ist die gegenseitige Beziehung der Aussagen: wir werden auf Erden bewahrt, während unser Erbe im Himmel behütet wird. Ohne diesen Zusammenklang müsste ja sofort der Gedanke sich einschleichen: was nützt es, dass das Heil für uns im Himmel verwahrt liegt, während wir in der Welt wie in einem rasenden Meer umgetrieben werden? Was nützt es, dass unser Heil in sicherem Hafen sich befinden soll, während uns tausend Schiffbrüche dahin reißen? Derartigen Einwänden kommt der Apostel zuvor, indem er lehrt, dass wir trotz aller Gefahren der Welt durch den Glauben bewahrt werden; sind wir dem Tode auch noch so nahe, so bleiben wir doch sicher unter der Hut des Glaubens. Freilich schwankt bei der Schwachheit des Fleisches oft selbst der Glaube. So müssten wir im Blick auf den folgenden Tag immer in Angst schweben, wenn nicht auch in diesem Stück der Herr uns zu Hilfe käme. Wir sehen, wie im Papsttum die teuflische Meinung um sich gegriffen hat, dass man an seiner endlichen Beharrung zweifeln müsse, weil wir ja ungewiss seien, ob wir morgen noch in der gleichen Gnade stehen werden. Petrus aber lässt uns nicht in dieser Schwebe. Denn eben darum behauptet er, dass wir durch Gottes Kraft aufrecht stehen, damit nicht ein Zweifel, der aus dem Bewusstsein eigener Schwachheit entspringt, uns beirre. Mögen wir also noch so schwach sein, so wankt doch unser Heil nicht, weil es durch Gottes Kraft gestützt wird. So deckt uns auf der einen Seite der Glaube, auf der andern ruht eben dieses Glaubens Festigkeit auf Gottes Kraft. Daraus erwächst Sicherheit nicht bloß aus der Gegenwart, sondern auch für die Zukunft.
Zur Seligkeit. Weil wir von Natur ungeduldig sind, unterliegen wir bei jedem Verzug dem Überdruss. Darum erinnert der Apostel, dass unser Heil nicht etwa darum ausbleibt, weil es noch nicht fertig wäre, sondern weil die rechte Zeit der Offenbarung noch nicht gekommen ist. Diese Belehrung will unsere Hoffnung nähren und aufrechterhalten. Der Tag des Gerichts wird als die letzte Zeit bezeichnet, weil man vor demselben noch nicht die Zurechtstellung aller Dinge erwarten darf. Denn in der Zwischenzeit ist noch alles im Werden. Allerdings ist anderwärts unter der letzten Zeit der ganze Zeitabschnitt seit Christi Wiederkunft verstanden (Ebr. 1, 2). Diese Redeweise gründet sich auf einen Vergleich mit den früheren Zeitaltern; dagegen richtet sich der Blick des Petrus auf den gesamten Ablauf der Weltgeschichte.
6 Darüber frohlocket ihr, die ihr jetzt eine kleine Zeit, wo es sein soll, traurig seid in mancherlei Anfechtungen, 7 auf dass euer Glaube rechtschaffen und viel köstlicher erfunden werde denn das vergängliche Gold, das durchs Feuer bewähret wird, zu Lobe, Preis und Ehre, wenn nun offenbaret wird Jesus Christus, 8 welchen ihr nicht gesehen und doch lieb habt; und da ihr nun an ihn glaubet, wiewohl ihr ihn nicht sehet, frohlocket ihr mit unaussprechlicher und herrlicher Freude, 9 indem ihr das Ende eures Glaubens davon bringet, nämlich der Seelen Seligkeit.
V. 6. Darüber frohlocket ihr. Obwohl die griechische Form auch als Aufforderung verstanden werden kann: „Frohlocket!“ – zwingt doch der Sinn, dass wir bei der gegebenen Übersetzung bleiben. Das Wörtchen „darüber“ begreift den gesamten Inhalt der Hoffnung auf die im Himmel geborgene Seligkeit. Übrigens hat die Rede weniger lobenden als ermahnenden Charakter. Der Apostel will an die Frucht erinnern, die aus der Heilshoffnung bei uns erwachsen muss, die geistliche Freude. Damit wird die Herbigkeit aller Übel nicht bloß gemindert, es wird sogar jegliche Traurigkeit besiegt; und ein „Frohlocken“ bedeutet sogar noch mehr als einfache Freude. Dies aber scheint sich einigermaßen zu widersprechen, dass die Gläubigen, die mit Freuden frohlocken, nach diesem Wort des Apostels zugleich traurig sind. Diese Stimmungen schließen sich doch gegenseitig aus. Die Gläubigen wissen aber viel mehr aus Erfahrung, dass dieselben in einer Weise zusammen bestehen, die sich mit Worten nicht ausdrücken lässt. Um aber diese Frage wenigstens einigermaßen zu lösen, will ich festhalten, dass die Gläubigen nicht Klötze nicht, noch die menschliche Empfindung völlig abgeschüttelt haben; sie fühlen sich vom Schmerz berührt, fürchten sich vor Gefahren, empfinden Armut als lästig und Verfolgungen als schwer und hart. Sie empfinden also infolge solcher Übel Traurigkeit, aber eine solche, die durch den Glauben gelindert wird, so dass ihnen trotz allem die Freude nicht ausgeht. So hindert ihre Traurigkeit die Freude nicht, sondern gibt derselben vielmehr Raum. Anderseits überwindet die Freude zwar die Traurigkeit, tilgt sie aber nicht völlig aus, denn sie beraubt uns nicht des menschlichen Gefühls. Hier wird offenbar, worin wahre Geduld besteht. Ihr Anfang und gleichsam ihre Wurzel ist die Erkenntnis der Wohltaten Gottes, insbesondere, dass wir die gnädige Annahme zur Kindschaft, deren er uns gewürdigt hat, bedenken. Denn wer dazu den Sinn emporhebt, wird leicht alle Übel in Sanftmut sich gefallen lassen. Nur darum lässt sich unser Geist durch Traurigkeit niederdrücken, weil wir keinen Geschmack für die geistlichen Güter haben. Wer sich aber sagt, dass alle Beschwerden für das Heil nützliche Übungsmittel sind, wird sich nicht bloß über dieselben erheben, sondern sie auch in Anlässe zur Freude verkehren. Die ihr jetzt traurig seid. Aber sind nicht auch die Verworfenen traurig, da sie doch dem Übel nicht entgehen können? Petrus aber denkt daran, dass die Gläubigen die Traurigkeit willig auf sich nehmen, während die Gottlosen knirschen und hochfahrend dem Herrn widerstreben. Die Gläubigen sind also in der Weise traurig, wie ein zahmes Rind das Joch annimmt, oder ein gebändigtes Pferd sich selbst von einem Knaben zügeln lässt. Die Verworfenen aber trifft Gott mit Traurigkeit, wie man einem wilden und widerspenstigen Ross mit gewaltsamer Hand die Zügel anlegt. Es schlägt aus und wehrt sich dagegen, aber vergebens. Petrus lobt also die Gläubigen, dass sie nicht gezwungen, sondern freiwillig sich der Traurigkeit unterstellen. Er fügt hinzu: wo es sein soll, was etwa bedeutet: weil es sein soll. Es wird uns dadurch eingeprägt, dass Gott die Seinen nicht grundlos quält. Wäre dies der Fall, so ließe es sich freilich schwer tragen. Petrus nimmt also einen Trostgrund aus Gottes Rat. Gewiss wird dessen Grund uns nicht immer deutlich; aber wir sollen doch immer überzeugt sein, dass es so geschehen muss, weil es dem Herrn gefällt. Bemerkenswert ist, dass nicht von einer, sondern von mancherlei Anfechtungen, also von verschiedenen Arten die Rede ist. Die weitere Auslegung möge man im ersten Kapitel des Jakobusbriefes nachlesen. Auch dass die Anfechtung nur eine kleine Zeit währt, dient zum Trost. Denn die Kürze der Zeit mildert auch das härteste Leid nicht wenig. Die Dauer des gegenwärtigen Lebens aber ist nur wie ein Augenblick.
V. 7. Auf dass euer Glaube rechtschaffen erfunden werde. Hier wird der Beweis durch Vergleich eines Geringeren mit einem Größeren geführt. Wenn wir das vergängliche Gold so hoch schätzen, dass wir es mit Feuer läutern, um ihm seinen vollen Wert zu geben, was hat es Verwunderliches, dass Gott dem Glauben, der vor ihm ein so köstliches Ding ist, dieselbe Bewährung zumutet? Obgleich nun die griechischen Worte etwas anders lauten, so ist doch kein Zweifel, dass der Glaube mit dem Gold verglichen und als das wertvollere Stück hingestellt werden soll; daraus ergibt sich dann der Schluss, dass er eine rechtschaffenen Prüfung wert ist. Übrigens ist zweifelhaft, ob man übersetzen soll; dass das Gold durchs Feuer bewähret, d. h. erprobt gefunden, oder dass es „geläutert“, d. h. von Schlacken gereinigt wird. Beides lässt sich trefflich auf den Glauben anwenden. Denn es finden sich in uns viele Schlacken des Unglaubens; wenn wir also durch mancherlei Trübsale im Ofen Gottes geschmelzt werden, so wird unser Glaube von unreinen Beisätzen befreit, damit er rein und glänzend vor Gott dasteht. Zugleich aber wird er erprobt, ob er wahrhaft oder heuchlerisch ist. Dies doppelte Verständnis empfiehlt sich auch wegen der Fortsetzung. Denn wie das Gold voller Ehre erst wert ist, wenn es gereinigt wurde, so hat auch der Glaube seine Ehre und Krone von Gott erst zu erwarten, wenn er recht sich bewährt hat.
Wenn nun offenbaret wird Jesus Christus. Dieser Zusatz will die Gläubigen lehren, ihre Seele bis zum letzten Tage in der Erwartung zu halten. Denn jetzt ist unser Leben in Christus verborgen und wird gleichsam begraben bleiben, bis Christus aus dem Himmel erscheinen wird. Unser ganzer Lebenslauf neigt sich dem Untergang des äußeren Menschen zu, und alle unsere Leiden sind gleichsam ein Vorspiel des Todes. Wollen wir also in unseren Trübsalen Ehre und Lob schauen, so müssen wir die Augen auf Christus richten. Denn unsere Anfechtungen sind in uns selbst voller Schmach und Schande, in Christus aber sind sie herrlich. Aber diese Herrlichkeit lässt sich in Christus noch nicht völlig schauen, weil der Tag der Tröstung noch nicht gekommen ist.
V. 8. Welchen ihr nicht gesehen usw. Zweierlei spricht der Apostel aus: seine Leser lieben Christus, den sie doch nicht gesehen haben; und sie glauben an ihn, obwohl sie ihn nicht sehen. Das erste wird aber aus dem zweiten geboren. Denn der Grund der Liebe ist der Glaube; die Erkenntnis der Wohltaten, mit denen Christus uns geleitet, treibt uns zur Gegenliebe, ja, er bindet uns förmlich an sich, weil er uns vollkommenes Glück anbietet. Der Apostel lobt also die Juden, weil sie an Christus glauben, den sie nicht sehen: so sollen sie es als die Natur des Glaubens erkennen, dass er in Gütern ausruht, die unsern Augen verborgen sind. Sie haben davon etwas von eigener Erfahrung. Immerhin steckt in dieser lobenden Anerkennung auch eine Mahnung. Erstlich sollen wir lernen, dass der Glaube nicht nach der sichtbaren Erscheinung gemessen werden darf. Nach dem Augenschein ist das Leben der Christen jämmerlich; darum müssten sie völlig zusammenbrechen, wenn ihre Glückseligkeit nicht in der Hoffnung bestünde. Gewiss hat auch der Glaube seine Augen: diese dringen aber in Gottes unsichtbares Reich und geben sich mit dem Spiegel des Wortes zufrieden. Denn der Glaube ist ein Beweis von unsichtbaren Dingen, wie wir im Ebräerbrief (11, 1) lesen. Darum sagt Paulus mit Recht (2. Kor. 5, 6), dass wir fern vom Herrn wallen, solange wir in diesem Leibe wohnen; denn wir wandeln im Glauben und nicht im Schauen. Zum andern sollen wir lernen, dass der Glaube nicht ein kaltes Wissen ist, sondern ein solches, das unsere Herzen zur Liebe gegen Christus entzündet. Denn der Glaube fasst Gott nicht bloß in dunkeln Hüllen – dies hieße durch weglose Wüsten irren -, sondern hat Christus zu seinem Gegenstand. Weiter eignet er sich nicht Christi bloßen Namen oder bloßes Wesen an, sondern erwägt, was er für uns ist, und welche Güter er uns bringt. Denn wo ein Mensch sein Glück findet, dahin muss sich auch all sein Sinnen richten, - nach jenem Wort (Mt. 6, 21): „Wo euer Schatz ist, da ist auch euer Herz.“
Frohlocket ihr usw. Mit vollem Recht erinnert die Rede noch einmal an jene Frucht des Glaubens, von der wir soeben schon hörten. Denn es ist ein unvergleichliches Gut, dass unser Gewissen nicht bloß vor Gott Frieden gefunden hat, sondern in voller Sicherheit in der Zuversicht auf ewiges Leben frohlockt. Der Apostel weiß von unaussprechlicher Freude zu sagen, weil der Friede Gottes über alles Begreifen geht. Dass diese Freude herrlich, buchstäblich „verherrlicht“, ist, kann doppelt verstanden werden. Entweder soll sie einfach als rühmenswert bezeichnet oder aber einer unbefestigten und hohlen Freude gegenübergestellt werden, deren die Menschen sich alsbald schämen. So würde eine verherrlichte Freude eine feste und beständige sein, die über die Gefahr der Selbsttäuschung erhaben ist. Wer durch solche Freude sich nicht über die Himmel emporheben lässt, um, mit Christus allein zufrieden, die Welt gering zu achten, rühmt sich vergeblich, dass er Glauben habe.
V. 9. Indem ihr das Ende eures Glaubens davon bringet. Damit erinnert der Apostel, wohin die Gläubigen alle ihre Gedanken richten sollen: auf die ewige Seligkeit. Denn diese Welt hält mit ihren Lockungen unsere Begehrungen gefangen; dieses Leben samt allem, was den Leib angeht, hindert uns vielfach, unsere Seele auf die Betrachtung des zukünftigen und geistlichen Lebens zu stimmen. Dieses also empfiehlt uns der Apostel zum Gegenstand eifrigsten Nachsinnens. Zwischen den Zeilen lässt er uns lesen, dass man den Verlust anderer Dinge für nichts achten soll, wenn nur die Seelen gerettet werden. Wenn er sagt: „indem ihr der Seelen Seligkeit davon bringt“ – nimmt er den Lesern allen Zweifel, damit sie, der Erlangung ihres Heils gewiss geworden, umso mutiger voranschreiten. Und als Ziel ihres Glaubens stellt er eben die Seligkeit hin, damit sie bei weiterem Aufschub nicht ängstlich werden. Denn in der Gegenwart müssen wir uns mit dem Kindschaftsstande begnügen und dürfen nicht verlangen, vor der Zeit in den Besitz des Erbes gesetzt zu werden. Statt an das „Ende“ des Glaubens könnten wir auch an seinen Lohn denken, was den Sinn doch nicht verändern würde. Jedenfalls ergibt sich aus den Worten des Apostels, dass wir die Seligkeit nicht anders als durch den Glauben erlangen. Der Glaube aber stützt sich, wie wir wissen, allein auf die Zusage der gnädigen Annahme zur Kindschaft. Ist es aber so, dann verdanken wir die Seligkeit nicht dem Verdienst der Werke, noch dürfen wir sie von ihnen erhoffen. Warum aber nennt der Apostel nur die Seelen, während doch auch den Leibern die Seligkeit der Auferstehung verheißen ist? Es wird der Seele, weil sie unsterblich ist, im eigentlichsten Sinne die Seligkeit zugeschrieben, wie auch Paulus sich gelegentlich des Ausdrucks bedient, dass der Geist selig werde am Tage des Herrn Jesu (1. Kor. 5, 5). So bedeutet der Seelen Seligkeit nichts anderes, als was wir sonst die ewige Seligkeit nennen. Stillschweigend wird ein Vergleich gezogen mit dem sterblichen und hinfälligen Leben, welches den Leib angeht. Doch soll dem Leibe sein Anteil an der seligen Herrlichkeit nicht abgesprochen werden, sofern er ein Anhängsel der Seele ist.
10 Nach dieser Seligkeit haben gesucht und geforschet die Propheten, die von der Gnade geweissagt haben, so auf euch kommen sollte, 11 und haben geforschet, auf welche und welcherlei Zeit deutete der Geist Christi, der in ihnen war, und zuvor bezeuget hat die Leiden, die über Christus kommen sollten, und die Herrlichkeit darnach; welchen offenbart ist, dass sie nicht für sich selbst, sondern für uns dartaten, was euch nun verkündigt ist durch die, so euch das Evangelium verkündiget haben durch den heiligen Geist, vom Himmel gesandt; was auch die Engel gelüstet zu schauen.
Den Wert dieser Seligkeit sollen wir nun daran ermessen, dass die Propheten eifrigst nach ihr gestrebt haben. Sie muss eine große und unvergleichlich herrliche Sache sein, weil sie die Propheten entzündet hat, ihr nachzuforschen. Es bezieht sich aber die Aussage über das Forschen und Suchen der Propheten nicht auf ihre Schriften und Lehren, sondern auf die persönliche Sehnsucht, die einen jeglichen beseelte. Erst die Fortsetzung will auf ihre öffentliche Tätigkeit bezogen sein. Um aber das einzelne deutlicher heraustreten zu lassen, wollen wir unsere Stelle in bestimmte Aussagen zerlegen. Erstlich: die Propheten, welche von der durch Christi Ankunft uns dargebotenen Gnade weissagten, waren eifrig darauf gespannt, die Zeit der vollen Offenbarung zu erkennen. Zum andern: der Geist Christi hat durch ihren Dienst den zukünftigen Zustand des Reiches Christi vorausverkündet, wie wir ihn teils jetzt sehen, teils noch erhoffen, nämlich dass es Christus und allen Gliedern seines Leibes bestimmt sei, durch mancherlei Leiden zur Herrlichkeit einzugehen. Zum dritten: der Dienst der Propheten trug reichere Frucht für uns als für ihre Zeit; und dies wurde ihnen geoffenbart, denn erst in Christus werden die Dinge wirklich dargeboten, deren Abbild der Herr nur dunkel und schattenhaft darstellte. Zum vierten: das Evangelium enthält, weil es derselbe Geist ist, der in ihm redet, nicht bloß eine lichtvolle Bestätigung der prophetischen Rede, sondern auch eine weit reichere und genauere Erläuterung; es enthüllt das Heil, welches die Propheten einst nur aus der Ferne schauen durften, unsern Augen in greifbarer Nähe. Endlich: wie wunderbar die herrliche, uns durch das Evangelium verheißene Seligkeit ist, lässt sich auch daraus ersehen, dass selbst die Engel, die doch Gottes Anblick im Himmel genießen, vor Sehnsucht brennen, dieselbe zu schauen. Dies alles aber zielt auf den einen Punkt, dass die Christen zur vollen Höhe ihres Glücks emporsteigen und dadurch alle Hindernisse in der Welt überwinden sollen. Denn gibt es irgendein Ding, welches durch diese unvergleichliche Wohltat nicht in den Schatten gestellt würde?
V. 10. Nach dieser Seligkeit haben gesucht die Propheten. Aber besaßen denn nicht die Väter bereits die gleiche Seligkeit wie wir? Warum heißt es also von ihnen, dass sie suchten, als hätten sie nicht erlangt, was uns heute angeboten wird? Die Lösung ist leicht: unter der Seligkeit ist in unserm Zusammenhange deren volle und klare Offenbarung zu verstehen, die uns durch Christi Ankunft zuteil wurde. Die Worte des Petrus wollen nichts anderes sagen, als was wir aus Christi Munde hörten (Mt. 13, 16 f.): „Viel Propheten und Könige haben begehrt zu sehen, das ihr seht, und haben´ s nicht gesehen. Darum selig eure Augen“ usw. Da also die Propheten nur einen geringen Geschmack der durch Christus gebrachten Gnade besaßen, mussten sie mit ihren Wünschen über das Maß der ihnen gewordenen Offenbarung hinausstreben. Nachdem Simeon Christus gesehen hat, rüstet er sich, in Frieden und beruhigten Gemütes abzuscheiden; so muss er doch vorher in Unruhe und Bangigkeit gelebt haben. Dies war die Stimmung aller Frommen. Auch die Weise des prophetischen Forschens beschreibt der Apostel, indem er hinzufügt (V. 11): auf welche und welcherlei Zeit. Es bestand nämlich ein Unterschied zwischen Gesetz und Evangelium: ein Vorhang war gezogen, welcher dem Auge der Väter den nahen Anblick dessen verhüllen sollte, was uns jetzt erschlossen ist. Es wäre ja nicht passend gewesen, dass volles Licht wie am Mittag leuchte, ehe Christus, die Sonne der Gerechtigkeit, gegenwärtig war. So mussten sich die Väter in ihren verordneten Grenzen halten; aber nichts brauchte sie zu hindern, in ihrer Sehnsucht nach näherem Anblick zu seufzen. Der Wunsch, die Erlösung möge eilen, in welchem sie täglich nach ihrem Anblick sich sehnten, hinderte sie doch nicht, geduldig zu harren, so lange es dem Herrn gefiel, aufzuschieben. Sehr bemerkenswert ist auch dies, was der Apostel uns lehrt, dass die Propheten nicht mit eigenen Gedanken nach dem Zeitpunkt forschten, in welchem Christi Reich kommen sollte, sondern dass sie ihren Eifer allein darauf richteten, eine Offenbarung des Geistes zu empfangen. Ihr Beispiel lehrt uns nüchternes Maßhalten in der Erkenntnis: sie drangen nicht weiter vor, als der Geist sie führte. Sicherlich würde die menschliche Neugier alle Schranken übersteigen, wenn nicht Gottes Geist unsere Geister regierte, so dass sie alles nur von ihm zu lernen begehren. Zudem ist Christi geistliches Reich eine zu hohe Sache, als dass zu seiner Erforschung menschlicher Verstand ohne Leitung des Geistes irgendetwas beitragen könnte. So wollen auch wir lernen, diesen Zügel mäßigend auf uns wirken zu lassen.
Der Geist Christi, der in ihnen war. Es bedeutet ein hohes Lob für die Lehre der Propheten, wenn es heißt, dass der Geist durch sie die Leiden Christi bezeuget hat. So sind die Menschen Herolde und Diener, der Geist aber der Urheber. Mit gutem Grunde wird auch gesagt, dass Christi Geist damals in den Propheten waltete, während die Lehrer des Evangeliums unter der Leitung des Geistes stehen, der vom Himmel gesandt war. So wird eingeprägt, dass das Evangelium seinen Ursprung in Gott hat und die alten Weissagungen von Christus eingegeben wurden.
Die Leiden, die über Christus kommen sollten. Damit die Leser ihre Leiden mit ruhigem Gemüte tragen lernen, werden sie erinnert, dass Gottes Geist dieselben längst geweissagt hat, Der Inhalt dieser Aussage ist aber noch weit umfassender: Gott hat der christlichen Gemeinde seit Anbeginn diese Ordnung auferlegt, dass das Kreuz eine Vorbereitung zum Triumph ist, der Tod ein Durchgang zum Leben; und dies hat er deutlich in seiner Offenbarung bezeugt. Darum ist kein Grund, dass Trübsale uns übermäßig beugen müssten, als wären wir in ihnen unglücklich: hat doch Gottes Geist bezeugt, dass wir glücklich sind. Bemerkenswert ist nun die Ordnung, dass die Leiden an der ersten Stelle stehen: dann erst soll die Herrlichkeit folgen. Es wird eine unveränderliche Reihenfolge eingeprägt: der Herrlichkeit muss Trübsal vorangehen. So steckt hinter unsern Worten ein doppelter Gedanke: ehe die Christen der Herrlichkeit genießen, müssen sie durch viele Beschwerden gedrückt werden. Zum andern: ihre Trübsale sind kein Unglück, weil ihnen die Herrlichkeit beigegeben und angehängt ward. Da Gott diesen Zusammenschluss geordnet hat, steht es uns nicht zu, das eine Stück vom andern loszureißen. Auch dies gewährt einen seltenen Trost, dass die Lage, die wir erleben, vor so vielen Jahrhunderten geweissagt wurde. Denn wir schließen daraus, dass es keine Täuschung ist, wenn uns ein glückliches Ende verheißen ward. Weiter erkennen wir, dass die Trübsale uns nicht durch Zufall, sondern durch Gottes gewisse Vorsehung trifft. Endlich werden uns die Weissagungen zu einem Spiegel, der uns in Bedrängnissen das Bild der himmlischen Herrlichkeit zeigt. Allerdings spricht Petrus nur davon, dass der Geist die Leiden bezeugt habe, die über Christus kommen sollten: aber er trennt Christus nicht von seinem Leibe. Darum darf die Aussage nicht auf Christi Person beschränkt werden: vielmehr soll der Anfang mit dem Haupt gemacht werden, dessen Glieder dann ordnungsmäßig folgen. So lehrt auch Paulus (Röm. 8, 29), dass wir dem gleich gestaltet werden müssen, welcher der erstgeborene ist unter vielen Brüdern. Auch Petrus handelt ja nicht von dem, was gerade nur Christus eignet, sondern von dem allgemeinen Zustand der Gemeinde. Für die Stärkung unseres Glaubens ist es aber viel passender, dass er unsere Leiden uns an dem Bilde Christi vor Augen stellt: so sehen wir mit besonderer Deutlichkeit, welche Gemeinschaft des Todes und des Lebens zwischen uns und ihm besteht. Die Regel und das Recht dieser heiligen Gemeinschaft ist: Er leidet täglich in seinen Gliedern; wenn dann in uns sein Leiden sich vollendet hat, soll wiederum auch die Herrlichkeit zur Reife kommen (vgl. auch Kol. 3, 1 ff.; 2. tim. 4, 7 f.).
V. 12. Welchen offenbaret ist, dass sie nicht für sich selbst usw. Sicherlich will diese Aussage nicht die Väter, die unter dem Gesetz lebten, von der Hoffnung auf ewige Seligkeit ausschließen. Denn Petrus leugnet nicht kurzweg, dass die Propheten zu ihrer Zeit einen nützlichen Dienst geleistet und die Gemeinde erbaut haben, sondern will nur einprägen, dass ihr Dienst für uns eine noch größere Bedeutung hat, weil wir im Ziel der Zeiten stehen. Wir sehen ja, wie herrlich die Propheten Christi Reich erheben, wie eifrig sie ihn schmücken, wie nachdrücklich sie jedermann aufrufen, ihn zu suchen. Aber seines gegenwärtigen Anblicks wurden sie beraubt, weil sie zuvor starben. Es wurde ihnen gleichsam ein Tisch gedeckt, dessen Speisen andere nach ihnen genießen sollten. Gewiss haben sie im Glauben gekostet, was der Herr durch ihre Hand auf uns kommen und uns genießen ließ; ja sie wurden zur kräftigen Speisung ihrer Seele Christi teilhaftig. Unsere Stelle aber handelt von der Art der Darbietung. Wir wissen ja, dass das Amt der Propheten seine Grenzen hatte: sie sollten sich und andere zur Hoffnung auf den kommenden Christus nähren. So besaßen sie ihn als einen verborgenen und gleichsam abwesenden. Blieben auch seine Kraft und Gnade nicht fern, so war er doch noch nicht im Fleisch geoffenbart. Darum war auch seine Herrschaft noch unter Hüllen verborgen. Erst als er zur Erde herabstieg, hat er uns gleichsam die Himmel aufgetan, so dass wir die geistlichen Reichtümer, die einst nur in bildlicher Gestalt aus der Ferne gezeigt wurden, ganz nahe sehen dürfen. Dieser Genuss des geoffenbarten Christus deckt den Unterschied zwischen uns und den Propheten auf. So wird auch deutlich, wieso sie mehr uns als sich selbst gedient haben. Obgleich aber die Propheten eine göttliche Erinnerung empfangen hatten, dass die von ihnen gepredigte Gnade für ein anderes Zeitalter aufbehalten sei, wurden sie doch in ihrer Predigt nicht lässig, noch weniger überdrüssig und gebrochen. Bewiesen sie aber eine solche Geduld, so machen wir uns sicherlich doppelten und dreifachen Undanks schuldig, wenn wir uns nicht durch den Genuss der Gnade, der ihnen noch versagt war, in allen Beschwerden, die wir leiden müssen, aufrechterhalten lassen.
Was euch nun verkündiget ist. Diese Wendung weist noch einmal auf den Unterschied zwischen der Lehre des alten Testaments und der Predigt des Evangeliums hin. Denn wie im Evangelium die Gerechtigkeit Gottes enthüllt ist, die durch Gesetz und Propheten bezeugt war (Röm. 3, 20), so wird auch die himmlische Herrlichkeit Christi, von welcher der Geist einst Zeugnis gab, jetzt öffentlich verkündigt. Zugleich empfängt die Gewissheit des Evangeliums durch die Erinnerung eine Stütze, dass es nichts enthält, als was Gottes Geist längst bezeugt hat. Weiter folgt der Hinweis, dass ebenfalls durch den heiligen Geist und unter seiner Einsprache und Leitung das Evangelium kundgetan ward: so dürfen wir von demselben nichts Menschliches gedenken.
Was auch die Engel gelüstet zu schauen. Damit wird das höchste Lob des Evangeliums gesungen: es birgt einen Schatz der Weisheit, der auch den Engeln bis dahin verschlossen und verborgen war. Allerdings könnte man es unpassend finden, dass uns erschlossen und bekannt sein soll, was den Engeln verhüllt ist, die ja allezeit Gottes Angesicht sehen und in der Regierung seiner Gemeinde und der Austeilung aller Güter ihm dienen. Ich antworte, dass diese Dinge uns erschlossen sind, soweit wir sie im Spiegel des Wortes sehen. Auch soll nicht unsere Erkenntnis als eine tiefere gepriesen werden gegenüber derjenigen der Engel. Petrus meint nur, dass uns Dinge verheißen werden, deren Erfüllung die Engel zu sehen begehren (Eph. 3, 8 ff.). Paulus sagt, dass in der Berufung der Heiden den Engeln Gottes wunderbare Weisheit kund geworden sei. Denn das war ihnen ein neues Schauspiel, dass Christus eine verlorene und so viele Jahrhunderte hindurch von der Hoffnung auf Leben ausgeschlossene Welt seinem Leibe eingliederte. So sehen die Engel täglich mit Bewunderung Gottes erhabene Werke in der Leitung seiner Gemeinde: wie viel mehr werden sie also staunen angesichts jenes höchsten Erweises göttlicher Gerechtigkeit, Güte und Weisheit, wenn Christi Reich zur Vollendung gelangen wird! Das also ist jenes Geheimnis, auf dessen Offenbarung sie noch warten und dem sie mit gutem Grund sich entgegensehnen. Immerhin kann unsere Stelle doppelt verstanden werden, entweder so, dass uns im Evangelium ein Schatz angeboten wird, der selbst die Engel zu seiner Bewunderung hinreißt, weil er ihnen ein überaus frohes Schauspiel bietet; oder aber, dass sie Christi Reich, dessen lebendiges Bild im Evangelium ausgeprägt ist, zu sehen brünstig begehren. Dieses zweite Verständnis erscheint mir angemessener.
13 Darum so begürtet die Lenden eures Gemüts, seid nüchtern, und setzet eure Hoffnung ganz auf die Gnade, die euch angeboten wird durch die Offenbarung Jesu Christi, 14 als gehorsame Kinder, und stellet euch nicht gleich wie vorhin, da ihr in Unwissenheit nach den Lüsten lebtet, 15 sondern nach dem, der euch berufen hat und heilig ist, seit auch ihr heilig in allem eurem Wandel. 16 Denn es stehet geschrieben: „Ihr sollt heilig sein, denn Ich bin heilig.“
Aus der Größe und Erhabenheit der Gabe wird eine Ermahnung abgeleitet: je reicher Gottes Gnade sich über uns ergießt, umso gespannter müssen wir darauf sein, sie zu ergreifen. Es gilt, auf den Zusammenhang zu achten. Das Reich Christi, zu welchem uns das Evangelium beruft, wurde als derartig erhaben beschrieben, dass auch die Engel im Himmel sich aufrichten, es zu sehen: was vollends müssen wir tun, die wir in der Welt weilen? So lange wir auf Erden leben, ist der Abstand zwischen und Christus so groß, dass er uns vergeblich zu sich einladen wird. Also müssen wir das Bild Adams abstreifen, die ganze Welt und alle Hinderungen wegwerfen, damit wir frei und ungebunden zu Christus emporsteigen können. Der Apostel heißt seine Leser unbehindert und nüchtern auf die ihnen angebotene Gnade hoffen; sodann sollen sie nach Gott sich bilden lassen, indem sie die Welt und ihr früheres Leben verleugnen. Das erste Glied der Ermahnung ist also dies, dass sie die Lenden ihres Gemüts begürten und ihre Seele zur Hoffnung auf die angebotene Gnade stimmen sollen. Das zweite Glied fordert, dass sie sich durch Änderung ihres Sinnes zum Bilde Gottes umgestalten lassen.
V. 13. Darum so begürtet die Lenden eures Gemüts. Das Gleichnis erklärt sich aus der Sitte der Alten, lange Kleider zu tragen: sie konnten dabei weder eine Wanderung machen, noch irgendetwas bequem angreifen, wenn sie sich nicht gürteten. Daher stammen die Redewendungen, dass man sich zu einem Weg, einem Werk oder Geschäft gürtet. Die Meinung ist, dass alle Hindernisse beseitigt werden sollen, damit wir frei dem Herrn entgegenstreben können. Bei den Lenden an die fleischlichen Begierden zu denken, die man bändigen soll, ist überfein und entfernt sich von dem Sinn des Apostels. Petrus will nichts anderes sagen als jene Worte Christi (Lk. 12, 35): „Lasset eure Lenden umgürtet sein und eure Lichter brennen.“ Allerdings bedient sich Petrus eines doppelten Bildes, indem er dem Gemüt Lenden zuschreibt. Die Meinung ist, dass unser Gemüt durch die unruhigen Sorgen dieser Welt und überflüssige Begierden verstrickt ist, die es nicht zu Gott emporsteigen lassen. Wer also recht hoffen lassen will, muss sich zuerst von diesen Stricken befreien und seinen Geist loslösen, damit er nicht in eitlen Stimmungen zerfließe. Eben darauf zielt auch die nächste Mahnung: seid nüchtern. Denn dabei ist nicht bloß an Mäßigkeit in Speise und Trank zu denken, sondern vielmehr an die geistliche Nüchternheit, in der wir alle unsere Sinne in Zucht halten, damit sie sich nicht an den Lockungen dieser Welt berauschen. Denn wenn wir auch nur ein wenig von ihnen kosten, stehlen sie unser Herz dem Herrn; wer sie aber gar in ganzer Fülle einschlürft, muss unweigerlich stumpf und gleichgültig werden und Gott und alle göttlichen Dinge vergessen.
Setzet eure Hoffnung ganz auf die Gnade. Damit gibt der Apostel zu verstehen, dass Leute, die ihren eitlen Gedanken die Zügel schießen lassen, nicht so klar und fest auf Gottes Gnade hoffen, wie es sich geziemte. Mögen sie auch eine geringe Hoffnung auf Gnade hegen, so gewinnt dieselbe doch keine Sicherheit, weil sie schwanken und sich in der Welt umtreiben lassen. Ausdrücklich sagt nun Petrus von der Gnade, dass sie den Lesern angeboten wird, um sie dadurch zu ihrer Annahme entschlossener zu machen. Sonst müsste man Gott in der Ferne suchen; er aber begibt sich aus freien Stücken ganz in unsere Nähe. Welch ungeheure Undankbarkeit wäre es also, wenn wir die Gnade, die uns so gütig dargeboten wird, gering schätzen wollten! So kann dieser Zusatz viel dazu beitragen, unsere Hoffnung zu beleben. Dass uns die Gnade durch die Offenbarung Jesu Christi angeboten wird, lässt eine doppelte Deutung zu. Denn die Lehre des Evangeliums offenbart uns Christus; weil wir ihn aber bis jetzt nur wie im Spiegel und im Rätselbilde sehen, wird die volle Offenbarung bis zum letzten Tag verschoben. Dies letztere Verständnis scheint mir angemessener, obgleich ich auch das erste nicht verwerfen will. Denn der Apostel beabsichtigt, uns aus der Welt herauszurufen: dafür aber wäre die Erinnerung an Christi Wiederkunft ganz besonders passend. Denn wenn wir dahin unsere Augen richten, ist uns die Welt gekreuzigt und wir der Welt. Zudem hat ja Petrus das Wort in eben dieser Bedeutung noch kurz zuvor gebraucht (V. 7). Übrigens wäre der Satz am besten dahin zu erläutern, dass uns die Gnade angeboten wird bis auf die Offenbarung Jesu Christi. Der Apostel sagt uns etwa: Ich braucht nicht einen langen Weg zu durchmessen, Gott ist euch zuvorgekommen, indem er sich euch anbietet. Da aber der völlige Genuss sich erst erschließt, wenn Christus, in welchem das Heil der Frommen verborgen liegt, vom Himmel erscheint, so bedarf es inzwischen der Hoffnung. Denn das gegenwärtige Angebot der Gnade Christi würde vergeblich sein, wenn wir nicht geduldig bis zu Christi Ankunft standhalten.
V. 14. Als gehorsame Kinder usw. Zuerst gibt der Apostel zu verstehen, dass wir vom Herrn durch das Evangelium zum ehrenvollen Recht der Kindschaft berufen wurden. Sodann prägt er die Bedingung unserer Annahme zur Kindschaft ein: Gott will seinerseits an uns gehorsame Kinder haben. Da die Gabe der Kindschaft ein freies Geschenk ist, macht uns sicherlich der Gehorsam nicht zu Kindern, aber er scheidet die Kinder von den Fremden. Petrus zeigt nun, wie weit dieser Gehorsam sich ausdehnt. Denn er verbietet den Kindern Gottes, sich den Lüsten dieser Welt gleichzustellen oder anzupassen, und ermahnt vielmehr, dass sie sich nach Gott bilden. Darauf vornehmlich zielt das Gesetz und alles, was Gott von uns fordert, dass in uns sein Bild wider strahle, damit wir nicht aus der Art geschlagene Kinder seien. Das kann aber nur geschehen, wenn wir erneuert werden und das Bild des alten Adam ausziehen. Wir entnehmen daraus, welchen Zweck Christen in ihrem ganzen Leben sich vorsetzen sollen, nämlich dass sie in Heiligkeit und Reinheit ihren Gott zur Anschauung bringen. Weil aber alle Stimmungen unseres Fleisches wider Gott streiten und die ganze Richtung unseres Geistes Feindschaft wider ihn ist, hebt Petrus mit der Verleugnung der Welt an. Überhaupt macht die Schrift, wenn sie von der Wiederherstellung des Bildes Gottes in uns handelt, immer damit den Anfang, dass der alte Mensch mit seinen Begierden in uns vertilgt werde.
Da ihr in Unwissenheit lebtet. Das bezieht sich auf die Zeit, als die Leser noch nicht zum Glauben an Christus berufen waren. Wir ersehen daraus, dass der Unglaube die Quelle alles Bösen ist. Denn von Unwissenheit ist hier nicht in dem uns geläufigen Sinne die Rede. Die platonische Lehre, dass alle Sünde nur aus Unwissenheit hervorgehe, ist falsch. Aber wenn auch die Ungläubigen durch ihr Gewissen gestraft werden, so irren sie doch wie blind in der Finsternis umher: denn sie gehen nicht auf dem rechten Weg und sind des wahren Lichtes beraubt. In diesem Sinne sagt Paulus (Eph. 4, 17), dass die Christen nicht mehr wandeln sollen wie die Heiden „in der Eitelkeit ihres Sinnes, welcher Verstand verfinstert ist und sind entfremdet von dem Leben, das aus Gott ist, durch die Unwissenheit, so in ihnen ist.“ Wo nicht die Erkenntnis Gottes herrscht, da haben Finsternis, Irrtum, Eitelkeit, Mangel an Licht und Leben die Oberhand. Das alles aber hindert nicht, dass die Gottlosen bei ihrer Sünde ein böses Gewissen haben und etwas davon empfinden, dass ihr Richter im Himmel sitzt und auch in ihnen als ihr Henker. Alles in allem: da Gottes Reich ein Reich des Lichtes ist, müssen notwendig alle, die ihm fremd bleiben, blind sein und in einem Labyrinth sich verirren. Dabei ergeht auch die Mahnung an uns, dass wir eben deshalb zur Erkenntnis Gottes erleuchtet wurden, damit wir nicht weiter durch zerstreuende Begierden uns umtreiben lassen. Nur in demselben Maße also, wie jemand in der Erneuerung des Lebens vorangekommen ist, hat er auch in der Erkenntnis Gottes Fortschritte gemacht. Doch es erhebt sich hier eine Frage: Wie kann der Apostel, der doch zu den Juden spricht, die immer unter dem Gesetz gelebt hatten und in der Verehrung des einen Gottes erzogen waren, dieselben wie ganz unheilige Leute der Unwissenheit und Blindheit zeihen? Ich antworte, dass eben hierdurch klar wird, wie fade aller Menschen Wissen ohne Christus ist. Wenn Paulus den hohlen Schein der Leute aufdecken will, die ohne Christus weise sein möchten, sagt er mit einem Worte (Kol. 2, 19), dass sie sich nicht an das Haupt halten. Solche Leute waren die Juden, die bei den zahllosen Verderbnissen, in die sie geraten waren, auch noch eine Decke vor den Augen liegen hatten, so dass sie Christus im Gesetze nicht erkennen konnten. Die Lehre, in der sie unterwiesen wurden, war freilich das wahre Licht; aber solange die Sonne der Gerechtigkeit ihnen verborgen war, zeigten sie sich blind mitten in diesem Licht. Wenn nun Petrus die Jünger des Gesetzesbuchstabens, solange sie Christus als die einzige Weisheit Gottes nicht kennen, als unheilige Leute der Finsternis zuweist, so ist es für uns eine umso dringendere Notwendigkeit, uns nach seiner Erkenntnis auszustrecken.
V. 15. Nach dem, der euch berufen hat und heilig ist usw. Der Zweck der Berufung wird als Beweisgrund herangezogen. Gott sondert uns zu seinem Eigentum ab; also müssen wir von jeder Befleckung rein sein. Dabei wird ein Satz zitiert, den Mose öfter wiederholt (3. Mos. 19, 2; 11, 45). Weil das Volk Israel auf allen Seiten von unheiligen Heidenvölkern umgeben war, deren überaus böses Beispiel sie zu zahllosen Verderbnissen verleiten konnte, ruft der Herr es immer wieder zu sich. Es ist, als wollte er ihnen sagen: Mit mir habt ihr es zu schaffen; ihr seid mein: also enthaltet euch von den Befleckungen der Heiden! Liegt es uns doch nur zu nahe, auf Menschen zu schauen und ihre allgemeine Lebensweise anzunehmen. So locken sich die Menschen gegenseitig scharenweise zu allem Bösen, bis der Herr uns durch seine Berufung aussondert. Dass wir aber heilig sein sollen, wie er heilig ist, deutet nicht auf eine vollkommene Gleichheit; aber bis zu dem von uns erreichbaren Ziel sollen wir streben. Und da von diesem Ziel auch die Vollkommensten noch immer weit entfernt sind, müssen wir täglich immer von neuem darnach streben. Dabei wollen wir uns aber erinnern, dass uns nicht bloß unsere Pflicht vorgeschrieben wird, sondern dass Gott auch hinzufügt (3. Mos. 22, 32): „Ich bin es, der euch heiligt.“ Petrus ruft uns nun zu: Seid heilig in allem eurem Wandel. Es soll also kein Stück unseres Lebens geben, welchem man nicht diesen guten Geruch der Heiligkeit anspürte. Sehen wir doch, wie Gott auch in sehr geringen und beinahe ganz gleichgültigen Dingen sein Volk an diesen Gedanken gewöhnt, damit es desto sorgfältiger sich hüte.
17 Und sintemal ihr den zum Vater anrufet, der ohne Ansehen der Person richtet nach eins jeglichen Werk, so führet euren Wandel, solange ihr hier wallet, mit Furcht, 18 und wisset, dass ihr nicht mit vergänglichem Silber oder Gold erlöset seid von eurem eiteln Wandel nach väterlicher Weise, 19 sondern mit dem teuren Blut Christi, als eines unschuldigen und unbefleckten Lammes, 20 der zwar zuvor ersehen ist, ehe der Welt Grund gelegt ward, aber offenbaret zu den letzten Zeiten um euretwillen, 21 die ihr durch ihn glaubet an Gott, der ihn auferwecket hat von den Toten und ihm die Herrlichkeit gegeben, auf dass ihr Glauben und Hoffnung zu Gott haben möchtet. 22 Und machet rein eure Seelen im Gehorsam der Wahrheit durch den Geist zu ungefärbter Bruderliebe, und habt euch untereinander brünstig lieb aus reinem Herzen.
V. 17. Sintemal ihr den zum Vater anrufet usw. Wer Gott seinen Vater nennt, bekennt sich dadurch als sein Kind. In diesem Sinne heißt es bei Mose (1. Mos. 48, 16), dass Jakobs Name über Ephraim und Manasse genannt werden solle, so dass sie nun als seine Kinder gelten. An unserer Stelle deutet der Ausdruck auf die frühere (V. 14) Wendung zurück: als gehorsame Kinder. Und wie der Gehorsam beschaffen sein soll, wird aus dem Wesen des Vaters abgeleitet. Es heißt von ihm, dass er ohne Ansehen der Person richtet. Er lässt sich nicht durch die äußere Maske bestimmen wie die Menschen, sondern sieht das Herz an (1. Sam. 16, 7). Seine Augen sehen auf die Treue oder den Glauben (Jer. 5, 3). Das ist es auch, was Paulus meint, dass Gottes Urteil (Röm. 2, 2) nach der Wahrheit ergeht. An der betreffenden Stelle straft er ja die Heuchler, welche hoffen, des Herrn mit hohlem Schein spotten zu können. Alles in allem: wir tun keineswegs unsere Pflicht gegen Gott, wenn wir nur Augendienst leisten. Er ist kein sterblicher Mensch, dem die äußere Haltung Genüge leistet, sondern er liest inwendig in unserm Herzen, wie wir beschaffen sind; er gibt nicht Gesetze für Füße und Hände, sondern fordert eine Gerechtigkeit im Geist. Dass er aber richtet nach eines jeglichen Werk – deutet nicht etwa auf Verdienst oder Lohn. Denn in diesem Zusammenhange ist nicht von Verdienst der Werke oder von der Ursache des Heils die Rede; vielmehr will Petrus nur erinnern, dass vor Gottes Richterstuhl für Ansehen der Person kein Raum ist, sondern dass allein wahre Herzensreinheit gilt. Darum ist unter dem Begriff der Werke auch der Glaube mitzudenken. Die Furcht, von der Petrus spricht, steht im Gegensatz zu falscher Sicherheit, sie sich einzuschleichen pflegt, wo man hofft, ungestraft sündigen zu können. Denn da Gottes scharfes Auge überall durchdringt und auch die verborgenen Falten des Herzens durchforscht, muss man vor ihm sorgfältig, nicht leichtfertig wandeln. Einen Wandel oder eine Pilgrimschaft nennt der Apostel das irdische Leben nicht in dem Sinne, wie im Eingang des Briefes die Juden als Fremdlinge in der Diaspora bezeichnet wurden, sondern weil überhaupt alle Frommen in dieser Welt als Pilger dastehen (Ebr. 11, 13.38).
V. 18. Und wisset usw. Ein zweiter Grund wird aus dem köstlichen Preis unserer Erlösung abgeleitet, der uns immer in die Gedanken kommen muss, so oft von unserem Heil die Rede ist. Denn wer das Gnadenangebot des Evangeliums verschmäht oder verachtet, dem ist nicht bloß das eigne Heil, sondern auch Christi Blut, um dessen Preis Gott dies Heil geschaffen hat, verächtlich und wertlos. Und wir wissen doch, welch schrecklicher Frevel es ist, das Blut des Sohnes Gottes zu entheiligen. Darum gibt es nichts, was uns ernstlicher zum Streben nach Heiligkeit antreiben müsste, als der Gedanke an diesen Preis. Zur Verstärkung wird gegensätzlich auf Silber und Gold hingewiesen. Wir sollen wissen, dass die ganze Welt und alles, was Menschen wertvoll dünkt, im Vergleich mit der Herrlichkeit dieses Preises nichts ist. Sind aber die Leser von ihrem eitlen Wandel erlöset, so entnehmen sie daraus, dass das ganze Leben des Menschen ein verderblicher und viel verschlungener Umweg ist, bis er sich zu Christus wendet. Weiter wird deutlich, dass es nicht durch unsere Verdienste geschieht, wenn wir ins Leben zurückkehren dürfen; vielmehr darauf gründet es sich, dass Gott den Preis, den er für unser Heil aufwendet, in uns wirksam machen will. Christi Blut ist also nicht nur das Unterpfand unseres Heils, sondern auch der Grund unserer Berufung. Nun aber sollen wir, wie Petrus mahnt, uns hüten, dass unser Unglaube diesen Preis nicht entwerte oder zunichte mache. Übrigens könnte man sich wundern, dass Petrus Juden gegenüber von einem eitlen Wandel nach väterlicher Weise spricht. Haben dieselben wirklich aus der Unterweisung ihrer Väter nichts als Eitelkeit gelernt? Rühmt doch Paulus, dass er von den Voreltern her dem Herrn mit reinem Gewissen diene, und empfiehlt dem Timotheus die Frömmigkeit seiner Großmutter Lois und seiner Mutter Eunike zur Nachahmung (2. Tim. 1, 3 ff.). Auch Jesus sagt von den Juden, dass sie wissen, welchen Gott sie anbeten (Joh. 4, 22). Aber er denkt dabei mehr an das Gesetz und an Gottes Vorschrift als an die Masse des Volks, die in zahllose, abergläubische Bräuche, Heuchelei und groben Irrtum versunken war. Man war völlig von der wahren Frömmigkeit abgekommen und tief entartet. Wenn also Petrus den eitlen Wandel der Väter verurteilt, denkt er ihn losgelöst von Christus, der allein die Seele und Wahrheit des Gesetzes ist. Wir entnehmen daraus, dass die Menschen in verderblichen Irrtum geraten, sobald sie sich von Christus entfernen. Es ist also vergeblich, sich auf die Autorität der Väter oder die alte Sitte zu berufen. Hat doch der Prophet Hesekiel (20, 18) den Juden zugerufen: „Ihr sollt nach eurer Väter Geboten nicht leben.“ Das muss auch heute bei uns unvermindert gelten. Soll Christi Erlösung bei uns wirksam und fruchtbar werden, so müssen wir unser früheres Leben preisgeben, auch wenn es aus der Unterweisung der Väter geflossen war. Welche Torheit ist es, wenn die Papisten mit dem bloßen Namen der Väter ihren Aberglauben meinen decken und ruhig verachten zu dürfen, was man ihnen aus Gottes Wort vorträgt!
V. 19. Als eines unschuldigen und unbefleckten Lammes. Durch einen Vergleich wird die Gnade Gottes hoch erhoben, die sich insbesondere zu den Menschen der Gegenwart freundlich herabließ. War es doch nichts Gewöhnliches oder Geringes, dass Gott die Offenbarung Christi bis zu den letzten Zeiten, in denen sie lebten, aufschob, obwohl er ihn in seinem ewigen Rat längst für das Heil der Welt bestimmt hatte. Zugleich empfangen wir noch einen Hinweis, dass es für Gott keine neue und plötzliche Erscheinung war, wenn Christus als unser Erlöser auftrat. Dies zu wissen ist ganz besonders nötig. Schon im Allgemeinen hält man jede neue Sache für verdächtig. Insbesondere aber würde unserem Glauben der feste Grund fehlen, wenn wir annehmen müssten, dass erst nach Verlauf einiger tausend Jahre dem Herrn das Heilmittel in den Sinn gekommen wäre, mit welchem er den Menschen helfen wollte. Endlich könnten wir uns nicht mit ruhiger Zuversicht auf Christus stützen, wenn wir nicht sicher wüssten, dass ewiges Heil bei ihm zu finden ist und immer zu finden war. Es lässt sich nun eine Frage aufwerfen: wie kann Christus von Ewigkeit her zum Erlöser bestimmt sein, da doch Adam nicht vor Schöpfung der Welt gefallen ist? Das Heilmittel kann doch erst nach dem Übel einsetzen? Ich antworte, dass hier Gottes Vorauswissen in Betracht kommt. Als Gott den Menschen schuf, hat er sicherlich vorausgesehen, dass er nicht lange in unversehrtem Stande bleiben werde. So hat er nach seiner wunderbaren Weisheit und Güte Christus als Erlöser verordnet, der das verderbte Menschengeschlecht dem Untergang entreißen sollte. Gerade darin leuchtet Gottes unvergleichliche Güte am hellsten, dass er unserem Übel mit dem Heilmittel seiner Gnade bereits zuvorgekommen ist, dass er die Wiederherstellung des Lebens verordnet hat, noch ehe der erste Mensch in den Tod gefallen war.
Dass Christus offenbaret ist, begreift sowohl seine persönliche Erscheinung als auch das Angebot des Evangeliums in sich. Denn durch Christi Ankunft hat Gott seinen Beschluss vollzogen, und was er den Vätern nur dunkel anzeigte, hat er uns durch die Lehre des Evangeliums klar und völlig kundgetan. Dass dies in der gegenwärtigen Zeit geschehen sei, besagt dasselbe, wie wenn Paulus davon spricht (Gal. 4, 4), dass die Zeit erfüllt ward. Es handelt sich um die rechte Gelegenheit und wahre Erfüllung, die Gott in seinem Rat festgesetzt hat.
Um euretwillen. Damit sollen die Väter nicht ausgeschlossen sein, als wäre für sie die Verheißung unnütz gewesen. Aber der Apostel will einprägen, dass der Vorzug, den Gott uns schenkte, und die umfassendere Offenbarung seiner Gnade gegen uns desto mehr Ehrfurcht, Inbrunst und Eifer in uns zeitigen müssen. Er fügt hinzu (V. 21): die ihr glaubet. Denn die Offenbarung Christi wird nicht unterschiedslos jedermann zuteil, sondern ist ein besonderes Eigentum derer, denen er durch das Evangelium wie ein Licht aufgeht. Auch im Übrigen ist die Ausdrucksweise bemerkenswert: die ihr durch ihn glaubet an Gott. Damit wird kurz die Natur des Glaubens beschrieben. Da Gott unbegreiflich ist, wird der Glaube niemals zu ihm vordringen, wenn er nicht geradeswegs sich zu Christus begibt. Aus einem doppelten Grunde kann es keinen Glauben an Gott geben, wenn nicht Christus als Mittler dazwischen tritt. Denn erstlich müssen wir die Größe der göttlichen Herrlichkeit bedenken, sowie die Dürftigkeit unseres Geistesvermögens. Unser Scharfsinn hat nicht entfernt die Fähigkeit, so hoch emporzusteigen, dass er Gott greifen könnte. Jeder Gedanke von Gott, den wir ohne Christus fassen, ist ein unermessliches Labyrinth, welches alle unsere Sinne gänzlich verschlingen muss. Zum deutlichen Beweis dienen nicht bloß die Türken und Juden, die unter dem Namen Gottes ihre Traumgebilde anbeten, sondern auch die Papisten.
Es ist eine geläufige Lehre in ihren Schulen, dass Gott der Gegenstand des Glaubens sei. Und nun fangen sie an, ohne Christi zu gedenken, ausgiebig und scharfsinnig über seine verborgene Majestät zu philosophieren. Aber was kommt dabei heraus? Sie verstricken sich in wunderliche Wahngebilde und finden kein Ende ihrer Irrwege. Denn sie sehen den Glauben als ein Gedankenbild und eine Spekulation an. Wir wollen uns erinnern, dass Christus mit gutem Grunde als das Ebenbild des unsichtbaren Gottes bezeichnet wird (Kol. 1, 15). Dieser Name wurde ihm eben darum beigelegt, weil Gott sich nur in ihm wollte erkennen lassen. Dazu kommt der andere Grund: während der Glaube uns mit Gott verbinden müsste, fliehen und scheuen wir jeden Zugang zu ihm, wenn uns nicht ein Mittler begegnet, der die Furcht von uns nimmt. Denn die Sünde, die in uns herrscht, macht uns Gott dem Herrn verhasst und ihn wiederum uns. Sobald also von Gott die Rede ist, kann es gar nicht anders sein, als dass Schrecken uns ergreift. Wenn wir uns ihm nähern, ist seine Gerechtigkeit wie ein Feuer, das uns völlig verzehrt. So ergibt sich, dass wir an Gott nicht glauben können, außer durch Christus, in welchem Gott sich gleichsam klein gemacht hat, um sich zu unserm Begreifen herabzulassen. Er allein stillt auch unser Gewissen, so dass wir nun wagen, vertraulich zu Gott zu nahen.
Der ihn auferwecket hat von den Toten. Dies wird hinzugefügt, damit unser Glaube und unsere Hoffnung eine feste Stütze haben, auf welche sie sich stützen. Dadurch wird es von neuem als eine Täuschung erwiesen, was man von dem allgemeinen Glauben an Gott fabelt. Denn wenn auch Christus nicht auferstanden wäre, würde doch Gott im Himmel bleiben. Und doch sagt Petrus, dass man an ihn nicht glauben kann, wenn Christus nicht auferstanden ist. Es steht also fest, dass der Glaube auf etwas anderes schaut als auf Gottes bloße Majestät. Und das Wort des Petrus hat guten Grund: denn freilich ist es die Art des Glaubens, in den Himmel zu dringen, um dort den Vater zu finden. Wie soll er aber dies können, wenn er nicht Christus zum Führer hat? Durch ihn haben wir, wie Paulus sagt (Eph. 3, 12), die Freudigkeit zum Zugang. Desgleichen lesen wir im Ebräerbrief (4, 16), dass wir im Vertrauen auf unsern Hohenpriester mit freudiger Zuversicht zum Gnadenstuhl hinzutreten können. Die Hoffnung ist der Anker der Seele, der in das innerste Heiligtum dringt, aber nur, nachdem Christus vorausgegangen (Ebr. 6, 19). Der Glaube ist unser Sieg über die Welt (1. Joh. 5, 4). Was anders macht ihn aber so sieghaft als eben, dass Christus, der Herr Himmels und der Erde, uns in seiner treuen Hut birgt? Da also unser Heil auf Christi Auferstehung und Oberherrschaft ruht, finden jetzt Glaube und Hoffnung ihre Stütze. Denn wenn er nicht durch seine Auferstehung über den Tod triumphiert hätte und jetzt die oberste Herrschaft besäße, in deren Kraft er uns schützen kann, was sollte bei der Übermacht der Feinde und unter so vielen gewaltsamen Anstürmen aus uns werden? Wir wollen also lernen, auf welches Ziel man blicken muss, um recht an Gott glauben zu können.
V. 22. Und machet rein eure Seelen. Andere übersetzen: „Da ihr ja eure Seelen rein macht.“ Aber der Apostel sagt nicht, wie seine Leser sind, sondern erinnert sie, wie sie sein sollen. Er straft unsere Unreinigkeit und will einprägen, dass unsere Seelen die Gnade nicht eher greifen können, als bis sie gereinigt sind. Damit es aber nicht scheine, als schiebe er die Kraft zur Reinigung der Seele uns zu, verbessert er sich alsbald und fügt hinzu, dass sie durch den Geist vollzogen wird: Gewiss sollt ihr eure Seelen reinigen; aber weil ihr dies nicht vermögt, so bringt sie dem Herrn dar, damit er durch seinen Geist ihre Unreinigkeit tilge! Es wird nun bloß die Seele genannt, obwohl, wie Paulus befiehlt (2. Kor. 7, 11), wir uns auch von den Befleckungen des Fleisches reinigen müssen. Petrus kann aber an die Seele allein erinnern, weil die innere Reinigkeit die Hauptsache ist und die äußere notwendig nach sich zieht. Seine Meinung ist, dass nicht bloß das äußere Verhalten gebessert, sondern dass die Herzen selbst von Grund aus erneuert werden müssen. Er beschreibt auch die Art und Weise davon: die Reinigkeit des Herzens besteht darin, dass wir uns Gott im Gehorsam ergeben. Als Wahrheit wird die Regel bezeichnet, die uns der Herr im Evangelium vorschreibt. Dabei ist doch nicht bloß von Werken die Rede, vielmehr steht hier der Glaube an erster Stelle. Darum prägt Paulus ein, dass es ganz besonders der Glaube ist, durch welchen wir dem Herrn Gehorsam leisten (Röm. 1, 5; 16, 26). Und Petrus erteilt dem Glauben das Lob, dass durch ihn Gott die Herzen reinigt (Apg. 15, 9).
Zu ungefärbter Bruderliebe. Dies kurze Wort erinnert an das, was Gott in unserm Leben vornehmlich fordert, und auf welches Ziel wir alle unsere Bemühungen richten müssen. Auch Paulus (Eph. 1, 4) findet die Vollkommenheit der Gläubigen in der brüderlichen Liebe. Dies muss umso eifriger eingeprägt werden, weil die Welt ihre Heiligkeit auf, ich weiß nicht welche, Spielereien zu beschränken pflegt, wobei sie das Hauptstück fast übersieht. So ermüden sich die Papisten in selbst erdachtem Aberglauben ohne Maß: die Liebe, die Gott uns vor allem empfiehlt, steht an letzter Stelle. Wenn aber Petrus von der rechten Lebensführung handelt, ruft er uns auf, nach ihr eifrig zu streben. Zuvor hat er von der Abtötung des Fleisches und von unsrer Gleichgestaltung mit dem Bilde Gottes gesprochen; jetzt erinnert er, worin wir uns nach Gottes Willen im ganzen Leben üben sollen. Wir sollen Liebe untereinander pflegen; denn dadurch bezeugen wir, dass wir auch Gott lieben. An diesem Merkmal prüft auch Gott, wer ihn in Wahrheit liebt. Die Liebe wird als „ungefärbt“ oder ungeheuchelt bezeichnet (vgl. auch 1. Tim. 1, 5), weil nichts schwerer ist, als den Nächsten mit ganz treuem Herzen zu lieben. Denn es regiert die Selbstliebe, die voller Heuchelei ist; und die Liebe, welche einer dem andern zukommen lässt, bemisst er gewöhnlich mehr nach seinem eigenen Vorteil, als nach einem wirklich frommen Eifer mitzuteilen. Außerdem sagt der Apostel, dass wir uns brünstig lieben sollen. Weil wir von Natur so träge sind, muss ein jeder sich nicht bloß einmal, sondern an jedem Tage wieder zu immer neuem Ernst und Eifer treiben.
23 Als die da wiederum geboren sind, nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen, nämlich aus dem Wort des lebendigen Gottes, der da ewiglich bleibet. 24 Denn „alles Fleisch ist wie Gras und alle Herrlichkeit der Menschen wie des Grases Blume. Das Gras ist verdorret, und die Blume abgefallen; 25 aber des Herrn Wort bleibet in Ewigkeit.“ Das ist aber das Wort, welches unter euch verkündiget ist.
V. 23. Als die da wiederum geboren sind usw. Das ist ein weiterer Grund für die Ermahnung: wenn wir neue, von Gott wiedergeborene Menschen sind, müssen wir ein Leben führen, welches Gottes und der geistlichen Erneuerung würdig ist. Es ist nun möglich, unseren Satz mit den folgenden Ausführungen zu verbinden: weil ihr als Gottes Kinder geboren seid, müsst ihr auch (2, 2) nach der Milch, die von ihm stammt, begierig sein. Doch lässt sich der Gedanke auch allgemeiner fassen, so dass er auch mit dem Vorangehenden in Verbindung steht. Denn Petrus trägt überhaupt zusammen, was den Eifer für ein rechtes und heiliges Leben in uns wecken kann. Er will einprägen, dass wir nicht Christen sein können ohne Erneuerung. Denn das Evangelium wird nicht gepredigt, damit wir es nur hören, sondern damit es als ein Same unsterblichen Lebens unser Herz von Grund aus umbilde. Des weiteren wird Gottes Wort zu einem vergänglichen Samen in Gegensatz gestellt, damit die Gläubigen wissen, dass sie ihre alte Natur verleugnen müssen, und damit der gewaltige Unterschied zwischen den Kindern Adams, die nur in diese Welt hineingeboren werden, und den Kindern Gottes offenbar werde, die eine Erneuerung zu himmlischem Leben erfahren. Übrigens lässt der griechische Wortlaut eine doppelte Verbindung zu. Wir werden wiedergeboren entweder: aus dem Wort des lebendigen Gottes, der da ewiglich bleibet, oder „aus dem lebendigen Wort Gottes, das da ewiglich bleibet.“ Ich halte es für ungezwungener, die Eigenschaftswörter auf Gott zu beziehen. Sie wurden aber gewählt entsprechend dem Zusammenhang unserer Aussage. Denn wie im Ebräerbrief (4, 12) der Apostel aus der Tatsache, dass Gott alles durchschaut und nichts ihm verborgen ist, den Schluss zieht, dass auch das Wort eben dieses Gottes bis ins innerste Mark dringt und Gedanken und Gesinnungen scheidet, so hat es auch in unserer Stelle seine Beziehung auf das Wort, wenn Petrus Gott selbst als den lebendigen bezeichnet, der ewiglich bleibt; denn im Wort strahlt jene Ewigkeit Gottes wie in einem lebendigen Spiegel wider.
V. 24. Denn alles Fleisch ist wie Gras. Sehr passend wird die Stelle aus Jesaja (40, 6 ff.) zum Beweis für den doppelten Gedanken verwendet, wie flüchtig und jämmerlich auf der einen Seite der Zustand ist, in welchen der Mensch zuerst hineingeboren wurde, wie groß aber auf der andern Seite die Gnadengabe der Wiedergeburt ist. Der Prophet handelt an dieser Stelle von der Erneuerung der Gottesgemeinde; um für sie Raum zu schaffen, macht er die Menschen zunichte, damit sie nicht Gefallen an sich selber haben. Mit den Worten: „ja, das Volk ist das Heu“ – unterstellt er die Juden ausdrücklich der Eitelkeit, um ihnen dann die Herrlichkeit durch den Herrn zu verheißen. Ehe den Menschen nicht ihre Nichtigkeit gezeigt ist, sind sie ja nicht gerüstet, Gottes Gnade zu ergreifen. Weil nun aber der Mensch, an dem so viele Vorzüge sich sehen lassen, nicht leicht zu überzeugen ist, dass er dem Gras gleiche, so räumt der Prophet ein, dass das Fleisch eine gewisse Herrlichkeit besitzt. Damit aber diese nicht unsere Augen bestricke, sollen wir wissen, dass des Grases Blume leicht verwelkt.
Das Gras ist verdorret. Viele Ausleger beziehen diesen Satz nur auf die Außenseite des Menschen. Das ist aber ein Irrtum. Man muss darauf achten, dass Gottes Wort dem Menschen gegenübergestellt wird. Wäre nur an den Leib und die Dinge des gegenwärtigen Lebens zu denken, so müsste im zweiten Satzglied etwa erinnert werden, dass die Seele weit vorzüglicher sei. Nun steht aber hier im Gegensatz zur Blume des Grases nichts anderes als das Wort Gottes; so folgt, dass im Menschen ganz und gar nur Eitelkeit gefunden werden soll. Wenn also Jesaja von dem Fleisch und seiner Herrlichkeit spricht, denkt er an den ganzen Menschen in allen seinen Teilen, wie er an sich selbst ist; denn was er dem Worte Gottes als eigentümlichen Besitz zuschreibt, will er dem Menschen absprechen. Kurz, der Prophet verfolgt denselben Gedanken wie Christus (Joh. 3, 3), dass der Mensch dem Reiche Gottes sehr fern steht, ganz und gar irdisch, hinfällig und eitel ist, wenn er nicht von neuem geboren wird.
V. 25. Aber des Herrn Wort bleibet in Ewigkeit. Der Prophet will nicht lehren, was das Wort Gottes in sich ist, sondern als welches wir es erfahren. Denn nachdem der Mensch in sich selbst ganz leer geworden, bleibt ihm nur übrig, das Leben anderswo zu suchen. Auf Grund des Prophetenspruches erkennt also Petrus dem Wort Gottes die Kraft und Wirksamkeit zu, dass es uns ein festes und ewiges Sein verschafft. Denn eben darum zielt der Prophet, dass wir Beständigkeit des Lebens allein in Gott haben, dass uns dieselbe aber durch das Wort mitgeteilt wird. Wie hinfällig also der Mensch von Natur ist, so wird er doch ewig durch das Wort, weil er zu einer neuen Kreatur umgeschaffen wird. Das ist aber das Wort, welches unter euch verkündiget ist. Bei dem Hinweis auf Gottes Wort werden wir nun zuerst erinnert, wie verkehrt es ist, dasselbe in der Luft oder im Himmel weit entfernt von uns zu suchen. Wir müssen es vielmehr so erkennen, wie es uns vom Herrn geoffenbart ward. Was ist also das Wort des Herrn, welches uns lebendig macht? Gesetz, Propheten und Evangelium. Wer über diese Schranken der Offenbarung hinausschweift, greift statt des Wortes des Herrn nur Satans Lügen und eigene Träume. Habe ich doch soeben schon erinnert, dass hier nicht von einem Wort die Rede ist, welches in Gottes Herz verschlossen und verborgen bleibt, sondern welches aus seinem Munde zu uns ausging. So muss man auf der andern Seite dafür halten, dass Gott durch die Apostel und Propheten zu uns reden wollte, und dass ihr Mund der Mund des einigen Gottes ist. Wenn Petrus ausdrücklich daran erinnert, es handle sich um das Wort, das unter uns verkündigt ist, so gibt er zu verstehen, dass man das Wort nirgends anders als in der Predigt suchen muss, die an uns ergeht: sicherlich werden wir jene Kraft der Ewigkeit nicht anders erleben als durch den Glauben. An Glauben aber ist nur zu denken, wenn wir wissen, dass das Wort für uns bestimmt ist. Eben darauf zielt, was Mose dem Volk zurief (5. Mos. 30, 12): „Sprich nicht in deinem Herzen: Wer wird uns in den Himmel fahren? Das Wort ist gar nahe bei dir in deinem Munde und in deinem Herzen.“ Denn Paulus macht deutlich, dass dies mit der Darlegung des Petrus zusammenstimmt, indem er darauf hinweist (Röm. 10, 8): „Dies ist das Wort vom Glauben, das wir predigen.“ Es ist nun kein gewöhnliches Lob, mit welchem Petrus die äußere Predigt auszeichnet, wenn er verkündet, dass sie lebendig macht. Gewiss ist es Gott allein, der die neue Geburt schafft, aber er gebraucht dafür den Dienst der Menschen. Darum kann Paulus rühmen (1. Kor. 4, 15), dass die Korinther geistlich von ihm gezeugt wurden. Gewiss ist weder der pflanzt etwas, noch der da begießt: so oft aber der Herr ihre Arbeit segnen will, schafft er durch die Kraft seines Geistes, dass ihre Lehre wirksam werde. So kann die Stimme, die an sich tot ist, ewiges Leben vermitteln.