Nr. 731 (C. R. – 3951)
Calvin, Jean - An Renata, Herzogin von Ferrara, in Mont-Argis.
Während des Krieges war Renatas Schloss die Zufluchtsstätte großer Scharen von flüchtigen Frauen und Kindern gewesen, so dass es zeitweilig wie ein Hospital (französisch: Hotel-Dieu, Herberge Gottes) aussah. Weggelassen sind noch einige Bemerkungen über nach Mont-Argis zu sendende Prediger.
Die Herberge Gottes zu Mont-Argis und ihre Reinheit.
Madame, wie sehr während der Kriegswirren in Frankreich alles drunter und drüber ging, habe ich daran gemerkt, dass ich nie Gelegenheit hatte, Ihnen zu schreiben, obwohl es nötiger als je gewesen wäre. Nun sind hoffentlich die Wege frei, und obwohl es noch eine Zeitlang viele Räuber und Wegelagerer geben wird, so wird schließlich Gott doch dafür sorgen, dass all die Unordnung abgestellt wird. Tatsächlich, wenn er nicht Hand anlegte, wären wir schlimmer dran als vorher; denn wenn die, welche die Macht haben, den Friedensvertrag nicht so in die Tat umsetzen, dass Gottes Ehre mehr gefördert wird als dadurch zurückgehalten, so ist der reine Glaube ein seelenloser Leichnam geworden. Ich weiß, Madame, wie Gott Sie gestärkt hat während der härtesten Kämpfe, wie Sie durch seine Gnade tapfer allen Versuchungen widerstanden und sich nicht schämten, die Schmach Jesu Christi zu tragen, während sich der Stolz seiner Feinde hoch über die Wolken erhob. Ja noch mehr, Sie waren wie eine Mutter der armen verjagten Gläubigen, die nicht wussten, wohin sie fliehen sollten. Ich weiß wohl, eine Fürstin, die nur auf die Welt sähe, schämte sich und empfände es fast als Beleidigung, wenn man ihr Schloss eine Herberge Gottes nennte; aber ich wüsste keinen schöneren Ehrentitel als dieses Wort zum Lob und Dank für die Freundlichkeit, die Sie den Kindern Gottes erwiesen haben, die ihre Zuflucht zu Ihnen nahmen. Ich denke oft, Madame, Gott hat solche Prüfungen auf Ihr Alter aufgehoben, damit Sie abzahlen können, was Sie ihm von früher her schuldig geblieben sind hinsichtlich Ihrer Furchtsamkeit in vergangenen Jahren. Ich rede nach gewöhnlicher Menschenweise; denn hätten Sie hundert- und tausendmal mehr getan, Sie wären nicht quitt ihm gegenüber für das, was Sie ihm Tag für Tag schulden für die unzähligen Wohltaten, die er Ihnen unaufhörlich zuteil werden lässt. Aber ich meine, er hat Ihnen eine außerordentliche Ehre erwiesen, da er Sie zu einer solchen Pflicht brauchte und Sie sein Banner tragen ließ, damit er verherrlicht werde an Ihnen, und sein Wort, das der unschätzbare Hort des Heils ist, Wohnung bei Ihnen finde und die Glieder seines Sohnes eine Zuflucht. Umso mehr müssen Sie Sorge tragen, Madame, Ihr Haus auch in Zukunft rein und ganz dem Herrn geweiht zu erhalten.
In dieser Hinsicht kann ich nicht anders, als von einem Ärgernis reden, von dem ich schon früher einmal etwas gehört habe. Ein junger Mensch, den Sie erzogen und vermählt haben, soll seine Frau verstoßen haben und eine Dirne unterhalten. Ich erkundigte mich bei Herrn de Biry, wie es damit stehe, da ich wusste, dass er Ihnen ein so ergebener Diener ist, dass Sie gewiss nicht zürnen würden, wenn ich ihm diese Sache anvertraute. Er antwortete mir anfänglich, Sie hätten sich bemüht, solchem Unwesen zu steuern, gestand aber schließlich, es habe zwar den Anschein, es sei besser geworden; doch wisse man nicht, ob es so bleiben werde. Ich bitte Sie, Madame, seien Sie in diesem und ähnlichen Fällen auf der Hut, Ihr Haus rein zu erhalten von aller argen Befleckung, um den Bösen das Maul zu stopfen, die nichts suchen als Gelegenheit, den Namen Gottes zu lästern. Indessen freuen Sie sich, wie Sie mitten in aller Traurigkeit Grund dazu haben; denn es ist kein kleines Gut, dass Gott Ihnen dadurch seine Billigung erweist, dass er Sie erwählt hat, auf diese Weise an Ihnen verherrlicht zu werden. - - -
- - - Indem ich mich Ihrer Gewogenheit, Madame, untertänigst empfehle, bitte ich den Vater im Himmel, er wolle Sie stets in seiner Hut halten, Sie stark machen in unüberwindlicher Kraft und Sie wachsen lassen in allem Guten und Glücklichen.
Genf, 10. Mai 1563.