Nr. 462 (C. R. – 2288)
Calvin, Jean - An die Evangelischen in Angers.
Der Pfarrer, den Calvin der Gemeinde von Angers sandte, war Jean de Pleurs (genannt d´ Espoir). Fast gleich lautende Briefe schrieb Calvin am selben Tag an die Evangelischen von Poitiers und Loudun, denen er auch Pfarrer sandte.
Schreiben zur Einführung eines Pfarrers.
Die Liebe Gottes unsres Vaters und die Gnade unsres Herrn Jesu Christi sei stets mit Euch durch die Gemeinschaft des heiligen Geistes. Sehr liebe Herren und Brüder, wir danken Gott, dass er in Eurer Stadt den Samen seiner Heilslehre ausgestreut und Euch zu brüderlichem Verein zusammengeführt und so an Euch gezeigt hat, was die Hauptsache am Evangelium ist, nämlich, dass all die Seinen vereinigt sind zu einem Leib unter dem Haupt, das er uns verordnet hat; ja dass er Euch sogar den Mut gegeben hat, Euch in einer so heiligen Vereinigung zu bestärken durch die Hilfsmittel, die er uns in seiner Kirche eingesetzt hat. Das heißt, dass Ihr Euch versammelt, gemeinsam seinen Namen anzurufen, durch sein Wort Euch belehren und ermahnen zu lassen, und dass Ihr, vom Aberglauben und Götzendienst des Antichrists Euch trennend, den wahren reinen Glauben sucht. Auf die Gefahren, die Euch umgeben, muss ich Euch nicht erst hinweisen; wir dürfen vielmehr den lieben Gott nur umso mehr preisen dafür, dass Ihr in seiner Kraft alle Angst des Fleisches überwunden habt. Nun müsst Ihr nur so fortfahren und fest entschlossen sein, dem, was Gott gebietet und was in seinem Wort gegründet ist, zu folgen, so dass nichts, was kommen mag, Euch davon abbringt. Versucht nur, Euch der Bosheit der Feinde nicht auszusetzen; aber es muss das geschehen nicht in weltlicher Schlauheit, die uns lehrt, Gott zu verlassen, um uns zu retten, und uns von ihm zu trennen, um uns selbst zu erhalten, vielmehr in der Klugheit des heiligen Geistes, die nach unseres Herrn Jesu Wort verbunden ist mit solcher Weisheit, dass wir ehrlich wandeln in unserm Berufe, ohne zu unrechten Mitteln zu greifen. Da wir nun unsrerseits Euern guten Willen sehen, so haben wir nach Anrufung des Namens Gottes diesen Bruder erlesen und gewählt, den wir Euch hier vorstellen als Euern Diener am Worte Gottes. Wir hoffen, dass er seinerseits seine Pflicht getreulich tun wird; denn erstlich kennen wir ihn als einen gottesfürchtigen Mann, der in reinem Gewissen und in Rechtschaffenheit gegen seine Nächsten wandelt, ehrbaren Lebens und wohl befähigt, Euch durch seinen Eifer zu erbauen; wir wollen Euch hierüber nur das sagen, was er jetzt auf sich genommen hat; nämlich er verlässt seine Frau, die kurz vor ihrer Niederkunft steht, um Euch zu Hilfe zu eilen. Er hat gründliche Bildung, Euch zu lehren, und ist nicht so kühn, das ihm gesetzte Maß zu überschreiten. Zwar hat und zeigt er keine solche äußere Manier, dass er den Liebhabern gewaltigen rethorischen Pompes genügen könnte; doch denken wir, es wird Euch genug sein, wenn Ihr in reiner und knapper Sprache, in der sich doch das Leben des Geistes Gottes zeigt, schlicht belehrt werdet. Kurz, wir zweifeln nicht daran, dass sein Wirken unter Euch Frucht bringen wird, so dass Gottes Name dadurch gepriesen und jeder unter uns erfreut wird. Seid nur darauf bedacht, ihn so aufzunehmen, dass er Euern guten Willen sieht, und Euern Eifer, vorwärts zu kommen, so dass ihn das noch mehr anspornt, Euch zu dienen. Im Übrigen seid fleißig, seine Belehrung zu hören. Nicht als ob Ihr damit Eure Pflicht gegen Gott ganz erfüllen könntet und das ganze Christentum darin läge; aber es dient doch zum Wachstum und zur Stärkung im Glauben wie im frommen Leben. Besonders seid, da in Eurer Stadt große Sittenlosigkeit herrscht, darauf bedacht, alle die Eitelkeiten, Vergnügungen und andern Dinge, in denen Ihr ganz stecktet, abzulegen, und Euch dem Dienste Gottes zu weihen. Wir waren erfreut, zu hören, dass Ihr bereits eine gewisse Ordnung und Zucht eingeführt habt, um Ärgernissen abzuhelfen und Euch im Zaum zu halten. Gebt acht, dass das nicht verloren geht, sondern bemüht Euch, es noch mehr auszubilden, und jeder füge sich willig dieser Ordnung, um zu zeigen, dass ein Geist der Sanftmut unter Euch herrscht.
Und nun, liebe Herren und Brüder, empfehlen wir uns Eurer Fürbitte und bitten den Vater aller Güte und Gnade, er wolle Euch behüten, Euch bewahren vor der Wut der Wölfe, Euch in aller Güte leiten und Euch immer mehr die Gaben seines Geistes schenken in seiner Verherrlichung.
Den 9. September 1555.