Blumhardt, Christoph - Andachten zum Brief an die Philipper
Phil. 1,29.
„Euch ist gegeben, um Christi willen zu thun, daß ihr nicht allein an Ihn glaubet, sondern auch im Seinetwillen leidet.“
Um wirklicher Jünger Christi zu seyn, ist nöthig, nicht nur, daß wir an Ihn glauben, sondern auch, daß wir um Seinetwillen leiden. Beides aber muß gegeben seyn. An Ihn zu glauben, ist für den natürlichen Menschen schwer; denn der muß da Dinge glauben, für die er in der Welt fast nichts findet. Er muß glauben, daß Christus vom Himmel gekommen sei, also auch glauben, daß die Menschen um der Sünde willen so übel daran waren, daß nur durch das Kommen des HErrn vom Himmel ihm geholfen werden konnte. So muß er auch glauben, daß Christus Wunder gethan habe, wie sie noch kein Mensch gethan hat, und muß glauben, daß Er, um ein Opfer für Alle zu werden, gestorben sei, muß glauben, daß Er wieder von den Todten auferstanden sei, was, so lange die Welt steht, noch nie vorgekommen ist. Er muß ferner glauben, daß Er als Menschensohn sich zur Rechten Gottes gesetzt hat, muß glauben, daß Er einmal sichtbar wiederkommen und alle Welt im Namen Seines Vaters richten werde, muß also überhaupt glauben, daß Alles, was selig werden will, es nur durch Ihn, den HErrn JEsum, werden könne. Das sind lauter Dinge, die der natürliche Mensch nicht von selbst lernt, von selbst glauben kann. Es muß ihm gegeben seyn, d. h. er muß erst die Fähigkeit, es zu glauben, durch den Geist Gottes bekommen. Wohl dem, der sich's geben läßt! Es bleibt doch dabei, daß „in keinem Andern Heil und kein anderer Name den Menschen gegeben ist, darinnen sie sollen selig werden, als allein der Name JEsu.“
Gegeben soll uns aber auch werden, daß wir um Seinetwillen leiden, d. h. um Seines Bekenntnisses willen. Das kann der Mensch wieder nicht von sich selber; auch das muß ihm gegeben seyn, daß er's kann. Seiner Natur will's nicht gefallen, daß er so viel Schmach, so viel Haß und Verfolgung, so viele Trübsale, zu Zeiten selbst Qualen, soll um seines Glaubens willen ausstehen müssen, weil es eben gar wehe thut. Um es doch zu können, muß er Muth und Kraft vom HErrn bekommen. Weil's ihm aber so sauer wird, könnte es ihm auch einfallen zu sagen: „Wozu auch das? Kann ich denn nicht auch im Stillen an JEsum glauben, und mich an Ihn halten, ohne daß es die Widersacher merken, und ohne daß es bekannt seyn muß?“ Da grübelt und denkt er dran herum, und wähnt wohl auch, es habe nicht so viel zu sagen, wenn er sich ein wenig der Welt gleichstelle, um von Leiden verschont zu werden. Da müssen ihm durch den Geist Gottes die eigenen Gedanken genommen und muß ihm gegeben werden, die Natur zu überwinden und zum Leiden um Christi willen sich anzuschicken. Der Geist Gottes muß ihm sagen: „Sieh, wenn du geheim thust mit deinem Glauben, so lernt ja dein Nachbar und deine Nachbarin nicht glauben, vernimmts Niemand durch dich, daß ein Heil für Jedermann da ist; und so wirst du, der du das Heil kennst, für viele Seelen verantwortlich, wenn du dich nicht vor Jedermann darstellst, als den, der da glaubt und um eines Glaubens willen selig ist.“ Solches muß sich ein ächter Christ sagen lassen, damit er nicht blos für sich, sondern auch für die Andern, die ja der Heiland auch will, etwas thue. Läßt er sich dann das Leiden gefallen, welches es auch sei, das auf das Bekenntniß folgt, so thut er etwas für den HErrn, Ihm zum Lohn Seiner Schmerzen zu verhelfen; im andern Fall wendet er die Seelen vom HErrn ab. Der HErr selbst hätte ja auch nicht sterben müssen, wenn er nicht gesagt hätte, Er sei der Heiland der Welt; und dann wärest du im Tode verblieben. So könntest du dir allerdings auch viel ersparen; aber möchtest du am Tod auch nur Einer Seele, die sich an dir ärgert, Schuld haben? Darum, lieber Christ, laß dir's geben, um Christi Willen zu leiden. Je mehr du um Seinetwillen leiden mußt, wenn du dir's nicht durch eigene Thorheit, die da auch oft groß ist, zuziehst, ein desto begnadigteres Gotteskind bist du.
Mel. Freu dich sehr, o meine Seele.
Zwar es ist mir unverborgen,
Was die Lieb' oft nach sich zieht;
Schmach, Verfolgung, Noth und Sorgen,
Kreuz und Armuth bringt sie mit.
Ja, wenn Er, mein Heiland, will,
Ist kein bitt'rer Tod zu viel.
Doch es komme noch so trübe:
Der am Kreuz ist meine Liebe!
Philipper 3,7
“Was mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Schaden geachtet.“
Der Apostel Paulus war ein gelehrter Mann, ein hochangesehener Mann vor seiner Bekehrung, der großen Einfluß hatte, und wo er hinkam, als etwas Bedeutendes galt. Das konnte er in seinem natürlichen Stand für einen Gewinn halten, für einen Vorzug, für einen Reichtum; aber jetzt im neuen Stand dünkts ihm alles nur Schaden zu seyn. So weit er nemlich sich daran halten, und darauf hinsehen wollte, als wäre es etwas, so weit war es ihm innerlich ein Schaden, weil es ihn kitzelte und mit Eigenliebe erfüllte, auch sein Anderes von Gott verderbte. Denken wir's uns nur so, daß der Theil des Herzens und Geistes, der von solchen Dingen angefüllt ist und sich einnehmen läßt, der göttlichen Durchleuchtung entbehrt. Wenn ich in einen Schrank viel Gold thun will, und fülle es zur Hälfte mit Blei, so bringe ich nur noch für die Hälfte des Raumes Gold hinein. Der Schrank wird bald voll; und das übrige Gold, das hinein sollte, hat nicht Platz, muß also draußen bleiben. So kann viel Gold des Geistes in Mancher Herz nicht hinein, weil viel andrer Wust drin liegt, vor dem es nicht Platz hat, oder mit dem sich's nicht verschmelzen kann. Also ist dieser Wust, wie man alles, was nicht von Gott kommt und zu Gott führt, nennen kann, ein Schaden und kein Gewinn, besonders wenn derselbe noch der Art ist, daß er die Anschauungen des Geistes verdreht oder verkehrt. Alles, was in dieser Welt groß und reich macht, und hoch, ist, wenn man ihm unrechten Wert beilegt, ein Schaden, weil es gewisse Räume des Herzens ausfüllt, die mit göttlichen Schätzen ausgefüllt seyn sollten. Das hat Paulus gemerkt, weswegen er alles wegwarf, um lauter göttliche Schätze in sein Herz zu bekommen, wodurch allein er der rechte Apostel geworden ist, der er war.
Wollen wir denn auch auspumpen und auswerfen, sofern wir wenigstens den Sachen nicht mehr die große Bedeutung beilegen, welche die Welt ihnen gibt, bis nichts Fremdes mehr da ist, damit nachrücken kann die göttliche Gnade und der göttliche Reichtum. Wir können alle Tage reicher werden, wenn wir nur recht wegwerfen, weil dafür immer mehr Göttliches in uns kommt.
Der HErr gebe, daß wir's klüglich zu machen wissen, wie es unser wahrhaftiges Wohl erfordert.
Mel. Die Tugend wird durchs Kreuz.
O süßer Stand, o sel'ges Leben,
Das aus der wahren Einfalt quillt,
Wenn sich ein Herz Gott so ergeben,
Daß Christi Sinn es ganz erfüllt.
Es weiß alsdann von keiner Zierde,
Alls die im Blute Christi liegt.
Die reine himmlische Begierde
Hat alles Eitle leicht besiegt.