Beste, Wilhelm - Wegweiser zum inneren Frieden - 22. Der richtende Christus.
Christus ist zwar nicht in die Welt gekommen, dass Er die Welt richte, sondern, dass die Welt durch Ihn selig werde1). Dennoch hat Er eine besondere Art des Gerichtes schon dadurch ausgeübt, dass Er erschienen ist. Zusammengehalten mit dem Schönen wird das Unschöne völliger offenbar. Hänge neben ein schlechtes Gemälde ein gutes, und jenes wird durch dieses verurteilt, gerichtet. So wird die Sündhaftigkeit der Welt durch das Bild des sündlosen Christus offenbar, und insofern ist die Erscheinung Christi ein Gericht. Wer sein eigenes Bild im Lichte des Bildes Christi betrachtet, der richtet sich selbst. Der Vergleich zeigt ihm die Fehler seines eigenen Bildes. Auch hat das Bild Christi einen leuchtenden Glanz. Im Dunkel sieht man keinen Flecken; im Schatten sieht man den eigenen Schatten nicht. So hat man auch, so lange man das Licht Christi nicht sah, seine eigenen Flecken und seinen Schatten nicht. gesehen. Wer aber im Lichte Christi steht, der erkennt sein Dunkel und richtet es. Doch Christus ist nicht bloß ein Bild, sondern ein Bildner und gießt der gläubigen Seele sein wesenhaftes Licht ein, vor dem das alte Dunkel entfliehen muss. So wird nicht gerichtet, wer sich gerichtet hat im Lichte Christi. Aber Vielen werden die Augen gehalten von dem Gott dieser Welt, dass sie nicht sehen das helle Licht von der Klarheit Christi, „welcher ist das Ebenbild Gottes.“2) Sie verhüllen sich gegen das Licht, in dem sie ihren Schatten sehen könnten. Daher kommt es, dass sich die Gläubigen für unrein, die Ungläubigen für rein halten. „Aber das ist das Gericht, dass das Licht in die Welt gekommen ist, und die Menschen liebten die Finsternis mehr, denn das Licht; denn ihre Werke waren böse.“3) Wer das Licht nicht sehen mag, sondern in der lieb gewordenen Finsternis bleibt, der wird im eigenen ungesehenen Schmutz verkommen. Das ist das Gericht über ihn. Nun aber ist das Verschließen des Geistesauges vor der Herrlichkeit Christi nichts Anderes, als der Unglaube, das Auftun jenes Auges der Glaube. Hieraus folgt: „Wer nicht glaubt, der ist schon gerichtet;“4) wer aber glaubt, der ist aus dem Gericht genommen.