Beste, Wilhelm - Wegweiser zum inneren Frieden - 18. Vom Gottmenschen.
Unter den Menschen darf ich meinen Erlöser nicht suchen; denn sie sind alle Sünder. Sie sind alle gefallen und liegen in der Tiefe. Wer ihnen aufhelfen will, darf nicht zwischen ihnen, sondern muss über ihnen sein. Darum sagt David: „Kann doch ein Bruder Niemand erlösen, noch Gotte Jemand versöhnen, denn es kostet zu Viel, ihre Seele zu erlösen, dass er's muss lassen anstehen ewiglich1).“ Kann denn kein Mensch mich erlösen, so möge es Gott tun. Die Schrift sagt ja: „Gott wird meine Seele erlösen aus der Hölle Gewalt2).“ Mein Erlöser muss also Gott sein. Aber auch dieser Gedanke befriedigt mich nicht, und bliebe ich bei dem Geringsten stehen, was ich von dem Erlöser erwarten muss, bei dem Vorbilde. Ist mein Erlöser bloß Gott, so kann er mir in der Tat ein ausreichendes Vorbild nicht sein. Ich bedarf ein Vorbild in der Versuchung; Gott kann nicht versucht werden. Ich bedarf ein Vorbild in irdischer Not und Entbehrung; Gott ist allgenugsam. Ich bedarf ein Vorbild im Beten; Gott-Vater betet nicht. Ich bedarf ein Vorbild im Sterben; Gott ist unsterblich. Ich bedarf ein Vorbild überhaupt im Glauben; Gott kann nicht glauben. Bloß Gott kann demnach mein Erlöser nicht sein. O wunderbare Tiefe der göttlichen Weisheit, die hier Rat gewusst hat, wo Niemand zu raten weiß. Darf mein Erlöser nicht bloßer Mensch, sondern muss er Gott sein, und darf Er nicht bloßer Gott, sondern muss Er Mensch sein: so ist in dem Gottmenschen Jesus Christus das Rätsel gelöst und die ewige Erlösung erfunden. Christus, der Du als Mittler nicht eines Einigen Mittler bist3), sondern vermittelst zwischen Gottheit und Menschheit und beider Parteien Natur an Dir trägst, Du Sohn Gottes und des Menschen Sohn, habe Dank für Deine Erscheinung!