Beste, Wilhelm - Wegweiser zum inneren Frieden - 14. Platonische Christusahnung.
Dass Christus gelitten hat, ist zur Versöhnung der Menschen mit Gott geschehen; aber es wäre schon zu dem geringeren Zwecke nötig gewesen, Ihn als den Gerechten auszuweisen. Die Menschheit fordert, von ihrem Urbilde, dass es in Leiden sich erprobe und bewähre. Bedeutsam und ahnungsvoll finde ich diese Forderung von dem griechischen Weisen Plato ausgesprochen. Neben den Ungerechten - so sagt er - lasst uns den Gerechten stellen, den schlichten und biederen Mann, der nicht gut scheinen will, sondern sein. Das Scheinen muss man ihm nehmen. Denn wenn er für gerecht gehalten wird, so werden ihm Ehren und Gaben zufallen, weil er als gerecht erscheint. Also wird es ungewiss bleiben, ob er der Gerechtigkeit wegen oder um der Gaben und Ehren willen ein solcher ist. Er werde also von Allem entblößt, außer der Gerechtigkeit. Ohne irgend unrecht zu tun, habe er nämlich den größten Schein von Ungerechtigkeit, damit er uns ganz bewährt sei in der Gerechtigkeit, indem er auch durch die üble Nachrede und Alles, was daraus entsteht, nicht bewegt wird, sondern unverändert bleibt bis zum Tode. Ja, er wird gefesselt, gegeißelt, gefoltert, an beiden Augen geblendet, und nachdem er alles mögliche Übel geduldet, wird er zuletzt gehängt werden. Ist nicht vierhundert Jahre später dieser Schattenriss im Lebensbilde erschienen? Ist er nicht die Weissagung eines Heiden von Christus? Jene Forderung lebt fort und ihre Befriedigung durch Christus ist Vielen schon ein Fußsteig zu Ihm geworden. Nachdem sie den gerechten Menschen gefunden, haben sie tiefer in sein Herz geschaut und die Fülle Gottes darin erkannt. Und der Gottmensch steht vor ihnen, und seines Leidens ganze Bedeutung geht ihnen auf.