Bengel, Johann Albrecht - Rechtfertigung und Heiligung

Bengel, Johann Albrecht - Rechtfertigung und Heiligung

Das Gesetz treibt den Menschen solange um und läßt ihm keine Ruhe, bis er seine Zuflucht zu Christus nimmt.

An dem Augenblick des Todes Christi ist mehr gelegen als an aller Heiligen Gehorsam, den sie von Anbeginn der Welt geleistet und bis ans Ende der Welt leisten werden.

Die rechte Würde des Menschen besteht in der Rechtfertigung; und die Sünde ist sein tiefster und verächtlichster Stand. Ein solcher Mensch wird wohl mit Recht als niedrig stehend betrachtet. Man soll der Vergebung der Sünden gewiß sein. Es kann eine Seele für sich gewiß sein, aber irrewerden, wenn man sie danach fragt. Andere, die eine ausreichende Antwort geben können, bleiben dann dabei stehen und trauen sich zu viel zu. Es wäre im besonderen zu zeigen, wie zwar nach wirklich geschehener Rechtfertigung und unter der Versicherung durch die Gnade Gottes es bei einer Seele um ein merkliches besser aussehe, wie aber doch der demütige Sinn bei einer Seele auch fernerhin bleibe. Es ist etwas Schönes um einen redlichen Gehorsam, bei dem man dennoch bekennt: Ich bin ein unnützer Knecht!

Man muß die Regel wohl merken, daß die Gnade da anfängt, wo die natürlichen Hilfsmittel nicht zureichen. Solange man ordentliche Mittel haben kann, soll man keine außerordentlichen begehren.

Das Bekennen der Schwächen ist sehr gut, doch muß man nicht darauf sitzen bleiben, wie es manchen geht, die klagende Leute werden. Man muß reden von der Gerechtigkeit Gottes und seine Gnade rühmen; man muß sich den Mund nicht stopfen lassen. Wenn man sich der Gnade ganz ergibt und sie in sich nach seinem Fassungsvermögen wirken läßt, dann muß man von ihr auch in der großen Gemeinde zeugen.

Wie reimt man die Rechtfertigung und die Heiligung zusammen? Was Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden. Eine Gerechtigkeit, die im Herzen wohnt, äußert sich unfehlbar in guten Werken. Wer Christus kennt, der begehrt nicht, außer ihm erfunden zu werden; eben daher wird er der Sünde nicht mehr dienen.

Es ist eine unvergleichliche Geduld Gottes gegen die Seinen. Wer sie einmal erkannt hat, der kann sie unmöglich zur Sünde mißbrauchen.

Die Rechtfertigung und die Heiligung des Lebens ist nicht wie ein einziges Band, sondern wie ein Zwirn aus zwei Fäden, von denen übrigens doch ein jeder für sich da ist.

Auch die, die im Stand der Gnade stehen, haben die fünfte Bitte des Vaterunsers noch nötig. Es ist wegen des Fleisches immer noch soviel Unlauterkeit, Unvollkommenheit, Unart und Hinfälligkeit vorhanden, daß sie immer wieder etwas abzubitten haben. Daher finden sich bei manchen Gläubigen noch solche unerkannte Fehler, die ihnen erst auf dem Sterbebett aus großer Gnade vollends aufgedeckt werden. Sie haben Vergebung der Sünden, aber wenn nicht mit dem Einwand, so doch mit der Bedingung, daß sie es erst noch erkennen lernen. Dahin gehört auch das Wort in der Offenbarung: „Ich habe wider dich!“, das an solche ergeht, die doch der Herr sonst lieb hatte.

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