Augustinus, Aurelius - Nachtgedanken - Siebente Nacht - Die Vorsehung.
Düsteres Gewölk überzieht den Himmel und vermehrt das Schauerliche der finsteren Nacht. Der Nord erhebt sich gegen die anderen Winde und es scheint ein wütender Kampf daraus zu werden. Alles verkündigt den nahen Sturm. Wie wird das enden? Werden wir glücklich an Afrikas Küste landen, oder werden wir hier unter tobenden Fluten untersinken? Ewiger Gott! Dein Wille geschehe. Wind und Wellen sind deine Diener und gehorchen deinem Winke. Was auch immer mein Los sein mag, es wird mir teuer sein, weil es deinem Willen gemäß ist. Verschlingst du mich, o Meer, so will ich noch in deinen Abgründen sterbend die teure Hand küssen, die mir den Tod gibt, und die letzte Bewegung dieses sterbenden Herzens sei ein Liebesseufzer zum Ewigen, der meine Tage endet. Wohl schien mir einst der Tod fürchterlich, als ich verwickelt in den manichäischen Aberwitz ihn für das Werk eines bösen Geistes hielt. Wohl fand ich ihn voll Schrecken und Bitterkeit, während ich in Feindschaft lebte mit dem, der allein mich glückselig oder unglückselig machen kann, und ich trug in meiner Brust das verhängnisvolle Urteil der ewigen Verwerfung. Nun, o unendliche Güte, Dank dem erbarmungsvollen Werke deiner mächtigen Hand, sind ich mich erlöst von der gottlosen Irrlehre und obgleich spät, erkenne ich dich dennoch. Ich erkenne dich, ich liebe dich und finde in meinem Herzen keine andere Neigung, als für dich allein. Ich kenne dich, ich liebe dich, o ewige Güte, ich weiß, wer du bist und mit deinem Lichte im Innern und mit deiner Liebe im Herzen kann auf der weiten Erde für mich kein Unfall mehr sein. Versenkt in deine Liebe wird mir jedes Missgeschick süß und angenehm, und will mich die Welt und die Hölle unglücklich machen, ich biete ihnen Trotz.
Ihr blinden Sterblichen! jeder Dorn schmerzt euch, jeder Schatten erschreckt euch. Wie lange werdet ihr noch der Spielball des trügerischen Scheines bleiben und euer Herz der Eitelkeit und der Lüge öffnen! Nur Eines ist fürchterlich - Gott missfallen. Wer ihn nicht liebt, dem ist alles verderblich; aber wer ihn liebt, dem gereicht alles zum Guten. Zufall, Glück sind nur leere Namen, Worte ohne Sinn, Ausdruck der menschlichen Unwissenheit. Nimmer ereignet sich etwas von ungefähr. Die ewige Vernunft, die alles hervorgebracht hat, umfasst alles mit ihrer Macht; sie ordnet und gestaltet alles. In ihrer Hand wägt sie das Weltall und leitet jede Bewegung desselben nach Wohlgefallen. Dort in der Höhe des Himmele zeichnet der Allmächtige alles, was da kommen soll, auf, ehe es geschieht, und ohne seinen Wink ereignet sich nichts auf Erden. Er führt auf den Flügeln des Windes Sturm und Hagel herbei, er bezeichnet den Wolken ihren Weg und dem leuchtenden Blitze seine Bahn. Sein unsterblicher Hauch fesselt die Ströme mit Eisdecken, bedeckt die Berge mit Schnee und streut den Reif wie Asche über das ebene Feld. Vor seiner Stimme erschrickt das Meer. Bis hierhin sollst du kommen! spricht er, und das Meer gehorcht und bleibt in seinen Grenzen und ehrfurchtsvoll ziehen sich die schäumenden Wogen zurück. Von Ewigkeit her sind die Blumen gezählt, die die Wiese hervorbringen soll; bestimmt ist die Höhe jedes Baumes, der auf dem Gebirge oder im Walde wächst; festgesetzt ist für jeden Wassertropfen der Augenblick, wo er aus der Erde hervorquellen und ins Meer zurückkehren soll. Über jeden Augenblick herrscht der Wille des Ewigen und gibt ihm jenen Erfolg, wodurch er für die Zukunft merkwürdig erscheinen, oder in dunkler Vergessenheit begraben bleiben soll. Er gab in der Hand des jungen Hebräers der Schleuder eine solche Richtung, dass dadurch der stolze Riese getroffen ward. Er verlieh dem Menschen Freiheit des Willens; aber hoch über diesem steht seine erhabene Absicht, und die freie Tätigkeit seines Geschöpfes kann dieselbe nimmer vereiteln. Seine Macht spottet jedes menschlichen Anschlages, der sich ihm widersetzt, und zerstreut ihn wie Rauch vor dem Winde. Von Anbeginn der Welt sah er das Herz des persischen Hofbeamten voll Neid gegen das auserwählte Volk. Schon damals war es in seinem hohen Ratschlusse vorgesehen, dass der grausame Satrap den Untergang desselben beschließen würde; aber auch damals schon bestimmte er zur Rettung seines Volkes für den Thron von Susa eine hebräische Jungfrau; er bezeichnete die Nacht, da der König, nicht durch Zufall, schlaflos, sich die Annalen des Reiches vorlesen ließ und sich daran erinnerte, wie ihm das Leben von einem getreuen Untertan aus jener dem Tode geweihten Nation gerettet worden. Noch war die Erde nicht, noch funkelten die Sterne nicht am Himmel und schon war es in dem Rate der ewigen Gerechtigkeit aufgezeichnet, dass zur Strafe des schuldbeladenen Volkes dem assyrischen Heere gestattet sein sollte, Bethulia zu belagern und es durch Hungersnot fast zum Falle zu bringen. Aber zugleich war es im Rate der Erbarmung beschlossen, dass der Arm eines Weibes, von Gott gestärkt, einst Bethulia retten sollte. Schöpfergeist, du erfüllst alles, du bist überall gegenwärtig, vor dir stehen die verflossenen und die kommenden Jahrhunderte, die unermessliche Ewigkeit! Du ordnest nach deinem Wohlgefallen alles im Himmel und auf Erden; es gibt keine erschaffene Macht, die deine Ratschlüsse ändern oder umlenken könnte. Vergebens widersetzt man sich ihnen. Alle Weisheit wird zu Schanden, alle Macht zernichtet, wenn sie deinem Willen widerstreben.
Der Schiffer stößt vom Ufer ab; aber er weiß nicht, wo er landet. Mitten im Laufe erhebt sich ein widriger Wind, das Meer wird stürmisch. Vergebens setzt er tagelang Segel und Kuder in Bewegung; immer ferner entflieht das ersehnte Ufer. Endlich muss er der feindlichen Macht nachgeben und sich blindlings den Wogen überlassen. Das Meer, welches das schwankende Fahrzeug zurückwirft, bietet ihm endlich einen Zufluchtsort, führt ihn in einen Hafen, fern von dem, wohin seine Richtung ging. Die erstaunten Wanderer bewundern am Gestade die Macht des Schicksals, So pflegt der Mensch zu nennen, was unerwartet und auf unbekannten Wegen und ohne seine Absicht sich ereignet. Aber wenn es für euch Zufall war, törichte Sterbliche, so war es nicht Zufall für den, dem es allein zukommt, die Ereignisse zu lenken. Euere Absicht war, nach Kreta zu segeln, aber derjenige, dem das Meer und die Elemente gehorchen, wollte nach seinem ewigen Ratschlusse, dass ihr auf Cyprus landen sollt. Ihr hattet die Kunst und euere schwache Kraft in Bewegung gesetzt, um an dem vorgesteckten Ziele anzukommen. Spielend hielt er euch nach dem Auslaufen aus dem Hafen zurück, und indem er bald die Winde bezähmte, bald sie spornte, führte er euch endlich dorthin, wohin er wollte.
Die Tochter des Königs von Ägypten steigt herab an den Fluss. Sie hat bloß die Absicht, durch das Bad sich abzukühlen; allein ganz anders ist die Absicht des Himmels, die sie dorthin leitet. In einem leichten Körbchen schwimmt auf der Woge ein hebräisches Knäblein, das der Himmel zu außerordentlichen Taten bestimmt hat. Sie entdeckt es und wird von Mitleid gerührt. Dieses Mitleid scheint nur die natürliche Äußerung eines gefühlvollen Herzens; aber der Himmel weiß wohl, was daraus werden soll. Die ägyptische Fürstin rettet, ernährt und erzieht denjenigen, welchen der Himmel zum Werkzeuge ausersehen, die Ketten seines unterdrückten Volkes zu zersprengen. Abrahams Volk wird in Freiheit gesetzt, von Moses empfängt es dieselbe; aber von der Tochter seines Feindes erhält es seinen Befreier. Das Weib von Samaria begibt sich an den Jakobsbrunnen, bloß in der Absicht, Wasser zu holen. Aber es leitet sie dorthin die unsichtbare Hand desjenigen, der um der verirrten Schafe willen vom Himmel herabstieg. Er erwartet sie dort, um ihr von jenem himmlischen Quellwasser mitzuteilen, welches den Menschen unsterblich macht. Mutlos seh' ich am Ufer des Sees Genezareth den guten Simon die Netze waschen, die er die ganze Nacht vergebens ausgeworfen. Fischer, erheitere dein betrübtes Herz! Nichts geschieht hienieden ohne Gottes Willen. Kehre wieder in deinen Nachen in Gesellschaft desjenigen, der bisher am Ufer predigte, und in seinem Namen wirf wieder das Netz aus! Bald, bald wirst du sehen, welchen Anteil er an den irdischen Ereignissen hat. Großes Wunder und Geheimnis! Von Einem Zuge werden zwei Schiffe voll bis zum Versinken. Der Fischer, von höherem Lichte getroffen, beginnt schon erhabene, geheimnisvolle Dinge zu ahnen. Er sieht ein, dass nicht der Zufall, sondern die mächtige Stimme des Herrn, durch den die Fische leben, dieselben während der Nacht entfernte und sie nun vor ihm versammelt. Erstaunt fällt er dem Gottmenschen zu Füßen und ruft: „Ach Herr! gehe von mir hinweg; denn ich bin ein sündiger Mensch!“ Von dir soll er sich wegbegeben? Und doch kam er auch um deinetwillen, der himmlische Fischer. Das Wunder war bloß die Lockspeise, du bist die Beute. Diese köstliche Gesinnung aufrichtiger Demut, die du im Herzen trägst, ist ein Geschenk von ihm und macht dich ihm wohlgefällig. Von nun an wirst du ihm folgen und er wird dich zum Menschenfischer machen. Einst wirst du sehen ein großes Tuch, voll von vierfüßigen Tieren und Insekten und Vögeln, an vier Zipfeln vom Himmel herabgelassen und dieses Zeichen und die Stimme, die dasselbe begleitet, werden dir zu erkennen geben, dass nun alle Völker und Nationen der Erde deine Beute sein werden. Und glückselig diejenigen, die von deinem heiligen Netze umschlossen werden! Er wird dieselben aus den tückischen Wogen dieses unglückseligen Meeres über den Sternen versammeln, wie jenes geheimnisvolle Tuch, das du einst sehen wirst.
So spielt mit uns die unendliche Weisheit desjenigen, der mit solcher Leichtigkeit das Weltall schuf, wie der Mensch dem Wachse in seiner Hand eine beliebige Gestalt gibt, und der nach seinem Willen dasselbe stets lenkt und beherrscht. Unser schwacher Verstand, welcher die Kette der erschaffenen Dinge und die verborgene Hand des Allmächtigen, der sie hält und bewegt, nicht erfassen kann, bleibt mit seinen Gedanken da stehen, wo der Blick nicht mehr durchdringt. Er sieht nur die letzten Ringe, die uns am nächsten sind, und weil er nur die Beschaffenheit derselben kennt, so schreibt er ihnen die Wirkungen zu, deren erste Veranlassung er nicht ergründen kann. Es hebt die Erde durch unterirdische Kraft, Städte werden erschüttert und unter ihren Ruinen die Bewohner begraben. Die Luft wird geschwängert mit bösartigen Dünsten und eine Best verbreitet sich über der Erde. Zu Tausenden fallen die Menschen, angesteckt von ihrem Gifte. Ihre Weisheit, die sich anmaßt, von allem den Grund anzugeben, nennt das bloße und einfache Wirkung der Natur. Was verstehst du unter Natur, du Orakel der Erde? Die Schöpfung, die Welt? Das ist ein großes Reich; aber es hat seinen Beherrscher. Verstehst du darunter die Wirkungen der verschiedenen Dinge, die das Weltall ausmachen? Diese sind nur Gesetz; aber es gibt einen Gesetzgeber, der sie vorgeschrieben hat, und der genau über ihre Beobachtung wacht. über alles Erschaffene herrscht ein ewiges, unendliches Wesen, welches einem jeden seine eigene Kraft gibt, erhält und lenkt. Nach seinem Wohlgefallen bewaffnet oder bezähmt er die Wut der Tiger oder die Stärke der Löwen. Er gebietet über das Erdbeben, er lässt den Blitz sich entzünden oder erlöschen, er regt auf oder besänftigt die tobenden Flüsse. Von seinem Winken hängt alles ab. Bestimmt ist die Lage der Sandkörner am Ufer und in der Tiefe des Meeres; weder die Fluten noch die Winde können ein einziges wegführen ohne den Willen des Allbeherrschers. Der Allmächtige schweigt, und das Weltall liegt in tiefer Stille und ohne Bewegung. Er gebietet und das Weltall beeilt sich, dem hohen Befehle zu gehorchen. Er will, dass die Welt sich umwandle, und sogleich verändert sie ihre Gestalt. Nacht und trocken ist der Fels, so lange er will; aber wenn er gebietet, dass derselbe sein dürstendes Volk erquicken soll, so verwandelt sich der trockene Fels in eine Wasserquelle. Seit der ersten Stimme des Schöpfers bleibt das Meer eine flüssige Ebene; aber sobald er ihm gebietet, seinem fliehenden Volke schnellen Durchgang zu gewähren, zerteilt es sich, erhebt sich zu beiden Seiten wie Berge und wie Mauern stehen seine Fluten. Die Heuschrecken verlassen ihren gewohnten Zug, sobald er ihnen befiehlt, sich über Ägyptens Fluren zu versammeln. Auf den Wink des Ewigen ändert die Sonne ihren Lauf, und das Volk, das nach Anordnung des Himmels kämpfte, freute sich während der Nacht ihres Lichtes. Die entflohenen Seelen des Lazarus und der Tochter des Jairus verlassen die sterbliche Hülle zur Zeit, die ihnen der Schöpfer bestimmte; aber auf einen zweiten Wink von ihm kehren sie zurück in die frühere Wohnung, um dieselbe nur zu verlassen, wenn er's von neuem gebietet.
Hier ist die Hand des Allerhöchsten fühlbar, weil der Mensch sie sieht und das Wunder anerkennt. Aber warum sieht, warum betet er sie nicht an in allen anderen Wirkungen der Natur, wo sie verborgen ist? Ist vielleicht dasjenige, was sich weniger von dem gewöhnlichen Laufe der Natur entfernt, nicht ebenso wohl sein Werk, als jenes, was dich so neu und außerordentlich überrascht? Hängt vielleicht dasjenige, was nach den allgemeinen Naturgesetzen einförmig geschieht, weniger von seinem Willen ab, als das, was außer diesen Gesetzen sich ereignet? Ein außerordentlicher Feuerregen fällt über die ruchlosen Städte herab. Mit Schrecken erfüllt dich bei dieser Trauergeschichte die Rache des Herrn. Du siehst rings um dich her durch eine bösartige Seuche die bevölkerten Provinzen in eine Wüste verwandelt und klagst darüber die Natur an und suchst Hilfe bei der Kunst und erhebst nicht einmal deinen Blick von der Erde weg, als hätte der Wille des Allerhöchsten damit nichts zu tun. Tor! weißt du nicht, dass sowohl Feuer als Krankheiten Vollstrecker der göttlichen Befehle sind? Dass weder das Feuer zündet, noch die Krankheit tötet ohne den Wink von oben? Aber dort entdeckst du die Hand, die dieses wirkt, und hier siehst du sie nicht. Sein Machtgebot bereitet in der Wüste aus wenigen Broten Speise für eine unzählige Schar. Du siehst da eine wundervolle und dankwürdige Tat. Dieselbe Stimme vermehrt auf dem Felde deine schwache Saat. Du sammelst sie ein und nährst dich davon und nennst nur Regen und Sonnenschein deine Wohltäter. Blinder und undankbarer Mensch! kennst du so die Gabe und den Geber?
Und du, der du es Zufall nennst, das Zusammentreffen verschiedener Ursachen zu Einer Wirkung, warum verlierst du, dem dummen Viehe gleich, denjenigen aus dem Gesichte, der in dem ganzen Weltall jegliches nach Maß und Gewicht ordnet?
Aber wenn denn nichts ohne Gottes Willen geschieht, so ist auch das Böse, welches in so mancherlei Gestalt die Erde heimsucht, der Gottheit Werk. So bildet sich der selbst ein Labyrinth, der keine Kenntnis hat von übernatürlichen Dingen. Um sich da auszuhelfen, verfällt der blinde Manichäer auf Aberwitze. Um einer Gotteslästerung zu entgehen, verfällt er auf eine größere Ruchlosigkeit, und indem er zwei Götter annehmen will, behält er keinen. Was nennst du böse? Die Krankheit, den Schmerz, das Elend, die Not? Das ist für den Gerechten nur Anlass zu größerer Gerechtigkeit, eine Quelle und Gelegenheit zu herrlicherem Lohne im ewigen Leben. Für den Sünder ist es nur ein Heilmittel, wofern er sich desselben bedienen will, immer aber eine gerechte und wohlverdiente Züchtigung. Was ist denn nun das Böse? Der Tod? Dieser ist nur der Übergang des Menschen zu seinem ewig glücklichen oder unglücklichen Lose, wie er's sich durch seine Werke verdient hat. Das einzig Böse ist also die Sünde, die Schuld; und diese ist stets gegen den Willen Gottes, obschon er alles zulässt, was hienieden geschieht. Als unwandelbare Richtschnur aller wahren Tugend, als Quelle und einziger Gegenstand der Heiligkeit schließt er dieselbe nach seinem unveränderlichen Wesen von sich ganz aus. Als ewige und unbestechliche Gerechtigkeit will er durch sein anbetungswürdiges Gesetz dieselbe auch von seinen Geschöpfen verbannen. Nach dem Abfalle der Engelscharen, die nun in den Abgrund verbannt sind, ist es der Mensch allein, der das Laster in die Welt bringen kann, indem er sein Herz demselben hingibt. Und dieses ist's, was der höchste Richter verbietet. Wenn der Mensch den göttlichen Geboten untreu wird und das verhasste Ungeheuer in seinen Busen aufnimmt, so bekämpft ihn der Allerhöchste mit unversöhnlichem Kriege, stürzt und belegt ihn mit ewigen Strafen. Aber warum eilt nicht seine unüberwindliche Macht, demselben den Weg zu versperren und es auf immer aus der Welt zu verbannen? Weil seine unendliche Weisheit, seine unendliche Herrlichkeit und eben diese unwiderstehliche Macht es nicht will. Als Krieger, dessen Tapferkeit des Sieges gewiss ist, könnte er auch ohne Kampf den Feind schlagen; aber er will nicht, um aus dem Übermute sich einen herrlicheren Triumph zu bereiten. Er bringt ihn zum Stehen; wenn er aber gegen ihn auftritt, so erwartet er ihn innerhalb des Walles und greift ihn dann an, wirft ihn zu Boden, fesselt ihn und macht ihn zu größerer Beschimpfung zu seinem Sklaven. So verfährt der Allmächtige mit dem Laster, welches gegen sein Verbot in die Welt kommt. Wohl könnte er ihm den Eingang verwehren, tut es aber nicht, damit er sich nachmals statt des Schimpfes eine ewig glänzende Huldigung bereite. Tiefer, schauerlicher Abgrund, vergebens wütest und tobst du gegen denjenigen, der dich mit Qualen und mit Feuerströmen überschüttet. Gegen deinen Willen sind deine giftigen Lästerungen Lobgesänge für den anbetungswürdigen Namen, den du verwünschest. Dein Geheul, dein Geklirr erheben ebenso sehr, wie die Harfen der Engel, die ewige Majestät. In dir, wie im Himmel, leuchtet seine grenzenlose Herrlichkeit. Der Himmel preist in Feiergesängen seine Barmherzigkeit, und du bringst in Verzweiflung ein ewiges Opfer seiner Gerechtigkeit.
Großer Gott, wie erhaben sind deine Ratschlüsse! Aus der Schuld selbst, die doch das einzige Böse ist, lässt du Gutes hervorgehen; nicht nur in dem Abgrund ist es gezwungen, dir zu dienen, sondern auch hienieden wirkt es, während es dich bekriegen will, ohne Wissen und Willen nach deinem Plan und erfüllt deine Absicht.
Noch dampft die Erde von dem Blute der Christen, die die Wut der Götzendiener gemordet hat, um das große Wert deiner Liebe zu zernichten. Es floss in Strömen, und alle Länder, die dem Kapitol unterworfen waren, wurden damit getränkt. Konnte all dieses vergossene Blut, wie es die Hölle hoffte, die Kirche ersticken? Vielmehr war es der Same neuer Christen und sein Hinströmen beförderte das Gedeihen der Pflanze, die man ausrotten wollte. Ewiger Gott! welche Verbrechen sparte man in diesem Kriege dir zur Schmach und zum Verderben deiner auserwählten Braut? Was war der Erfolg so vieler Verbrechen? Was gewann dabei die Gottlosigkeit? Sie haben die Erde mit Anbetern deines Namens erfüllt, den Himmel mit Seligen und das Weltall mit deinem Ruhme und deinem Triumphe.
Der höllische Drache stürzte durch seinen unheilbringenden Betrug das ganze Menschengeschlecht in den Abgrund des Verderbens. Es steigt Gottes Erbarmung zur Erlösung hernieder und der Wüterich, einzig besorgt, dass ihm seine Beute nicht entrissen werde, kehrt seine ganze Wut gegen den Retter. Fürst der Finsternis, willst du etwa vereiteln des Allmächtigen Willen? Ja, er will's. Selbst die Kranken verhärtet er und macht sie verstockt für die Erbarmung Gottes. Siehe, wie die Gefangenen ihre Retten lieben und als Diener des Unterdrückers selbst sich rasend und wahnsinnig bewaffnen gegen denjenigen, der zu ihrer Befreiung kommt. Ach! sieh', wie er die Zielscheibe ihrer Wut ist, ganz mit Blut und Wunden bedeckt; siehe, wie er, ans schmachvolle Holz geheftet, stirbt und erblasst. Eine neue und unerhörte Schmach für die schreckliche Majestät des Höchsten, eine neue fürchterliche Schuld für das schon verlorene Menschengeschlecht, und ach, wir Elenden! ein neuer Grund des Verderbens für uns alle und der jammervollen Tod bringenden Rache. Unglückliche Erde, unglücklicher Aufenthalt von Gottesmördern, ach! in deinem Schoße ruhte die entseelte Hülle des Herrn der Welt. Verflucht vom Himmel und der Sonne verhasst, die sich in Dunkel hüllt, um dich nicht mehr anzublicken, was soll aus dir werden! Fürst der Finsternis, deinem Hasse ward die Macht gegeben, die du wünschtest. Sieh, dein Werk ist vollendet; hast du gesiegt? Hast du den Ruhm deines Herrn verdunkelt, seine erbarmungsvollen Absichten gegen die Erde bereitet? Verzweiflung verzehrt dich. Du hast dir selbst deine Ketten geschmiedet, du hast deine Sklaven davon befreit, du hast erhöht den Ruhm dieses Gottes, gegen den du kämpftest, du selbst hast seine hohen Absichten erfüllt. Du begannst das schwärzeste Verbrechen gegen den Allmächtigen und aus dem schwärzesten Verbrechen zog der Allmächtige das größte Gut. Dieses Verbrechen gab Anlass, dass für den verlorenen Menschen das Schlachtopfer herabkam, welches allein imstande war, den Zorn des beleidigten Weltbeherrschers zu besänftigen und die Schmach zu tilgen, die der Mensch seiner Majestät zufügt. Dieses Verbrechen verschaffte dem Gott der Herrlichkeit die edelste Huldigung, die man ihm bringen kann, die edelste, welche vergangene Jahrhunderte sahen und wie die Zukunft keine mehr sehen wird, die einzige, die eines so großen Gottes würdig ist. Aus diesem göttlichen Blute, das hienieden floss, ist ihm eine unermessliche Schar auserwählter Kinder entsprossen, der Gegenstand seines ewigen Wohlgefallens, seiner ewigen Liebe. Durch dieses göttliche Blut ward der Mensch, vorher tot, wieder geboren zu einem neuen ewigen Leben, ward Bürger des Himmels und Mitgenosse der unendlichen Herrlichkeit, der Gottheit.
Erhabene Vorsehung! sei angebetet vom niedrigen Sohne des Staubes. Höher als die Sterne sich über die Erde erheben, steht dein ewiger Ratschluss über alle geschaffene Weisheit. Vergebens will der Mensch sich ihm widersetzen. Was er gegen deine Ordnung aufführt, sind Ruinen, und diese Trümmer dienen zur Grundlage für dein Werk. Er mag bauen oder niederreißen, so arbeitet er für dich und, ohne es zu wollen, dient er dir auch da, wo er dich beschimpft. Vergebens erhebt sich derjenige, den du niederhalten willst; vergebens bemüht sich die ganze Welt, denjenigen niederzudrücken, den deine Rechte emporhebt. Welchen Weg auch immer die Sterblichen einschlagen mögen, um sich von deinem Willen zu entfernen, so führst du sie doch immer wieder auf demselben Wege zur Ausführung deiner Werke.
Mensch, du allein bist es, der dir schadet, und dein einziges Unglück besteht darin, dass du dir den zum Feinde machst, dem alles gehorcht. Wenn du seine Köstliche Liebe im Herzen trägst, was fürchtest du das Schicksal? Alles hängt ab von dem Willen desjenigen, der dich selig machen will. Lass ringsum toben die Wut der Elemente, lass drohend unter deinen Füßen die Erde beben, lass brüllen unter dem zerbrechlichen Fahrzeuge das brausende Meer, lass Kriegsscharen wider dich auftreten Menschen, Erde und Abgrund können dir nicht schaden. Sie alle sind Diener deines Herrn; von ihm empfangen sie ihre Macht und diese hängt nie ab von ihrem bösen Willen, sondern von seinen Winken. Er ist ein treuer Hort seiner Freunde, er lenkt denen, die ihn lieben, alles zum Besten. Sein mächtiger Arm hält alle Schläge von ihm ab, und nur solche können sie treffen, die ihnen zum Heile und zum Ruhme gereichen. Du erschrickst vor jedem Unfall. Törichter! weißt du nicht, dass oft die besten Arzneien bitter sind? Die Speise der Auserwählten ist hienieden selten süß. Der Himmel prüft sie hienieden, übt und veredelt ihre Kraft und bewahrt ihnen anderswo Schätze der Wonne und der wahren Freude auf. Schau' auf jenen hebräischen Hirtenknaben. Der Neid seiner Brüder weiht ihn dem Tode, und nun wird er verkauft und fern von seinem lieben
Vater weggeführt. Dort wird ein hartes Gefängnis der Lohn seiner Unschuld. Welch eine Reihe von Unglücksfällen! würdest du ausrufen. Du täuschest dich, kurzsichtiger Mensch. Die Zisterne, die Verbannung, der Kerker, die Verleumdung sind nur die Stufen, auf welchen er zum Throne schreitet. Sieh', da sitzt er zur Seite des Königs von Ägypten und empfängt die Huldigung der Völker. Sieh, zu seinen Füßen demütig flehend, seine Verfolger. Der Himmel hatte schon ein Zeichen gegeben, dass er ihn über sie erheben wolle. Ihr Neid brachte die Weissagung in Erfüllung, indem er sie vereiteln wollte. Zu den erhabensten Thronen bestimmt der Himmel seine Freunde und führt sie dorthin durch die bittersten Wechsel dieses Lebens. Sieh', die Gerechten, deren die Welt nicht wert war, unstet, umherirrend in Wüsten, auf Gebirgen und in Höhlen, verfolgt, misshandelt, in Not und Bedrängnis! Sieh', wie sie preisgegeben sind dem Hohne der Gottlosen, mit Wunden bedeckt, in den Stock geschlagen und endlich hinausgeführt, um unter einem Steinhagel, unter dem Schwerte und dem Mordbeile zu sterben! Ihr himmlischer Vater sieht und beobachtet alles und steht ihnen zur Seite mit all seiner Macht; dennoch lässt er sie unter den Dornen wandeln, um sie desto reicher an Heldentaten zum ewigen Triumphe zu führen. Und du, ewiger Sohn des ewigen Vaters, der Abglanz seiner Macht und Liebe, wolltest durch Wunden und Blut und durch den Kreuzestod zu deiner Herrlichkeit eingehen und dir ein neues Volk erwerben, bestimmt für deine erhabene Wohnung. So wollte es deine ewige Weisheit, die auch die Weisheit deines Vaters ist.
Nach einem solchen Beispiele, nach einem solchen Vorbilde für jeden, der seinem ewigen Könige gefallen will, wie bist du so süß, so liebenswürdig, göttliche Vorsehung, auch wenn du uns geißelst! Sterblicher! der große König, der uns aus dem Nichts hervorgezogen, hat Gedanken des Friedens über uns und liebevolle Absichten. Er will, dass wir glücklich seien und zur Vollendung dieses großen Werkes fordert er bloß unsere Liebe. Ihn zu lieben sei also unser einziger Gedanke. Jede andere Sorge geht ihn allein an und bleibt in seinem Schoße. Er gibt uns das glückliche Los, welches er uns bestimmt hat. Wenn wir ihn lieben, so ist das große Werk vollendet. Seine Güte ist grenzenlos und unendlich seine Liebe. Denen, die ihn lieben, gereicht alles zum Guten. Auch der härteste Unfall wird unter seiner Leitung ein Mittel zum Heile. Durch einen bitteren Kelch verbannt er oft unsere Krankheit oder kommt ihr zuvor. Glücklich der Mensch, der sich demütig dem himmlischen Arzte anvertraut und seine Lippen nicht entzieht dem heilbringenden Kelche, den er uns darbietet! Mit Dornen umgibt er die auserwählten Pflanzen, die er auf die ewigen Hügel versetzen will. O ihr süßen, ihr lieben Dorne, die eine so teure Hand uns darbietet, um an uns ihre liebevolle Absicht zu erfüllen!