Arndt, Friedrich - Das christliche Leben - Neunte Predigt

Arndt, Friedrich - Das christliche Leben - Neunte Predigt

Das bürgerliche Leben

Text: 1 Petri II, V. 13. IV, V. 10.11.

Seid unterthan aller menschlichen Ordnung um des Herrn willen, und dienet einander, ein jeglicher mit der Gabe, die er empfangen hat, als die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes. So jemand redet, daß er's rede als Gottes Wort. So jemand ein Amt hat, daß er's thue als aus dem Vermögen, das Gott darreichet, auf daß in allen Dingen Gott gepriesen werde durch Jesum Christ, welchem sei Ehre und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit.

So ermahnet der heilige Apostel und schildert uns mit diesen Worten die Grundzüge des bürgerlichen Lebens, welches diesmal an der Reihe ist in unsern Betrachtungen über das Leben des Christen. Es offenbart sich dasselbe 1) in der treuen Abwartung unseres Berufes, und 2) in dem gewissenhaften Gehorsam gegen die Obrigkeit.

I.

Jeder Mensch hat einen Beruf, einen Kreis der Thätigkeit, in den ihn Gott gestellt und berufen. Dazu hat ihn Gott ausgestattet mit Gaben und Kräften, Anlagen und Fähigkeiten Leibes und der Seele, und mit der Neigung zu irgend einem Felde der Arbeitsamkeit, welche früher oder später in ihm erwacht, sich ihm aufdrängt und ihm bisweilen gleichsam vor die Stirn geschrieben ist, daß er ihren wunderbaren und unwiderstehlichen Ruf gar nicht verkennen kann und die Hand an den Pflug legen muß. Dazu treibt ihn aber auch schon die Noth und das Bedürfniß des Erdenlebens, die Erhaltung seiner selbst und die liebende Fürsorge für Andere, die ihm Gott zugewiesen hat. Es ist also unsere Bestimmung hienieden, in irgend einem Zweige des thätigen Lebens mit dem uns anvertrauten Pfunde zu wuchern, und als Haushalter Gottes, auf sein Geheiß, für seine Absicht, in seiner Welt wirksam zu sein. - So lehrt es ausdrücklich die heilige Schrift. Gleich in den Tagen des Paradieses heißt es vom Garten Eden: Gott der Herr nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, daß er ihn bauete und bewahrete.„ (1 Mose 2, 15). Dann nach dem Sündenfall wird die göttliche Absicht mit der Menschheit noch bestimmter ausgesprochen: „Im Schweiß deines Angesichts sollst du dein Brod essen, bis daß du wieder zur Erden werdest, davon du genommen bist.“ (1. Mose 3, 19). Und im neuen Testamente erklärt der Apostel Paulus aufs allerbestimmteste: „Ringet danach, daß ihr stille seid und das Eure schaffet, und arbeitet mit euern eignen Händen, wie wir euch geboten haben, auf daß ihr ehrbarlich wandelt gegen die, die da draußen sind.“ (1. Thess. 4, 11.). Ueberdies geht uns der Herr und seine heiligen Apostel auch hierin, wie überall mit dem glänzendsten Beispiele voran. Jesus erklärt: „Mein Vater wirket bisher, und ich wirke auch; denn was derselbige thut, das thut gleich auch der Sohn. (Joh. 5, l7). Meine Speise ist die, daß ich thue den Willen deß, der mich gesandt hat, und vollende sein Werk. (4, 34). Ich muß wirken die Werke deß, der mich gesandt hat, so lange es Tag ist; es kommt die Nacht, da niemand wirken kann.“ (Joh. 9, 4.) und Paulus schreibt an die Thessalonicher: ,.IHr wisset, wie ihr uns sollt nachfolgen; denn wir sind nicht unordig unter euch gewesen, haben auch nicht umsonst das Brod genommen von jemand, sondern mit Arbeit und Mühe Tag und Nacht haben wir gewirket, daß wir nicht jemand unter euch beschwerlich wären. Und da wir bei euch waren, geboten wir euch solches, daß, so jemand nicht will arbeiten, der soll auch nicht essen.“ (2 Thess. 3, 7 - 12). Petrus arbeitete die ganze Nacht, und obgleich er nichts gefangen, warf er doch auf das Wort des Herrn gleich das Netz wieder aus. (Luc. 5, 5. Joh. 21,5.). - Endlich hat der Herr auch einen ganz eignen Segen auf die Arbeit und Lebensthätigkeit gelegt. Wie Müßiggang aller Laster Anfang und des Teufels Ruhebank ist, so ist Arbeitsamkeit die Mutter alles Frohsinns, aller Gesundheit, aller Zufriedenheit, und es giebt in der ganzen Welt nichts Wohlthätigeres für den Menschen, als Morgens bis Abends in einer bestimmten, angewiesenen Sphäre seine Kräfte zu stählen und zu entwickeln. Nur kommt vor allen Dingen darauf Alles an, wie das geschieht, und wodurch der Mensch ein wahrer Haushalter und Arbeiter wird in Gottes Weinberge.

Der Apostel sagt: „Dienet einander, ein jeglicher mit der Gabe, die er empfangen hat, als die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes. So jemand redet, daß er's rede als Gottes Wort. So jemand ein Amt hat, daß er's thue als aus dem Vermögen, das Gott barreichet, auf daß in allen Dingen Gott gepriesen werde durch Jesum Christ, welchem sei Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit.“ Es soll also zuerst geschehen als aus dem Vermögen, das Gott darreichet. In andern Stellen heißt es: „Hat jemand ein Amt, so warte er des Amts; lehret jemand, so warte er der Lehre; ermahnet jemand, so warte er des Ermahnens; giebt jemand, so gebe er einfältiglich; regieret jemand, so sei er sorgfältig; übet jemand Barmherzigkeit, so thue er's mit Lust. (Röm. 12, 7. 8.). Dafür halte uns jedermann, nämlich für Christi Diener und Haushalter über Gottes Geheimnisse; nun suchet man nicht mehr an den Haushaltern, denn daß sie treu erfunden werden.“ (l Corinth. 4, l. 2.). Das erste Kennzeichen in dem echt christlichen Berufsleben ist also die Treue. Es kommt nicht auf große Leistungen und auf weit umfassenden Einfluß, auf mehr oder minder ehrenvollen Stand und Stellung, sondern nur auf die Treue an, mit der jeder an seinem Orte, in seinem Hause, seinem Herzen das Seinige schafft mit allem Eifer und aller Redlichkeit; nicht darauf, ob Einem Alles recht leicht und gut von Statten geht, sondern ob man guten Willen hat, Gott siebet das Herz an. Wer in seinem engen Raume nach Kräften thätig ist, sieht bei dem Herrn der Welten eben so hoch, wie die Sterne erster Größe. (Matth. 25, 16-29). Diese Treue zeigt sich aber darin, daß der Mensch allen Fleiß daran wendet, sich auf seinen Beruf tüchtig vorzubereiten, jede Stunde und jeden Tag auszukaufen, nie stille zu stehen, nichts aufzuschieben, sondern immer weiter, immer vorwärts zu streben und gewissenhaft und unermüdet zu lernen, was zu einer tüchtigen Verwaltung seines Amtes und Geschäfts nothwendig ist. Der Beruf sieht ihm in der Mitte seines Lebens; alles Andere, was ihn sonst in Anspruch nimmt zu Thätigkeit oder Genuß, ist demselben untergeordnet; kein Nebengeschäft verdrängt oder ersetzt die eigentlichen Berufsarbeiten, und er setzt für denselben in Bewegung, was er nur irgend im Stande ist. Diese Treue zeigt sich sodann in dem Pflichteifer, dem Fleiße und der freudigen Bereitwilligkeit, mit der er früh und spät, Tag und Nacht seinem erlernten und überkommenen Berufe obliegt und denselben als einen Gottesdienst ansieht, in welchem er als treuer Diener sich beweisen und so pflichtmäßig und nützlich seine Kräfte anwenden, so emsig jeder Arbeit, die sein Stand mit sich bringt, sich unterziehen soll, als thäte er sie dem lieben Gott zu Gefallen, wie dies denn auch wahrhaftig und wirklich geschieht. Bei solcher Ansicht vom Berufe muß dann wohl natürlich jedes unlustige, träge und verdrossene Wesen eben so sehr ausgeschlossen sein von der Treue, wie das flüchtige und leichte obenhin Nehmen und Arbeiten, wo Vieles, aber nichts Rechtes geleistet wird, wo man mancherlei treibt, bald dieses, bald jenes, und rastlos thätig ist, aber nicht das thut, was man soll, und in solcher unendlichen Vielthuerei im Grunde nichts anders treibt und nährt, als einen geschäftigen Müßiggang oder eine eitle Genußsucht, was mithin kein Gottesdienst ist, sondern ein Hinderniß im Reiche Gottes. Jeder Beruf hat seine Schattenseiten, seine Unannehmlichkeiten, Lasten und Mühen, von dem Regenten an, der am Throne Völker hütet, bis zu dem Hirten, der die Lämmer am Bache führt: die christliche Treue übernimmt und trägt diese Lasten mit Muth und Festigkeit, weiß auch ihnen fruchtbare Seiten abzugewinnen, beneidet nicht die Brüder, denen es scheinbar besser geht, und tröstet sich mit dem zuversichtlichen Glauben, daß der Herr auch tragen hilft, wenn er Lasten auflegt. (Ps. 68, 20). Jeder Beruf hat trübe Erfahrungen, es kommen Zeiten, wo Handel und Wandel darniederliegen, wo Armuth und Noth überhand nimmt, ein furchtbares Stocken im gegenseitigen Verkehr eintritt, wo Alles, was man anfängt und unternimmt, trotz der größtmöglichsten Wachsamkeit mißlingt und jeder Segen Gottes von der Arbeit gewichen zu sein scheint: die christliche Treue trägt diese Erfahrungen mit Geduld, welche ja für alle und jede Wunden die beste Arznei ist, und ist stille zu Gott, der ihr hilft, und durch Stillesein und Hoffen stark; sie weiß, es wird besser werden/ wenn Gottes Stunde kommen wird, und so ist und bleibt sie geduldig in Trübsal, fröhlich in Hoffnung und hält an am Gebet.

Doch das führt uns schon auf das Zweite, wozu Paulus ermahnet. „So jemand redet, daß er's rede als Gottes Wort,“ d. h. also, in seinem Namen und Auftrage und im Aufblick zu ihm, im Gebet. Ihr wißt: „bete und arbeite,“ das ist die alte Losung! Beides gehört zusammen, und in Beidem zusammen offenbart sich die rechte, christliche Wahrnehmung unseres Berufs. Wie alles Arbeiten im Schweiß seines Angesichts dem Landmann nichts hilft, wenn der Herr nicht Gedeihen giebt und seine Arbeit segnet, und Frühregen und Spätregen zur rechten Zeit sendet und die Aehre zeitigt an dem warmen Strahl seiner Sonne: so verhält es sich auch mit jedem Geschäft und Unternehmen. An Gottes Segen ist alles gelegen. Wo der Herr nicht das Haus bauet, so arbeiten umsonst, die daran bauen. Wo der Herr nicht die Stadt behütet, so wachet der Wächter umsonst. Es ist umsonst, daß ihr frühe aufstehet und hernach lange sitzet, und esset euer Brod mit Sorgen; denn seinen Freunden giebt er's schlafend. M. 127, 1. 2.). Darum giebt es keine christliche Arbeit ohne Gebet. Das Gebet ist die Seele des christlichen Lebens und Wirkens; das Gebet giebt die Lust, die Freudigkeit, die Kraft, den Segen zu Allem, was der Mensch vor hat. Glaubt nur, Geliebte, würde mehr bei unserer Thätigkeit gebetet und fingen wir endlich einmal an, uns das Verlassen auf eigne Kraft ab- und das Trauen auf die Hülfe Gottes anzugewöhnen, so daß wir auch die geringste, unbedeutendste, niedrigste Arbeit nicht verrichten könnten ohne Aufblick zu ihm und sein Wort uns allezeit vor Augen stände: „Ohne mich könnet ihr nichts thun,“ und Petri Wort uns allezeit auf den Lippen schwebte: „Herr, auf Dein Wort will ich das Netz auswerfen:“ es würde viel leichter, schneller, gesegneter hergehen in unserer Wirksamkeit, und eine Masse trüber Gedanken und düsterer Einbildungen, schwarzer Sorgen und unnöthiger Befürchtungen würden nun und nimmermehr aufkommen in unserm Herzen. Die Bibel sagt wohl: wir sollen arbeiten, wir sollen beten; aber nie: wir sollen sorgen; im Gegentheil, sie sagt: „Sorget nicht für den andern Morgen, denn der morgende Tag wird für das Seine sorgen, es ist genug, daß ein jeglicher Tag seine eigene Plage habe.“ (Matth. 5, 24.). Thut an jedem Tage arbeitend und betend das Eurige, Gott wird an jedem Tage auch das Seinige thun, und so wahr ihr mit ihm in Gemeinschaft stehet, wird er euch seinen Segen nicht vorenthalten; schwinden werden allmälig die Dornen und Disteln von dem Felde eurer Thätigkeit, und ihr werdet endlich kommen mit Freuden und eure Garben bringen.

Doch noch einen Zug im apostolischen Gemälde dürfen wir nicht übersehen. Der Apostel sagt nämlich: wir sollen einander dienen mit der Gabe, die wir empfangen haben, auf daß in allen Dingen Gott gepriesen werde durch Jesum Christ, welchem sei Ehre und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit. Damit schließt er offenbar jeden Eigennutz, jede Selbstsucht und Lohnsucht aus, und fordert als Beweggrund zur treuen Abwartung des Berufs die Liebe zu den Brüdern und die Ehre Gottes. Die Liebe zu den Brüdern; denn Alle sind Glieder an Einem Leibe, Arbeiter in Einem Weinberge; die Schicksale der Einen hängen mit den Schicksalen der Andern eng zusammen, und Keiner kann des Andern entbehren. „Es kann das Auge nicht sagen zu der Hand: ich darf dein nicht, oder wiederum das Haupt zu den Füßen: ich darf euer nicht; sondern vielmehr die Glieder des Leibes, die uns dünken die schwächsten zu sein, sind die nöthigsten; auf daß nicht eine Spaltung im Leibe sei, sondern die Glieder für einander gleich sorgen. Und so ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit; und so ein Glied wird herrlich gehalten, so freuen sich alle Glieder mit.“ (1 Cor. 12, 21-27.) Die Ehre Gottes; denn von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge; es sind mancherlei Gaben, aber es ist Ein Geist; und es sind mancherlei Aemter, über es ist Ein Herr; und es sind mancherlei Kräfte, aber es ist Ein Gott, der da wirket Alles in Allen. (1 Cor. 12, 4-6.). Wie von ihm der Segen ausströmt, so soll auch zu ihm der Dank und der Ruhm zurückströmen, damit Er in allen Dingen gepriesen werde durch Jesum Christum, welchem sei Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Wohlan, ihr Alle, die ihr auf irgend einem Acker Gottes als Arbeiter angestellt und berufen seid, arbeitet mit solcher unermüdeten Treue, solchem brünstigen Gebet, aus Liebe und um Gottes willen, jeder an seiner Stelle, und es wird dann aus sein um jeden Miethlingssinn in der Welt, ein freudiges Leben und Weben wird herrschen in den Häusern, den Arbeitsstuben, den Schulen, den Fabriken, den Werkstätten; jede Mühe und Anstrengung wird versüßt werden durch das Gefühl der Gegenwart Gottes und durch die innere Lust, die mit der Arbeit Hand in Hand geht, und obwohl Niemand arbeitet um Lohnes willen und fragt: was wird mir dafür? so wird doch Gottes Lohn nicht ausbleiben und wird groß sein, hier zeitlich und dort ewiglich; vom Throne des Erbarmers wird endlich der beschämende und doch auch beglückende Zuruf ertönen: „Ei, du frommer und getreuer Knecht, du bist über Wenigem getreu gewesen, ich will dich über viel setzen; gehe ein zu deines Herrn Freude.“ (Matth. 25, 20.).

II.

Die zweite Art und Weise, wie das bürgerliche Leben des Christen sich offenbart, ist der gewissenhafte Gehorsam gegen die Obrigkeit. Der Apostel ermahnet dazu ausdrücklich in dem andern Theile unsers Textes: „Seid unterthan aller menschlichen Ordnung um des Herrn willen.“ Nach Gottes weiser Einrichtung können nicht alle Menschen befehlen und herrschen, sondern es muß ein Unterschieb da sein zwischen Regierenden und Gehorchenden, Herren und Unterthanen. Schon Spr. 22, 2. heißt es: „Reiche und Arme müssen unter einander sein, der Herr hat sie alle gemacht.“ Den Stand der Befehlenden nennen wir die Obrigkeit, und sie ist von Gott eingesetzt, damit das Recht gelte, Gerechtigkeit herrsche, jeder sicher lebe, Freiheit genieße, wirksam sein könne und Wohl-, stand im Lande blühe. So lehrt es ausdrücklich die heilige Schrift. Als die Pharisäer und Herodis Diener Jesum versuchend fragten: sage uns, ist's recht, daß man dem Kaiser Zins gebe, oder nicht? antwortete er: „Gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gotte, was Gottes ist.“ (Matth. 22, 21.) Einige Tage später sprach er zu Pilatus: „Du hättest keine Macht über mich, wenn sie dir nicht wäre von oben herab gegeben.“ (Joh. 19, 11.) Noth bestimmter erklärten sich die Apostel über die göttliche Einsetzung der Obrigkeit, Paulus (Röm. 13, 1 - 7): „Jedermann sei unterthan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat; denn es ist keine Obrigkeit, ohne von Gott; wo aber Obrigkeit ist, die ist von Gott verordnet. Wer sich nun wider die Obrigkeit setzet, der widerstrebet Gottes Ordnung; die aber widerstreben, werden über sich ein Urtheil empfahen. Sie ist Gottes Dienerinn, dir zu- gute. Thust du Böses, so fürchte dich, denn sie trägt das Schwerdt nicht umsonst, sie ist eine Rächerin zur Strafe über den, der Böses thut. So seid nun aus Noth unterthan (d. h. es ist nothwendig, daß ihr unterthan seid), nicht allein um der Strafe willen, sondern auch um des Gewissens willen.“

Petrus (1 Petri 2, 13. 14. 17): „Seid unterthan aller menschlichen Ordnung um des Herrn willen, es sei dem Könige als dem Obersten, oder den Hauptleuten als den Gesandten von ihm, zur Rache über die Uebelthäter und zu Lobe den Frommen. Thut Ehre Jedermann; habet die Brüder lieb, fürchtet Gott, ehret den König.“ Die heilige Schrift verwirft demnach schlechterdings jene ersonnene Lügenrede der neuern Zeit, als beruhe alle Obrigkeit auf einem bloßen Vertrage zwischen Herrscher und Unterthanen, als habe sie ihr Dasein und ihre Wirksamkeit nur einer gewissen Übertragung von vermeintlichen Volksrechten zu verdanken, und als seien die Fürsten und Könige der Erde nur Fürsien und Könige von Volks wegen; die heilige Schrift lehrt ausdrücklich, daß der erste Ursprung aller obrigkeitlichen Gewalt auf Erden in der väterlichen Gewalt zu suchen sei, welche keineswegs eine von den Kindern und Hausgenossen an den Vater übertragene, sondern vielmehr eine durch Gottes Ordnung ihm persönlich zustehende und verbleibende Gewalt ist, und daß die Könige nicht von Volks wegen ihr Ansehn und ihre Majestät erhalten haben, sondern aus Gottes Gnaden. (1 Sam. 10, 1. 1 Mose 14, 14.) Demnach ist jede Obrigkeit schon heilig von Seiten ihres Ursprungs; aber sie ist es auch von Seiten ihrer Macht und Gewalt. Keine Verfassung und Gesellschaft, kein Verein und kein Staat kann die Obrigkeit entbehren; sie ist so nothwendig wie die Sonne am Himmel, wie das Ruder im Schiff, wie der Hirt bei der Heerde, wie der Lehrer in der Schule, wie der Prediger in der Kirche, und der Hausvater in seiner Familie. Was aus einem Lande wird, wo kein gesetzliches Ansehn mehr gilt, wo Jeder nach Gutdünken und Lust machen kann, was er will, wo alle göttliche und menschliche Ordnung mit Füßen getreten wird, wo Keiner unterthan sein, sondern Jeder herrschen will: das sieht mit Flammenschrift geschrieben an dem Himmel unserer Zeit, das sehen wir mit Entsetzen und Schaudern an dem gräuelvollen Bürgerkriege, an den Flammen des Aufruhrs und der Empörung, an der zügel- und heillosen Wuth der Meuterei und des Verraths, an dem sittlichen und bürgerlichen Untergange sonst so schöner und blühender Länder unseres Welttheils. Unter allen zeitlichen Unglücksfällen, die uns treffen können, ist der allergrößte der, wenn in einem Lande die Obrigkeit aufgehört hat zu regieren; da haben alle Verbrechen und alle Verbrecher freien Spielraum, da ist kein Haus mehr sicher und keine Unschuld mehr geschützt, kein Eigenthum bewahrt, kein Recht geheiligt; allen nur denkbaren Gräueln des Blutvergießens, des Bürgermordes, des Brandes, der Zerstörung und Zertrümmerung, allen Unmenschlichkeiten und Grausamkeiten ist Thür und Thor geöffnet; die Heiligsten Eide werden frevelhaft gebrochen, und die verborgensten Laster und Tücke des menschlichen Herzens kommen zum Vorschein. Der Bürger erschlägt den Bürger, der Freund den Freund, der Vater taucht das Schwerdt in das Blut des Sohnes, und der Sohn spaltet dem greisen Vater das Haupt, sogar Weiber rasen da gegeneinander und verrichten in schauderhafter Entartung Henkersdienste, und es ist, als zögen die Menschen alle Menschheit aus und als würden sie in eine Heerde von Tigern - was sage ich, von Tigern? von Thieren, grausamer als Tiger verwandelt. Mit Recht nennt Sirach (26, 6.) unter den drei Dingen, die schrecklich sind, auch den Aufruhr, und wie wahr spricht unser Herr: „Ein jeglich Reich, so es mit ihm selbst uneins wird, das wird wüste, und ein Haus fällt über das andere.“ (Luc. 11, 17.) Gesegnet sei uns daher jede gesetzliche Obrigkeit, Gewalt und Ordnung, sie ist eine Mauer um unsern Leib und um unser Leben, um Haus und Hof, Hab und Gut, Ehre und guten Leumund, sie schafft und hält Frieden im Lande, sie sieht nach Recht und Gerechtigkeit, sie hilft den Armen und Unterdrückten auf, gewährt den Verfolgten und Verläumdeten Schutz und Rettung, und ist ernstlich daran, Gottes Gebot und Willen in der Gesetzgebung, im Richten, im Strafen, kurz in Allem geltend zu machen.

Schon die Gerechtigkeit und Billigkeit, schon die Dankbarkeit für so viele Segnungen müßte uns antreiben, sie zu ehren und ihr zu gehorchen und unterthan zu sein aller menschlichen Ordnung um des Herrn willen; aber es ist dies auch ausdrücklich ein Gebot des Herrn und darum eine Christenpflicht. Wie aber beweisen wir dies Unterthansein um des Herrn willen, Geliebte? Wir thun es zuerst im Herzen durch die Liebe, die unverbrüchliche Treue, die nie zu erschütternde Anhänglichkeit an die bestehende Ordnung, durch die Begeisterung für König und Vaterland, durch die Achtung und Ehrfurcht vor den getroffenen Anordnungen und Einrichtungen im Staate, durch die Beobachtung der prophetischen Vorschrift: „Suchet der Stadt Bestes, und betet für sie zum Herrn, denn wenn's ihr wohl geht, so geht's euch auch wohl“ (Jerem. 29,7.) und der apostolischen Ermahnung: „So ermahne ich nun, daß man vor allen Dingen zuerst thue Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung für alle Menschen, für die Könige und für alle Obrigkeit, auf daß wir ein geruhiges und stilles Leben sichern mögen in aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit; denn solches ist gut, dazu auch angenehm vor Gott unserm Heilande.“ (1 Tim. 2, 1-3). Was man liebt, dafür muß man auch beten, und saget nicht, daß ihr euern König liebt, wenn es euch nie darum zu thun ist, seiner vor Gott zu gedenken, und wenn ihr nicht mit Freuden sonntäglich an den Gottesdiensten der Kirche vollständig Theil nehmet, um mit der ganzen Gemeinde in ihren allgemeinen Fürbitten auch das Wohl unseres theuern und geliebten Königs und des ganzen Vaterlandes an den Thron der ewigen Erbarmung niederzulegen. - Wir sind unterthan aller menschlichen Ordnung um des Herrn willen, wenn wir sodann in unsern Worten theils die Rechtmäßigkeit, die Nothwendigkeit und Göttlichkeit der obrigkeitlichen Gewalt gegen die verkehrten und aufrührerischen Ansichten des Zeitgeistes vertheidigen, theils in unsern Urtheilen über die jedesmaligen Verfügungen und Gesetze Milde und Schonung beweisen, was dem Christen nie zu schwer fallen wird, da er weiß, welch eine große Last und Verantwortlichkeit es ist, Andere zu regieren, wie unendlich leichter es ist, zu gehorchen, als zu befehlen, wie kein König, wäre er auch der beste, und keine Regierung, wäre sie auch die weiseste, Allen Alles recht machen kann, da ja selbst der Allweise und Allliebende im Himmel sich von den thörichten Menschen muß meistern und rechten lassen; da er bedenkt, wie wenig er den Zusammenhang und die Gründe und Absichten der genommenen Maßregeln und Entscheidungen zu durchschauen vermag, und wie viel Sorge und Mühe, wie viel Arbeit und Erwägung aller Interessen jeder Maßregel und Entscheidung vorangegangen sind. - Wir sind unterthan aller menschlichen Ordnung um des Herrn willen endlich dann, wenn wir in unserm Thun und Leben allezeit den erforderlichen Gehorsam an den Tag legen, die zur Aufrechthaltung der Ordnung gegebenen Vorschriften befolgen, die zur Erhaltung des Staats ausgeschriebenen Steuern und Abgaben einliefern, und die zur Vertheidigung des Vaterlandes eingeleiteten Schritte mit vollem Eifer unterstützen, selbst wenn es darauf ankäme, Leib und leben, Gut und Blut daran zu setzen. Auf solche Weise gab Christus dem Kaiser, was des Kaisers ist, und war unter das Gesetz gethan; er befahl dem Petrus in Kapernaum, den Zinsgroschen zu geben (Matth. 17, 24-27); er mischte sich gar nicht in Sachen, die vor die Obrigkeit gehörten und, als Einer im Volk ihn bat: Meister, sage meinem Bruder, daß er mit mir das Erbe theile, antwortete er: „Mensch, wer hat mich zum Richter oder Erbschichter über euch gesetzt?“ (Luc. 12, 13. 14.) Er sprach nie über die gräulichen Laster, die damals am Hofe zu Jerusalem im Schwange gingen, ließ sich nie in eine Untersuchung ein, ob Herodes des Königsnamens würdig sei, brachte selbst die weltbekannten, großen Fehler des Kaisers Tiberius nie zur Sprache, und erlaubte sich nicht ein einziges Mal mißbilligende Urtheile, zu denen die römische Regierung doch Anlaß genug gab. Als Petrus das Schwerdt zog, ihn zu vertheidigen, sprach er: „Stecke dein Schwerdt in die Scheide: soll ich den Kelch nicht trinken, den mir mein Vater gegeben hat?“ (Joh. 18, 11.) und ließ sich greifen, binden, vor Kaiphas, Herodes und Pilatus führen, ließ sich anspeien, geißeln und verspotten, im Purpurmantel und mit einer Dornenkrone auf dem Haupte, ließ sich verhöhnen und mißhandeln und zuletzt ans Kreuz schlagen. Auf gleiche Weise unterwarfen sich die Apostel und ersten Christen in unbedingtem Gehorsam den Befehle n ihrer heidnischen Obrigkeit, und konnten zur Rechtfertigung ihres Glaubens sich darauf berufen, daß, was der Staat an Tempeleinkünften durch die Ausbreitung des Christenthums verliere, reichlich aufgewogen werde durch die Redlichkeit und Pünktlichkeit, mit welcher die Christen die Zölle und Abgaben entrichteten. Ein wahrer Christ ist jederzeit auch ein guter Unterthan, und es ist nun und nimmermehr möglich, daß da, wo Gottesfurcht und Glaube in den Herzen wohnt, je der Schwindelgeist einer äußerlichen Scheinfreiheit oder die blinde Raserei einer Aufwiegelung und Empörung Wurzel fassen, noch weniger ausbrechen kann. Wo die göttliche Ordnung gehandhabt wird, da stehen auch die menschlichen Ordnungen fest, und wo die Achtung gegen den König aller Könige und Herrn aller Herren im Herzen herrscht, da werden auch die irdischen Könige nie zittern dürfen für ihre Würden und Rechte.

„Aber wie?“ möchte vielleicht Jemand sagen, wenn nun die Obrigkeit mangelhafte Anordnungen träfe, Ungerechtigkeiten, Druck, Gewaltthaten aller Art sich zu Schulden kommen ließe und das Land zu Grunde richtete: „soll man dann auch blindlings gehorchen und zu Allem schweigen?“ Ja, auch dann soll der Christ unterthan sein und bleiben aller menschlichen Ordnung um des Herrn willen, soll mit Geduld die schreienden Mängel tragen, so lange sie Gott mit Geduld trägt, und nur um so eifriger um deren Abstellung zu dem beten, der die Herzen der Könige lenkt wie Wasserbäche, soll, was auf dem Wege Rechtens geschehen kann, thun, aber nie zu Gewaltthaten und Gewaltstreichen sich verleiten lassen. Oder wie? kann je die Sunde der Obrigkeit die Unterthanen berechtigen, auch zu sündigen? sagt nicht der Apostel ausdrücklich: „Seid unterthan mit aller Furcht den Herren, nicht allein den gütigen und gelinden, sondern auch den wunderlichen“ (1 Petri 2, 18.) und: „Rächet euch selbst nicht, meine Liebsten, sondern gebet Raum dem Zorne Gottes, denn es stehet geschrieben: Mein ist die Rache, ich will vergelten, spricht der Herr.“ ist es nicht viel christlicher Unrecht zu leiden, als Unrecht zu thun? giebt uns nicht schon David ein ganz anderes Exempel, indem er, als sein Dränger Saul in seinen Händen war, doch nicht wagte, die Hand zu legen an den Gesalbten des Herrn? und wann war in der Weltgeschichte je mehr Tyrannei, Druck, Grausamkeit, als zu den Zeiten der Apostel, wo auf dem Throne zu Rom der Blutdürstigste aller Tyrannen saß, Nero, lesen wir aber wohl einmal, daß die Apostel und damaligen Christen sich gegen dieses Joch aufgeworfen hätten? Darum bleibe es bei dem, was der große Reformator sagt: „So ja Unrecht soll gelitten sein, so ist's zu erwählen, von der Obrigkeit zu leiden, denn daß die Obrigkeit von den Unterthanen leide; denn der Pöbel hat und weiß keine Maaße und steckt in einem Jeglichen mehr denn fünf Tyrannen.“

„Aber wenn die Obrigkeit sich nun auch herausnimmt, Gottes Wort zu verbieten, und das Evangelium zu hemmen, und Glaubenszwang und Gewissenstyrannei zu üben, wie dann?“ Dann allerdings gilt die Losung der Apostel: „Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen“ (Ap. Gesch. 4, 19), und es bleibt keine Wahl mehr übrig.; denn bann trägt die Obrigkeit nicht mehr Gottes Bild an sich. Es heißt wohl: „Gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist;“ aber es heißt nicht: „Gebet dem Kaiser, was Gottes ist.“ Der Glaube und das Gewissen gehört Gott allein an, und über denselben hat kein Mensch, auch der Mächtigste nicht, zu befehlen. Als Unterthanen sind wir um Gottes willen jeder Obrigkeit Gehorsam und Ehrerbietung schuldig, aber als Christen stehen wir unter einer höhern Obrigkeit im Himmel, deren Unterthan die irdische Obrigkeit selber ist.

So siehe sie denn fest unter uns, die apostolische Verordnung: „Seid unterthan aller menschlichen Ordnung um des Herrn willen, und dienet einander, ein jeglicher mit der Gabe, die er empfangen hat, als die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes. So jemand redet, daß er's rede als Gottes Wort. So jemand ein Amt hat, daß er's thue, als aus dem Vermögen, das Gott barreichet, auf daß in allen Dingen Gott gepriesen werde durch Jesum Christ, welchem sei Ehre und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit. Wohl dem Lande, deß König edel ist! Gerechtigkeit erhöhet ein Volk, aber die Sünde ist der Leute Verderben!“ Amen.

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