Ahlfeld, Johann Friedrich - Seid barmherzig, wie euer Vater barmherzig ist.
(4. Sonnt, nach Tr. 1848.)
Die Gnade unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi, die Liebe Gottes des Vaters, und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch Allen. Amen.
Text: Lukas 6,36-42.
Darum seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist. Richtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet. Verdammt nicht, so werdet ihr auch nicht verdammt. Vergebt, so wird euch vergeben. Gebt, so wird euch gegeben. Ein voll, gedrückt, gerüttelt und überflüssig Maß wird man in euren Schoß geben: denn eben mit dem Maß, da ihr mit messt, wird man euch wieder messen. Und er sagte ihnen ein Gleichnis: Mag auch ein Blinder einem Blinden den Weg weisen? Werden sie nicht alle beide in die Grube fallen? Der Jünger ist nicht über seinen Meister; wenn der Jünger ist wie sein Meister, so ist er vollkommen. Was siehst du aber einen Splitter in deines Bruders Auge, und des Balkens in deinem Auge wirst du nicht gewahr? Oder wie kannst du sagen zu deinem Bruder: Halt stille, Bruder, ich will den Splitter aus deinem Auge ziehen; und du siehst selbst nicht den Balken in deinem Auge? Du Heuchler, ziehe zuvor den Balken aus deinem Auge und besiehe dann. dass du den Splitter auf deines Bruder Auge ziehst.
In Christo Jesu geliebte Gemeinde. Zwei Sonntage hintereinander ist uns in unseren Evangelien die reiche göttliche Barmherzigkeit vorgeführt. In dem einen hatten wir das Gleichnis von dem großen Abendmahl. Der Gottmensch Jesus Christus lud Viele, lud die Priester und Gesetzkundigen in Israel, lud ferner das arme verachtete Volk, insonderheit die Galiläer, und endlich die Heiden an allen vier Straßen der Welt dazu ein. In dem anderen hatten wir das Suchen Christi nach den verirrten Seelen. In den Gleichnissen vom verlorenen Schaf und vom verlorenen Groschen war es ausgesprochen. - Hat er dir denn zweimal vorgelegt, was er an dir tut, hat er dir zweimal den Blick geöffnet in das Meer seiner Barmherzigkeit, des Tiefe Niemand ergründen kann, so kann er nun auch wohl an dich seine Forderung stellen. Er hat dir gezeigt, wie viele Tausend Pfund unverdienter Liebe er für dich und an dich gezahlt hat. Daher kann er dir auch von dem Groschen und Pfennig der Barmherzigkeit reden, die du an deinen Bruder zahlen sollst. Wenn es regnet auf große, dichtbelaubte Bäume, dann fangen sie die Tropfen auf. Sie liegen auf ihren Blättern. Da sollen sie aber nicht bleiben. Darum kommt mit dem Regen und nach dem Regen der Wind, rauscht durch die Blätter und schüttelt sie, dass die Tropfen herunterfallen, damit das arme Kraut und Gras, das im Schatten steht, auch sein Teil bekomme, auch getränkt werde. So will denn der Herr unser Gott mit dem heutigen Evangelio, wie mit einem guten Winde uns schütteln, dass wir die Tropfen seiner Barmherzigkeit, so auf uns gefallen sind, nicht allein behalten, sondern sie überfließen lassen auf unsere Brüder, die neben uns stehen. Das Evangelium ist stark genug. Es schüttelt von allen Seiten. Es schüttelt von Seiten der Gnade und von Seiten des Zorns, von Süden und von Norden. Mag denn der Geist des Herrn heute durch unsere Herzen rauschen. Mag er uns recht anfassen. An dem Baume draußen sieht man es oft, wie Tropfen wohl von einem Blatt herunterfallen, aber ein anderes fängt sie auf, und sie kommen doch nicht zur Erde. Und in deinem eigenen Herzen hast du es schon wahrgenommen: wenn du einer Sünde die Gaben zur Barmherzigkeit abgerungen hattest, dann nahm sie die andere wieder in die Hand. Was die krumme Hand des Geizes losließ, fing die Eitelkeit wieder weg. Was die Liebe angefangen, brachte die innere Trägheit wieder zum Stocken. Die erste Regung war schon erschlafft. Es kam nicht, wohin es kommen sollte. - Der Geist des Herrn ruft uns heute zu im Worte Jesu Christi:
Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.
Wir reden:
- Von dem Quell, aus dem die Barmherzigkeit entspringt.
- Von den Feldern, auf denen sie ihre Frucht bringt.
- Von den Hindernissen, mit denen sie ringt.
O du ewige Liebe, du wirst nicht müde uns zu segnen. Deine Barmherzigkeit an uns fängt an, ehe das Leben anfängt, sie geht mit durch das ganze Leben, sie hört auch im Tod nicht auf. Deine Barmherzigkeit erbarmt sich unserer im Großen und Kleinen. Sie verstößt den Sünder nicht, sie hört nicht auf ihn zu ziehen und zu locken. - Ach, verstoß auch uns nicht daraus. Wir bitten dich, lass uns heute einen recht klaren Blick in dieses Meer der Liebe tun. Gib unserem Gebet die Kraft, dass es - gläubig in dein Wort gefasst - einen Tropfen aus deiner Liebe in unsere Seele ziehe. Amen.
I. Der Quell, aus dem die Barmherzigkeit entspringt.
„Darum seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist,“ beginnt unser Evangelium. Unser Vater im Himmel wird uns hier hingestellt als Vorbild der Barmherzigkeit. „Der Herr ist ein barmherziger Gott, er wird dich nicht verlassen,“ schreibt Moses. „Barmherzig und gnädig ist der Herr, geduldig und von großer Langmut, er wird nicht immerdar hadern, noch ewiglich Zorn halten,“ singt David. „Seine Güte reicht, so weit die Wolken gehen, und seine Barmherzigkeit, so weit der Himmel über uns ist. Wie sich ein Vater über seine Kinder erbarmt, so erbarmt sich der Herr über die, so ihn fürchten,“ heißt es ferner im Psalmbuch. - Teure Gemeinde, soll man einem Christen noch die Barmherzigkeit Gottes predigen? Lies in der Schrift, sie steht auf allen Seiten. Lies in dem Buch der Natur, sie ist in tausend und aber tausend Zeilen hineingeschrieben. Jede Blüte im Frühjahr, jede Frucht im Herbst ist ein Buchstabe dieser Schrift. Jedes Ackerstück draußen ist jetzt eine Seite, aus der Nichts geschrieben steht, als: „Barmherzig und gnädig ist der Herr.“ Lies im Buch deines Lebens. Wenn du die Tagessumme an jedem Abend zusammenziehst, so heißt sie: „Barmherzig und gnädig ist der Herr.“ Und wer die Hauptsumme zieht am Lebensende, der spricht: „Herr, deine Gnade ist groß, und deine Barmherzigkeit kann ich nicht ausreden.“ Sie geht auf Engel und Menschen, auf Himmel und Erde, Groß und Klein, Tier und Pflanze. - Wenn es nun heißt: „Ihr sollt barmherzig sein, wie auch euer Vater barmherzig ist,“ soll sich das auf den Umfang beziehen? Mitnichten. Was ist der Mensch, dass er sich mit Gott messen sollte! Nein, es soll sich zuerst auf den Quell unserer Barmherzigkeit beziehen. Ein Christ ist ein Kind Gottes. Ein Kind soll auch seines Vaters Natur haben. An dir erkennt man deines Vaters Gesichtszüge, Haltung und Gang wieder. An dir erkennt man auch deines Vaters Sünden und Tugenden häufig wieder. Nun, so soll man auch die Züge aus dem Wesen deines himmlischen Vaters in dir wiedererkennen. Der Grundzug seines Wesens ist die Liebe. Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott, und Gott in ihm. Eine rechte, echte Frucht der Liebe ist die Barmherzigkeit. Barmherzigkeit ist aber Liebe gegen die, welche solche durch kein Recht von mir zu fordern, durch Nichts von mir verdient haben. Wenn du deinem alten Vater oder deiner Mutter ihr täglich Brot reichst und sie pflegst in ihrem Alter und ihnen im letzten Stündlein als treues Kind die Augen zudrückst, das ist keine Barmherzigkeit, das ist deine Schuldigkeit.
Es ist ein schnöder Ausdruck, wenn du sagst: „Ich gebe meiner Mutter das Gnadenbrot.“ Nie und nimmer kann ein Kind gegen seine Eltern von Gnade und Barmherzigkeit reden. Es ist nur arme Rückzahlung von dem, was ihm die Eltern in der schwachen Kindheit vorgestreckt haben. Du wirst nimmer das Kapital, viel weniger die Zinsen an sie zurückzahlen. Der Stamm des Kapitals ist ja dein eigen Leben, und was kannst du ihnen dafür geben? - Gottes Barmherzigkeit quillt überall aus der freien Liebe, die Erbarmen fühlt mit unserem Elend. Wenn Israel, das sich an ihm versündigt, das ihn mit elenden Götzen und Holzblöcken vertauscht hatte, zertreten war von seinen Feinden, dann jammerte ihn des Volks. Wenn Christus die leiblich und geistlich Armen, die Nichts zu essen hatten, zu Tausenden vor sich sah, dann jammerte ihn des Volks. Sie hatten Nichts von ihm zu fordern. In allen Gesetzbüchern der Welt stand kein Rechtstitel, der da lautete: „Du musst sie speisen.“ Aber tief drinnen in seinem innersten Wesen, in seiner Gleichheit mit dem Vater, da stand der Rechtstitel. „Art lässt nicht von Art,“ sagen wir im Sprichwort von losen Leuten. Wir wollen es hier einmal im heiligsten und höchsten Sinn brauchen. Der Sohn kann nicht lassen von des Vaters Art. Er ist barmherzig, wie sein Vater im Himmel barmherzig ist. Sein Wesen, die Liebe, drängt ihn dazu. - Du Menschenkind, nun möchte ich einmal fragen nach den Quellen deiner Barmherzigkeit. Es ist wahr, du hast manches Almosen gegeben. Unsere Stadt hat in diesem Stück einen guten Ruf. Die Summe, die der Magistrat alljährlich für die Armen auswirft, ist nicht gering, und die, welche in aller Stille das Jahr über hin und her aus den Häusern abgeholt wird, ist noch größer. Ist aber in aller deiner Barmherzigkeit diese heilige Liebe gewesen? Hat die Gottesnatur, mit der der Herr dich in der Taufe bekleidet hat, dich dazu getrieben? Kann es auch von dir in jenem Sinne heißen: „Art lässt nicht von Art. Meines Vaters Züge drängen sich heraus, ich kann sie nicht verbergen?“ Ich weiß, es sind in diesem Jahr Bettler vor dich getreten, die bettelten mit Worten und forderten mit Mienen. Du hast ihnen gegeben aus Furcht vor den wilden Angesichtern. Das ist keine Barmherzigkeit, wie dein Vater im Himmel barmherzig ist. Er gibt nimmer aus Furcht. Du hast Anderen gegeben, weil du dir nicht länger von ihnen Etwas vorklagen lassen wolltest, weil du sie los sein wolltest. Das ist auch keine Barmherzigkeit, wie dein Vater im Himmel barmherzig ist. Der gibt nie, um die Leute los zu werden; vielmehr gibt er, damit sie bald wieder kommen und mehr von ihm bitten. - Du hast deine Almosen gegeben und dir selbst Nichts dabei gedacht. Es war nicht viel, was du gabst, du konntest es entbehren. Die Gabe ging leicht aus der Hand, sie kam gar nicht in die Seele hinunter. Dein Gott gibt nie, ohne sich Etwas dabei zu denken. Hinter allen seinen Almosen steht geschrieben: „Weißt du nicht, dass dich meine Güte zur Buße führen soll?“ Jeder Gabe oder Tat der Barmherzigkeit, die du in solchem Sinn vollbringst, fehlt die Seele. Sie fließt nicht aus deinem Kindschaftsstand vor Gott. Deine eigene Seele hat auch keinen Segen davon. -
Das Wort: „Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist“ bezieht sich ferner auf die Personen, denen er gibt. Er sieht die Personen nicht an. Er lässt seine Sonne aufgehen über Gute und Böse, lässt regnen über Gerechte und Ungerechte. Er lässt Regen und Segen fallen auf seine ärgsten Feinde, auf die Toren, die da sprechen in ihrem Herzen: „Es ist kein Gott!“ auf die Seelenverderber, die das Restchen von Gottesglauben und Gottesliebe, das die Leute noch durchdringt, aus ihren Herzen herauswühlen möchten. O denke dir, dein Gott ließe nach langen dürren Tagen im Juni oder Juli einmal ein Regenwetter heraufziehen, um die ganze Erde und die weißen Triften1) mit den Strömen seiner Barmherzigkeit wieder schwarz zu färben, und das lechzende Gewächs zu erquicken. Er hätte sich aber vorgenommen, diesmal nur auf die Felder und Wiesen seiner treuen Kinder regnen zu lassen. Wie würde nach solchem Wetter unser Feld aussehen? Wie ein Schachbrett - Schwarz und Weiß neben einander. Aber es würden lange nicht so viel schwarze Felder darauf sein, wie auf dem Schachbrett. Es würden zum Teil die großen Felder unserer Pächter und Besitzer grau und versengt da liegen, denn Tausende von ihnen haben den Herrn ihren Gott vergessen. Es würden zum Teil auch die kleinen Felder der ärmeren Besitzer grau und versengt daliegen, denn die Gottvergessenheit, der Abfall von Christo, ist bis zu den Letzten und Ärmsten durchgedrungen. Wie würde es um deinen Garten, um dein Feld stehen? Du würdest mit Zittern und Zagen hinausgehen, es anzusehen. Und du willst in deiner Barmherzigkeit viel reden von „würdig und unwürdig?“ Das ist wahr, du sollst den Faulen mit deiner Barmherzigkeit nicht stärken in seiner Faulheit. Du wirst sonst ein Sündendiener und machst den Ruf Gottes, der ihn durch Not zur Buße führen will, zunichte. Du sollst den Trunkenbold mit deiner Güte nicht fördern in seiner Völlerei. Du wirst sonst ein Handlanger am Verderben seiner Seele. Du gibst ihm ein Kleines und hilfst ihm dabei das Größte, seine Seligkeit, verlieren. Also viel Mehr genommen als gegeben! Aber hüte dich, dass dir dein Geiz und deine Herzenshärtigkeit solche Befürchtungen nicht vorlügen und vorspiegeln und sich daraus Schanzen bauen, hinter denen sie sich selbst verstecken mögen. Noch weniger aber sollst du danach fragen, ob ein armer, elender, geschlagener Mensch zuvor in großer Sünde gelebt habe. Er ist jetzt arm und elend, das ist Grund genug für deine Güte. Und ob er dich zehnmal gekrankt und beleidigt habe, das soll dich Alles nicht stören. Du sollst ja barmherzig sein, wie auch dein Vater barmherzig ist. Wie oft hast du den gekränkt; und hat seine Güte gegen dich etwa schon aufgehört? -
„Aber,“ fragst du, „wo kriege ich denn diese Liebe her? In meinem natürlichen Wesen kann ich Nichts davon finden. Wenn mir ein Solcher vor das Angesicht tritt, dann steigt in mir etwas ganz Anderes auf als Liebe!“ Das glaube ich dir wohl, das kennen wir Alle. Geh hinaus aufs Feld, an die Berge, und frage die Quellen, die werden dir's sagen, und die Bäche, die werden dir's erzählen. Wenn es dürre ist, dass die Erde anbrennen möchte; wenn die Berge Nichts mehr hergeben können, weil sie Nichts haben; wenn die trockenen Gänge der Quellen und Bäche nur noch Zeugen sind, dass hier einmal Wasser geflossen ist: dann schreien sie und alle Kräuter, die an den Ufern stehen, hinauf zu dem Herrn. Alle Gräser sehen aus wie zerschlagene Herzen, wankende Knie und gebeugte Häupter. Es währt nicht lange, dann trieft das von oben hernieder, was von unten nicht mehr herausquillen kann. - Nun denn, wenn es in dir dürre ist zur helfenden, tränkenden, speisenden Liebe, wenn es in dir anbrennen möchte vor Groll und Ärger gegen einen, der nun doch bittend vor dich tritt, oder dessen stille Not ohne Worte bittet, wo kriegst du die Liebe her? Ebendaher, von wannen die Quellen ihr neues Wasser kriegen. Geh hinauf mit deinem Herzen und besprich dich mit deinem Gott, wie du ihn gekränkt und verachtet hast, und wie seine Gnade doch alle Morgen über dir neu war. Wenn du wieder herunter kommst, wirst du den Dürftigen anders ansehen. Du hast Wasser mitgebracht aus Gottes Brünnlein. Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist. In der alten Kirche klagte ein Christ dem anderen, er habe von seinem Bischof, der doch so Vielen Beweise seiner Liebe gegeben, noch keinen Empfangen. Der andere antwortete: „Dann hast du ihm sicher noch Nichts zu Leide getan.“ Das ist das rechte Zeugnis für einen Christen. -
Du sollst bei deiner Barmherzigkeit nicht auf Lohn rechnen. Welchen Lohn hat denn Gott für alle seine Güte? „Undank ist der Welt Lohn“ pflegst du zu sagen. Diesen Lohn bekommst du aber nicht allein. Dein Gott bekommt ihn in viel reicherem Maß. Dein Gott bekommt ihn von dir selbst. Denn wenn du in deinen Nöten und Trübsalen zu ihm schriest, hat er für zehn Erhörungen kaum ein Dankgebet empfangen. Nicht um Dank, nicht um Vergeltung von Gott oder Menschen sollst du arbeiten. Du bist Gottes Kind. Ein Kind muss seinem Vater ähnlich sein und seine Natur bezeugen. Darum sollst du barmherzig sein. So ihr liebt, die euch lieben, was tut ihr da Sonderliches? Tun nicht die Heiden auch also? Liebt eure Feinde, segnet, die euch fluchen, tut wohl denen, die euch hassen, bittet für die, so euch beleidigen und verfolgen, auf dass ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel. Übe du nur immerhin deine Liebeswerke. Lass dich nicht irre machen durch die Gefahr des Undanks. Du hast deinen Lohn um so weniger dahin. Dein Vater wird ihn dir zahlen. Darfst ihn aber nicht daran mahnen. Darfst kein Rechnungsbuch über Kapital und Zinsen führen. Die Art seiner Wiedererstattung ist verschieden. Einem gibt er es äußerlich wieder. Einen Anderen segnet er dafür im Herzen mit himmlischen Gütern, gibt ihm Gold für Kupfer. Einem Anderen segnet er es an seinen Kindern bis ins dritte und vierte, ja bis ins tausendste Glied. Und das Alles tut er so still. An keinen Baum mit reichen Früchten, an kein volles Weizenfeld, auf kein gesundes Gesicht schreibt er seinen Namen: „Jehovah Zebaoth.“ Wer es wissen will, kanns ja doch erfahren, wo es herkommt. Wer es bei dir wissen will und muss, dass du es getan hast, der erfährt es auch. Und wissen muss es nur dein Herr und Gott. Darum sei barmherzig, wie auch dein Vater barmherzig ist. - Der zweite Abschnitt unseres Evangeliums handelt
II. Von den Feldern, auf denen die Barmherzigkeit ihre Frucht bringt.
Vier Gebiete zeigt uns Christus, auf denen wir die Barmherzigkeit üben sollen. Zuerst ruft er: „Richtet nicht, so werdet ihr nicht gerichtet.“ Was heißt dieses Richten? Soll es bedeuten, dass weltliche Obrigkeit die Sünde nicht mehr strafen soll? Keineswegs. Sie trägt das Schwert nicht umsonst, sie ist eine Rächerin zur Strafe über den, der Böses tut. Wenn sie dies Amt versäumt, versäumt sie Gottes Gebot. - Soll dies Wort bedeuten, dass wir die Sünde nicht mehr bei ihrem wahren Namen nennen sollen? Soll der Prediger für die Gemeinde, der Vater für die Kinder, der Freund für den Freund ein Mäntelchen um die Sünde hängen, oder ihr ganz aus dem Weg gehen und lieber von etwas Anderem reden: Ei! das wäre vielen Leuten gar willkommen, wenn wir auch hier auf der Kanzel den Dieb und Betrüger einen betriebsamen Menschen, den Geizhals einen guten Haushalter, den Lügner und Meineidigen einen gewandten Mann, den Spötter einen Aufgeklärten, den Hurer und Trunkenbold einen fröhlichen Lebemann nennen. Da käme wohl Mancher einmal zur Kirche, den wir sonst nicht sehen. Aber nur so einmal. Er erführe ja nichts Neues, denn er nennt sich schon selbst so. Das sei aber ferne. Jesaias ruft ein Wehe herab über die, so Gutes böse und Böses gut heißen, so aus Licht Finsternis und aus Finsternis Licht, aus süß sauer und aus sauer süß machen. „Wehe euch, die ihr Kissen macht den Leuten unter die Arme und Pfühle zu den Häuptern, beide Jungen und Alten, die Seelen zu fahen. Wenn ihr nun die Seelen gefangen habt unter meinem Volk, verheißt ihr demselbigen das Leben und entheiligt mich in meinem Volk um einer Handvoll Gerste und eines Bissens Brot willen.“ Der Herr nennt selber die Sünde bei ihrem rechten bestimmten Namen. -
Was soll denn das Wort hier bedeuten? Über das Leben deines Nächsten hältst du gar gern Gericht. Dein Neid und Hochmut setzen sich auf die Richterstühle. Stehen deren drei da, so ist für den Hass auch noch ein Plätzchen übrig. Und nun heißt es: „Komm her, Nachbar, wir wollen sehen, was wir an dir finden!“ Was er nun Gutes an sich hat, dem wird erst die schöne helle Farbe abgerieben. Du suchst wie ein Käufer an der Ware, ob du keine schlechte Stelle finden, sie schlecht machen und wohlfeil kaufen könnest. Will sich an den äußeren Taten des Nachbars Nichts finden lassen, sind sie da probehaltig, dann rückst du ins Innere hinein und richtest über die Gründe, aus denen sie hervorgegangen sind. Du weißt sie nicht, aber in solchen Stunden wird der Mensch so scharfsinnig, dass er durch Kleid und Brust bis in das tiefste Herzkämmerchen schauen kann. Des Menschen Brust ist ihm in solchen Stunden von Glas. Und dann heißt es: „Das hat doch eine andere Bewandtnis. Da steckt dies und das dahinter. Der hat auch einmal vor den Leuten glänzen wollen. Es ist doch Heuchelei.“ Oder: „Ich weiß recht gut, wo der hinaus will, was er damit gewinnen will.“ Dann wirst du ein Herzenskundiger, der Herzen und Nieren prüft. Weißt du aber nicht, wem du damit in sein Amt greifst? Gott richtet den inwendigen Menschen, dir hat er es nicht übertragen. -
Die Farben, die du von den guten Eigenschaften und Werken deines Nächsten herunterreibst, die trägst du auf seine bösen auf, natürlich in Schwarz. Sind nicht unter deinen Erzählungen die Sünden deines Nachbars schon gewachsen wie Lawinen, wenn sie den Berg herunterrollen? Hast du daran gedacht, dass du Gutes von ihm reden, ihn entschuldigen, Alles zum Besten kehren sollst? Wer heißt dich denn, durch die schlimmsten Gründe, die du dem Sünder unterschiebst, die Sünde noch schwärzer machen? Auch hier willst du Herzenskündiger, Richter des verborgenen Menschen werden. Und doch führst du nur dein eigenes Gericht herbei. Der eigene hohle, lieblose Abgrund deines Herzens wird offenbar. Einst waren Barbaren in Italien eingefallen und hatten Rom erobert. Die Römer sollten sich loskaufen mit einer großen Summe Goldes. Als das gewogen wurde, warf der Fürst der Barbaren noch sein Schwert zu den Gewichten. Solcher Barbar bist du auch, wenn du deines Nächsten Taten wägest. Du wirfst den Dolch deines Neides oder das Schwert deines Hasses mit zu den Gewichten. Da muss wohl die andere Waagschale in die Höhe gehen. Vergiss es nicht: Gott wird einst dafür, wenn du gewogen wirst, seinen Zorn zu den Gewichten werfen. Mit dem Maß, da du mit misst, sollst du wieder gemessen werden. Gottes Zorn aber ist gar schwer. Du wirst zu leicht befunden werden. -
Verdammt nicht, auf dass ihr nicht verdammt werdet. Was will der Herr damit sagen? Liebe Gemeinde, ich habe das Wort: „Richtet nicht, so werdet ihr nicht gerichtet; verdammt nicht, so werdet ihr nicht verdammt,“ etliche Male in den Zeitungen gefunden. Das wundert euch. Zeitungen und Gottes Wort! Ich will euch sagen, bei welchen Gelegenheiten es vorkam. Es war etwa ein alter Säufer oder Ehebrecher, mit einem Wort ein recht offenkundiger, unbußfertiger Sünder gestorben. Der Pastor sollte ihm eine Grabrede halten. Er tat es, sprach mit inniger Trauer, aber frank und frei über die Sünden des Verstorbenen, und schloss mit dem Gedanken: Wir könnten viel getroster an diesem Grab stehen, wir könnten der Begnadigung des Verblichenen viel gewisser sein, wenn er mit Christo gelebt hätte und in Christo gestorben wäre. - Das soll man jetzt den Leuten nicht mehr sagen. Da laufen sie in die Zeitungsexpeditionen und lassen einrücken: „Richtet nicht, so werdet ihr nicht gerichtet; verdammt nicht, so werdet ihr nicht verdammt.“ Stumme Hunde will man haben, die den Sünder lecken, aber nicht beißen. Nein, zum Seligwerden gehört mehr, als gestorben zu sein. Das soll bekannt werden vor dem Grab und an dem Grab. Solch Strafen der Sünde hat Jesus Christus nicht verboten. -
Des Herrn Wort gilt vielmehr für solche Fälle. Wir allzumal sind schnell mit unserem Urteil fertig. Wenn über den Sünder allerlei Trübsal kommt, so bist du gleich bereit, dies als die bestimmte Strafe auszulegen. Wie das Echo auf jede einzelne Silbe hört, so willst du für jede Übertretung die bestimmte Strafe herausfinden. Zuweilen geht Gottes Gericht allerdings so Schritt für Schritt hinter dem Sünder, dass sein Strafengel da eintritt, wo er eben den Fuß heraushebt. Er tut dies zum Schrecken der Bösen, damit sie merken, dass er noch lebt. So wohnte in der Nähe des Harzes ein reicher geiziger Bauer. Wenn zu diesem von Landplagen Betroffene, Abgebrannte, Überschwemmte oder andere Notleidende kamen, so war seine stehende Antwort: „Ich nehme Nichts, und ich gebe auch Nichts.“ Seine Gebäude waren neu und massiv aufgebaut. In der Brandkasse hatte er sie äußerst gering versichert, nicht weil er sie im Glauben und Gebet bei Gott in Versicherung gegeben, sondern weil er glaubte, bei ihm könne gar kein Feuer haften. Nun geschah es, dass eines Jahres nach der Ernte an einem Sonntag ein schweres Gewitter heraufzog. Es schlug in seine Scheuer. Sein ganzes Gehöft brannte nieder, und weiter Nichts. In den nächsten Tagen kam er zum Landrat und bat, er möchte doch für ihn sammeln lassen. Da erhielt er zur Antwort: „Ich nehme Nichts, und gebe auch Nichts. Sie erhalten Ihre Versicherungssumme und keinen Pfennig mehr.“ -
Will Gott seine Gerichte so klar machen, so wird er's schon selbst tun. Du hast nicht in seinen Büchern gelesen. Du weißt wohl, dass er straft, aber seine Strafen nachrechnen und nummerieren kannst du nicht, sollst du nicht. -
Das Wort: „Verdammt nicht“ geht ferner darauf, dass du keinem Sünder sein Heil absprechen sollst. Von keinem sollst du sagen: „Das ist ein verlorener Mann, das ist ein Kind des Teufels und der Verdammnis.“ Ob auch Jemand in der vollen Blüte seiner Sünde vor dir steht, du weißt doch nicht, was unter Gottes Gnade noch aus ihm werden kann. Du kannst ihm sagen: „Wenn du so fortwandelst, wirst du in die Verdammnis laufen,“ mehr aber nicht. -
Endlich sollst du nicht Gericht halten über die Toten. Dir hat Gott die Schlüssel des Himmelreichs nicht gegeben. Es ist wahr, Viele sterben hin ohne eine Spur von Buße und Glauben. Nicht einmal einen Keim sehen wir sich heben in dem toten Erdreich ihrer Herzen. Aber wir können nicht ins Herz sehen. Wir wissen nicht, was Gott vielleicht lange vorbereitet, was er in der Schächerstunde noch gewirkt hat. Eure Liebe soll in Wunsch und Hoffnung alle Gestorbene Selige nennen. Zu einem anderen Namen habt ihr kein Recht. Wer von einem Einzelnen, einem Bestimmten, als einem Verdammten reden will, setzt sich auf Gottes Stuhl. Gott aber wird ihn herunterstoßen und ihn messen mit dem Maß, da er mit gemessen hat. -
Bisher hat der Herr uns gesagt, was wir unterlassen sollen. Nun eröffnet er uns, was wir tun sollen: „Vergebt, so wird euch vergeben.“ So ihr eurem Nächsten nicht vergebt von Herzen seine Fehler, wird euch euer himmlischer Vater eure Fehler auch nicht vergeben. Vergib uns unsere Schulden, wie wir vergeben unseren Schuldigern - da bitten wir im heiligsten Gebet, dass wir es nicht besser haben wollen, als wir es selbst machen; dass wir nicht mehr vergeben haben wollen, als wir selbst vergeben. Hast du schon daran gedacht, dass du im Vaterunser um dein eigen Gericht bittest? Du tust es, wenn du dem Bruder, der sich an dir versündigt hat, nicht ganz und aus Herzensgrund vergibst. Und das ist ein gar selten Ding. Gewöhnlich stehst du gegen deine Beleidiger also: Wenn du über die erste Bitterkeit deines Herzens weg bist, kannst du mit ihm wieder umgehen und sprechen. Aber es hängt über deinem Angesicht noch wie ein Schleier. Man kann den vorigen Freund nicht mehr darin finden. Es ist nicht mehr so wie sonst. Fragt man dich darüber, so antwortest du: „Vergeben kann ich, aber nicht vergessen.“ Mit anderen Worten: „Die Hand habe ich ihm wiedergegeben, aber das Herz nicht. Ich habe wegen des Aussehens vor der Welt und wegen unserer alten Freundschaft dem Anstand ein Opfer gebracht.“ Meinst du, dass das Vergebung sei? Willst du von Gott auch keine andere Vergebung haben? Willst du vor ihm hinleben, ohne dass er dir sein Herz wiedergebe? Wo ein Glied gebrochen und gut geheilt ist, da ist es fester denn zuvor, da bricht es nie wieder. Wo ein Bruch mit den Brüdern in Christo geheilt ist, wird der Bruch fester als zuvor und bricht nie wieder. Aus seiner alten Natur kann es freilich der Mensch dahin nicht bringen. Vor Menschen ists unmöglich, aber in Christo ists möglich. Ehe König Ludwig Xll. von Frankreich den Thron bestieg, hatte er eine Menge Feinde, die ihm allerlei Herzeleid angetan hatten. Als er König ward, schrieb er sich ihrer aller Namen in ein Buch und machte ein Kreuz dahinter. Sobald sie dies erfuhren, flohen sie, weil sie das Kreuz für ihr Todeszeichen hielten. Der König ließ sie unter der Versicherung seiner Gnade zurückrufen. Nun fragten sie: Was soll denn das Kreuz bei unseren Namen bedeuten? Der König antwortete: „Das ist das Kreuz Christi. Wo mir die Vergebung aus mir selber sauer wurde, sollte mir der zu Hilfe kommen, der am Kreuz für seine Feinde gestorben ist.“ Hast du schon daran gedacht, neben den Namen deines Feindes in deinem Herzen auch das Kreuz Christi zu setzen? Tue es, und es wird zum Vergeben auch das Vergessen und noch mehr kommen. -
Gebt, so wird euch gegeben. Der Herr sagt nicht, was wir geben sollen. Gebet! Einer kann Gaben und Güter geben, ein Anderer seine Kräfte, ein Anderer eine Träne. Was du aber gibst, gib deine Liebe, dein Herz mit. Das ist die Seele der Gabe. Einen grünen Ölzweig brachte die Taube dem harrenden Noah in die Arche. Jede Gabe aus Herz und Liebe gegeben ist ein grüner Ölzweig für die Hilfsbedürftigen; ohne Herz und Liebe ist er ein welkes Blatt, genommen aus dem Schlamm der Sündflut. Aus jene Gaben hat Gott seinen Segen gelegt. Einen fröhlichen Geber hat Gott lieb. Wen er aber lieb hat, dem gibt er auch wieder. Die Güter, die du in christlicher Barmherzigkeit verwandt hast, sind dir die allersichersten. Die anderen können dir alle Tage durch Feuer, Wasser, Rost, Motten und Diebe verderbt und entwendet werden. Diese aber hast du Gott geliehen. Diese hast du in die große Wechselbank gegeben. Gott ist noch Keinem etwas schuldig geblieben. Er zahlt auch dir einst Kapital und Zinsen zurück. Gebt, so wird euch gegeben. Da hast du, wie die vier Gegenden der Welt, die vier Gebiete der Barmherzigkeit. - Gedenken wir noch
III. der Hindernisse, mit denen sie ringt.
Das größte unter ihnen, die Mutter aller Unbarmherzigkeit, ist unsere eigene geistige Blindheit. Nur wer selber sein Sündenelend und seine Hilfsbedürftigkeit erkannt hat, kann seinem Bruder ein Helfer und Führer zum Heil werden. Aus der Erkenntnis der Sünde kommt die Reue, aus der Reue die Demut, aus der Demut das Zugreifen nach der Gnade. Wenn wir aber die Gnade ergriffen haben, nachdem wir von ihr ergriffen sind, dann können wir Barmherzigkeit üben zur Rettung der Seelen, welches ja aller Liebe letztes und höchstes Ziel ist. Ist dir dein Auge helle geworden über die eigene Sünde, ist dein Auge kein Schalk mehr, dann wirst du das Richten und Verdammen schon von selbst lassen. Der Jünger ist nicht über seinen Meister. Wenn der Jünger ist wie sein Meister, dann ist er vollkommen. Dein Meister ist nicht in die Welt gekommen, dass er die Welt richte, sondern dass die Welt durch ihn selig werde. Und du wolltest mehr sein denn er? Du wolltest das Unkraut aus dem Weizen raufen, ehe die Ernte kommt, und Feuer auf die Sünder regnen lassen, wie es einst die Söhne Zebedäi wollten? Ja, dein Urteil über sie ist oft wie Feuer und Schwefel! - Haben wir einmal einen Blick in die Schrecken des göttlichen Gerichts getan, ist uns einmal unser Stück vom Weltgericht nur wie ein schwacher Schemen durchs Herz gelaufen, so möchte uns eher die Zunge am Gaumen kleben bleiben, als wir uns über den Bruder zu Gericht setzten. Hast du die Armut deines eigenen Herzens erkannt, so wirst du dich wohl hüten, deinem Bruder durch loses Urteil noch ein Stück von seinem besten Eigentum zu stehlen und zu verderben. Seelen zu retten war Christi Lebensarbeit. Er hat sie gerettet mit Liebe, mit Liebe bis in den Tod. -
Und endlich, was hindert uns denn zumeist daran, dass wir dem Bruder nicht vergeben seine Fehler? Welcher Riegel liegt denn hier vor? Unser eigener schnöder Hochmut. Unsere Sünden sind wilde Blumen auf der Lebensaue, die des Nächsten Giftpflanzen. Unsere Sünden sehen wir an mit dem Verkleinerungsglas, seine mit dem Vergrößerungsglas. Zu unseren legen wir die Entschuldigungen, zu seinen die Beschuldigungen. Unsere Sünden sind Splitter, seine sind Balken. Umgekehrt soll es sein. „Was siehst du den Splitter in deines Bruders Auge, und des Balkens in deinem Auge wirst du nicht gewahr?“ spricht der Herr. Was will er mit dem Wort? Habe ich denn selber allezeit den Balken im Auge? Bin ich denn selber allezeit ein größerer Sünder als mein Nächster? Ja wohl. Neben deiner Tatsünde musst du noch den tiefen Abgrund deines Herzens sehen. Was ins Leben hinaufragt, ist nur ein Span und Splitter von dem, was drinnen bleibt. Neben deiner Sünde stehen Gesetz und Gewissen und machen sie dir täglich schwerer, wenn du sie erkannt hast. Darum sagt Paulus, er sei der vornehmste unter allen Sündern. Das muss ihm Jeder nachsagen, dessen Auge kein Schalk ist. - Bist du aber in diese Tiefe hinuntergestiegen, dann kann dir das Vergeben gegen den Bruder nicht schwer werden. Du lebst selber einzig und allein von der Hoffnung, von der Zuversicht, dass dir Gott in Christo deine Sünde vergebe. - Räume die Riegel weg, mache die Tore auf, lass die Sündenerkenntnis und den Sündentilger in dein Herz einziehen. Hast du Gnade in ihm gefunden, ist dir unter deiner großen Schuld und seiner großen Gnade des Bruders Sünde ein Splitter geworden, dann siehe zu, wie du diesen aus seinem Auge ziehst. - Die helfende und rettende Liebe, wenn sie rechter Art sein soll, wächst nur auf dem Feld der Demut und Buße. Amen.