Spurgeon, Charles Haddon - Das 5. Wort: Leiden

Danach, da Jesus wusste, dass schon alles vollbracht war, auf dass die Schrift erfüllt würde, spricht er: „Mich dürstet!“
Joh 19,28

„Mich dürstet!“ das ist der kürzeste Ausspruch, den unser Herr am Kreuz tat; er umfasst zwei Wörter in unserer Muttersprache, aber nur ein einziges im Griechischen. „Kurz und süß“ ist wohl nicht die richtige Bezeichnung dafür, denn für unseren Herrn drückte sich darin die ganze Bitterkeit seines Leidens aus. Aber ich weiß, dass seine Bitterkeit sich für uns in Süßigkeit verwandeln wird. So bitter dieses Wort ihm schmeckte, der es sprach, so süß wird es uns schmecken, die wir es hören. Wir werden all die Bitterkeit unserer Versuchungen und Belastungen vergessen, wenn wir an den Essig und die Galle denken, die er trinken musste.

Mit Hilfe des Heiligen Geistes wollen wir dieses Wort unseres Heilandes in einem fünffachen Licht betrachten. „Mich dürstet!“- ein Zeichen wahrer Menschlichkeit unseres Herrn

Jesus rief: „Mich dürstet!“ so beklagt sich ein Mensch. Unser Herr ist der Schöpfer des Ozeans und der Wasser am Himmel. Seine Hand verstopft oder öffnet die Brunnen des Himmels und schickt Regen auf böse und gute Menschen. Ihm gehört das Meer, er hat es gemacht. Alle Quellen und Brunnen wurden von ihm gegraben. Er schüttet die Ströme aus, die zwischen Hügeln dahinfließen; die Wildbäche, die über Klippen und Felsen springen; die Flüsse, die die Ebenen fruchtbar machen. Man sollte eigentlich annehmen, wenn er Durst hatte, brauchte er sich nicht bei uns zu beklagen. Alle Wolken und aller Regen würden mit Freuden sein Antlitz benetzen. Alle Seen und Ströme würden eifrig herbeieilen, um ihm ihr Naß anzubieten. Und doch, obwohl er der Herr aller Dinge war, hatte er so vollständig Knechtsgestalt angenommen und glich er äußerlich so völlig dem sündhaften Fleisch, dass er mit sterbender Stimme ausrief: „Mich dürstet!“ Wie sehr ist er wirklicher Mensch! Er ist wahrhaftig Bein von unserem Bein und Fleisch von unserem Fleisch, denn er trägt unsere Schwachheiten an sich.

Ich lade dich ein, mit Ehrfurcht und Verständnis über das wahre Menschsein unseres Herrn nachzudenken. Jesus erwies sich als Mensch, denn er erduldete Schmerzen, die zum Menschsein gehören. Engel können keinen Durst empfinden. Ein Gespenst, wofür manche Jesus hielten, kann nicht in dieser Weise leiden. Jesus litt wirklich, nicht nur die verfeinerten Schmerzen eines delikaten und empfindsamen Geistes, sondern auch die groben und allgemeinen von Fleisch und Blut. Durst ist ein Elend, das Bauern und Bettlern zustößt. Durst bedeutet echte Schmerzen und ist kein Produkt von Phantasie, Alpdruck oder Träumen. Durst ist kein königlicher Schmerz, sondern ein allgemein menschliches Übel. Jesus ist dem ärmsten und niedrigsten Menschen Bruder. Allerdings dürstet den Herrn in einem besonderen Grade. Todesqualen waren es, die seinen Durst erzeugten, und sein Tod war nicht der übliche; er erlitt ihn für alle Menschen. Sein Durst wurde wahrscheinlich teilweise durch den Blutverlust oder durch das Wundfieber hervorgerufen. Die Nägel waren durch empfindliche Körperteile getrieben worden, die Wunden hatten sich unter dem Gewicht des Körpers geweitet. Die ungewöhnliche Anspannung rief ein hitziges Fieber hervor. Der Schmerz trocknete seinen Mund aus und ließ ihn zu einem Ofen werden, so dass es wie im 22. Psalm hätte heißen können: „Meine Zunge klebt an meinem Gaumen “(Psalm 22,16). Ein Durst, wie ihn keiner von uns kennt, denn noch sind wir nicht vom Tode bedroht. Wir werden ihn vielleicht noch kennen lernen in unserer Sterbestunde, aber nicht in dem Maße wie er. Unser Herr erlitt schreckliche Qualen völligen Ausgedörrtwerdens. Sein Leib schickte sich an, wieder zu Staub zu werden. Nur die ahnen etwas von dieser Not, die bereits in das Tal der Todesschatten aufgebrochen sind. Der Mensch Jesus konnte dem Übel nicht entgehen, das allen Sterblichen zugedacht ist; er ist Immanuel, Gott mit uns, in jeder Lage.

Das glauben wir. Lasst uns darum einen Sinn dafür bekommen, wie verwandt uns unser Herr Jesus wurde. Du warst krank. Du littest wie er unter ausdörrendem Fieber. Auch du stöhntest: „Ich habe Durst!“ Sieh, dein Weg verläuft hart neben dem deines Meisters. Er rief: „Mich dürstet“, damit man ihm etwas zu trinken brächte, so wie du in deiner Fieberhitze und Hilflosigkeit nach einem kühlen Trank verlangtest. Merkst du nicht, wie nahe Jesus uns ist, da seine Lippen mit einem Schwamm befeuchtet werden, da er so sehr abhängig ist von anderen und sie um einen lindernden Trunk bitten muss? Wenn du wieder einmal mit fiebernden Lippen flüsterst: „Ich habe so schrecklichen Durst“, darfst du dir sagen: „Das sind heilige Worte; mein Herr sprach sie auch.“

Die Worte „Mich dürstet“ vernimmt man immer wieder in Sterbezimmern. Sie sind dort üblich. Niemals vergessen wir die schmerzlichen Stunden am Sterbebett, wenn wir miterleben mussten, wie ein Mensch verfiel. Manche, die wir sehr liebten, sahen wir im Zustand völliger Hilflosigkeit. Todesschweiß bedeckte ihre Stirn. Der Tod kündigte sich bereits an, indem der Durst den Leib von innen her ausdörrte. Halb geöffnete Lippen brachten kaum noch die Bitte hervor: „Gib mir zu trinken.“ Unser Herr war so wirklich und so wahrer Mensch, dass uns all unser Leid an ihn erinnert. Wenn wir wieder einmal durstig sind, dann lasst uns zu ihm aufschauen. Wenn wir einen Freund auf dem Sterbebett dürsten sehen, dann lasst uns an unseren Herrn denken, dessen zuverlässiges, wenn auch nicht immer ganz deutliches Spiegelbild wir in seinen Brüdern sehen. Wie nahe verwandt ist uns der dürstende Heiland! Wir wollen ihn immer besser lieben.

Wie groß muss die Liebe gewesen sein, die ihn veranlasste, sich dermaßen berabzulassen! Wir wollen niemals den ungeheuren Abstand zwischen dem Herrn der Herrlichkeit auf seinem Thron und dem Gekreuzigten vergessen, der vor Durst fast verging. Heute quillt unter dem Thron Gottes und des Lammes ein Strom lebendigen Wassers hervor, klar wie Kristall, aber damals stieg er zu uns herab und schrie: „Mich dürstet! „Er ist der Herr der Quellen und tiefen Wasser, aber am Kreuz wurde nicht einmal ein Becher kalten Wassers an seine Lippen gesetzt. Wenn er seinen Engeln zugerufen hätte: „Mich dürstet!“, dann hätten sie sicherlich mit den mutigen Männern Davids gewetteifert, die einen Stollen unter der Stadtmauer von Bethlehem hindurch vortrieben, um unter Einsatz ihres Lebens aus einer dort liegenden Quelle Wasser zu schöpfen (vgl. 2. Sam. 23,15f.). Wer von uns wäre nicht bereit, sein Leben dranzusetzen, um den Herrn zu erfrischen? Er aber nahm um unsertwillen Schande auf sich und litt, während niemand bereit war, ihm zu dienen. Doch als er rief: „Mich dürstet“, da gaben sie ihm Essig zu trinken. Was für eine Erniedrigung! Herr Jesus, wir lieben und beten dich an. Wir möchten deinen Namen hoch erheben. Dankbar denken wir daran, in welche Tiefen du hinabgestiegen bist.

Nachdem wir seine Demut bewundert haben, lasst uns nun mit Freuden an sein Mitgefühl denken, das sich durch nichts verwirren lässt. Wenn Jesus rief: „Mich dürstet!“, dann kannte er all unsere Schwachheiten und unser Wehe. Wenn wieder einmal Schmerzen uns zusetzen oder wenn wir niedergedrückt sind, wollen wir daran denken, dass unser Herr uns versteht; er hat all das praktisch und persönlich erfahren. Ob unser Leib gequält wird oder unser Herz traurig ist, unser Herr verlässt uns nicht. Unsere Erfahrungen sind seine Erfahrungen. Der Pfeil, der dich, mein Bruder, neulich durchbohrte, war bereits mit seinem Blut befleckt. Der bittere Kelch, den du leeren musst, trägt schon den Abdruck seiner Lippen auf dem Rand. Er ist den düsteren Weg vor uns gegangen; wo du auch deinen Fuß hinsetzt, erkennst du seine Fußstapfen. Verlass dich ganz auf das Mitgefühl Christi; freue dich darüber, denn er rief: „Mich dürstet!“

Wir wollen bereit sein zum Verzicht, denn wir dürfen mit Freuden ein Kreuz tragen, das seine Schultern vor uns trugen. Wenn unser Meister sagt: „Mich dürstet!“, dürfen wir dann erwarten, dass wir jeden Tag aus den Strömen des Libanon zu trinken bekommen? Er war unschuldig, und doch dürstete ihn. Können wir uns darüber wundern, wenn Schuldige je und dann gezüchtigt werden? Wenn er so erbärmlich war, dass man ihm seine Kleider nahm und ihn ans Kreuz hängte; wenn er so mittellos, freudlos, hungrig und durstig war, willst du dann noch stöhnen und murren, weil du das Joch der Armut und Bedürftigkeit tragen musst? Da liegt ein Stück Brot auf deinem Tisch, und es wird wenigstens ein Becher kalten Wassers zur Hand sein, um dich zu erfrischen. Du bist also nicht so arm wie er. Darum beklage dich auch nicht. Soll der Diener über seinem Meister stehen oder der Schüler über seinem Herrn? Lass Geduld zu ihrem Recht kommen. Du leidest. Vielleicht, liebe Schwester, vielleicht quälen dich bohrende Schmerzen, eine Krankheit, die an deinem Herzen zehrt-aber Jesus nahm deine Krankheit auf sich, sein Becher war bitterer als deiner. Achte auf das Keuchen und Stöhnen deines Herrn, der rief: „Mich dürstet!“ wenn du diesen Ruf vernimmst, lass ihn an dein Herz dringen. Nimm dich zusammen, sprich: „Mich dürstet!“ ich will mit ihm Durst erleiden und mich nicht beklagen. Ich will mit ihm leiden, ohne mich dagegen aufzulehnen. Des Erlösers Ruf „Mich dürstet“ lehrt die Angefochtenen Geduld.

Während wir über dieses „Mich dürstet!“ nachdenken, das beweist, dass unser Herr wirklich Mensch war. Lasst uns Mut zur Entsagung haben, ihr nicht ausweichen, sondern sie pflegen, damit wir seinem Bilde ähnlich werden. Schämen wir uns nicht unserer Freuden und Vergnügen, während er ruft: „Mich dürstet“? Stößt uns unser überladener Mittagstisch nicht ab, während er so vernachlässigt ist? Ist es wirklich so schlimm, wenn uns ein guter Trunk versagt wird, während er spricht: „Mich dürstet“? Darf man sich allerlei fleischlichen Genüssen hingeben und den Leib verhätscheln, während Jesus schreit: „Mich dürstet“? Was tut es, wenn das Brot trocken wird, wenn die Medizin nicht hilft? Für seinen Durst gab es keine Linderung, abgesehen von Galle und Essig-dürfen wir uns dann beklagen? Um Christi willen können wir fröhlich verzichten. Christus und ein Stückchen trocken Brot sei alles, wonach uns verlangt zwischen Himmel und Erde! Ein Christ, der sich hemmungslos den Freuden des Gaumens hingibt, verdient seinen Namen nicht. Wir sollen unsere Gelüste und unser Fleisch in Zucht nehmen. Bevor unser großes Vorbild den Höhepunkt erreichte und sagte: „es ist vollbracht!“, rief er aus: „Mich dürstet!“ Die Kraft, für andere zu leiden, die Fähigkeit, sich selbst etwas zu versagen, auch Außerordentliches, tut manch großes Werk für Gott. Darauf sollten wir aus sein. Das müssen wir erreichen, bevor unsere Pflicht ganz getan ist. Darin ist Jesus unser Vorbild und unsere Kraft.

"Mich dürstet!" - ein Zeichen für das stellvertretende Leiden Christi

Der große Bürge sagt: „Mich dürstet“, weil er den Platz des Sünders eingenommen und darum die Strafe des Gottlosen auf sich genommen hat.

„Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? „Darin äußert sich die Angst seiner Seele. „Mich dürstet!“, das lässt die körperlichen Qualen erkennen, die er erlitt. Beides war notwendig. Von dem gerechten Gott heißt es, dass er Leib und Seele verderben kann in der Hölle (Mat. 10,28). Die Schläge, die das Gesetz austeilt, treffen immer beide zugleich, Herz und Leib. Seht, Brüder, wo die Sünde beginnt und wo sie endet! Es begann mit einem lüsternen Mund, der auf sündige Weise zufriedengestellt wurde. Es endet damit, dass den Gelüsten aus Gnaden die Befriedigung versagt wird. Unsere Ureltern pflückten die verbotene Frucht und brachten den Tod über die Menschheit, indem sie davon aßen. Lust war das Einfallstor der Sünde, darum musste. unser Herr auch in diesem Stück leiden. Mit dem Ruf „Mich dürstet“ wird das Böse vernichtet und der Schaden wieder gutgemacht. Neulich sah ich die Abbildung einer Schlange, die ihr Schwanzende im Mund hatte. Auch auf die Gefahr hin, dass ich über die Absicht des Künstlers hinausgehe, möchte ich das Symbol dahin deuten, dass Lust sich selber verschlingt. Fleischliche Lust, die Befriedigung des Gaumens, brachte uns unter den Fluch Adams. Durstqualen, die Verweigerung dessen, wonach der Körper verlangt, setzen uns wieder auf unserem angestammten Platz ein.

Das ist noch nicht alles. Wir wissen aus Erfahrung, dass die Sünde in jedem Menschen, der sich mit ihr einlässt, prompt den Durst der Seele weckt. Der sündige Mensch gleicht dem Blutegel, der nicht genug bekommen kann: „Gib, Gib!“ Im übertragenen Sinn ist Durst Unbefriedigtsein, das Verlangen nach dem, was man nicht hat. Unser Herr spricht: „Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke!“ (Joh. 7,37). Durst ist das Resultat der Sünde. Nun hat Christus den Platz des Sünders eingenommen und erleidet Durst, weil er die Folgen der Sünde trägt. Noch ernster sind die Aussagen unseres Herrn, wonach Durst als Folge der Sünde auch in der Ewigkeit eine Rolle spielen wird. Von dem reichen Mann heißt es: „Als er nun bei den Toten war, hob er seine Augen auf in seiner Qual … rief und sprach: Vater Abraham, erbarme dich mein und sende Lazarus, dass er das Äußerste eines Fingers ins Wasser tauche und kühle meine Zunge; denn ich leide Pein in dieser Flamme“ (Lukas 16,23f.).

Wenn Jesus keinen Durst erlitten hätte, müssten wir alle, durch einen unüberbrückbaren Graben von Gott getrennt, für ewige Zeiten Durst erleiden. Unsere sündige Zunge, von dem Fieber der Leidenschaft mit Blasen bedeckt, müsste ewig brennen, hätte nicht seine Zunge für uns Durstqualen erlitten. Ich nehme an, dass Jesus das „Mich dürstet“ leise hervorbrachte, so dass womöglich nur der es hören konnte, der ganz nahe am Kreuz stand-im Gegensatz zu dem lauten Schrei: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ und dem triumphierenden Ruf: „Es ist vollbracht! „Aber dieser leise, ersterbende Seufzer „Mich dürstet“ machte unserem Durst ein Ende, der uns sonst unersättlich und fürchterlich für alle Ewigkeit erfasst hätte. Welch eine wundervolle Stellvertretung! Der Gerechte für die Ungerechten! Gott für die Menschen! Der vollkommene Christus für Rebellen, die den Tod und Hölle verdient haben! Lasst uns den Namen unseres Erlösers erhöhen und preisen.

Es kommt mir zu wunderbar vor, dass dieses „Mich dürstet“ alles bereinigt hat. Kaum hatte der Herr das „Mich dürstet“ über die Lippen gebracht und von dem Essig genossen, rief er schon: „Es ist Vollbracht!“ und alles war vorüber. Die Schlacht war geschlagen. Der Sieg war gewonnen. Der Durst unseres ruhmreichen Befreiers war das Zeichen dafür, dass der letzte Feind am Boden lag. Die Flut seiner Schmerzen hatte den höchsten Wasserstand erreicht und begann zu verebben. Mit dem „Mich dürstet“ empfing unser Herr den letzten Schlag. Die Schmerzen nahmen ab. Ihre Kraft hatte sich verbraucht. Jetzt war Christus in der Lage, geringere Schmerzen zu registrieren. Die Anstrengung und Aufregung eines schweren Kampfes lässt die Menschen zunächst Durst und Schwäche vergessen. Erst wenn alles vorüber ist, kommen sie wieder zu sich selber und stellen fest, wie sehr sie sich verausgabt haben. Der große Kampf in der Gottverlassenheit war vorüber. Der Herr spürte seine Schwäche, als die Anspannung nachließ.

Ich denke gerne daran, dass unser Herr „es ist vollbracht!“ unmittelbar nach dem Wort „Mich dürstet“ ausrief. Diese beiden Ausrufe passen so gut zueinander. Christus hatte unsere Feinde bekämpft; einen nach dem anderen hatte er niedergemacht, und nun dürstet ihn, wie einstmals Simson im Alten Testament. Er nahm von dem Essig, und kaum hatte er seinen Durst gestillt, da rief er wie ein Sieger aus: „Es ist vollbracht!“ und ließ das Feld zurück, bedeckt mit Beute. Lasst uns darüber froh werden, dass unser Stellvertreter sein Werk bis zum bitteren Ende durchführte und dann mit einem „Es ist vollbracht!“ zu seinem Vater und Gott zurückkehrte. Die ihr unter der Last der Sünde steht, lasst euch hier nieder und kommt zur Ruhe, damit ihr lebt!

"Mich dürstet!" - ein Beispiel dafür, wie der Mensch seinen Herrn behandelt

Unser Text bestätigt die natürliche Feindschaft des Menschen gegen Gott, die von der Schrift immer wieder bezeugt wird. Wir heutigen meinen, der Mensch sei ein edles Geschöpf, das sich müht, immer besser zu werden; man könne ihm nur das Beste Zeugnis ausstellen und ihn bewundern, denn seine Sünde sei im Grunde Suchen nach Gott und sein Aberglaube Ringen um mehr Licht; die Wahrheit müsse auf diesen großartigen Menschen zugeschnitten werden; das Evangelium sei entsprechend den Bedürfnissen der jeweiligen Generation abzuwandeln; das ganze Universum habe seinen Interessen zu dienen; die sture Gerechtigkeit habe zu weichen, damit sie den so verdienstvollen Menschen nicht belaste; von Strafe solle man ja nicht reden, um sein zartes Ohr nicht zu verletzten. Kurzum: Alles geht darauf hinaus, den Menschen über Gott zu erheben und ihm den höchsten Platz anzuweisen.

Völlig anders, aber zuverlässiger, schätzt die Bibel den Menschen ein. Er ist ein gefallenes Geschöpf Gottes, mit einem auf das Weltliche gerichteten Sinn, der sich nicht mit Gott versöhnen lassen will. Er ist schlimmer als die Tiere, gibt Böses für Gutes aus und behandelt Gott mit schändlicher Undankbarkeit. Der Mensch ist ein Sklave und Gimpel des Satans, ein heimtückischer Verräter Gottes. Sagten nicht schon die Propheten voraus, dass der Mensch seinem menschgewordenen Gott Galle zu essen und Essig zu trinken geben würde? So geschah es wirklich. Gott kam, um zu retten, und der Mensch nahm ihn nicht auf. Zunächst war kein Raum in der Herberge, und dann verweigerte man ihm selbst den Becher kühlen Wassers. Als ihn dürstete, gaben sie ihm Essig zu trinken. So behandelt der Mensch seinen Erretter! Ist die Menschheit sich selbst überlassen, verwirft, kreuzigt und verspottet sie den Christus Gottes.

Andererseits drückte sich in dieser Tat auch Mitleid aus und zeigte sich der Mensch von einer besseren Seite. Offenbar hatte den, der den feuchten Schwamm an die Lippen des Erlösers setzte, tiefes Mitleid erfasst. Ich nehme an, dass der römische Soldat es gut gemeint hatte, war er doch ein rauer Krieger mit wenig Einsicht in die Dinge. Er lief zum Gefäß und tränkte den Schwamm mit Essig. Das erschien ihm als der Beste Weg, um einige Tropfen Feuchtigkeit an die Lippen des Leidenden zu bringen. Doch obwohl er ein gewisses Maß an Mitleid verspürte, tat er so, als ob er einen Hund vor sich hätte. Er kannte keine Ehrfurcht; er spottete, während er dem Gekreuzigten Erleichterung verschaffte. Wir lesen: „Es verspotteten ihn auch die Kriegsknechte, traten zu ihm und brachten ihm Essig und sprachen: ›Bist du der Juden König, so hilf dir selber!‹“ (Luk. 23,36f.). Als unser Herr Ausrief: „Eli, Eli!“ und etwas später: „Mich dürstet!“, da höhnten die Leute um das Kreuz herum: „Halt, lasst sehen, ob Elia komme und ihn herabnehme!“ und nach dem Markusevangelium äußerte sich der, der den Essig darreichte, in gleicher Weise. Ihm tat der Leidende leid, aber er hatte eine so geringe Meinung von ihm, dass er sich dem Chor der Spötter zugesellte (vgl. Markus 27,45f.; Markus 15,33f.). Selbst wenn der Mensch mit dem leidenden Christus mitfühlt-er hörte auf, Mensch zu sein, täte er es nicht-verspottet er ihn. Der Becher, den er Jesus reicht, bedeutet Spott und Mitleid zugleich, denn selbst die milden Gaben des Sünders sind grausam. Sieh dir das an, wie selbst der Beste Mensch Bewunderung für die Person des Heilands mit Verspottung seines Anspruchs vermischt! Man schreibt Bücher, in denen er als leuchtendes Beispiel hingestellt wird, und man leugnet doch im selben Augenblick seine Gottheit. Man hält ihn gerne für einen wunderbaren Menschen, aber man leugnet seine heilige Sendung. Man rühmt seine sittlichen Forderungen und missachtet sein Blut. Man gibt ihm zu trinken, aber es ist Essig.

Mein Leser, hüte dich davor, Jesus zu rühmen und gleichzeitig sein Versöhnungswerk zu leugnen. Hüte dich davor, ihm deine Referenz zu erzeigen und gleichzeitig seinen Namen zu verunehren!

Doch wehe, mein Bruder, ich kann nicht über die Grausamkeit des Menschen gegen unseren Herrn sprechen, ohne dich und mich selbst zu treffen! Haben nicht auch wir ihm oft Essig zu trinken gegeben? Taten wir es nicht vor Jahren, als wir ihn noch nicht kannten? Wir waren tief ergriffen, wenn wir von seinem Leiden hörten, aber wir machten doch nicht Schluss mit unseren Sünden. Wir spendeten ihm unsere Tränen, aber wir betrübten ihn mit unserem Ungehorsam. Zuweilen meinten wir, ihn zu lieben, wenn wir den Bericht von seinem Tode hörten, aber wir änderten unser Leben nicht und schenkten ihm kein Vertrauen-so gaben wir ihm Essig zu trinken. Das ist noch nicht alles, es kommt noch schlimmer. Waren nicht die besten Werke, die wir taten, und die besten Gefühle, die wir hatten, und die besten Gebete, die wir sprachen, bitter und sauer vor lauter Sünde? Verdienen sie die Bezeichnung Wein? Gleichen sie nicht dem ätzenden Essig? Ich wundere mich darüber, dass er unsere Gaben überhaupt angenommen hat, so wie man den Kopf darüber schüttelt, dass er sich Essig reichen ließ. Aber er nahm sie an und lächelte denen zu, die sie ihm darboten. Er war in der Lage gewesen, Wasser in Wein zu verwandeln. In seiner unübertrefflichen Liebe hat er oftmals unsere bitteren Trankopfer in Süßigkeit verwandelt, obwohl sie eigentlich, so meine ich, nichts weiter als der Saft vergorener Trauben waren, sauer genug, um seine Zähne stumpf zu machen. Darum dürfen wir vor ihn hintreten-und mit uns alle Menschen, die Gott mit seiner Liebe in die Buße treibt-und zu ihm aufschauen, den wir durchbohrt haben. Wir werden einmal um ihn trauern wie jemand, der um seinen Erstgeborenen Klage trägt. Dann werden wir uns unserer Fehler gut erinnern.

Ich habe diesen Gedanken nur gestreift, weil ich mich etwas ausführlicher mit dem vierten Punkt auseinander setzen möchte. Möge der Heilige Geist uns helfen, den Ruf „Mich dürstet!“ zu ergründen.

"Mich dürstet!" - der geheimnisvolle Ausdruck eines Herzenswunsches

„Mich Dürstet!“ Ich kann mir nicht denken, dass es sich um gewöhnlichen, natürlichen Durst gehandelt hat. Zweifellos verlangte Jesus nach Wasser, aber eigentlich und in einem tieferen Sinne war seine Seele durstig. Es scheint so, dass er diesen Wunsch nur äußerte, damit die Schrift auch darin erfüllt würde, dass man ihm Essig darbot. Immer stand er im Einklang mit sich selbst; sein Körper brachte das Verlangen seiner Seele ebenso zum Ausdruck wie das leibliche Verlangen. „Mich dürstet!“ bedeutet, dass sein Herz danach verlangte, Menschen zu retten. Dieser Durst hatte ihn bereits in den frühsten Erdentagen erfasst. „Wisst ihr nicht, dass ich sein muss in dem, das meines Vaters ist?“ (Luk. 2,49) sagte er, als er noch ein Kind war. Äußerte er sich nicht seinen Jüngern gegenüber: „ich muss mich zuvor taufen lassen mit einer Taufe, und wie ist mir so bange, bis sie vollendet werde!“(Luk. 12,50)? Ihn verlangte danach, uns aus dem Rachen der Hölle herauszureißen, den Preis der Erlösung für uns zu zahlen und die ewige Verdammnis, die uns bedrohte, von uns abzuwenden. Als er sein Werk am Kreuz fast vollbracht hatte, fand sein Durst keine Linderung, bis er sagen konnte: „Es ist vollbracht!“

Das Werk ist fast vollbracht, du Christus Gottes! Bald hast du die Rettung deines Volkes erwirkt! Es bleibt nur noch eins übrig, dass du den Tod erleidest; darum dein starkes Verlangen, zum Schluss zu kommen und das Werk zu vollenden. Du warst korrekt und genau, bis der letzte Schmerz erlitten und das letzte Wort gesprochen war, um volle Erlösung zu erwirken, und da erst riefst du: „Mich dürstet!“

Meine Lieben, unser Meister dürstet! Er trägt nun, und so war es schon immer gewesen, Verlangen nach der Liebe seines Volkes. Erinnerst du dich nicht daran, wie dieser Durst übermächtig war in den alten Tagen der Propheten? Denke an die Gottesklage im fünften Kapitel des Jesaja: „Wohlan, ich will meinem Lieben singen, ein Lied meines Geliebten von seinem Weinberge: ›Mein Lieber hat einen Weinberg an einem fetten Ort. Und er hat ihn verzäunt und mit Steinhaufen verwahrt und edle Reben darein gesenkt. Er baute auch einen Turm darin und grub eine Kelter darein und wartete, dass er Trauben brächte; aber er brachte Herlinge‹“ (Jes. 5,1f.). Was erwartete er von seinem Weingarten und von seiner Weinkelter? Doch nichts anderes als Traubensaft, damit er sich daran erlabe! „Er wartete, dass er Trauben brächte; aber er brachte Herlinge!“ - Essig und nicht Wein; Säure und nicht Süße. Darum dürstete ihn.

Aus dem Hohenlied der Liebe, im fünften Kapitel, entnehmen wir, dass er in jenen alten Zeiten, wenn der Durst ihn überkam, sich im Garten seiner Gemeinde erfrischte. Wie heißt es dort? „Ich bin gekommen, meine Schwester, liebe Braut, in meinen Garten. Ich habe meine Myrrhe samt meinen Würzen abgebrochen; ich habe meinen Seim samt meinem Honig gegessen; ich habe meinen Wein samt meiner Milch getrunken. Esset, meine Lieben, und trinket, meine Freunde, und werdet trunken!“ (Hoh. 5,1). Später sagt er von seiner Gemeinde: „Dein Mund ist wie der köstlichste Wein, der meinem Gaumen glatt eingeht und mir über die Lippen und Zähne sanft hinfließt“ (Hoh. 7,10 nach Menge).

Im 8. Kapitel spricht die Braut: „Da wollte ich dich tränken mit gewürztem Wein und mit dem Most meiner Granatäpfel“(Hoh. 8,2). Ja, er ist gerne bei seinem Volk. Sie sind der Garten, in dem er sich erholt, und ihre Liebe und Freundlichkeit sind Milch und Wein, die er gerne trinkt. Christus verlangte immer schon danach, Menschen zu retten und von Menschen geliebt zu werden. Ein Beispiel dafür: Als er müde am Brunnenrand bei Sichar saß, sagte er zu der Frau, die zum Wasserschöpfen kam: „Gib mir zu trinken!“ (Joh. 4,7). Dieses Wort hatte eine tiefere Bedeutung, als die Frau es sich erträumte. Wenige Verse weiter wird das deutlich. Jesus erklärt seinen Jüngern: „Ich habe eine Speise zu essen, von der ihr nicht wisset“ (Joh. 4,32). Dass er das Herz dieser Frau für sich gewinnen konnte, bedeutete ihm eine geistliche Erfrischung.

Liebe Brüder, unser lieber Herr dürstet nach Gemeinschaft mit jedem Glied seines Volkes, nicht nur weil ihr ihm Gutes tun könnt, sondern vor allem weil er euch Gutes tun will. Ihn verlangt danach, euch zu segnen, und er will dafür eure dankbare Liebe empfangen. Er dürstet danach, dass ihr ihn mit glaubendem Auge in seiner Fülle und Vollkommenheit schaut und ihm eure leeren Hände und leeren Herzen entgegenstreckt, dass er sie füllen möge mit seinen Gütern. Er sagt: „Sieh, ich stehe vor der Tür und klopfe an“ (Off. 3,20). Warum klopft er an? Er möchte mit dir essen und trinken; er verspricht: „So jemand meine Stimme hören wird und die Tür auftun, zu dem werde ich eingehen und das Abendmahl mit ihm halten und er mit mir“ (Off. 3,20). Ihn dürstet immer noch, wie du siehst, nach unserer armseligen Liebe. Gewiss können wir sie ihm nicht verweigern. Kommt, lasst uns unsere gefüllten Flaschen ausgießen, damit er sich an uns erfreuen kann (vgl. Luk. 7,36..). Was veranlasst ihn, uns so zu lieben? Darauf weiß ich keine Antwort; es kann nur in seiner großen Liebe selbst begründet sein. Er muss ja lieben; das ist seine Natur. Er muss seine Auserwählten lieben, die er einmal zu lieben begann, denn er ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit. Seine große Liebe lässt ihn danach dürsten, dass wir ihm noch näher sein mögen. Er wird sich nicht zufrieden geben, bis nicht alle seine Erlösten in der Sicherheitszone geborgen sind, außer Reichweite der Geschütze des Feindes. Ich will euch eins seiner Gebete nennen, das er voller Verlangen sprach: „Vater, ich will, dass, wo ich bin, auch die bei mir seien, die du mir gegeben hast, auf dass sie meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast“ (Joh. 17,24). Er will dich haben, Bruder. Er will dich haben, Schwester. Er will euch ganz für sich haben. Geht zu ihm im Gebet. Geht zu ihm in der Gemeinschaft. Geht zu ihm durch völlige Hingabe. Geht zu ihm, indem ihr euer ganzes Sein dem wohl tuenden, geheimnisvollen Einfluss seines Geistes öffnet. Sitze zu seinen Füßen wie Maria. Lehne dich an seine Brust wie Johannes. Lasst uns zu ihm gehen wie die Gemahlin im Hohenlied: „Er küsse mich mit dem Kuss seines Mundes; denn deine Liebe ist lieblicher als Wein“ (Hoh. 1,2). Danach verlangt er. Willst du es ihm nicht geben? Ist dein Herz so verhärtet, dass du nicht einmal einen Becher kalten Wassers für Jesus hast? Oder bist du lau? Bruder, wenn er sagt: „Mich dürstet!“, und du bringst ihm ein laues Herz, das ist schlimmer als Essig. Der Herr sagte: „Ich weiß deine Werke, dass du weder kalt noch warm bist. Ach, dass du kalt oder warm wärest! Weil du aber lau bist und weder warm noch kalt, werde ich dich ausspeien aus meinem Munde“(Off. 3,15f.). Er lässt sich Essig reichen, aber lauwarme Liebe nimmt er nicht an. Komm doch, bring ihm dein ganzes Herz, lass ihn aus dem gereinigten Becher trinken, so viel er will. Überlass ihm all deine Liebe. Ich weiß, er möchte sie haben. Wenn er sich schon freut über einen Becher kalten Wassers, den du einem seiner Jünger gibst, wie viel mehr wird er erfreut sein, wenn du dich ihm ganz hingibst? Darum, weil er dürstet, gib ihm heute zu trinken.

"Mich dürstet" - darin ist unser Sterben mit ihm vorgebildet

Wisst ihr nicht, meine Lieben-ich spreche ja zu solchen, die den Herrn kennen-,dass ihr mit Christus gekreuzigt seid? Nun gut, kann dann dieser Ruf „Mich dürstet“ etwas anderes bedeuten, als dass wir auch Durst leiden sollen? Uns dürstet nicht nach der alten Lebensweise, die uns so zu schaffen machte, denn er sagt: „Wer von diesem Wasser trinkt, den wird wieder dürsten; wer aber von dem Wasser trinken wird, das ich ihm gebe, den wird ewiglich nicht dürsten, sondern das Wasser, das ich ihm geben werde, das wird in ihm ein Brunnen des Wassers werden, das in das ewige Leben quillt“(Joh. 4,13f.). Doch nun verspüren wir einen neuen Durst, einen verfeinerten himmlischen Appetit, ein Verlangen nach unserem Herrn. Du unser hochgelobter Meister, wenn wir tatsächlich mit dir an das Kreuz genagelt sind, so gib uns das Verlangen nach dir, einen Durst, der nur gestillt werden kann mit dem Kelch des „neuen Testamentes in meinem Blut“(1. Kor. 11,25).

Gewisse Philosophen haben erklärt, dass sie die Suche nach Wahrheit der Erkenntnis der Wahrheit vorziehen. Ich kann mich damit ganz und gar nicht einverstanden erklären, aber ich möchte doch dieses sagen: Nächst der Freude an der Gegenwart meines Herrn, liebe ich den Hunger und den Durst nach ihm. Ein Ausleger hat es einmal ähnlich Ausgedrückt: „Mich dürstet nach meinem Herrn, und das bedeutet Freude; eine Freude, die keiner mir nehmen kann. Selbst wenn ich ihn nicht erreichen kann, werde ich vollauf getröstet sein, denn nach ihm zu dürsten ist der Himmel, und sicherlich wird er einer armen Seele niemals das Recht bestreiten, ihn zu bewundern, ihn anzubeten und nach ihm zu dürsten.“ Was mich angeht, so möchte ich immer unersättlicher werden nach meinem göttlichen Herrn, und wenn ich auch schon viel von ihm empfangen habe, will ich doch um mehr bitten, und wieder um mehr, ohne Ende! Mein Herz soll sich nicht zufrieden geben, bis er mir „alles in allem“ (vgl. 1. Kor. 15,28) bedeutet und ich mich völlig an ihn verloren habe.

O, dass meine Seele sich weitete, damit sie immer mehr von seiner wundervollen Liebe aufnehmen könnte, denn unser Herz kann nicht genug davon bekommen. Dass es uns doch wie der Gemahlin erginge, die nach einem festlichen Mahl und erfreut durch ihres Mannes Liebe überglücklich ausrief: „erquickt mich mit Blumen und labt mich mit Äpfeln; denn ich bin krank vor Liebe“(Hoh. 2,5). Sie sehnte sich nach mehr Liebe, obwohl sie von Liebe schon ganz überwältigt war. Das ist eine Süßigkeit von der man umso mehr haben muss, je mehr man hat. Das Verlangen wächst mit dem, was man empfängt, bis uns schließlich die Fülle Gottes erfüllt. „Mich dürstet!“- das ist es, was meine Seele ihrem Herrn sagt. Dieses Wort von seinen Lippen steht meinen Lippen wohl an.

Jesus dürstete, darum lasst uns auch dürsten in diesem trockenen und verdorrten Land, wo es kein Wasser gibt. „Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser, so schreit meine Seele, Gott, zu Dir“ (Ps. 42,2). Meine Lieben, lasst uns aber auch Verlangen tragen nach den Seelen unserer Mitmenschen. Ich habe schon betont, dass darin die geheime Sehnsucht unseres Herrn bestand; so soll es bei uns auch sein. Mein Bruder, sehne dich danach, dass deine Kinder gerettet werden. Trage Verlangen danach, dass deine Angestellten gerettet werden. Trage Sorge für die Errettung deiner Schulklasse. Sorge dich um die Erlösung deiner Familie. Mühe dich um die Bekehrung deines Ehepartners. Uns allen sollte daran liegen, dass Menschen sich bekehren. Ist das so? Falls nicht, rafft euch jetzt zusammen! Richtet euer Herz auf einen unbekehrten Menschen und dürstet, bis er gerettet ist. Wenn der heilsame Durst nach Rettung von Mitmenschen, der ein Ausdruck echter christlicher Güte ist, sich auf die legt, die selber schon gerettet sind, werden viele Menschen zu Christus finden. Erinnere dich an das Pauluswort: „Ich sage die Wahrheit in Christus und lüge nicht, wie mir Zeugnis gibt mein Gewissen in dem Heiligen Geist, dass ich große Traurigkeit und Schmerzen ohne Unterlass in meinem Herzen habe. Ich selber möchte verflucht und von Christus geschieden sein meinen Brüdern zugute, die meine Stammverwandten sind nach dem Fleisch“ (Röm. 9,1). Er hätte sich selber geopfert, um seine Landsleute zu retten, so von Herzen wünschte er ihr ewiges Heil. Lass dich von dieser Gesinnung anstecken!

Und wir selber? Dürstet nach Vollkommenheit. Hungert und dürstet nach Gerechtigkeit, denn ihr sollt satt werden. Hasst die Sünde und verabscheut sie von Herzen, aber verlangt danach, heilig zu sein, wie Gott heilig ist. Sehnt euch danach, wie Christus zu sein. Dürstet danach, dass ihr seinen heiligen Namen ehrt durch völlige Übereinstimmung mit seinem Willen. Möge der Heilige Geist in dir den gekreuzigten Christus zur Auswirkung kommen lassen. Er sei gepriesen in Ewigkeit. Amen.

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