Monod, Adolphe - Abschiedsworte - Glücklich im Leben und im Tod.

(Den 21. Oktober 1855.)

Philipper 1,19-26:
Ich weiß, dass mir dasselbe gelinget zur Seligkeit, durch euer Gebet und durch Handreichung des Geistes Jesu Christi. Wie ich endlich hoffe und warte, dass ich in keinerlei Stück zu Schanden werde; sondern dass mit aller Freudigkeit, gleichwie sonst allezeit, also auch jetzt, Christus hoch gepriesen werde an meinem Leib, es sei durch Leben oder durch Tod. Denn Christus ist mein Leben, und Sterben ist mein Gewinn. Sintemal aber im Fleisch leben dient mehr Frucht zu schaffen; so weiß ich nicht, welches ich erwählen soll. Denn es liegt mir beides hart an: Ich habe Lust abzuscheiden und bei Christo zu sein, welches auch viel besser wäre; aber es ist nötiger im Fleisch bleiben um euretwillen. Und in guter Zuversicht weiß ich, dass ich bleiben, und bei euch allen sein werde, euch zur Förderung und zur Freude des Glaubens; auf dass ihr euch sehr rühmen mögt in Christo Jesu an mir, durch meine Zukunft wieder zu euch.

Meine lieben Freunde, ich möchte Euch gern auf den Sinn aufmerksam machen, mit dem der Apostel hier das Leben und den Tod betrachtet. Fasst zuerst das Wort in's Auge, von dem er ausgeht, und das gleichsam der Wahlspruch seines christlichen Lebens ist. „Christus ist mein Leben, und Sterben ist mein Gewinn“; das heißt: mein Leben, mein natürliches Leben, das ich heute lebe und dem morgen vielleicht der Tod mich entreißt, ist nur der Nachfolge und dem Dienst Jesu Christi geweiht. „Sterben ist mein Gewinn“; dieses Wort bedarf keiner Erklärung. Weiterhin fragt sich der Apostel, was besser für ihn sei: zu leben oder zu sterben. Diese Frage hat sich und oft aufgedrängt, und vielleicht haben wir ganz wie der Apostel geantwortet. Aber ich fürchte, wir haben vielleicht in einem ganz anderen Sinn so geantwortet. Wenn wir den Tod ersehnt haben, so bedeutete das: Ich weiß nicht, was ich am meisten zu fürchten habe; die Leiden des Lebens, von denen der Tod mich befreien würde, oder die Schrecken des Todes, vor denen das Leben mich bewahrt; also das Leben und der Tod erscheinen uns als zwei Übel, von denen wir nur nicht wissen, welches das geringere ist. Dem Apostel hingegen erscheinen sie als zwei unermessliche Güter, von denen er nicht weiß, welches das größere ist. Er für seine Person wünscht lieber zu sterben, um bei Christo zu sein; für die Kirche aber und die Welt wünscht er lieber zu leben, um Christo zu dienen, sein Reich auszubreiten und Seelen für ihn zu gewinnen. Welch eine wunderbar erhabene Ansicht von Leben und Tod! wunderbar erhaben, weil sie so ganz getragen, so ganz geheiligt ist durch die Liebe, so ganz dem Sinn und Geist Jesu Christi selbst gemäß! Lasst uns denn suchen, diese Gesinnung und zu eigen zu machen! Das Leben ist ein Gut, der Tod ist ein Gut. Der Tod ist ein Gut, weil er uns von dem Elend dieses Lebens befreit, und vor Allem weil er uns, wäre unser Leben auch voll von allen möglichen irdischen Freuden, in eine Seligkeit und Herrlichkeit eingehen lässt, die über all unser Denken und Ahnen hinausgeht. Der Tod muss uns also an sich ein Gut sein, wonach wir uns sehnen; lasst uns nichts ferne von uns weisen, was uns an ihn erinnern kann. Möchten alle die Krankheiten, alle die plötzlichen Todesfälle, Alles was um uns vorgeht, uns immer dessen erinnern, dass der Tod für Jeden von uns jeden Augenblick kommen kann. Ebenso ist das Leben ein Gut, weil wir Jesum verherrlichen, Jesu dienen, Jesu nachfolgen können. Es lohnt sich wirklich nicht der Mühe, für etwas Anderes zu leben.

Alles was wir an Leben, an Kraft und Fähigkeiten besitzen, jeder Atemzug muss dem Dienst unseres Herrn Jesu Christi gewidmet, geweiht, geheiligt und gekreuzigt sein. Ein solches gekreuzigtes Leben ist ein Leben des Glücks selbst mitten unter den bittersten Schmerzen der Erde, ein Leben, in welchem wir die köstlichsten Segnungen schmecken und um uns herum verbreiten. Lasst uns also das Leben lieben, lasst es uns nach seinem ganzen Werte schätzen, aber nur um es mit Jesu Christo auszufüllen! Zu neuen Menschen mit einer solchen Gesinnung kann der heilige Geist allein uns umschaffen; aber lasst uns wohl darauf achten: es ist nicht so, dass unser Geist aufrecht erhalten, getröstet, gestärkt werden müsste; nein, der Geist Gottes muss kommen und Wohnung in uns machen. Wir mühen uns oft ab, an uns selbst zu arbeiten und unsern Geist auszuschmücken: das ist wohl gut, aber nicht genug. Es muss noch das Andere hinzukommen, dass Jesus Christus selbst wohne in unseren Herzen durch seinen heiligen Geist.

O meine Freunde! wenn wir betrachten, welcher Art die Verheißungen des Evangeliums sind, so werden wir sehen, wie fern wir noch davon sind, sie zu besitzen und zu genießen. Gott wolle über unseren Häuptern seinen Himmel auftun, uns Alles offenbaren, uns mit aller Weisheit erfüllen, uns sehen lassen, dass wir schon hienieden zu der vollkommenen Freude gelangen können, bis wir einst die ganze Fülle der Seligkeit und der Siegesfreude genießen werden; Gott wolle und die Güter ernten lassen, welche der Himmel so gern und reichlich herabströmen lässt auf die Erde, die sich willig öffnet, um sie zu empfangen; so werden wir daraus es erkennen lernen, dass die Welt, wenn sie auch im Stande ist uns niederzuschlagen und zu betrüben, doch nicht vermag das Licht der himmlischen Güter zu verlöschen, oder die Verheißungen Gottes aufzuheben, noch selbst mit dem leichtesten Schatten einer Wolke uns die Liebe Gottes zu verschleiern, womit er uns geliebt hat in Jesu Christo!

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