Kohlbrügge, Hermann Friedrich - „Aus tiefer Not“ - Vierzehnte Predigt.

Gehalten den 19. Dezember 1858, abends.

Gesang vor der Predigt.

Psalm 103, Vers 1 und 2.

Lobsinge Gott, erwecke deine Kräfte,
Mein Geist, sein Lob sei immer dein Geschäfte!
Bet ihn an, sein Nam' ist Majestät!
Lobsing' dem Herrn, erheb' ihn, meine Seele!
Er sorget treu, dass dir kein Gutes fehle,
Vergiss den nicht, der sich durch Huld erhöht.

Preis ihn, er ließ vor ihm dich Gnade finden,
Und er vergibt dir alle deine Sünden;
Er ist dein Arzt, der deine Krankheit heilt.
Ja, er erlöst dein Leben vom Verderben,
Krönt dich mit Huld, als seines Reiches Erben,
Da seine Hand dir Gnad' um Gnad' erteilt.

Wir betrachteten, meine geliebten Brüder und Schwestern, in der Morgenstunde aus dem hundertachtzehnten Psalm den siebenundzwanzigsten Vers. Sehen wir nunmehr, was die Frucht davon ist, wenn uns die Gnade, welche wir in diesem 27. Vers beschrieben finden, zu teil geworden ist. Wir vernehmen dies aus dem 28. und 29. Vers.

Du bist mein Gott, und ich danke dir; mein Gott, ich will dich preisen. Dankt dem Herrn, denn er ist freundlich, und seine Güte währt ewiglich.

Wir legen, meine Geliebten, allen Nachdruck auf das Wörtlein „du“. Denn darin liegt ausgesprochen: du verkannter Gott, du verborgener und verachteter Gott, von der Welt, von den Bauleuten für nichts geachteter Gott, du, dem doch allein alle Ehre, Gewalt, Macht und Preis zukommt, wo ist ein solcher Gott, wie du, Gott, bist? Du, der du erleuchtest, der du dich erweist als den allein wahren Gott, der du erhöhst aus den Toren des Todes, - du, dessen Macht und Gnade ich erblicke an den Hörnern des Altars, der du vergibst Missetat, Übertretung und Sünde den Übrigen in Israel und gedenkst ihrer Missetat und Gottlosigkeit nicht, sondern du, du allein, bist gnädig! Du Gott, allein großer Gott; alle Götter sind Eitelkeit und können nicht helfen! Alle Götter suchten bei mir Arbeit, Geld, Gut, Ehre, Fleisch und Blut; da ich aber nichts mehr hatte, ließen sie mich liegen; da ich nicht mehr arbeiten konnte, ließen sie mich sterben und vergaßen meiner; da ich nichts mehr für sie war, waren sie auch nichts mehr für mich. Alle Götter lassen sich dienen, aber du, Gott, bist der alleinige Gott. Wenn ich an Gott denke, so denke ich an den, der wahrhaftig den Verdorbenen hilft, die Versunkenen errettet, den Armen gut und gnädig ist, der ein großer König ist und weiß dem Reumütigen seine Schuld, Sünde, Missetat und Gottlosigkeit wegzunehmen; dann denke ich an einen großen König, der, wenn er auch zertritt mit seinem Fuß, den Zertretenen doch wieder aus dem Staub aufhebt und denkt: es ist mein Untertan, mein Geschöpf. Alles kann trügen und trügt, alles lügt, alles ist Eitelkeit und Spinnfäden, und alles ist hart und kalt wie Marmor und ohne Trost. Aber Gott - nenne mir alles zusammen, was einem Elenden, auch wenn er sich dem Schein nach unwiderruflich in den Krallen des Satans befindet, helfen kann, nenne mir Gott, und du hast mir alles genannt. Er sitzt hoch und hat sich hoch gesetzt. Wer sitzt so hoch wie er, und schaut so tief herab auf den Wurm im Staub? auf den Elenden, der ihm nie etwas gebracht hat, auch nie bringen kann, der auch seiner Ehre nichts zufügen kann? Du bist der alleinige Gott!

Wen suchen wir, der Hilfe tu',
Dass wir Gnad' erlangen?
Das bist du, Herr, alleine!

Die Götter, die den Himmel und die Erde nicht gemacht haben, sind nicht Gott; und die Götter, die nicht Sünde vergeben können, - ich sage: vergeben, ohne dass sie dafür wieder etwas bekommen, sind nicht Gott. Die Götter, die dem Elenden, wenn er auch sich selbst zerrüttet hat, etwas vorrücken, sind nicht Gott. Aber der ist Gott, der da Sünde bedeckt und Missetat hinwegnimmt, der alle Sünde hinter seinen Rücken wirft, der ein starker Gott ist, mich auf dem Arm zu tragen mit meiner Last. Nur ein Kind kann zu seinem Vater „du“ sagen, und ein Vater zu dem Kind, ein Mann zu dem Weib und das Weib zum Mann, und auch ein Untertan, wenn er einen König hat, der wahrhaftig König ist, darf zu ihm „du“ sagen. Doch König, Vater, Mann sie gehen dahin. Der König wird krank und stirbt, und es kommt ein anderer auf; der Vater wird krank und stirbt, und das Kind wird eine Waise; der Mann wird krank und stirbt, und das Weib wird eine Witwe. Und doch habe ich einen König, einen ewigen, wie es nie einen König gegeben hat; und doch habe ich einen Vater, einen ewigen, der das Vaterherz erst zum Vaterherzen macht für das Kind; und doch habe ich einen Mann, einen ewigen, der da gesagt hat: „Der dich gemacht hat, ist dein Mann“. Habe ich Gott, so habe ich König, Vater, Mann.

Er ist ein starker Gott. Der Name „Gott“ besteht hier im Hebräischen aus zwei Buchstaben: a und l - Al oder El, und es liegt darin ausgesprochen: Alles und Stärke, alles ist er allein und Stärke. Du bist Gott! Wenn ich Kraft habe, so werde ich den anderen Göttern angenehm sein; aber wenn alle Kraft bei mir dahin ist, alle Kraft, um etwas zu tun, alle Kraft zum Leben, Kraft zur Freude, Kraft zur Arbeit, Kraft zum Glauben, Kraft zum Gebet, Kraft zur Hoffnung, wenn all diese Kraft so ganz entschwunden ist; wenn ich dann so daniederliege auf dem Siech- und Sterbebett und kann nichts mehr, kann mich nicht trösten lassen, kann nicht durch den Himmel hindurchblicken, kann das Kreuz nicht festhalten, kann nicht einmal mehr seufzen, kann gar nichts mehr, dann bist du mir ein starker Gott! Wenn ich nichts mehr kann, dann sagt die ganze Hölle mit Recht: der ist mein! aber der Herr Gott sagt: die Schwachheit sei meines Volkes, die Stärke ist Gottes! „Lass dir“, spricht der Herr zu einem seiner größten Helden, „lass dir an meiner Gnade genügen, meine Kraft wird in Schwachheit vollbracht“ (2. Kor. 12,9). Wer von euch, wer von uns will einen Diener haben, einen Knecht, eine Magd, ohne Macht, Kraft und Stärke? Wer von uns kann Schwachheit auf die Dauer ertragen? Wer hat solche Geduld, dass sie nicht am Ende ausgeht? Wer solches Erbarmen, dass es nicht zuletzt aufhört? Gott aber in seiner Gnade hat solche Dienstknechte und Dienstmägde, in denen keine Kraft ist; und er, Gott, gibt Kraft den Unvermögenden, Stärke genug den Müden, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden. (Jes. 40,29-31.)

Du Gott, der alleinige, den ich meine, der starke, den ich meine - denn es ist in der ganzen weiten Welt für den Augenblick nichts da für meine arme, arme Seele; und ob ich auch in die Tiefe grabe oder in die Höhe dringe, es ist keine Kraft da bei mir! Du Gott, der alleinige, du, der starke, der du gerade darin dich als Gott beweist, dass du Wohlgefallen hast an Menschen (Luk. 2,14), dass du spielst auf dem Erdboden, und deine Lust ist bei den Menschenkindern (Spr. 8,31). - Du Gott, eben darin Gott, dass, während du den Erdball mit Einem Blitz zerschmettern kannst, du den Hunderttausenden in diesem Tal nachgehst und für alle ihre Bedürfnisse sorgst, - dass du hörst das Seufzen der Armen und Elenden, der Waisen und Witwen, der du achtest auf ihr Schreien und gibst einen Psalm in der Nacht! - Du Gott, der du bei allen großen und mächtigen Menschen, die am Ende sich doch so klein zeigen, allein groß bist, und größer und immer größer wirst, je kleiner die sind, welche mit dir zu tun haben und „Du“ zu dir sagen, du bist mein Gott.

Das konnte ich nicht sagen, so spreche jede Seele, die mir nachjauchzt: „du bist mein Gott“, - das konnte ich nicht sagen, das durfte ich nicht sagen, ich hatte den Mut nicht dazu, so lange ich das Blut nicht sah an den Hörnern des Altars im Himmel. Das „mein Gott“, das konnte ich nicht sagen, das durfte ich nicht sagen, bis dass ich Glaube, Liebe, Hoffnung, alle Geistesgaben und Gnadenerteilungen zusammenband, und nicht mehr trug in dieser meiner Hand, um damit zu prunken, sondern sie band an die Hörner des Altars im Himmel. „Mein Gott“, das kann ich nicht sagen, wenn ich allein denke an mich; mit Einem Mal kommt mir entweder das Sündenregister, das lange, dazwischen, oder es durchkreuzen Blitze voll Zorn, Grimm und Verfluchung die Luft, und es fliegen im Verborgenen feurige Pfeile auf den Schild meines Glaubens, ihn zu durchbohren. „Mein Gott“ konnte ich nicht sagen, durfte ich auch nicht sagen, da ich an ihm irre war, da ich mit ihm zankte und sagte: „Du vermauerst mir meinen Weg mit Werkstücken!“ Ach, da ist es alles Nacht; schreckliche, grause Nacht ist zwischen der Seele und Gott, und er ist hoch, er ist groß, heilig und herrlich, er ist Donner und verzehrender Blitz. Aber da sehe ich das Blut an den Hörnern des Altars, das Blut seines eigenen Kindes; o Gott! was für ein Gott bist du, dass du für Fluch- und Verdammungswürdige dein einziges Kind dahingibst! (Röm. 8,32.) Ich sehe es in der Ziege, welche ich gebunden dir gebracht habe, ich sehe es an dem Schlachttier; welche Liebe und Gewogenheit gegen einen fluch- und verdammungswürdigen Sünder! Gibst du das, das Köstlichste, das Beste, was du hast, dann bist du mein und ich dein!

Daran wird Gott in Wahrheit erkannt und sonst an nichts. Gott, der Herr, geht andere Wege als unsere Wege sind, und da denken wir denn immer an unsere Sünde, an das was wir verdient haben, an Zorn; aber „bei mir ist nicht Zorn“ spricht Gott. Lasst uns denken an unsere Sünde, an das was wir verdient haben, an Strafe und Zorn, aber nicht ohne Blut. Das Blut herbei des Sohnes Gottes, dann soll der Teufel kommen mit unseren Sünden und sie uns vorrücken, - das Blut richtet größere Dinge aus! Also: Du bist mein Gott! so spricht die angefochtene Seele angesichts des Blutes, das da glänzt an den Hörnern des Altars. Ja, ein großer Gott! Ihn zu umfassen, zu umarmen und zu sagen: „Du bist mein!“ es gehört nichts dazu als Not, dass man ihn in der äußersten Not ergreife und spreche: Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn!

„Du bist mein Gott, und ich danke dir!“ Das habe ich gelobt: Wenn du mich errettest aus dieser meiner großen Not, worein ich durch meine eigene Schuld gekommen bin, so wirst du mein Gott sein! (vgl. 1. Mos. 28,20,21.) Du hast mir oft gesagt: „Opfere Gott Dank und bezahle dem Höchsten deine Gelübde!“ (Ps. 50,14.) Ich verstand das so nicht und meinte, du würdest mich noch strafen meiner Opfer wegen. Aber nun habe ich es anders erkannt. Du bist mein Gott, und ich danke dir. Was ich gelobt habe, das behalte ich nicht für mich allein, das teile ich auch den anderen mit. Ich lobe so hoch, wie ich vermag, deine Gerechtigkeit! Ich schelte mich selbst und alles Fleisch; keine Gerechtigkeit ist in mir und in allem Fleisch! Unsere Gerechtigkeit ist Schlechtigkeit! Deine Gerechtigkeit steht wie die Berge! Ich danke dir, ich lobe dich für deine Wahrheit. Ich bin ein Lügner, alles Fleisch lügt, es ist nicht darauf zu bauen, aber du bist und bleibst wahrhaftig in allen deinen Aussagen! Ich danke dir, ich lobe dich für dein Heil. Ich und alles Fleisch, wir können uns selbst ins Verderben hineinhelfen, aber unser Heil steht allein bei dir! - Ich danke dir! - Wofür mein Kind? - Für die Wundmale in meinen Händen, dass ich nichts mehr ausrichten kann! Für die Wunden in meinen Füßen, dass ich nicht mehr zu gehen vermag! Für die Wunde in meiner Seite, dass ich nunmehr hinken muss und nicht aufrecht gehen kann! Für die Dornenkrone, die du aufs Haupt mir setztest, also dass die Welt, die Hure, mich ausstieß, auf dass ich errettet sei und nicht mit umkomme, wenn der Herr die Welt in Flammen wird aufgehen lassen. Ich danke dir also für deinen ganzen Weg, den du mich geleitet, für alle Tränen, für allen Schmerz, für alles Leiden, für alle Trübsal, für alles, alles, wie du mit mir hast gehen wollen bis auf den heutigen Tag! Ich Sünder habe nichts zu sagen, habe nichts zu fordern; ich Sünder! aber das Blut an den Hörnern des Altars, des Kreuzes, das verleiht mir Vergebung von Sünden, Auferstehung des Fleisches und ein ewiges Leben. Mein Gott, du bist mir genug! Und was ich verloren habe, du hast es wieder gebracht und wirst es wiederbringen; Tod und Grab sollen nicht halten, was du mir gabst! Ich danke dir, mein Gott, für Sünde und Schande, für Tod und Leiden, für alles was mich niedergebeugt und in den Staub getreten hat, und dass du mich also erhöht hast, dass ich meine Zuflucht habe zur ewigen Barmherzigkeit!

„Mein Gott, ich will dich preisen!“ Das Wort „Gott“ steht hier in einer anderen Bedeutung; es will sagen: „der du allein zu fürchten bist“. Nachdem hier auf Erden das Blut gekommen ist bis an die Hörner des Altars, ist Gott in den Himmeln von denen, die den Himmel und die Erde bewohnen, allein zu fürchten in Liebe und Demut. Es wartet und schweigt Gott in Geduld; aber es gibt Zeiten, wo er die Welt nimmt an den vier Enden und schüttelt den Gottlosen heraus. Es schweigt Gott in Geduld; aber es gibt Zeiten, da heißt es doch mehr als sonst: „Es schweige vor mir alles Fleisch!“ (Sach. 2,13.) Also bezeugt der Prophet Jeremias Kap. 10, Vers 13: „Wenn er donnert, so ist des Wassers die Menge unter dem Himmel, und zieht die Nebel auf vom Ende der Erde; er macht die Blitze im Regen und lässt den Wind kommen aus heimlichen Örtern“. Vers 5.-7: „Die Götzen können weder helfen noch Schaden tun. Aber dir, Herr, ist niemand gleich, du bist groß, und dein Name ist groß, und kannst es mit der Tat beweisen. Wer sollte dich nicht fürchten, du König der Heiden! Dir sollte man ja gehorchen; denn es ist unter allen Weisen der Heiden und in allen Königreichen deines gleichen nicht“.

Du bist mein Gott! Da ich am Rand der Hölle lag, hast du mich nicht hinuntergestoßen, sondern bist gekommen und hast gesagt: „Berge sollen weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen!“ Du bist mein Gott, du bist es allein! Da ich im Abgrund der Hölle lag, da ich aus der Tiefe schrie, da warst du herbei; und da ich meinte, du würdest mich verdammen, eben da hast du mir all meine Sünde vergeben umsonst. -

Du bist mein Gott, du bist allein zu fürchten, so will ich auch dich fürchten mein Leben lang. Du schneidest ab den Geist der Fürsten, so bist du allein zu fürchten; alles Fleisch aber ist nicht zu fürchten, denn es hängt alles ab von deinem Willen, von dem Rat deines Wohlgefallens. Du bist der Erste, der durch die Wasser des roten Meeres hindurchgeht. Ich danke dir, Herr Gott, der du allein zu fürchten bist, ich danke dir, dass du den Pharao lässt hinter uns her jagen, auf dass offenbar werde, wie er nicht Gott ist, sondern dass du allein Gott bist und dass du wohnst inmitten deines Volkes und es begleitest durch die Tiefe und durch die Nacht.

Du bist mein Gott! Mit einem Eidschwur hat er seinem Volk den Bund bekräftigt, und er ist ewig treu. Was er gesagt hat, das hat er gehalten bis auf den heutigen Tag; er ist nicht müde noch matt geworden. „Ich tilge deine Sünde wie einen Nebel und deine Missetat wie eine Wolke und will deiner Ungerechtigkeit nicht gedenken“ das hast du verheißen und befestigt mit einem Eidschwur, und du hast es gehalten; du bist mit mir hindurchgegangen durch das Feuer und das finstere Tal; du hast mir zugeschworen: „Ich will dich behüten und tragen bis ins Alter!“ und du hast es getan, hast es alles allein getan, sonst wäre ich schon zwanzig Mal umgekommen.

Ich will dich preisen!“ das ist: ich will dich erhöhen, ich will dich hochsetzen! Ich will bekennen mit meinem Mund vor allen Menschen, vor der ganzen Welt: Gott allein ist hoch! Er sitzt hoch. „Der Himmel ist mein Stuhl“, spricht er, „und die Erde der Schemel meiner Füße“. Ich will dich erhöhen, o mein Gott, ich will bekennen, dass die Herrlichkeit und Majestät dein ist. Das habe ich erblickt an dem Blut auf den Hörnern des Altars: Gott und dem Lamm Lob und Ruhm, Gewalt und Preis und Macht!“ (Off. 5.) So werde ich denn schelten mich selbst und alles Fleisch, und alles auf einen Haufen werfen, dass es alles beschlossen sei unter die Sünde, und ich und alle Menschen verdammt da stehen vor Gottes Richterstuhl, dass wir mit allen unseren Werken, auch mit unseren guten und besten Werken, doch nichts sind vor Gott. Möge ein Knecht kommen mit der wohlgelungenen Arbeit, er wird reichlichen Lohn erhalten; aber vor Gott ist alles, was von Menschen kommt, Sünde, und nur wert, dass es in den Abgrund geworfen werde. So wird Gott erhöht.

Glückselig der Mensch, der von Gott gedemütigt ist, dass er die Frucht dieser Predigten über den hundertachtzehnten Psalm davontrage! Glückselig der Mensch, der ablegt seinen Stolz und seine Hoffart; sie werden aber abgelegt von denen, die zerbrochenen Herzens sind. Glückselig, der sich nichts anmaßt, aber mit seinem Tun es beweist, dass er Gott hoch hält. Glückselig der Mensch, der also zerbrochen und zu nichts geworden ist, dass er seinen Gott erhöht aufs höchste, so hoch als er vermag, und es bekennt: Es komme die Flut heran, Gott sitzt doch höher denn die Sintflut und all ihre Wellen, wie sie auch toben! Das ist also „Gott erhöhen“, dass, ob ich auch noch so tief liege und niedergeschlagen bin, ich es doch für gewiss und wahrhaftig halte: Er sitzt so hoch, dass seine Höhe nur darin besteht, dass er in die Tiefe steigt und aus dem Abgrund errettet. Das ist seine Höhe! Sie leuchtet und glänzt in dem Blut an den Hörnern des Altars.

Darum wollen wir nach dem Befehl unseres Herrn Jesu den Psalm also beendigen, wie wir denselben angestimmt haben, mit den Palmen in den Händen, auf den Harfen Gottes: „Dankt dem Herrn, denn er ist freundlich!“ Wohl uns bei aller Not dieses Lebens, wenn Gott uns Gnade erweist, dass, wo wir angefangen haben: „Dankt dem Herrn, denn er ist freundlich, und seine Güte währt ewiglich. Es sage nun Israel: Seine Güte währt ewiglich!“ wir dann auch schließen dürfen, wie wir angefangen haben. Im Anfang der Bekehrung heben wir mit dem Psalm an: „Dankt dem Herrn, denn er ist freundlich, und seine Güte währt ewiglich!“ Wir finden diesen Psalm, diese Worte auch angestimmt im hundertsiebten Psalm, Vers 1; im hundertsechsten Psalm, Vers 1; es schließt also der hundertste Psalm. Ebenso ist es der Inhalt des hundertsiebzehnten Psalms: „Lobt den Herrn, alle Heiden, preist ihn, alle Völker, denn seine Gnade und Wahrheit waltet über uns in Ewigkeit. Halleluja!“ Es ist der Inhalt des hundertsechsunddreißigsten Psalms. Da haben wir sechsundzwanzig Mal: „Dankt dem Herrn, denn er ist freundlich. und seine Güte währt ewiglich! Dankt dem Gott aller Götter, denn seine Güte währt ewiglich!“

David sang diese Worte (1. Chron. 16,34), da er vor der Bundeslade hüpfte und sie hinaufbrachte in die Stadt Gottes; und dennoch war er voll Angst, denn zuvor war Usa totgeschlagen worden, da er seine Hand ausgereckt hatte an die Lade des Herrn. David war darüber in große Not gekommen. Aber nunmehr zieht die Lade herauf, und er geht vor der Lade her; wird vielleicht der Donner und Blitz herausbrechen und alle totschlagen? Die Gläubigen, Brüder und Schwestern, umgaben ihn, so viel ihrer waren; aber auch die Teufel alle hatten sich auf die Beine gemacht, dem armen David bange zu machen. Und so singt er denn gegen sie alle an: „Dankt dein Herrn, denn er ist freundlich, und seine Güte währt ewiglich“. „Ich werde nicht sterben, sondern leben!“ „Mache dich auf zu deiner Ruhe, du und die Lade deiner Macht!“

„Dankt dem Herrn, denn er ist freundlich, und seine Güte währt ewiglich!“ so sang der bedrängte König Josaphat, da die große Menge der Feinde gegen ihn herankam, und er in Furcht des Herrn Antlitz suchte und zu ihm sprach: „In uns ist keine Kraft gegen die große Menge, die herankommt; aber unsere Augen schauen auf dich!“ Da befahl der Geist Gottes, dass die Priester herantreten sollten im heiligen Schmuck und dem Feinde entgegenziehen, nicht mit Schwert und Bogen, sondern mit dem Psalm und mit den Worten des Psalms: „Dankt dem Herrn, denn er ist freundlich, und seine Güte währt ewiglich!“

Wir haben, meine Geliebten, Ursache dem Herrn zu danken, ihm zu danken, ihn zu loben für und für! Denn ich komme auf das Höchste, das Einzige: Was, ob wir die Unsrigen verlieren; wenn wir die Seele verlieren, das ist was anderes! Was, meine Geliebten, ob wir alles verloren haben; Gott verloren zu haben, das ist doch was anderes! Was, ob auch alles dahin ist, was ist es, wenn die Gnade nicht dahin ist? wenn ich weiß, dass ich einen gnädigen Gott und versöhnten Vater im Himmel habe? wenn die Gnade mir zu teil geworden ist, dass ich singen darf:

Mein Sünden all,
Und ohne Zahl,
Sind gnädiglich vergeben.
Ich hab' den ew'gen Tod verdient
Und erb' das ewige Leben!

Wo wir also sehen das Blut an den Hörnern des Altars, da lernen wir buchstabieren: „Was ist dein einiger Trost im Leben und im Sterben?“ „Was glaubst du von Vergebung der Sünden?“ Wo Vergebung der Sünden ist, da ist Leben und Seligkeit, da ist Gebet und Gnade, da ist Auferstehung! Mein Gott, der mir meine Sünden vergab, der sich selbst mir gab, schaut auch in mein Grab und in die Gräber der Meinen; es soll alles, alles wiederkommen, dass wir ewig, ewig, mit Palmzweigen in der Hand, Lob singen Gott und dem Lamme: Du hast alles wohl gemacht! Ewig ist deine Gnade!

Amen.

Schlussgesang.

Psalm 146, Vers 1.

Halleluja! Gott zu loben,
Bleibe meine Seelenfreud'!
Ewig sei mein Gott erhoben,
Meine Harfe ihm geweiht!
Ja, so lang ich leb' und bin,
Dank, anbet und preis' ich ihn.

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