Calvin, Jean - Apostelgeschichte - Kapitel 2.

Calvin, Jean - Apostelgeschichte - Kapitel 2.

1 Und als der Tag der Pfingsten erfüllet war, waren sie alle einmütig beieinander. 2 Und es geschah schnell ein Brausen vom Himmel, als eines gewaltigen Windes, und erfüllte das ganze Haus, da sie saßen. 3 Und es erschienen ihnen Zungen zerteilet wie von Feuer; und er setzte sich auf einen jeglichen unter ihnen; 4 Und wurden alle voll des heiligen Geistes, und fingen an, zu predigen mit andern Zungen, nach dem der Geist ihnen gab auszusprechen.

V. 1. Als der Tag der Pfingsten erfüllet, d. h. gekommen war. Wiederum gibt Lukas der Beständigkeit der Jünger ein gutes Zeugnis, indem er berichtet, dass sie bis zur bestimmten Zeit beieinander blieben, und zwar einmütig. Weshalb übrigens der Herr die Ankunft des Geistes um ein und einen halben Monat hinausschob, haben wir schon gesagt. Es lässt sich aber fragen, warum die Sendung gerade an diesem Tage erfolgte. Ich will die Parallele, welche Augustin zieht, nicht anfechten: wie dem Volk des alten Bundes fünfzig Tage nach dem Passah das Gesetz gegeben wurde, von Gottes Hand in steinerne Tafeln geschrieben, so hat der Geist, der das Gesetz in unsere Herzen schreiben soll, ebenso viele Tage nach der Auferstehung Christi, des wahren Passahlammes (1. Kor. 5, 7), erfüllt, was im Gesetz nur bildlich dargestellt war. Gewiss erscheint mir aber, dass das Wunder an einem festlichen Tage, an welchem eine ungeheure Menschenmenge in Jerusalem zusammenzuströmen pflegte, geschehen und dadurch bekannter werden sollte. Sicherlich wurde es durch diese Gelegenheit bis an die äußersten Grenzen der Erde ausgebreitet, wie wir bald sehen werden. In derselben Absicht ist auch Christus oft zu den Festtagen nach Jerusalem gegangen, um seine Wunder in weiteren Kreisen bekannt zu machen und dadurch für eine größere Zahl von Menschen seiner Lehre Frucht zu schaffen (Joh. 2, 13 ff. usw.).

Auch von Paulus wird Lukas berichten, dass er sich eilte, vor Pfingsten nach Jerusalem zu kommen (Apg. 20, 16), nicht aus religiöser Peinlichkeit, sondern weil er bei dem großen Zufluss von Menschen für viele Nutzen schaffen konnte. So wurde dieser Tag für das Wunder um der Zweckmäßigkeit willen ausgewählt: erstlich sollte man es in Jerusalem höher rühmen, weil die Juden jetzt besonders auf die Betrachtung der Werke Gottes gestimmt waren; zum andern sollte die Kunde in entfernte Gegenden dringen. „Pfingsten“, d. h. der fünfzigste Tag, hieß das Fest, weil man von der Darbringung der Erstlingsgarbe an rechnete.

V. 2. Und es geschah schnell usw. Die Gabe musste sichtbar sein, damit die körperliche Empfindung die Jünger desto mehr aufwecke. Denn bei unserer Trägheit für die Erwägung göttlicher Gaben wird deren Kraft unerkannt vorübergehen und verfließen, wenn nicht im Voraus alle unsre Sinne aufgeweckt werden. Es handelte sich also um eine Vorbereitung, welche die Jünger besser erkennen ließ, dass jetzt der von Christus verheißene Geist erscheine. Immerhin geschah das Zeichen weniger um ihret- als um unsertwillen. Dass zerteilte und feurige Zungen erschienen, geschah mehr in Rücksicht auf uns und die gesamte Kirche als auf sie. Gott hätte sie mit der für die Ausbreitung des Evangeliums erforderlichen Fähigkeit ausrüsten können, auch ohne ein Zeichen hinzuzufügen. Sie würden gewusst haben, dass die plötzliche Änderung nicht durch Zufall oder ihr eigenes Bemühen herbeigeführt wurde. Aber die hier berichteten Zeichen sollten allen Jahrhunderten nützen, wie wir denn ihren Nutzen noch heute spüren.

Übrigens haben wir kurz auf die Bedeutung der Zeichen zu achten. Das Brausen vom Himmel soll Schrecken erregen. Denn wir werden zur Aufnahme der göttlichen Gnade erst recht gerüstet, wenn unsere fleischliche Zuversicht gebändigt ist. Wie der Glaube uns den Zugang zu Gott öffnet, so schaffen Beugung und Furcht, dass ihm die Tür zu uns offen steht. Mit stolzen, sicheren und selbstgefälligen Leuten lässt er sich nicht ein. Dass der Wind den Geist bezeichnet, ist bekannt. Denn auch Christus hauchte seine Jünger an, als er ihnen den Geist geben wollte (Joh. 20, 22). Und in der Vision des Hesekiel (1, 4) ist ebenfalls der ungestüme Wind auf den Geist zu deuten. Der Wesensteil in Gott, den man Geist nennt, ist an sich unbegreiflich. Darum beschreibt ihn die Schrift als einen Windhauch; denn es handelt sich um eine Kraft, die Gott gleichsam hauchend in alle Kreaturen ergießt. Die Erscheinung der Zungen (V. 3) entspricht der gegebenen Lage. Denn wie die Gestalt der Taube, die sich auf Christus niederließ, eine seinem Wesen und Amt entsprechende Bedeutung hatte, so wählte Gott auch jetzt ein Zeichen, das zur bezeichneten Sache stimmte; er wollte die Wirkung des heiligen Geistes anschaulich machen, wie sie alsbald durch die Apostel offenbar wurde. Die Verschiedenheit der Zungen oder Sprachen war ein Hindernis für die weitere Verbreitung des Evangeliums. Hätten seine Verkündiger nur eine einzige Sprache besessen, so hätte jedermann geglaubt, Christus solle im Winkel von Judäa eingeschlossen bleiben. Gott aber fand einen Weg, hier durchzubrechen; er teilte die Zungen der Apostel, damit sie durch alle Nationen ausbreiteten, was ihnen anvertraut war. Darin leuchtet Gottes wunderbare Güte, welche in ein Mittel des Segens verwandelte, was eine Strafe für den Stolz der Menschen war. Hatte doch die Verschiedenheit der Sprachen eben darin ihren Anlass, dass die gottlosen und verbrecherischen Anschläge der Menschen verwirrt werden sollten (1. Mos. 11, 7). Nunmehr rüstet Gott die Apostel mit verschiedenen Sprachen aus, um die hierhin und dorthin auseinanderstrebenden Menschen zur seligen Einheit zurückzurufen. Ihre zerteilten Zungen schafften es, dass alle die Sprache Kanaans reden lernten, wie Jesaja (19, 18) geweissagt hatte. Denn welche Sprache sie immer reden, so rufen sie doch alle mit einem Munde und in einem Geist denselben Vater im Himmel an (Röm. 15, 6). Ich sagte, dass dies um unsertwillen geschah, nicht allein weil der Ertrag uns zugute kam, sondern weil wir nun auch wissen können, dass das Evangelium nicht von ungefähr zu uns flog, sondern nach Gottes Verfügung, welcher den Aposteln zu diesem Zweck zerteilte Zungen gab. Es dient zur Bekräftigung des an die Heiden ergangenen Rufs, dass keinem Volk die den Aposteln anvertraute Lehre entzogen werden soll; auch wird dieselbe dadurch glaubwürdiger, indem wir wissen, dass nicht Menschen sie gemacht haben, da ja, wie wir hören, in ihren Zungen der heilige Geist wohnte. Endlich bleibt noch zu sagen, was (V. 3) das Feuer bedeutet. Ohne Zweifel war es ein Zeichen der Wirkungskraft, die sich im Wort der Apostel offenbaren sollte. Denn hätten sie ohne solche Kraft ihre Stimme bis zu den äußersten Grenzen der Welt dröhnen lassen, so hätten sie lediglich ohne Frucht die Luft in Bewegung gesetzt. Darum deutet der Herr darauf hin, dass ihre Stimme feurige Kraft haben wird, die Herzen der Menschen zu entzünden; sie wird das eitle Wesen der Welt verbrennen und verzehren und alles reinigen und erneuern. Die Apostel würden nicht gewagt haben, ein so schwieriges Werk anzugreifen, hätte nicht der Herr sie der Wirkungskraft ihrer Predigt gewiss gemacht. So geschah es, dass ihre Lehre nicht bloß durch die Luft schallte, sondern in die Herzen der Menschen drang und sie mit himmlischer Glut erfüllte. Und diese Gewalt wurde nicht bloß im Wort der Apostel offenbar, sondern zeigt sich noch täglich. Umso mehr sollen wir uns hüten, dass wir nicht Stoppeln seien, wenn das Feuer brennt. Übrigens hat der Herr den heiligen Geist seinen Jüngern einmal unter sichtbarer Erscheinung gegeben, damit wir mit Sicherheit urteilen können, dass der Gemeinde niemals seine unsichtbare und verborgene Gnadenwirkung fehlen werde.

Und er setzte sich usw. Der Satz könnte auch auf das Feuer bezogen werden: es setzte sich. Ich beziehe ihn aber auf den Geist, der ja mit den Zungen zusammenfällt, von denen eben die Rede war. So nennt auch Johannes die Taube den heiligen Geist (Joh. 1, 32), weil unter diesem Zeichen der Herr die Gegenwart seines Geistes bezeugen wollte. Handelte es sich um ein leeres Zeichen, so wäre diese Redeweise ungereimt; wo aber die Sache mit dem Zeichen sich verbindet, da kann man diesem recht wohl den Namen derselben geben; denn das Zeichen bietet uns die Sache sinnenfällig an. Dass (V. 4) alle voll des heiligen Geistes wurden, besagt nicht, dass ein jeder das gleiche Maß von Gaben, sondern dass er eine herrliche Fülle empfing, die für die Ausrichtung seines Amtes ausreichte.

Und fingen an zu predigen. Der Satz gibt an, dass die Wirkung sofort sich zeigte, wie auch, zu welchem Zweck die Zungen gebraucht werden sollten. Wenn nun Lukas alsbald berichtet (V. 6), dass ein jeder der aus verschiedenen Gegenden gekommenen Fremdlinge die Apostel zu seiner Verwunderung mit seiner Sprache reden hörte, so halten manche Ausleger es für wahrscheinlich, dass sie nicht verschiedener Sprachen sich bedienten, sondern dass die verschiedenen Zuhörer, was in einer einzigen Zunge geredet ward, so vernahmen, als hörten sie ihre angeborene Sprache. So wäre ein und derselbe Wortlaut den Zuhörern in verschiedener Weise zugeteilt worden. Petrus habe von den vielen Leuten aus verschiedenen Völkern eine einzige Predigt gehalten, welche seine Rede nicht hätten verstehen können, wäre nicht ein anderer Klang zu ihren Ohren gedrungen, als er von seinem Munde ausging. Ich behaupte aber, dass die Jünger tatsächlich in fremden Zungen geredet haben; denn sonst wäre das Wunder nicht an ihnen, sondern an den Zuhörern geschehen; dann wäre auch die gleichnisartige Veranschaulichung, von der wir hörten, unrichtig, da ja nicht ihnen der heilige Geist gegeben wäre, sondern den andern. Bekanntlich dankt auch Paulus dem Herrn dafür, dass er mit anderen Zungen reden kann (1. Kor. 14, 18). So nimmt er ohne Zweifel für sich in Anspruch, dass er sie verstehe und zu gebrauchen wisse. Er hatte aber diese Fähigkeit nicht durch eigenes Bemühen oder Fleiß erlangt, sondern durch die Gabe des Geistes. Wir sehen daraus, dass es sich um eine besondere Begabung handelt, die nicht jedermann zuteil wurde. Den Aposteln aber war verliehen, die verschiedenen Sprachen zu gebrauchen und zu verstehen, so dass sie mit Griechen griechisch, mit Leuten aus Italien lateinisch reden und mit ihren Zuhörern völlig ungehindert verkehren konnten. Ob noch das zweite Wunder hinzukam, dass Ägypter und Elamiter den chaldäisch redenden Petrus verstehen konnten, als hätte er verschiedene Sprachen geredet, will ich nicht entscheiden. Denn seine Predigt konnte von dem größten Teil der Hörer trotz ihrer sehr verschiedenen Herkunft ohnedies verstanden werden; wahrscheinlich verstanden die meisten der Fremdlinge, die in Jerusalem zusammengeströmt waren, das Chaldäische.

5 Es waren aber Juden zu Jerusalem weilend, die waren gottesfürchtige Männer aus allerlei Volk, das unter dem Himmel ist. 6 Da nun diese Stimme geschah, kam die Menge zusammen, und wurden bestürzt; denn es hörte ein jeglicher, dass sie mit seiner Sprache redeten. 7 Sie entsetzten sich aber alle, verwunderten sich und sprachen untereinander: Siehe, sind nicht diese alle, die da reden, aus Galiläa? 8 Wie hören wir denn ein jeglicher seine Sprache, darinnen wir geboren sind? 9 Parther und Meder und Elamiter, und die wir wohnen in Mesopotamien und in Judäa und Kappadocien, Pontus und Asien, 10 Phrygien und Pamphylien, Ägypten und an den Enden von Libyen bei Kyrene und Ausländer von Rom, 11 Juden und Judengenossen, Kreter und Araber: wir hören sie mit unsern Zungen die großen Taten Gottes reden. 12 Sie entsetzten sich aber alle, und wurden irre, und sprachen einer zu dem andern: Was will das werden? 13 Die andern aber hatten's ihren Spott und sprachen: Sie sind voll süßen Weins.

V. 5. Es waren aber Juden zu Jerusalem weilend. Dass diese Juden als gottesfürchtige Männer bezeichnet werden, soll wohl andeuten, dass sie um der Verehrung Gottes willen nach Jerusalem kamen. Gott hat ja in allen Jahrhunderten nach der Zerstreuung, gleichwie durch eine erhobene Fahne, einen übrig gebliebenen Samen in jener Stadt zusammengeführt, weil noch der Tempel seinen Nutzen hatte. Die Bezeichnung lehrt uns aber auch, welchen Leuten die Wunder wirklichen Nutzen schaffen, die Gott zum Beweise seiner Macht tut. Denn gottlose und unheilige Menschen lachen darüber oder kümmern sich nicht darum, wie wir sofort sehen werden. Außerdem sollten die Zeugen als Leute beschrieben werden, die wegen ihrer Frömmigkeit besonders glaubwürdig sind. Sie stammen nun aus allerlei Volk, also aus sehr verschiedenen und weit voneinander entfernten Gegenden. Werden doch alsbald Länder aufgezählt, die in ungeheurem Abstand voneinander lagen: Libyen und Pontus, Rom und das Partherland, Arabien usw. Dadurch wächst die Größe der Sache. Denn Kreter und Asiaten hätten wegen ihrer nahen Nachbarschaft etwa sprachlichen Austausch pflegen können; so aber stand es nicht zwischen den Bewohnern von Italien und Kappadocien, von Arabien und Pontus. Übrigens war es ein merkwürdiges und äußerst bewundernswertes Werk Gottes, dass er bei der weiten und schrecklichen Zerstreuung des Volks doch allenthalben noch einige Reste bewahrte, ja sogar es bewirkte, dass dem so gebeugten und gleichsam verlorenen Volk manche Fremde sich anschlossen. Alle diese Leute, die weithin in die Verbannung getrieben waren und gleichsam in verschiedenen Welten wohnten, fühlten sich doch durch die Einheit des Glaubens verbunden. Denn nicht umsonst heißen sie fromme und gottesfürchtige Männer.

V. 6. Kam die Menge zusammen. Dies Zusammenströmen wird der Anlass, dass die Verschiedenheit der Sprachen durch den Vergleich sich feststellen lässt und nun umso mehr auffällt. Der Umstand kommt hinzu, dass man allgemein weiß, woher die Apostel stammen und wie sie nie ihr Vaterland verließen, so dass sie fremde Sprachen hätten lernen können. Indem sie nun unterschiedslos, wie es die Gelegenheit bringt, der eine lateinisch, der andere griechisch, wieder ein anderer arabisch reden, auch von einer Sprache in die andere übergehen, wird Gottes Werk ganz besonders eindrücklich.

V. 11. Wir hören sie die großen Taten Gottes reden. Zweierlei gibt Lukas an, welches die Verwunderung der Zuhörer hervorrief: erstlich redeten die Apostel, die in einem verachteten Winkel geboren und zuvor ungelehrte Laien waren, großartig und mit himmlischer Weisheit von göttlichen Dingen; zum andern waren sie plötzlich mit neuen Zungen begabt. So gibt man dem Herrn die schuldige Ehre, indem man verwundert aufmerkt. Als Hauptfrucht des Wunders wird aber angegeben, dass man zu fragen anfängt. Das ist ein Beweis, dass die Leute zu lernen bereit sind. Das bloße Erstaunen hätte sonst nicht viel genützt; vielmehr sollen sich mit der staunenden Bewunderung der Werke Gottes die erwägende Betrachtung und der Trieb verbinden, sie zu verstehen.

V. 13. Die andern aber hatten's ihren Spott. Hier sieht man, wie wunderbar gedankenlos und verkehrt die Menschen sind; Satan hat ihnen den Verstand genommen. Stiege Gott sichtbar vom Himmel herab, so könnte man seine Majestät kaum klarer schauen als in diesem Wunder. Wer auch nur einen Tropfen unverdorbenen Sinnes hat, muss schon durch bloßes Hören sich gepackt fühlen. Wie stumpf sind nun jene Leute, die mit den Augen sehen und doch spotten und mit ihren Witzen Gottes Macht beiseite schieben wollen! Aber so ist es. Nichts ist so bewundernswert, dass nicht Menschen, die Gott aus dem Wege gehen, es in Spott verkehren könnten; absichtlich ziehen sie sich angesichts der klarsten Dinge eine Hornhaut von Unwissenheit über. Gottes Rache gegen solch stolzes Gebaren ist gerecht; er übergibt sie dem Satan, damit er sie in blinde Wut hineinstoße. So dürfen wir uns nicht wundern, wenn heute die meisten trotz hellsten Lichtes blind sind und taub gegenüber der klarsten Lehre, ja anspruchsvoll das ihnen dargebotene Heil verwerfen. Denn wenn die außerordentlichen Werke Gottes, in welchen er seine Macht ganz großartig ins Licht setzt, dem Spott der Menschen unterliegen, wie wird es dann erst der Lehre ergehen, die sie für eine ganz gewöhnliche Sache halten? Die fromme Scheu, die der Anfang gesunder Einsicht ist, findet sich nur selten und bei wenigen Menschen. Wenn aber auch die Mehrheit sich mit eiserner Widerspenstigkeit gegen die Betrachtung der Werke Gottes verschließt, so werden dieselben, wie man auch in unserer Geschichte sehen kann, doch niemals ohne Frucht bleiben.

14 Da trat Petrus auf mit den Elfen, erhob seine Stimme und redete zu ihnen: Ihr Juden, lieben Männer, und alle, die ihr zu Jerusalem wohnet, das sei euch kundgetan, und lasset meine Worte zu euren Ohren eingehen. 15 Denn diese sind nicht trunken, wie ihr wähnet; sintemal es ist die dritte Stunde am Tage; 16 sondern das ist's, das durch den Propheten Joel zuvor gesagt ist: 17 „Und es soll geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott, ich will ausgießen von meinem Geist auf alles Fleisch; und eure Söhne und eure Töchter sollen weissagen, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen, und eure Ältesten sollen Träume haben; 18 und auf meine Knechte und auf meine Mägde will ich in denselbigen Tagen von meinem Geist ausgießen, und sie sollen weissagen; 19 und ich will Wunder tun oben im Himmel und Zeichen unten auf Erden, Blut und Feuer und Rauchdampf; 20 die Sonne soll sich verkehren in Finsternis und der Mond in Blut, ehe denn der große und offenbarliche Tag des Herrn kommt, 21 und soll geschehen, wer den Namen des Herrn anrufen wird, soll selig werden.“

V. 14. Da trat Petrus auf. Dies deutet darauf, dass er in der Versammlung eine wichtige Rede halten will. Denn wer eine Ansprache an das Volk richtet, erhebt sich, um leichter verstanden zu werden. Der Hauptinhalt der Predigt ist nun der, man solle aus der vor Augen liegenden Gabe des heiligen Geistes den Schluss ziehen, dass der Messias bereits erschienen sei. Zuerst aber tritt Petrus der falschen Meinung entgegen, als wären die Jünger betrunken. Er erklärt dies schon darum für unwahrscheinlich, weil die Menschen sich nicht am frühen Morgen zu berauschen pflegen. Es ist ja, wie Paulus sagt (1. Thess. 5, 7): „Die da trunken sind, die sind des Nachts trunken.“ Aus Scham fliehen sie das Licht. Mit Recht, denn dies Laster ist besonders hässlich. Immerhin würde dieser Beweis nicht unter allen Umständen gelten; schon Jesaja (5, 11) fuhr seinerzeit gegen die Leute los, die früh aufstanden, sich des Saufens zu befleißigen. Aber weil dies nicht die gewöhnliche Sitte ist, kann Petrus wohl sich dieses Wahrscheinlichkeitsbeweises bedienen. Wer das Altertum einigermaßen kennt, weiß, dass man den bürgerlichen Tag vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Untergang rechnete und in zwölf Stunden teilte. So waren die Stunden im Sommer länger, im Winter kürzer. Was die Alten als die dritte Stunde zählten, wäre also jetzt im Winter etwa neun Uhr, im Sommer acht Uhr vormittags. Des Weiteren führt Petrus seinen Beweis mit dem Zeugnis des Propheten Joel. Wenn jetzt erfüllt ist, was geweissagt war, so muss er den Undank tadeln, dass man eine so ausgezeichnete, längst verheißene Gnadengabe, da sie nun vor Augen liegt, nicht anerkennen will. Gewiss soll der Spott weniger Leute nicht der Gesamtheit Schuld gegeben werden; aber Petrus versäumt nicht, an diesen Anlass anzuknüpfen, um alle zugleich zu belehren.

V. 17. Und es soll geschehen in den letzten Tagen usw. Aus dieser Wirkung soll sich der Beweis ergeben, dass der Messias bereits erschienen ist. Joel (3, 1) spricht zwar nicht ausdrücklich von den letzten Tagen; da er aber von der völligen Wiederherstellung der Gottesgemeinde handelt, zielt seine Weissagung ohne Zweifel auf die letzte Zeit. Weil also mit der Erneuerung der Gemeinde gleichsam ein neues Zeitalter anhebt, darum verlegt Petrus sie auf die letzten Tage. War es doch überhaupt den Juden geläufig, alle jene herrlichen Verheißungen von einem glücklichen und wohlgeordneten Zustand der Gemeinde nicht früher erfüllt zu denken, als bis Christus durch seine Ankunft alles wiederherstellte. So hat Petrus die Worte des Propheten nicht mit einem fremdartigen Zusatz versehen, sondern richtig erläutert.

Ich will ausgießen von meinem Geist. Der Apostel will beweisen, dass die Gemeinde nicht anders wiederhergestellt werden kann als durch die Gabe des heiligen Geistes. Wenn also jedermann auf die nahe Wiederherstellung hoffte, so muss die Gedankenlosigkeit getadelt werden, dass man nicht erwägt, in welcher Weise der Geist kommen wird. Dass Gott, wie der Prophet sagt, ihn „ausgießen“ will, deutet ohne Zweifel auf einen reichen Zufluss. Dass er aber „von seinem Geist“ ausgießt, wie Petrus nach der griechischen Übersetzung sagt, ist nichts anderes, als dass er seinen Geist ausgießt, wie der hebräische Text des Propheten lautet. Immerhin könnte dieser Ausdruck darauf deuten, dass Gott aus seinem Geist als aus dem einzigen und unerschöpften Quell eine vielgestaltige Mannigfaltigkeit seiner Gaben auf die Menschen fließen lässt. Denn nach dem Zeugnis des Paulus (1. Kor. 12, 4) sind mancherlei Gaben, aber es ist ein Geist. Daraus erschließen wir die nützliche Lehre, dass Gott uns nichts Herrlicheres geben kann als die Gnadengabe seines Geistes, ja dass ohne dieselbe alles andere nichts ist. Denn wenn Gott seinem Volk ganz im allgemeinen Heil verheißt, sagt er, dass er seinen Geist geben wolle. Daraus folgt, dass wir ein Gut nicht eher gewinnen können, als bis wir mit dem heiligen Geist beschenkt worden sind. Er ist der Schlüssel, der uns die Tür zu den Schätzen aller geistlichen Gaben, ja zum Eingang in Gottes Reich öffnet.

Über alles Fleisch. Dieser umfassende Ausdruck wird durch die nachfolgende Teilung erläutert: es soll kein Unterschied der Alters und Geschlechts mehr sein. Gott will alle ohne Ausnahme in die Gemeinschaft seiner Gnade zulassen. Von allem Fleisch ist die Rede, weil Junge und Alte, Männer und Weiber in Betracht kommen. Doch lässt sich fragen, weshalb Gott seinem Volk als ein neues und bis dahin unerhörtes Gut verspricht, was er doch von Anbeginn der Welt an bereits allgemein zu schenken pflegte. Denn kein Zeitalter ist ohne die Gnadengabe des Geistes gewesen. Die Lösung dieser Frage liegt in den beiden Ausdrücken: „Ich will ausgießen“ und „über alles Fleisch“. Sie bezeichnen einen doppelten Gegensatz zwischen der Zeit des Alten und Neuen Testaments. Denn das Ausgießen deutet, wie wir schon sagten, auf eine reiche Fülle, während die Austeilung unter dem Gesetz spärlicher vor sich ging. Darum sagt auch Johannes (7, 39), der heilige Geist sei nicht eher gegeben worden, als bis Christus gen Himmel fuhr. Alles Fleisch bezeichnet eine ungeheure Menge, während der Herr vorher nur wenige einer so reichen Mitteilung seines Geistes gewürdigt hatte. Bei alledem soll doch nicht geleugnet werden, dass die Väter unter dem Gesetz im Genuss der gleichen Gnade standen wie wir; aber der Herr will sagen, dass wir ihnen überlegen seien, wie wir es denn wirklich sind. Wie gesagt, waren alle Frommen vom ersten Anbeginn der Welt an mit demselben Geist der Erkenntnis, Gerechtigkeit und Heiligung begabt, mit welchem heute der Herr uns erleuchtet und zu neuem Leben führt; aber im Vergleich mit der gewaltigen Menge von Gläubigen, welche Christus plötzlich durch seine Ankunft sammelte, war damals doch nur wenigen das Licht der Erkenntnis geschenkt. Zudem war ihre Erkenntnis dunkel und gering, gleichsam wie mit einer Hülle bedeckt, im Vergleich zu der Erkenntnis, die wir heute aus dem Evangelium gewinnen, da Christus, die Sonne der Gerechtigkeit, mit vollem Glanze, als am Mittage, leuchtet. Dem widerspricht auch nicht, dass einige sich durch einen erhabenen Glauben auszeichneten, wie ihn heute fast niemand besitzt. Denn ihre Erkenntnis schmeckte trotz allem nach der Erziehung unter dem Gesetz. Es bleibt immer wahr, dass fromme Könige und Propheten nicht gesehen noch gehört haben, was Christus durch sein Erscheinen offenbart hat (Mt. 13, 17; Lk. 10, 24). Um also den Vorzug des Neuen Testaments zu rühmen, kündigt Joel an, dass unter ihm eine reichere Gnadengabe des Geistes kommen und zu einem weiteren Kreis von Menschen gelangen werde.

Eure Söhne und eure Töchter sollen weissagen. Die Prophetie soll als eine seltene und einzigartige Gabe der Erkenntnis verstanden werden. Eben darauf zielt die Fortsetzung: eure Jünglinge sollen Gesichte sehen, und eure Ältesten sollen Träume haben. Damit wird nämlich die geläufige Weise beschrieben, in welcher Gott sich den Propheten zu offenbaren pflegte. Es ergibt sich dies aus 4. Mose 12, 6 f., wo Gott seinen Knecht Mose der gewöhnlichen Ordnung der Propheten gegenüberstellt; ihnen will er sich kundmachen in einem Gesicht oder in einem Traum, mit Mose aber will er von Angesicht zu Angesicht reden. Wir sehen also, wie Joel zur Bekräftigung die allgemeine Gabe der Prophetie in zwei Unterteile zerlegt. Alles in allem will er sagen, dass alle Glieder der Gemeinde Propheten werden sollen, sobald der heilige Geist sich vom Himmel ergießt. Allerdings wirft man ein, dass sich davon nichts nachweisen ließ, selbst nicht bei den Aposteln, geschweige denn bei der gesamten Herde der Gläubigen.

Demgegenüber erinnere ich daran, dass die Propheten das Reich Christi unter den ihrem Zeitalter geläufigen Bildern abzuschatten pflegten. Wenn sie von der Gottesverehrung reden, nennen sie den Altar, die Opfer, die Darbringung von Gold, Silber und Weihrauch. Und doch wissen wir, dass die Altäre jetzt gewichen, die Opfer, deren man sich unter dem Gesetz bediente, abgeschafft sind, und dass der Herr jetzt etwas Höheres von uns fordert als irdische Schätze. So wahr dies nun ist, so passen doch die Propheten ihre Redeweise dem Verständnis ihrer Zeitgenossen an, indem sie unter den Bildern, welche dem Volk damals vertraut waren, die Dinge verhüllt darstellen, die uns doch jetzt auf andere Weise dargeboten werden. So verheißt Gott an einer anderen Stelle (Jes. 66, 21), er wolle auch aus den Leviten Priester und aus dem gemeinen Volk Leviten nehmen, was nichts anderes besagen soll, als dass unter dem Reich Christi auch der Geringste auf einer ehrenvollen Stufe stehen wird. Wollen wir also unsere Stelle in ihrem wahren und echten Sinn verstehen, so dürfen wir nicht die Worte pressen, die der alten, gesetzlichen Heilsveranstaltung entnommen sind, sondern müssen lediglich nach der Bedeutung der Bilder fragen. Diese aber ist, dass die Apostel plötzlich unter dem Anhauch des Geistes über die himmlischen Geheimnisse prophetisch, das ist in göttlicher und erhabener Kraft zu reden vermochten. „Weissagen“ bedeutet also nichts anderes als eine seltene und hervorragende Gabe der Erkenntnis. Joel will sagen, dass unter Christi Reich es nicht nur wenige Propheten geben solle, welchen Gott seine Geheimnisse offenbart, sondern dass alle bis zu prophetischer Erhabenheit mit geistlicher Weisheit begabt sein wollen. So lesen wir auch bei Jeremia (31, 34): „Es wird keiner den anderen, noch ein Bruder den andern lehren, sondern sie sollen mich alle kennen, beide klein und groß.“ So lädt denn Petrus mit diesen Worten die Juden, an welche er sich richtet, zur Teilnahme an derselben Gnade ein. Er will etwa sagen: den Geist, den der Herr auf uns ausgegossen hat, ist er bereit, weit und breit auszugießen. Also wenn ihr es nicht hindern wollt, werdet ihr mit uns aus dieser Fülle schöpfen. Wir sollen aber wissen, dass heute uns gilt, was den Juden damals gesagt wurde. Haben auch die sichtbaren Gaben des Geistes aufgehört, so hat doch Gott nicht den Geist selbst seiner Kirche entzogen. Er bietet ihn mit dieser Weissagung unterschiedslos uns allen an. Dass wir dürftig und arm sind, liegt also nur an unserer Trägheit. Zugleich lässt sich klar ersehen, dass nur gottlose und tempelschänderische Feinde des Geistes das christliche Volk von der Erkenntnis Gottes abhalten können, während der Herr selbst Weiber und Männer, Jünglinge und Greise nicht bloß zulässt, sondern mit Namen herbeiruft.

V. 18. Und auf meine Knechte usw. Diese Worte beschränken die Verheißung auf die Verehrer Gottes. Denn Gott macht seinen Geist nicht gemein, was geschehen würde, wenn er ihn den Ungläubigen und Verächtern hinwürfe.

Freilich ist richtig, dass wir durch den Geist Knechte Gottes werden, es also nicht sind, bis wir ihn empfangen. Aber zum ersten häuft Gott darnach immer neue Gaben auf diejenigen, welche er in seine Familie aufgenommen und durch seinen Geist zum Gehorsam gebildet hat. Zum andern beschäftigt sich der Prophet nicht mit dieser zeitlichen Reihenfolge, sondern will lediglich zu verstehen geben, dass diese Gnadengabe ein eigentümlicher Besitz der Gemeinde ist. Weil aber die Gemeinde nur bei den Juden ihre Stätte hatte, empfangen sie den Ehrennamen der Knechte und Mägde Gottes.

Nachdem aber der Herr die Scheidewand abgebrochen und sich eine Gemeinde aus allen Völkern gesammelt hat, wird der gleiche Name allen zuteil, die in die Gemeinschaft dieses Bundes Aufnahme fanden. Es gilt also festzuhalten, dass der Geist insbesondere der Gottesgemeinde zugedacht ist.

V. 19. Und ich will Wunder tun. Zuerst müssen wir fragen, welches jener große Tag des Herrn ist, auf welchen der Prophet deutet. Manche denken an Christi erste Ankunft im Fleisch, andere an den jüngsten Auferstehungstag. Beides scheint mir nicht ganz richtig; vielmehr dürfte der Gedanke des Propheten das ganze Reich Christi umspannen. Er spricht von dem ganzen Tage, der anhob, als der Sohn Gottes sich im Fleisch offenbarte, und währen wird, bis er uns zur Vollendung seines Reiches führt. So handelt es sich nicht um einen bestimmten „Tag“, sondern um die ganze Zeitspanne von der ersten Darbietung des Evangeliums an bis zur letzten Auferstehung. Die Ausleger, welche die Aussage auf die apostolische Zeit beschränken, lassen sich dadurch bestimmen, dass der Prophet von jenem Tage im Anschluss an das Vorangehende spricht (V. 17). Aber es lässt sich verstehen, dass der Prophet den Zeitpunkt angibt, in welchem diese Dinge ihren Anfang nahmen, wenn sie sich auch bis zum Ende der Welt beständig weiter entwickeln werden. Dass (V. 20) die Sonne sich in Finsternis verkehren soll und der Mond in Blut, sind bildliche Reden, die besagen, dass der Herr Zeichen seines Zorns durch das ganze Weltgebäude geben werde, so dass die Menschen im Schrecken allen Mut verlieren, als würde die ganze Natur in schrecklicher Weise umgekehrt. Denn wie Sonne und Mond uns Gottes väterliche Gunst bezeugen, wenn sie durch ihren Dienst die Erde erleuchten, so sollen sie nach dem Wort des Propheten es auch verkünden, wenn Gott erzürnt und beleidigt ist. Und dies ist das zweite Stück der Weissagung. Zuerst war davon die Rede, dass die Gnadengabe des Geistes allem Fleisch reichlich zufließen solle. Damit nun aber niemand von einem sofort eintretenden, glücklichen und ruhigen Zustande träume, fügt der Prophet hinzu, dass die Welt unter Christi Herrschaft voll Verwirrung und vieler Schrecknisse sein werde. Das hat ja Christus selbst uns ausführlich vorgestellt (Mt. 24, 6 ff.). Dabei dient es dann zum besonderen Ruhm der Gnade, dass unter dem überall drohenden Verderben seines Heils gewiss sein darf, wer den Namen des Herrn anruft. Was der Prophet von Verfinsterung der Sonne, von blutigem Schein des Mondes, von Feuer und Rauchdampf sagt, will in Aussicht stellen, dass die Augen der Menschen, wohin sie sich auch wenden, in der Höhe und in der Tiefe, lauter schreckliche Dinge sehen müssen. Daran ermessen wir dann Gottes unermessliche Güte, die gegen so große Übel ein Heilmittel anbietet. Wie undankbar und verkehrt sind die Menschen, die nicht die nahe und offene, rettende Zuflucht benutzen! Ohne Zweifel will Gott durch diese schreckliche Beschreibung alle Frommen aufwecken, dass sie mit glühender Sehnsucht die Rettung noch eifriger suchen. Und indem Petrus diese Weissagung zitiert, will er die Juden wissen lassen, dass sie mehr als unglücklich sein werden, wenn sie nicht die angebotene Gnadengabe des Geistes ergreifen. Man fragt aber: wie stimmt es zusammen, dass bei und nach der Erscheinung Christi ein so gewaltiges Meer von Übeln sich ergießen wird? Ist es nicht ungereimt, dass wir ihn als das einzige Unterpfand der Liebe gegen das Menschengeschlecht betrachten, in welchem der himmlische Vater alle Schätze seiner Güte, ja sein erbarmendes Herz uns erschließt, - und dass doch bei seiner Ankunft Gottes Zorn heftiger als gewöhnlich brennen und gleichsam Himmel und Erde mit seiner Glut verzehren soll? Wir haben aber erstlich darauf zu achten, dass die Menschen zur Aufnahme Christi nur zu träge sind und darum mit mancherlei Bedrängnissen wie mit Geißeln getrieben werden müssen. Zum andern ruft Christus die Mühseligen und Beladenen zu sich (Mt. 11, 24); darum müssen erst viele Übel uns beugen, damit wir Demut lernen. Das Glück pflegt die Menschen stolz zu machen; und wer sich glücklich dünkt, kann fast nicht anders, als Christus trotzig verachten. Zum dritten sind wir nur zu geneigt, Behaglichkeit des Fleisches zu suchen, so dass viele die Gnade Christi nur für das gegenwärtige Leben schätzen; darum ist es gut, dass wir zu andern Gedanken gezogen werden und Christi Reich als ein geistliches betrachten lernen. So übt Gott unser Fleisch durch viele Trübsale, um uns den Blick für die himmlischen Güter Christi zu öffnen. Wir lernen dadurch unser Glück jenseits der Welt suchen. Auch der Undank der Menschen trägt dazu bei, dass das Elend sich häuft. Denn (Lk. 12, 47) der Knecht, der seines Herrn Willen weiß und nicht darnach tut, muss viel Streiche leiden. Je freundlicher Gott in Christus mit uns verkehrt, desto größer wird unsere Unfrömmigkeit und wandelt sich endlich in offenbaren Widerspruch. So dürfen wir uns nicht wundern, wenn mit der Offenbarung Christi auch viele Zeichen der göttlichen Rache auf der andern Seite sich sehen lassen, da die Menschen seitdem durch unfromme Verachtung Gott nur heftiger reizen und seinen Zorn entzünden. Gewiss aber ist es nur eine Nebenerscheinung, wenn Christi Tag sich als erschrecklich darstellt, denn an sich bringt er nichts als Freude. Aber durch die Verachtung seiner Gnade reizt man den Herrn zu schrecklicher Zornesglut.

V. 21. Wer den Namen des Herrn anrufen wird usw. Ein herrliches Wort! Freilich treibt uns Gott wie träge Esel mit Drohungen und Schrecken, dass wir das Heil suchen. Nachdem er aber Himmel und Erde in Finsternis gehüllt hat, zeigt er auch einen Weg, das Heil vor unsern Augen aufleuchten zu lassen: wir haben einfach seinen Namen anzurufen. Beachtenswert ist die Lage, in welcher dies geschieht. Verhieße Gott überhaupt Rettung, so wäre dies schon eine große Sache. Dass er sie aber inmitten eines Strudels tausendfachen Todes verheißt, ist weit größer. Und wie umfassend lautet die Zusage, dass jeder, welcher den Namen des Herrn anruft, zur Rettung eingeladen wird (vgl. auch Röm. 10, 13). So hat schon der Prophet gesprochen (Ps. 65, 3): „Du erhörst Gebet, darum kommt alles Fleisch zu dir.“

Da also niemand von der Anrufung Gottes ausgeschlossen ist, so steht die Tür des Heils für alle offen. Es gibt nichts, was uns den Eintritt verwehren könnte, als der eigne Unglaube. Von allen spreche ich, welchen Gott sich durch das Evangelium offenbart. Wie aber die Anrufung Gottes gewisses Heil bedeutet, so muss auf der andern Seite gesagt werden, dass wir ohne sie dreifach elend und verloren sind. Übrigens tut des dem Glauben keinen Abbruch, wenn das Heil auf die Anrufung Gottes gegründet wird; denn sie kann ja allein aus dem Glauben erwachsen. Bemerkenswert ist auch, dass der Prophet die Anrufung Gottes insbesondere den letzten Tagen zuweist. Denn wenn der Herr auch zu allen Zeiten angerufen sein will, so ist der Zugang zu ihm doch leichter geworden, seitdem er sich uns in Christus zum Vater gab. Dies muss auch unsere Zuversicht steigern und die Lässigkeit austreiben. Auch Jesus zieht den Schluss, dass dieses Vorrecht unsern Gebetseifer verdoppeln müsse (Joh. 16, 24): „Bisher habt ihr nichts gebeten in meinem Namen; bittet, so werdet ihr nehmen.“ Er will damit sagen: „Bisher habt ihr doch gebetet, wiewohl der Mittler und Fürsprecher noch nicht im Fleisch erschienen war. Wie viel mutiger muss es euch nun machen, da ihr euch auf meinen Namen und meine Fürsprache berufen dürft!

22 Ihr Männer von Israel, höret diese Worte: Jesum von Nazareth, den Mann, von Gott unter euch mit Machttaten und Wundern und Zeichen erwiesen, welche Gott durch ihn tat unter euch (wie denn auch ihr selbst wisset), 23 denselbigen (nachdem er aus bedachtem Rat und Vorsehung Gottes übergeben war) habt ihr genommen durch die Hände der Ungerechten, und ihn angeheftet und erwürget. 24 Den hat Gott auferwecket, und aufgelöset die Schmerzen des Todes, wie es denn unmöglich war, dass er sollte von ihm gehalten werden.

V. 22. Jesum von Nazareth usw. Jetzt wendet Petrus die Weissagung des Joel für seinen Zweck an; die Juden sollen daraus erkennen, dass die Zeit der Erneuerung da ist, dass also der Messias ihnen gegeben ward. Denn nur durch die Ankunft des Mittlers konnte diese Verheißung erfüllt werden. Und dann erst machen wir von allen Gaben, die wir durch Christus empfangen, den rechten Gebrauch, wenn wir uns durch sie zu Christus selbst als dem Quell führen lassen. Doch schreitet die Rede nur allmählich zur Höhe. Petrus bezeichnet Jesus nicht gleich im Anfang als den Messias, sondern nur als den Mann, von Gott mit Machttaten und Wundern und Zeichen erwiesen. Dann fügt er hinzu, Jesus sei, nachdem er getötet war, vom Tode auferstanden. Daraus lässt sich gewiss und deutlich erkennen, dass er nicht ein beliebiger Prophet war, sondern Gottes Sohn, der verheißene Wiederhersteller aller Dinge. Ausdrücklich sagt Petrus den Juden: Gott hat ihn unter euch erwiesen. Denn unter ihnen wollte Gott seinen Sohn verherrlichen, damit sie ihn als den Boten Gottes erkennen möchten. Für die Wunder bedient sich der Apostel eines dreifachen Ausdrucks. Sie sind „Machttaten“, weil Gott darin in neuer und ungewohnter Art seine Macht beweist, „Wunder“, weil außerordentliche Dinge uns zur Verwunderung zwingen. „Zeichen“ aber heißen sie, weil nach Gottes Willen unsre Gedanken nicht an ihnen hängen bleiben, sondern höher hinaufsteigen sollen, wie sie denn über sich hinaus auf ein anderes Ziel deuten. Weil übrigens, wie ich sagte, der Apostel nur allmählich zur Höhe empor führen will, stellt er Christus nicht als ersten Urheber, sondern nur als Handlanger bei den Wundern dar. Man könnte aber fragen, ob Wunder als ausreichender Beweis gelten dürfen, weil ja durch solche auch Betrüger und Zauberer sich Glauben verschafften. Aber das Gaukelwerk des Satans, welches freilich beinahe auch die Auserwählten verführen könnte (Mt. 24, 24; vgl. 2. Thess. 2, 8 f.), hebt sich doch stark von Gottes Krafttaten ab. Dass wir uns dadurch täuschen lassen, ist nur die Schuld unserer Sünde und Stumpfheit. Gott enthüllt seine Macht deutlich genug. Die Wunder, die er wirkt, sind ein hinreichend sicherer Beweis der Lehre und des Amtes. Wer nur reines Herzens ist, wird auch mit klaren Augen des Geistes Gott erkennen, so oft er sich erweist. Der Satan kann uns nur täuschen, wenn durch die Verkehrtheit unsers Herzens unser Urteil getrübt ward.

V. 23. Denselbigen habt ihr erwürget. Des Todes Christi gedenkt Petrus, um die Auferstehung desto glaubwürdiger zu machen. Es war eine bekannte Sache bei den Juden, dass man Christus ans Kreuz gehängt hatte. Dass er nun auferstand, ist ein gewaltiger und wunderbarer Beweis göttlicher Kraft. Um aber das Gewissen der Juden durch die Empfindung der Sünde zu treffen, sagt Petrus, dass sie ihn erwürgt haben, - nicht als hätten sie ihn mit eigenen Händen ans Kreuz geschlagen; wohl aber hatte das ganze Volk einstimmig seine Hinrichtung verlangt.

Mochten auch viele der gegenwärtigen Hörer jener verbrecherischen Grausamkeit nicht zugestimmt haben, so rechnet er sie doch mit gutem Grund dem Volk als solchem zu, weil alle sich durch Schweigen oder Gleichgültigkeit versündigt hatten.

Auch mit Unwissenheit kann sich niemand entschuldigen, da ja Christus von Gott zuvor geweissagt war. Diese Schuld, welcher der Apostel alle unterwirft, ist eine Vorbereitung zur Buße.

Aus bedachtem Rat und Vorsehung Gottes. Damit begegnet der Apostel einem Anstoß. Denn auf den ersten Blick erscheint es widersinnig, dass der Mann, den Gott so herrlich geschmückt hat, alsbald dem allgemeinen Spott ausgesetzt ward und einen überaus schmachvollen Tod leiden musste. Weil also Christi Kreuz beim ersten Anblick uns zu verwirren pflegt, erinnert Petrus daran, dass Christus nicht durch Zufall leiden musste, oder weil er nicht die Kraft besessen hätte, sich zu befreien, sondern weil es so von Gott verordnet war. Denn allein diese Erkenntnis, dass in Christi Sterben sich der ewige Rat Gottes vollzieht, bricht törichten und verkehrten Gedanken die Spitze ab und beseitigt Anstöße, die sonst entstehen könnten.

Denn es muss gelten, dass Gott nichts vergeblich und leichthin beschließt. So folgt, dass er einen gerechten Grund hatte, um dessentwillen Christus leiden musste. Eben diese Erkenntnis der göttlichen Vorsehung führt uns empor zur Erkenntnis des Zwecks und der Frucht des Todes Christi. Denn alsbald erfassen wir die Absicht Gottes, dass der Gerechte dem Tode übergeben ward für unsre Sünden, und dass sein Blut das Ablösungsgeld unsers Todes war. Übrigens ist die Stelle besonders bedeutsam für die Erkenntnis der göttlichen Vorsehung, die unser Leben und Sterben regiert. Allerdings beziehen sich die Worte des Lukas auf Christus; aber dessen Person ist uns doch ein Spiegel, von dem wir Gottes die ganze Welt umspannendes Vorsehungswalten ablesen können, wo diese Vorsehung insbesondere uns leuchtet, die wir Christi Glieder sind. Übrigens lehrt Petrus nicht bloß, dass Gott vorhergesehen, sondern auch dass er verordnet habe, was Christus zustieß. Daraus können wir für das allgemeine Weltregiment schließen, dass es Gottes Sache ist, nicht bloß zukünftige Dinge voraus zu wissen, sondern auch festzusetzen, was nach seinem Willen geschehen soll. Eben dies will Petrus einprägen, indem er von Gottes vorbedachtem Rat spricht.

Wer dies nicht annimmt, träumt von einem Gott, der müßig im Himmel sitzt. Die Schrift aber kennt ein Regiment Gottes, welches bis ins einzelnste die Dinge und die Handlungen der Menschen leitet. Indessen müssen wir uns stets gegenwärtig halten, zu welchem Zweck sie dies lehrt. Denn vor wahnsinnigen Spekulationen, in deren Strudel wir viele geraten sehen, müssen wir uns hüten. Die Schrift will unsern Glauben üben und uns wissen lassen, dass Gottes Hand uns deckt und wider die Angriffe des Satans und gottloser Leute schützt. Dies eine zu ergreifen ist nützlich; und zu nichts anderm will Petrus uns hier anleiten. Wenn wir Gottes Vorsehung über alles stellen, halten wir uns doch in unseren Schranken, mischen uns auch nicht vorwitzig in Gottes Geheimnisse, in welche unsre blöden Augen nicht dringen können.

Durch die Hände der Ungerechten. Wenn die Gottlosen mit ihrem Tun Gottes Willen vollziehen, so scheint sich auf beiden Seiten eine Unmöglichkeit zu ergeben: entweder ist Gott Urheber des Bösen, oder die Menschen dürfen nicht als Sünder beurteilt werden, auch wenn sie das schlimmste Verbrechen begehen. Aber - so sage ich gegenüber dem zweiten Schluss - wenn die Gottlosen auch Gottes Ratschluss durchführen, sind sie doch sehr weit vom Gehorsam gegen Gott entfernt. Denn Gehorsam erwächst aus freiwilliger Neigung, den im Gesetz geoffenbarten, göttlichen Willen zu tun, wovon bei gottlosen Leuten gar keine Rede sein kann. Es ist ihnen selbst völlig unbewusst, dass Gott sie zu diesem oder jenem Ziel treibt. Niemand entschuldige sie also, als leisteten sie dem Herrn Gehorsam. Was den ersten Schluss angeht, so leugne ich, dass Gott der Urheber des Bösen ist. Wer dies sagt, müsste ihm eine böse Absicht zuschreiben. Eine solche hat freilich der Mensch, der einen Diebstahl oder Mord begeht. Gott aber, der solcher Bosheit sich bedient, steht darüber und hat eine ganz andere Absicht. Er will den einen züchtigen, den andern in der Geduld üben; so biegt er niemals von seinem Wesen, das ist von der vollkommenen Bahn des Rechten und Guten, ab. Dass also Christus durch die Hände gottloser Leute übergeben und gekreuzigt ward, geschah nach Gottes Wink und Verfügung. Den Verrat selbst aber, der verabscheuungswert ist, und das ungeheure Verbrechen des Mordes darf man nicht als ein Werk Gottes ansehen.

V. 24. Und aufgelöset die Schmerzen des Todes. Darunter ist mehr zu verstehen als die körperliche Empfindung. Wer das Wesen des Todes recht bedenkt und hört, dass er ein Fluch Gottes ist, kann nicht umhin, im Tode Gottes Zorn zu spüren. Daher die schreckliche Angst, die viel schlimmer ist als der Tod selbst. Christus nun hat unsern Tod auf sich genommen, um unsere Schuldverhaftung zu tragen. Jene innere Angst des Gewissens, die ihn schüttelte und ihm Schweiß und Blut austrieb, da er vor Gottes Gericht sich darstellte, hat ihm viel mehr Schrecken und Erschütterung gebracht als alle leiblichen Qualen. Wenn aber nun Petrus lehrt, dass Christus mit solchen Ängsten gerungen hat und als Sieger daraus hervorging, so folgt, dass die Gläubigen den Tod nicht mehr zu fürchten brauchen. Denn er hat eine ganz andere Art gewonnen, als sie in Adam war: Christi Sieg hat den Fluch Gottes verschlungen (1. Kor. 15, 55 ff.). Gewiss spüren wir noch die Stiche der Schmerzen, aber sie verwunden uns nicht ganz und gar, wenn wir ihnen den Schild des Glaubens entgegenhalten. Endlich spricht Petrus noch aus, dass Christus eben darum vom Tode nicht konnte gehalten werden, weil er der Urheber des Lebens ist.

25 Denn David spricht von ihm: „Ich habe den Herrn allezeit vorgesetzt vor mein Angesicht; denn er ist an meiner Rechten, auf dass ich nicht bewegt werde. 26 Darum ist mein Herz fröhlich, und meine Zunge freuet sich; denn auch mein Fleisch wird ruhen in der Hoffnung. 27 Denn du wirst meine Seele nicht der Grube lassen, auch nicht zugeben, dass dein Heiliger die Verwesung sehe. 28 Du hast mir kundgetan die Wege des Lebens; du wirst mich erfüllen mit Freuden vor deinem Angesichte.“ 29 Ihr Männer, lieben Brüder, lasset mich frei reden zu euch von dem Erzvater David. Er ist gestorben und begraben, und sein Grab ist bei uns bis auf diesen Tag. 30 Da er nun ein Prophet war und wusste, dass ihm Gott verheißen hatte mit einem Eide, dass die Frucht seiner Lenden sollte auf seinem Stuhl sitzen, 31 hat er's zuvor gesehen, und geredet von der Auferstehung Christi, dass seine Seele nicht der Grube gelassen ist, und sein Fleisch die Verwesung nicht gesehen hat.

V. 25. Obwohl Christi Auferstehung durch bestimmte oder deutliche Weissagungen bezeugt war, auch aus der allgemeinen Lehre der Propheten hätte erschlossen werden können, so musste sie doch den Juden wie eine neue und unerhörte Sache bewiesen werden. Das ist nicht zu verwundern. Wir sehen ja auch, dass Christus bei seinen Jüngern wenig ausrichtete, so oft er ihnen auch die Auferstehung einprägte. Und doch besaßen sie klare und richtige Grunderkenntnisse, welche ihnen den Weg zur Erkenntnis Christi hätte bahnen können. Weil also die Gabe des Geistes eine Frucht der Auferstehung Christi war, bekräftigt Petrus durch Davids Zeugnis, dass Christus auferstehen musste; daraus sollen die Juden abnehmen, dass eben dieser Christus die Gabe geschenkt hatte. Denn er setzt als zugestanden voraus, dass Christus nicht für sich vom Tode erweckt ward, sondern um für die Seinen zu leben. Bevor wir nun die erforderlichen Einzelheiten erörtern, muss zuerst die Frage aufgeworfen werden, ob Davids Aussage überhaupt auf Christus gedeutet werden darf, wie Petrus behauptet. David soll nicht von sich selbst gesprochen haben, weil er sich des Ausdrucks bediente (Ps. 16, 10): „Du wirst nicht zugeben, dass dein Heiliger die Verwesung sehe.“ Davids Leichnam sei aber im Grabe verwest. Das scheint doch ein leichtfertiger Beweis. Es lässt sich dagegen sagen, dass man das Wort nicht pressen dürfe und dass David lediglich gemeint habe, Gott werde ihn vor dem Untergang bewahren. Ich möchte kurz antworten, dass der Satz doch noch etwas Weiteres in sich begreift als die allgemeine Errettung der Frommen. Denn David äußert die Zuversicht, Gott werde im Leben wie im Tode sein ewiger Erlöser sein. Es hätte ihm auch nicht viel genützt, einmal aus einer Gefahr gerissen zu werden, wenn er nicht hätte vertrauen dürfen, dass Gottes Schutz ihn bis zum Ende behüten werde.

Das Unversehrtbleiben, von dem er spricht, liegt über das gemeine Los weit hinaus. Mögen die Worte auch den einfachen Sinn haben, Gott werde Davids Leben nicht schon ins Grab sinken lassen, so lauten sie doch zugleich wie ein Rühmen eines neuen und einzigartigen Vorzugs. Sie wollen auch besagen, Gott werde nicht leiden, dass der, von welchem der Psalm spricht, im Grabe verwese. Da aber David über diese Naturnotwendigkeit nicht erhaben war, haben wir es mit einer Weissagung zu tun, die in ihm nicht voll und ganz erfüllt ward. Dass der ganze Psalm auf Christus gedeutet werden muss, liegt auf der Hand. David als ein Adamssohn konnte dem allgemeinen Menschenlos nicht entgehen (1. Mos. 3, 19): „Du bist Erde und sollst zu Erde werden.“ Für alle Adamskinder öffnet sich das Grab, sie zu verschlingen und zu verzehren, so dass niemand sich der Vernichtung entziehen kann. Sehen wir uns an ohne Christus, so sehen wir das für uns geöffnete Grab, das uns mit Verwesung bedroht. Denkt man also David losgelöst von Christus, so stimmt durchaus nicht für ihn, was hier steht, dass er vor der Grube bewahrt bleiben werde. Da nun bei den Juden, an welche die Predigt des Petrus gerichtet ist, der Grundsatz feststand, dass man die Wiederherstellung allein vom Messias erhoffen dürfe, so beruhigten sie sich ohne Zweifel umso leichter bei den Worten des Apostels, da sie ja sehen mussten, dass diese Aussage erst dann ihren vollen Sinn gewinnt, wenn man bis zum Messias weiterdenkt. Ihn suchten sie ja im Alten Testament und wussten, dass David eine Vorausdarstellung seines Bildes war. Weil die Juden es aber immerhin als eine harte Rede empfunden haben würden, dass der Psalm nicht in David erfüllt sei, sagt Petrus dies nicht geradezu, sondern gibt es nur auf einem Umwege durch den Hinweis zu verstehen, dass auch David, wie alle Menschen, in Tod und Grab gesunken sei (V. 29). Wenn übrigens David weissagend von Christus redet, so schließt dies nicht aus, dass er diesen Trost auch auf die eigene Person anwendet, ja auf den gesamten Leib der Gemeinde ausdehnt. Denn was im Haupte ganz vollendet und vollkommen erscheint, fließt alsdann in alle Glieder über und wird ihnen zugeteilt. So brauchen wir nicht durchaus zu leugnen, dass Davids Worte auch von ihm selbst gelten, aber nur soweit er sich in Christus als dem Spiegel des Lebens betrachtet. Sein Auge richtet sich also zuerst auf Christus, sodann auf die eigne Person und die anderen Gläubigen. In diesem Sinne empfangen wir hier freilich eine allgemeine Lehre von der Natur des Glaubens, von der inneren Freude des Gewissens, von der Hoffnung auf ewige Erlösung.

„Ich habe den Herrn vorgesetzt vor mein Angesicht.“ Soll Gott bei uns sein, so müssen wir den Grundsatz festhalten, dass wir ihn uns vor Augen stellen, und zwar ehe er sich deutlich sehen lässt. Denn der Blick des Glaubens dringt weit über die gegenwärtige Erfahrung vor. Es ist die Eigenart des Glaubens, sich in Verwirrung und Gefahren allezeit Gott als Führer vorzustellen. Denn nichts anderes kann uns aufrechterhalten als die Erkenntnis der Gegenwart Gottes. Müssten wir an seine Abwesenheit glauben, so müsste uns dies verwirren und gänzlich mutlos machen. David fügt hinzu, dass er auf diese Leitung Gottes nicht vergeblich schaute: Er ist an meiner Rechten. So ist keine Gefahr, dass der Herr jemals uns und unsern Glauben täusche, wenn wir ihn uns als gegenwärtig vor Augen stellen; wir werden immer seine gegenwärtige Hilfe spüren.

Der Glaube, der auf Gottes Hilfe hofft, geht freilich aller spürbaren Erfahrung voran; nachdem er aber dem Herrn die Ehre gab und ihn, den Unsichtbaren und scheinbar Abwesenden, im Worte schaute, wird er sich endlich durch den tatsächlichen Erfolg noch übertroffen sehen. Denn das Maß des Glaubens ist zu eng, die unermessliche Weite der göttlichen Macht und Güte zu fassen. In bildlicher Rede wird nun der Herr wie ein Mann dargestellt, der einen schwachen und furchtsamen Menschen stützen und stärken will und darum an seine Seite tritt.

Dass ich nicht bewegt, d. h. aus der Bahn geworfen werde und in festem Stand bleibe. In diesem Sinne heißt es von Zion (Ps. 46, 6): „Gott ist bei ihr drinnen, darum wird sie fest bleiben.“ Dies gilt von den Frommen, weil sie bei allen harten Erschütterungen immer wieder zu sich selbst kommen. Wenn uns Gottes Hilfe stützt, brauchen wir uns also vor keinem Fall zu fürchten. Wer aber anderswo seine Stärke sucht als in Gott, wird beim geringsten Lufthauch wanken und schon bei mäßigem Ansturm der Versuchung zusammenbrechen.

V. 26. Darum ist mein Herz fröhlich usw. Auf die Zuversicht folgen Freude des Herzens, Jubel der Zunge, Sicherheit des ganzen Leibes. Ein Mensch, der nicht stumpfsinnig ist, muss ängstlich und traurig sein, ja sich jämmerlich gequält fühlen, solange er sich von Gottes Hilfe verlassen glaubt. Die Zuversicht aber, die wir auf Gott setzen, befreit uns nicht bloß von der Angst, sondern durchströmt auch unsere Seele mit wunderbarer Freude. Das ist die vollkommene Freude, die Christus seinen Jüngern verhieß und die ihnen niemand soll entreißen können (Joh. 16, 22; 17, 13). Wie groß aber diese Freude ist, so dass man sie nicht in sich verschließen kann, zeigt die Fortsetzung: meine Zunge freuet sich. Dass auch das Fleisch ruhen wird, deutet auf die Sicherheit, welche Gottes Schutz dem ganzen Menschen bringt. Dem steht nicht entgegen, dass die Gläubigen fortwährend in Unruhe und Bangigkeit sind. Sie haben doch Freude inmitten der Traurigkeit; und keine Unruhe kann ihnen die Ruhe völlig rauben. Sollte aber jemand sagen, dass doch der Friede der Gläubigen im Geiste wohne, nicht im Fleisch, so diene zur Antwort: Ruhe am Fleisch haben die Gläubigen nicht, weil sie von jeder Belästigung frei wären, sondern weil sie sich ganz der Fürsorge Gottes anvertrauen und darum wissen dürfen, dass unter seinem Schutz nicht nur die Seele gerettet, sondern auch der Leib sicher sein wird.

V. 27. Du wirst meine Seele nicht der Grube lassen, d. h. du wirst nicht zugeben, dass sie zugrunde gehe. Denn nach den hebräischen Ausdrücken ist vom Grabe die Rede. Darum ist es überflüssig und führt von dem Sinn und der Absicht des Propheten ab, wenn man hier Erörterungen über den Abstieg Christi zur Unterwelt anstellt. Denn die Seele bezeichnet hier nicht das unsterbliche Geistwesen, sondern einfach das Leben selbst. Wenn ein erloschener Mensch im Grabe liegt, so kann man sagen, dass das Grab über sein Leben die Herrschaft gewonnen hat.

V. 28. Du hast mir kundgetan die Wege des Lebens. David will sagen, dass Gottes Gnade ihn aus dem Tode ins Leben führte. Dass er gleichsam aus dem Tode neu erstehen durfte, betrachtet er als eine einzigartige Wohltat Gottes. Das ist nun in Christus ganz vollkommen erfüllt, an seinen Gliedern nur in beschränktem Maße. Darum hat Christus die Verwesung nicht gesehen, sondern wurde der Erstling der Auferstandenen (1. Kor. 15, 20).

Wir werden ihm endlich folgen, ein jeder in seiner Ordnung, nachdem wir zuvor zu Staub wurden (1. Kor. 15, 42). Dass der Gläubige vor Gottes Angesicht mit Freuden erfüllt wird, trifft mit dem anderen Psalmwort zusammen (Ps. 80, 4): „Lass leuchten dein Antlitz, so genesen wir.“ Und wiederum (Ps. 4, 7 f.): „Erhebe über uns das Licht deines Antlitzes! Du hast Freude in mein Herz gegeben.“ Denn allein der freundliche Glanz des göttlichen Angesichts schafft uns Freude und Leben; hat sich aber dies Angesicht abgewendet oder verfinstert, so müssen wir vergehen.

V. 30. Da er nun ein Prophet war usw. Ein doppelter Grund erinnert, dass wir uns nicht wundern dürfen, wenn Davids Rede weit über die Grenzen seiner Zeit hinausgreift. Erstlich war er ein Prophet: einem solchen werden bekanntlich zukünftige, der menschlichen Erkenntnis unerreichbare Dinge geoffenbart. Darum heißen die Propheten auch „Seher“; wie von einer hohen Warte sehen sie, was den andern wegen des weiten Abstandes verborgen bleibt. Zum andern gilt der besondere Grund, dass dem David der Messias als sein Nachkomme verheißen war. Diese Tatsache war den Juden so geläufig, dass sie den Messias fortwährend den Sohn Davids nannten. So war dem David Christus einmal durch prophetische Offenbarung, zum andern durch besondere Verheißung bekannt. Diese Verheißung gab ihm Gott mit einem Eide, um sie glaubwürdig und den verheißenen Gegenstand desto schätzbarer zu machen. Unser schwacher Glaube bedarf dieser Unterstützung, dass Gott seinen heiligen Namen wie ein Pfand einsetzt, um Zutrauen zu seinem Wort zu erwecken.

32 Diesen Jesus hat Gott auferweckt; des sind wir alle Zeugen. 33 Nun er durch die Rechte Gottes erhöhet ist, und empfangen hat die Verheißung des heiligen Geistes vom Vater, hat er ausgegossen dies, das ihr sehet und höret. 34 Denn David ist nicht gen Himmel gefahren. Er spricht aber: „Der Herr hat gesagt zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten, 35 bis dass ich deine Feinde lege zum Schemel deiner Füße.“ 36 So wisse nun das ganze Haus Israel gewiss, dass Gott diesen Jesus, den ihr gekreuziget habt, zu einem Herrn und Christ gemacht hat.

V. 32. Diesen Jesus hat Gott auferweckt. Nachdem der Apostel durch Davids Zeugnis bekräftigt, dass Christus auferstehen musste, spricht er nun aus, dass er und seine Amtsgenossen Augenzeugen dieser Auferstehung seien. So folgt, dass in Jesus von Nazareth erfüllt war, was David vom Messias geweissagt hatte. Darnach wendet sich die Rede zur Frucht und Wirkung der Auferstehung. Denn zuerst musste eben dies bewiesen werden, dass Christus lebt. Sonst wäre es ja ungereimt und unglaublich, dass er ein so gewaltiges Wunder gewirkt hätte. Zugleich aber erinnert der Apostel, dass Christus nicht für sich auferstand, sondern um durch Ausgießung seines Geistes der ganzen Gemeinde Anteil an seinem Leben zu schenken.

V. 33. Nun er durch die Rechte, d. h. durch die Hand oder Kraft Gottes, erhöhet ist. Der Apostel will es als die denkwürdigste Tat Gottes darstellen, dass er seinen Messias, den die Menschen im Tode vernichtet glaubten, zu solch erhabener Herrlichkeit emporhob. Die Verheißung des Geistes ist soviel wie der verheißene Geist. Jesus hatte öfter den Aposteln die Sendung des Geistes zugesagt. Petrus spricht nun aus, dass er die Kraft, ihn zu geben, vom Vater erlangt habe. Auf diese Verheißung wird ausdrücklich hingewiesen, damit die Juden wüssten, dass der Geist nicht unvermutet kam, sondern dass die längst zuvor gesprochenen Prophetenworte jetzt Glaubwürdigkeit gewannen. Dass aber Christus den Geist vom Vater empfing, entspricht seiner Stellung als Mittler. Man kann sowohl sagen, dass Christus den Geist von sich aus gesandt habe, als auch dass er vom Vater stamme. Das erstere gilt, weil er ewiger Gott ist, das andere, weil er als Mensch vom Vater empfing, was er uns mitteilen sollte. Weiter wollen wir auf die Anordnung achten, dass Christus den Geist erst senden konnte, nachdem er erhöht war. Es stimmt dies mit seinem Wort (Joh. 16, 7, vgl. 7, 39): „So ich nicht hingehe, so kommt der Tröster nicht zu euch.“ Gewiss war es jetzt nicht das erste Mal, dass Geist überhaupt gegeben wurde; besaßen ihn doch bereits die heiligen Väter seit Anfang der Welt. Aber jenen reichen Zufluss seiner Gnade, der als Ausgießung bezeichnet wird, verschob Gott bis zu dem Zeitpunkt, da er Christus auf den königlichen Thron gesetzt hatte. Denn auf diese Weise werden die Kraft und Frucht des Todes und der Auferstehung versiegelt. Zugleich erkennen wir, dass Christi Weggang aus der Welt für uns keinen Verlust bedeutet, da er, der dem Leibe nach abwesend ist, uns durch die Gnadenwirkung seines Geistes weit näher kommt.

V. 34. Denn David ist nicht gen Himmel gefahren. Dass Christus die Herrschaft verliehen war, ließ sich schon aus der Wirkung schließen, die man mit Augen sah. Der Apostel beweist aber seine Herrlichkeit, um sie desto glaubwürdiger zu machen, mit einem Zeugnis Davids; es war längst von Gott bestimmt, dass Christus zur höchsten Stufe der Ehre sollte erhoben werden. Denn dass er zur Rechten Gottes sitzt, bedeutet eben, wie wir alsbald ausführen werden, dass er die oberste Herrschaft innehat. Bevor aber der Apostel die Weissagung beibringt, schickt er voraus, dass sie allein auf Christus zutreffe. Zur Verdeutlichung des Sinnes wird man sich die Gedanken folgendermaßen zurechtzulegen haben: David verkündigt als einen Beschluss Gottes, dass ein König zu seiner Rechten sitzen soll. Dies aber gilt für David nicht, weil er zu solcher Höhe niemals erhoben ward. Also deutet seine Verkündigung auf Christus. Ihre Wahrheit lässt sich nur in Christus erkennen. Und nun bleibt allein übrig, dass die Juden als erfüllt anerkennen, was die Weissagung längst zuvor verheißen hatte. Gewiss ist richtig, dass David von Gott als König und gewissermaßen als sein Stellvertreter eingesetzt war; aber er ragte doch nicht über alle Kreaturen empor. Das Sitzen zur Rechten Gottes in diesem Sinne kommt nur dem zu, der über der ganzen Welt steht. Dass übrigens David nicht gen Himmel gefahren ist, soll ihm nicht die Aufnahme seiner Seele in die selige Ruhe und himmlische Wohnung absprechen, sondern nur jenen Aufstieg, der alles das in sich begreift, was Paulus beschreibt (Eph. 4, 10): „Er ist aufgefahren über alle Himmel, auf dass er alles erfüllte.“

„Der Herr hat gesagt zu meinem Herrn.“ Da eine rechtmäßige Regierungsgewalt dem Könige oder einem sonstigen Oberherrn von Gott übertragen sein muss, so sagt David ausdrücklich, dass Christus der Auftrag ward, zu herrschen (Ps. 110, 1). Die Meinung ist, dass er sich diese Ehre nicht vorwitzig nahm, sondern im Gehorsam gegen Gottes Gebot aneignete. Und zwar empfängt er eine Stellung, die über alle Herrschaft und jeden Namen geht, der in dieser und der zukünftigen Welt genannt werden kann. Weil nun David weit unter den Engeln steht, kann er es nicht sein, der diesen erhabenen Sitz unmittelbar neben Gott einnimmt. Wer zur Rechten Gottes gelangen will, muss ja alle Himmel übersteigen. Darum kann dort im wahren und eigentlichen Sinne nur sitzen, wer an Würde höher ist als alle Kreaturen. Wer selbst eine Kreatur ist, bleibt weit hinter jener Höhe zurück, selbst wenn er unter die Engel gezählt würde. Besonders gewichtig ist außerdem der Zusammenhang der Rede. Der König soll, so sagt ihm Gott, die Oberherrschaft führen, „bis dass ich deine Feinde lege zum Schemel deiner Füße.“ Wollte man einem irdischen Herrn selbst einmal den Titel zubilligen, dass er zur Rechten Gottes sitze, so hat David doch gewiss nicht solange regiert, bis alle seine Feinde unterworfen waren. So ziehen wir mit Recht den Schluss, dass die Rede auf Christi ewiges Reich deutet. Davids Reich dagegen war nicht nur irdisch, sondern auch hinfällig und von kurzer Dauer. Als er starb, waren noch viele seiner Feinde übrig geblieben. Trotz vieler herrlicher Siege fehlte doch viel, dass er alle seine Feinde gebändigt hätte. Manche Nachbarvölker machte er tributpflichtig, manche schlug er nieder oder tilgte sie aus; aber was bedeutet dies fürs Ganze? Endlich beweist auch der Gesamtzusammenhang des Psalms, dass man an nichts anderes als an Christi Reich denken darf. Um anderes zu übergehen: was wir dort von dem ewigen Priestertum lesen, trifft ganz und gar auf David nicht zu. Denn es handelt sich um ein Priestertum, wie es Mose dem Melchisedek zuschreibt (1. Mos. 14, 18 ff.). David durfte sich in das Priesteramt nicht eindrängen. Wie sollte er vollends ein Priester sein, größer als Aaron und von Gott für alle Zeit geweiht (Ebr. 7, 4 ff.)?

V. 36. So wisse nun das ganze Israel. Das Haus Israel bekannte sich zu dem Glauben, dass der Messias kommen werde; wer es aber sein sollte, wussten sie nicht. So zieht Petrus den Schluss, dass der Jesus, den man so schmählich behandelt hatte und dessen Namen man verfluchte, der Mann sei, den sie als Herrn erkennen und verehren müssten.

Er sagt: Gott hat ihn zu einem Herrn und Christ gemacht. Man darf also auf keinen andern hoffen als auf ihn, den Gott geschaffen und gegeben hat. Denn dass Gott ihn „gemacht“ hat, will besagen, dass der Vater ihm die Ehre übertrug. Der Messias heißt nun auch „Herr“, weil bei den Juden feststand, dass er zum Haupt der Gemeinde gesalbt und mit der obersten Regierungsgewalt ausgestattet sein sollte. Das „ganze“ Haus Israel wird etwa in dem Sinne angeredet: wer immer zu den Kindern Jakobs gehören und mit auf den verheißenen Messias warten will, soll mit Bestimmtheit wissen, dass dieser es ist und kein anderer. Gottes „Haus“ heißt Israel, weil er es sich als seine Familie von allen übrigen Völkern ausgesondert hatte. Sie sollen es aber gewiss oder sicher wissen: ihr Geist soll mit fester Zuversicht an Christus hangen, und auch Leute, die an gewissen Dingen oft nur zu gern zweifeln, sollen durchaus keinen Vorwand und kein Bedenken mehr haben dürfen. Endlich wird ihnen noch einmal vorgeworfen, dass sie Christus gekreuzigt haben; dies soll ihr Gewissen schmerzlich treffen und die Sehnsucht nach Heilung erwecken. Die Anklage musste umso wuchtiger wirken, weil sie nun schon wussten, dass Jesus der Christ des Herrn, das Haupt der Gemeinde, der Spender des heiligen Geistes sei. Dass sie ihn gemordet hatten, war also nicht bloß ein grausames Verbrechen, sondern auch ein Zeugnis schrecklicher Untreue gegen Gott, des Gottesraubs und des Undanks, ja des Abfalls. So mussten sie verwundet werden, damit sie aus ihrer Trägheit sich aufrafften und das Heilmittel suchten. Auch uns trifft die Anklage dieses Wortes, wenn wir den schon im Himmel verherrlichten Sohn Gottes kreuzigen und ihn für Spott halten (Ebr. 6, 6).

37 Da sie aber das höreten, ging's ihnen durchs Herz, und sprachen zu Petrus und zu den andern Aposteln: Ihr Männer, lieben Brüder, was sollen wir tun? 38 Petrus sprach zu ihnen: Tut Buße, und lasse sich ein jeglicher taufen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung der Sünden, so werdet ihr empfangen die Gabe des heiligen Geistes. 39 Denn euer und eurer Kinder ist diese Verheißung, und aller, die ferne sind, welche Gott, unser Herr, herzurufen wird.

V. 37. Nunmehr wird der Erfolg der Predigt beschrieben. Die Kraft des heiligen Geistes offenbarte sich nicht nur in der Mannigfaltigkeit der Zungen, sondern auch in den Herzen der Hörer. Es wird aber eine doppelte Frucht verzeichnet. Zuerst: die Rede ging ihnen durchs Herz. Zum andern zeigten sie sich dem Rat des Petrus folgsam. Dass unsere Sünden uns traurig machen und die Empfindung unseres Übels uns verwundet, ist der Anfang zur Buße und das Eingangstor zur Frömmigkeit. Darum wird Gottes Wort mit einem Schwert verglichen, welches unser Fleisch tötet, um uns dem Herrn zum Opfer zu bringen (Ebr. 4, 12). Mit der Erschütterung des Herzens muss sich aber die Willigkeit zum Gehorsam verbinden. Auch Kain und Judas waren erschüttert, aber ihre Verzweiflung wehrte ihnen, sich dem Herrn zu unterwerfen. Denn ein von Schrecken erfüllter Geist kann ja nur Gott fliehen. Wenn David (Ps. 51, 19) einen geängsteten Geist und ein gedemütigtes Herz als die Opfer bezeichnet, welche Gott gefallen, so beschreibt er jene innere, gutwillige Erschütterung, während die Erschütterung der Gottlosen mit Murren gepaart ist. Wir müssen also gute Hoffnung hegen und unsere Seele durch die Zuversicht auf Rettung aufrichten. Daraus erwächst dann die Bereitschaft, sich dem Herrn zu übergeben und seinen Befehlen zu folgen. Wer seinen Willen gegen die Erschütterung stemmt, gelangt nur zum Zähneknirschen, zu frechem Widerspruch und wahnsinniger Raserei. Zum Segen wird die Erschütterung nur, wenn man den Schmerz willig sich gefallen lässt und zugleich den Herrn um Heilung bittet.

V. 38. Petrus sprach zu ihnen usw. Hier sehen wir, dass niemals unverrichteter Sache davongehen muss, wer den Mund des Herrn befragt und sich seiner Leitung und Belehrung übergibt. Denn die Zusage täuscht nicht (Mt. 7, 7): „Klopfet an, so wird euch aufgetan.“ Wer also in Wahrheit zum Lernen bereit ist, dessen fromme Sehnsucht wird der Herr nicht betrügen; denn er ist der beste und treuste Lehrer, wenn er nur gelehrige und eifrige Schüler hat. Übrigens müssen wir uns durch den Rat und das Ansehen derjenigen leiten lassen, die Gott uns zu Lehrern gibt. Daher kommt es bei diesen Leuten, dass sie sich jetzt in so eifrigem Gehorsam plötzlich den Aposteln übergeben und anschließen, weil sie überzeugt sind, dass Gott sie gesandt habe, ihnen den Weg des Heils zu zeigen.

Tut Buße. Das griechische Wort lautet nachdrücklicher und bedeutet eine Sinnesänderung, welche den ganzen Menschen erneuert und zu einem andern macht. Dies müssen wir uns fleißig einprägen, weil diese Lehre unter dem Papsttum jämmerlich verderbt wurde; man verstand unter Buße nur irgendwelche äußere Formen. Die wahre Buße besteht aber darin, dass der Mensch eine Erneuerung seines Sinnes erlebt, wie Paulus sich ausdrückt (Röm. 12, 2). Übrigens hat Petrus ohne Zweifel über Kraft und Wesen der Buße ausführlicher geredet; Lukas hat nur den Hauptinhalt, nicht aber die Worte verzeichnet. Der Apostel wird zuerst die Juden zur Buße ermahnt und sie dann aufgerichtet haben, Zuversicht zur Vergebung zu fassen. Denn er verheißt ihnen Vergebung der Sünden. Dies sind ja bekanntlich die beiden Stücke des Evangeliums.

Darum sagt auch Christus, wo er die Lehre des Evangeliums umfassend beschreiben will, es müsse in seinem Namen Buße und Vergebung der Sünden gepredigt werden. Weil wir aber nur durch Christi Tod mit Gott versöhnt und die Sünden allein durch sein Blut gesühnt und getilgt werden, darum ruft uns Petrus ausdrücklich zu ihm. Als ein viertes Stück nennt er die Taufe, die wie ein Siegel die Verheißung der Gnade bekräftigt. Übrigens wollen wir noch anmerken, dass die Buße zwar mit der ersten Bekehrung zu Gott anhebt, aber doch durchs ganze Leben währen muss. Darum muss in der Kirche täglich die Predigt erschallen (Mk. 1, 15): „Tut Buße.“ In der Lehre davon gilt folgende Ordnung: die noch der Welt und dem Fleisch leben, müssen damit anfangen, den alten Menschen zu kreuzigen und müssen zu einem neuen Leben auferstehen; die aber schon in den Lauf der Buße eingetreten sind, müssen bis zum letzten Ziel fleißig fortfahren. Weil nun die innere Bekehrung des Herzens im Leben Früchte bringen muss, so kann man die Buße nur richtig lehren, wenn man auch Werke fordert. Freilich nicht jene abgeschmackten, die bei den Papisten allein im Wert stehen, sondern die ernste Zeugnisse der Unschuld und Heiligkeit sind.

Und lasse sich ein jeglicher taufen. Zwar steht in der Wortfolge die Taufe hier vor der Vergebung der Sünden; jedoch in der sachlichen Ordnung folgt sie ihr nach; denn sie ist nichts anderes als die Versiegelung der Güter, die wir durch Christus empfangen, damit dieselben nun für unser Gewissen gültig seien. Nachdem also Petrus zur Buße gemahnt, lockt er die Juden, auf die Gnade zu trauen und auf Heil zu hoffen. Darum erscheinen auch in einem späteren Bericht des Lukas über eine Predigt des Paulus (Apg. 20, 21) in demselben Sinne wie hier Buße und Glaube verbunden. Mit Recht, denn der Heilsglaube kann nur auf freier Zurechnung der Gerechtigkeit ruhen. Als gerecht gelten wir aber vor Gott, wenn er uns die Sünden vergeben hat. Wie ich nun zuvor erinnerte, dass die Lehre von der Buße täglich in der Kirche im Schwange gehen muss, so muss uns gleicher weise die Vergebung der Sünden immer wieder angeboten werden. Wir bedürfen ihrer im ganzen Lebenslauf nicht minder als beim ersten Eintritt in die Gemeinde. Die einmalige Aufnahme in Gottes Gnade würde uns nichts nützen, wenn nicht beständig die Botschaft erginge (2. Kor. 5, 20): „Lasset euch versöhnen mit Gott! Denn er hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, auf dass wir würden in ihm die Gerechtigkeit Gottes.“ Auch dieses zweite Stück des Evangeliums verderben und verfälschen die Papisten derartig, dass sie die Vergebung der Sünden, die man durch Christus gewinnen sollte, völlig ausmerzen. Sie gestehen zu, dass die Sünden bei der Taufe umsonst vergeben werden; nach der Taufe soll man sich aber mit genugtuenden Leistungen loskaufen. Dabei reden sie zwar auch von der Gnade Christi; weil sie dieselbe aber durch die menschlichen Verdienste verhüllen, stürzen sie die ganze Lehre des Evangeliums um. Denn zuerst erschüttern sie dem Gewissen die Gewissheit des Glaubens. Sodann berauben sie uns gänzlich der Wohltat Christi, weil sie zwischen seinem Tode und unseren genugtuenden Leistungen halb und halb teilen. Christus aber versöhnt uns nicht zum Teil, sondern ganz und gar mit Gott. Auch empfängt man durch ihn Vergebung der Sünden nur, wenn man sie ganz und ungeteilt sucht. Das aber ist ein schwerer Irrtum der Papisten, dass sie die Wirkung der Taufe auf die Sünden beschränken, die der Mensch durch seine Geburt hat oder im vorangehenden Leben beging, - als ob nicht ihre Bedeutung und Kraft bis zum Tode währte. Was es nun heißt, dass wir zur Vergebung der Sünden getauft werden, bedarf nicht langer Erläuterung. Gewiss hat Gott die Menschen einmal in Christus mit sich versöhnt, indem er ihnen die Sünden nicht zurechnete (2. Kor. 5, 19); und jetzt prägt er den Glauben an diese Versöhnung durch seinen Geist in unsre Herzen. Weil aber die Taufe das Siegel ist, durch welches er diese Wohltat uns bekräftigt, ja das Angelt und Pfand unserer Annahme zur Kindschaft, so kann man mit Recht sagen, dass sie uns zur Vergebung der Sünden gespendet werde. Weil wir durch den Glauben Christi Gaben ergreifen, die Taufe aber ein Hilfsmittel zur Stärkung und Mehrung des Glaubens ist, so knüpft man die Vergebung der Sünden, die eine Wirkung des Glaubens ist, auch an dies beigegebene Mittel. Übrigens beschreibt Petrus hier die Taufe nicht vollständig. Nach der Lehre des Paulus wird in ihr auch unser alter Mensch gekreuzigt, damit wir zu einem neuen Leben auferstehen; ja wir ziehen Christus selbst an (Röm. 6, 4 ff.; Gal. 3, 27 usw.). Weil aber Petrus hier nicht das Wesen der Taufe geflissentlich erörtert, so kann er sich wohl auf eine Seite der Sache beschränken.

Auf den Namen Jesu Christi. Obwohl die Taufe nicht eine leere Darstellung, sondern ein wahres und kräftiges Zeugnis ist, so soll doch niemand dem Element des Wassers zuschreiben, was uns darin angeboten wird; darum wird ausdrücklich auf Christi Namen hingewiesen. Wir sollen wissen, dass das Zeichen der Taufe uns dann erst seinen Nutzen bringt, wenn wir seine Kraft und Wirkung in Christus suchen; wir sollen wissen, dass wir darum in der Taufe abgewaschen werden, weil Christi Blut unsere Abwaschung ist. So erkennen wir Christus als das Ziel, auf welches die Taufe uns hinlenkt. Einem jeglichen nützt die Taufe nur soviel, wie er lernt, auf Christus zu schauen. Christi Namen wirkt also nicht als Zauberformel; überhaupt spricht Petrus hier nicht von der Form der Taufe, sondern will einfach einprägen, dass die ganze Kraft der Taufe in Christus enthalten ist. Denn durch sein Blut werden wir gereinigt, und durch die Wohltat seines Todes und seiner Auferstehung kommen wir in ein neues Leben.

So werdet ihr empfangen, die Gabe des heiligen Geistes. Das Volk war von Bewunderung ergriffen, als es die Apostel plötzlich mit andern Zungen reden hörte. Darum sagt ihnen Petrus, dass sie selbst die gleiche Gabe empfangen sollen, wenn sie sich zu Christus wenden. Gewiss waren Vergebung der Sünden und Erneuerung des Lebens die Hauptstücke; es war aber eine Zugabe, dass Christus auch durch ein sichtbares Geschenk seine Kraft an ihnen bewies. Und unsre Stelle darf nicht von der Gnadengabe der Heiligung verstanden werden, die alle Frommen insgemein empfangen. Die Gabe des Geistes, die hier verheißen wird, soll man an der Verschiedenheit der Zungen äußerlich sehen können.

Darum geht eigentlich uns dies nicht an. Die Wundergaben, mit welchen Christus den Anfang seines Reiches zieren wollte, waren nur für eine Zeit vorhanden. Da aber die sichtbaren Gnadengaben, welche der Herr den Seinen austeilte, wie in einem Spiegel zeigten, dass Christus der Spender des heiligen Geistes ist, so geht doch irgendwie die ganze Gemeinde an, was Petrus sagt: Ihr werdet die Gabe des Geistes empfangen. Denn wenn uns auch nicht geschenkt wird, dass wir mit Zungen reden, weissagen, Kranke heilen und Wunder tun, so empfangen wir doch die viel bessere Gabe, dass wir mit dem Herzen glauben zur Gerechtigkeit, dass unsere Zunge zu wahrem Bekenntnis gebildet wird, dass wir aus dem Tode ins Leben dringen, dass unsere Armut sich in Reichtum wandelt, dass wir wider Satan und Welt unbesiegt dastehen (Röm. 10, 10; Joh. 5, 24). So wird mit der Taufe sich die Gnadengabe des Geistes immer verbinden, wenn wir nicht unserseits ein Hindernis bereiten.

V. 39. Denn euer und eurer Kinder ist diese Verheißung. Dies musste ausdrücklich hinzugefügt werden, um die Juden zu vergewissern, dass ihnen dieselbe Gnade zugedacht sei wie den Aposteln. Petrus beweist dies aber damit, dass Gottes Verheißung für sie bestimmt ist.

Auf diese müssen wir ja immer den Blick richten, weil uns Gottes Wille nicht anders bekannt werden kann als durch das Wort. Es genügt aber nicht, das Wort im Allgemeinen zu besitzen; wir sollen auch wissen, dass es für uns bestimmt ist. Darum sagt Petrus, dass die Wohltaten Gottes, die man an ihm und seinen Genossen sieht, den Juden längst zugesagt waren. Denn zur Gewissheit des Glaubens gehört für jeden einzelnen unbedingt die feste Überzeugung, dass er selbst in der Zahl derjenigen einbegriffen sei, zu denen Gott redet. Rechter Glaube hat die Regel, dass ich fest überzeugt bin, das Heil gehöre mir, weil die Verheißung, die es anbietet, mich angeht. Bemerkenswert sind die drei Stufen, dass die Verheißung zuerst den Juden, sodann ihren Kindern gilt, endlich auch den Heiden mitgeteilt werden soll. Weshalb die Juden einen Vorzug genießen, ist bekannt: sie sind wie die Erstgeborenen in Gottes Familie (2. Mos. 4, 22), ja durch eine besondere Gnadengabe waren sie von allen übrigen ausgesondert. So hält sich Petrus an die rechtmäßige Ordnung, wenn er den Juden den obersten Ehrenplatz anweist. Dass er ihre Kinder mit einschließt, ergibt sich aus den Worten der Verheißung (1. Mos. 17, 7): „Ich will dein Gott sein und deines Samens nach dir.“ Diese Stelle widerlegt hinreichend die Wiedertäufer, welche die Kinder gläubiger Eltern von der Taufe ausschließen, als wären sie nicht Glieder der Gemeinde. Auch die Beschneidung zeugt dafür, dass an dem Recht der Gotteskindschaft auch die Kinder teilhaben.

Und aller, die ferne sind. An letzter Stelle werden die Heiden genannt, die zuvor draußen standen. Einer ähnlichen Ausdrucksweise bedient sich Paulus (Eph. 2, 12 ff.): die Heiden, die fremd waren den Verheißungen, sind jetzt durch Christus Gott nahe gekommen. Christus hat den Zaun abgebrochen und beide Gruppen mit dem Vater versöhnt; er ist gekommen und hat Frieden verkündigt denen, die nahe, und denen, die ferne waren.

40 Auch mit viel andern Worten bezeugte er und ermahnte und sprach: Lasset euch erretten aus diesem verkehrten Geschlecht. 41 Die nun sein Wort gern annahmen, ließen sich taufen; und wurden hinzugetan an dem Tage bei dreitausend Seelen. 42 Sie blieben aber beständig in der Apostel Lehre und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet.

V. 40. Auch mit viel andern Worten usw. Schon im bisherigen hat Lukas nicht die Worte, sondern nur die Hauptgedanken des Petrus mitgeteilt; nun weist er noch einmal darauf hin, dass Petrus nicht eine einfache Lehre vortrug, sondern den Stachel der Ermahnung hinzufügte. Dass er dies mit nachdrücklichem Eifer tat, beschreibt der Doppelausdruck: er bezeugte und ermahnte. Denn es war keine leichte Sache, die Irrtümer gänzlich fahren zu lassen, in denen man unterwiesen war, und das gewohnte Joch der Priesterherrschaft abzuschütteln; es bedurfte eines kräftigen Verfahrens, die Leute aus diesem Sumpf zu reißen. In der Hauptsache geht die Ermahnung dahin, dass man sich hüte vor diesem verkehrten Geschlecht. Man konnte ja nicht Christus angehören, wenn man nicht von seinen erklärten Feinden abrückte. Priester und Schriftgelehrte besaßen damals die oberste Autorität, und indem sie sich als die Kirche gebärdeten, machten sie schlichten Leuten einen Dunst vor. Das war für die meisten ein großes Hindernis, zu Christus zu kommen. Andere konnten schwankend werden, noch andere vom rechten Glauben abfallen. Darum gebietet Petrus seinen Zuhörern, sich von jenen Leuten zu scheiden und sich nicht in ihre gottlose und verderbliche Gemeinde zu verstricken. Er ruft ihnen zu: Lasset euch erretten, und gibt damit zu verstehen, dass es sie ins Verderben bringen wird, wenn sie sich mit jener Pest einlassen. Lehrt doch die Erfahrung, wie jämmerlich Leute auf und ab getrieben werden, welche die Stimme des Hirten nicht von der Stimme der Fremden zu unterscheiden wissen. So hätte es nicht genügt, auf Christus hinzuweisen; wir müssen auch belehrt werden, dass es solche Leute zu meiden gilt, die uns von ihm abführen. Es ist die Aufgabe eines guten Hirten, die Schafe nicht unter die Wölfe geraten zu lassen. Dabei soll er die Gefahren, welche die Seele töten könnten, beim rechten Namen nennen; denn die Menschen werden sich vor dem Gift nur hüten, wenn sie wissen, dass es Gift ist.

V. 41. Die nun sein Wort gerne annahmen usw. Jetzt wird von der Frucht erzählt, welche die Predigt des Petrus zeitigte; sie gewann ungefähr dreitausend Menschen für Christus. Dass dieselben das Wort mit willigem und frohem Herzen annahmen, ist zugleich eine Beschreibung der Natur und Art des Glaubens. Mit dieser Bereitschaft zu fröhlichem Gehorsam muss er anheben. Da aber viele sich anfangs ganz willig zeigen, die nachher nicht beständig bleiben, sollen wir nicht meinen, dass ein plötzlicher Ansturm genüge, der doch bald zusammenbricht.

Lukas rühmt alsbald (V. 42) auch die beständige Treue der Leute, welche das Wort annahmen. Dies Beispiel kann uns beschämen. Durch eine einzige Predigt wurde damals eine gewaltige Menge zu Christus bekehrt, während bei uns hundert Predigten an viel wenigere Herzen greifen. Von jenen Leuten erzählt Lukas, dass sie beständig blieben, während bei uns unter zehn kaum einer einen mäßigen Eifer zum Fortschreiten zeigt, sondern der größte Teil der Lehre schnell überdrüssig wird. Wehe der Welt wegen der Trägheit und des Leichtsinns! V. 42. Sie blieben aber beständig in der Apostel Lehre usw. Lukas rühmt nicht bloß jener Leute Beständigkeit in Glauben und Frömmigkeit, sondern auch, dass sie sich treulich mit den Übungen abgaben, welche zur Stärkung des Glaubens dienen. Was nun die Lehre und das Gebet angeht, so ist der Sinn ohne weiteres verständlich. Die Gemeinschaft deute ich auf die brüderliche Verbindung, Almosen und andere Pflichten brüderlicher Liebe. Zu den Stücken, welche die öffentliche Ordnung der Gemeinde ausmachen, zählt Lukas auch das Brotbrechen, d. h. die Feier des Mahls des Herrn. An den vier Stücken, die er nennt, lässt sich die wahre und echte Gestalt der Kirche erkennen. Fragen wir also nach Christi wahrer Kirche? Hier wird uns ihr Bild lebendig vorgestellt. Anfang und Grundlage ist die Lehre, gleichsam die Seele der Kirche. Es ist aber nicht von irgendwelcher Lehre der Kirche die Rede, sondern von der Lehre der Apostel, also von dem, was der Sohn Gottes durch ihre Hand uns zukommen ließ. Wo also nur immer die lautere Stimme des Evangeliums erschallt, wo die Menschen im Bekenntnis dazu verharren, wo sie mit Erfolg sich üben, dieselbe regelmäßig zu hören, da ist ohne Zweifel die Kirche.

Hier ziehen wir den sicheren Schluss, dass es abgeschmackt ist, wenn die Papisten mit aufgeblasenen Backen uns prahlerisch den Namen der Kirche entgegentönen, während sie doch die ganze Lehre der Apostel aufs schändlichste verderbt haben. Wir dürfen ungestraft jene hohle Larve verachten, da ja der heilige Geist es hier als hauptsächlichstes Erkennungszeichen der Kirche angibt, dass die schlichte, von den Aposteln überlieferte Lehre in ihr im Schwange gehe.

In der Gemeinschaft. Dieses und das letzte Glied erwachsen als Frucht oder Wirkung aus dem ersten. Denn die Lehre ist einmal das Band brüderlicher Gemeinschaft, und zum andern eröffnet sie uns die Tür zur Anrufung Gottes. Die Feier des Abendmahls kommt aber zur Lehre als Bekräftigung hinzu. Darum hat es guten Grund, dass Lukas diese vier Stücke aufzählt. Er beschreibt uns damit die rechte Gestaltung der Kirche. Solcher Ordnung müssen wir nachstreben, wollen wir vor Gott und den Engeln in Wahrheit als Kirche gelten und nicht bloß vor Menschen mit einem hohlen Namen prunken. Beim Gebet ist ohne Zweifel an das öffentliche gedacht. Es genügt also nicht, dass jeder einzelne zu Hause betet, sie sollen auch alle zum Gebet zusammenkommen; auch darin liegt ein Bekenntnis des Glaubens.

43 Es kam auch alle Seelen Furcht an; und geschahen viel Wunder und Zeichen durch die Apostel. 44 Alle aber, die gläubig geworden, waren miteinander verbunden und hielten alle Dinge gemein. 45 Ihre Güter und Habe verkauften sie, und teileten sie aus unter alle, nach dem jedermann not war.

V. 43. Es kam auch alle Seelen Furcht an. Der Anblick der Gemeinde war also derartig, dass er auch Leute, welche der Lehre nicht beistimmten, erzittern ließ. So schaffte es Gott, um seine Gemeinde zu behüten und zu vermehren. Wo eine neue Sekte auftritt, stößt sie auf allgemeinen, heftigen Widerspruch; darum hätten die Juden die Gemeinde Christi auch nicht einen Augenblick bestehen lassen, hätte sie nicht der Herr durch Furcht im Zaum gehalten. Die Furcht, welche Lukas meint, ist übrigens nicht eine solche, welche die Menschen zum Gehorsam Christi führt; sie hält sie nur erschreckt und gebunden, dass sie das Werk des Herrn nicht zu hindern wagen. Dass „alle“ Seelen solche Furcht ankam, ist ein etwas übertreibender Ausdruck; denn sicherlich haben viele Gottes Hand verachtet; andere haben sich durch keine Furcht abschrecken lassen, rasend gegen die Gemeinde zu wüten. Lukas wollte aber sagen, es habe aus der Gemeinde eine solche Kraft Gottes gestrahlt, dass das Volk zum guten Teil verstummen musste.

Und geschahen viele Wunder usw. Auch dieser zweite Satz dient noch der Angabe des Grundes; die Leute mussten sich fürchten, dem Herrn zu widerstehen, der sich ja, wie die Wunder zeigten, auf die Seite der Gläubigen geschlagen hatte.

Wunderzeichen haben also nicht nur den Nutzen, dass die Menschen sich im Gehorsam dem Herrn unterwerfen, sondern auch, dass die Gottlosen etwas sanftmütiger gestimmt und ihre trotzigen Gesinnungen gebändigt werden. Eine ganz besonders aussichtslose Widerspenstigkeit bewies Pharao; und doch sehen wir, wie die Wunder ihn je und dann stutzig machen und sein Herz erschüttern. Freilich vergisst er dies bald; aber wenn Gottes Hand ihn drückt, sieht er sich doch gezwungen, dem Schrecken zu weichen. Immerhin ist an unserer Stelle nicht bloß von jener Furcht die Rede, welche die Lust zu schaden bändigte, sondern auch von der wahren Ehrfurcht, zu der man sich zum Ruhme des Evangeliums beugen ließ.

V. 44. Waren miteinander verbunden. Das letzte Wort steht nicht ausdrücklich im Text des Lukas. Aber die Meinung wird doch nicht nur sein, dass die Gläubigen räumlich mit- oder beieinander waren, sondern dass brüderliche Liebe sie untereinander verband. Diese Liebe bezeugten sie dann mit der Tat, indem die Reichen ihr Eigentum verkauften, um die Armen zu unterstützen. Diesen einzigartigen Beweis der Liebe berichtet Lukas, um uns die Pflicht einzuprägen, dass wir mit unserm Überfluss den Mangel der Brüder zu lindern haben. Weil aber manche Schwärmer an eine Gütergemeinschaft denken, die alle sozialen Ordnungen auflösen würde, so bedarf diese Aussage einer gesunden Auslegung. Welchen Aufruhr haben in unsrer Zeit die Wiedertäufer angerichtet, die es zur notwendigen Ordnung der Kirche rechneten, dass man allen Privatbesitz auf einen gemeinsamen Haufen warf, aus welchem dann unterschiedslos allen das Nötige zufließen sollte! Darum gilt es zwei Abwege zu meiden. Viele verschließen unter dem Vorwand der sozialen Ordnung ihren Besitz bei sich, entziehen sich den Armen und halten sich schon für mehr als gerecht, wenn sie nur den andern nicht berauben. Andere fallen in den entgegen gesetzten Irrtum und wollen alles durcheinander mengen. Was aber sagt Lukas? Nach seinem Bericht war ohne Zweifel eine getrennte Ordnung, da man ja bei der Verteilung eine Auswahl traf. Das Wort: die Gläubigen hielten alle Dinge gemein - deutet doch nicht auf eine Beseitigung des Privateigentums, sondern nur auf eine Verwendung, wie sie alsbald beschrieben wird (V. 45); sie teileten aus unter alle, nachdem jedermann not war. Es wurden also die Armen unterstützt.

Bekannt ist das alte Sprichwort: Zwischen Freunden ist alles gemein. Wenn die Pythagoräer so redeten, so wollten sie nicht einem jeglichen sein Haus oder Weib nehmen. Ebenso wenig hebt die Gemeinsamkeit, die Lukas hier rühmt, den Privatbesitz auf. Das ergibt sich vollends deutlich aus dem späteren Bericht (4, 36; 5, 1), wo aus den Tausenden von Gläubigen nur zwei genannt werden, die ihre Besitztümer verkauften. Wir schließen daraus, dass die Gütergemeinschaft nur eine Hilfe für die gegenwärtige Not bedeutete.

46 Und sie waren täglich und stets beieinander einmütig im Tempel, und brachen das Brot hin und her in Häusern, 47 nahmen die Speise mit Freude und einfältigem Herzen, lobeten Gott und hatten Gnade bei dem ganzen Volk. Der Herr aber tat hinzu täglich, die da selig wurden, zu der Gemeine.

V. 46. Und sie waren beieinander im Tempel. Den Tempel besuchten sie, weil dort die bequemste Gelegenheit sich bot, das Evangelium auszubreiten. Nicht zog sie die Heiligkeit des Ortes; wussten sie doch, dass die Schatten des Gesetzes gewichen waren; noch wollten sie andere durch ihr Beispiel zum Kultus im Tempel locken. Vielmehr pflegten sich dort viele Fromme zu sammeln, die sich von den sonst sie zerstreuenden Sorgen freimachten, um Gott zu suchen. Solche für Christus zu gewinnen, dazu weilten die Gläubigen stets im Tempel. Außerdem hatten sie bei ihrer wachsenden Zahl dort Gelegenheit, untereinander Austausch über die Lehre zu pflegen, was in Privathäusern weniger gut sich hätte tun lassen.

Und brachen das Brot hin und her in Häusern. Es scheint mir den Sinn des Lukas nicht zu treffen, wenn man hier an das heilige Mahl denkt. Vielmehr ist die Meinung, dass die Gläubigen nicht bloß in der Öffentlichkeit wahre Frömmigkeit bewiesen, sondern dass dies auch der Lauf und die Haltung ihres Privatlebens war. Die Sätze beschreiben, dass sie gemeinsam ihre Nahrung einzunehmen pflegten, und zwar in bescheidener Weise. Denn auch dies ist ein Zeichen des Maßhaltens, dass sie die Speisen (V. 47) mit einfältigem Herzen nahmen. Alles in allem will Lukas sagen, dass die Gläubigen eine brüderliche und nüchterne Lebensweise einhielten. Weniger passend, aber nach dem Wortlaut nicht unmöglich, ist die von andern gegebene Wortverbindung: und lobeten Gott mir Freuden usw. Bemerkenswert ist nun die Lage, in welcher die Gläubigen, von mancherlei Gefahren umgeben, froh und heiter bleiben. Dieses Gut bringt uns die Erkenntnis der Liebe Gottes gegen uns und das Vertrauen zu seinem Schutz, dass wir mit ruhigem Gemüte den Herrn loben können, wie auch die Welt drohe. Wie aber Lukas zuvor den öffentlichen Zustand der Gemeinde beschrieb, so stellt er uns jetzt die regelmäßige Lebenshaltung der Gläubigen vor Augen. An ihrem Vorbild sollen auch wir lernen, im Leben bescheidene Gemeinschaft und einfaches Wesen zu pflegen, der Freude im Geist zu genießen und uns im Lobpreis Gottes zu üben. Wo man freilich seine Sorgen nicht auf Gott wirft, droht der gerechte Lohn, dass man in Unruhe und Zittern dahingehen muss.

Und hatten Gnade bei dem ganzen Volk. Das ist die Frucht eines unschuldigen Lebens. Übrigens ist kein Zweifel, dass die Gläubigen auch bei vielen Leuten verhasst waren. Aber indem Lukas vom ganzen Volk spricht, denkt er wenigstens an den besseren Teil, der sich von dem Gift des Hasses nicht hatte anstecken lassen.

Der Herr aber tat hinzu täglich usw. Diese Worte zeigen, dass der treue Eifer nicht ohne Frucht blieb. Die Gläubigen suchten, soviel an ihnen war, die Verirrten und Zerstreuten in den Schafstall Gottes zu sammeln. Und wir hören, dass ihre Mühe in diesem Stück nicht vergeblich war, indem der Herr täglich Glieder zur Gemeinde hinzutat. Wenn stattdessen die Gemeinde abnimmt, so muss dies auf Rechnung unserer Trägheit und Verkehrtheit gesetzt werden. Wie wacker aber alle strebten, das Reich Christi zu vermehren, so gibt Lukas doch allein dem Herrn die Ehre dafür, dass er Draußenstehende zur Gemeinde geführt habe. Und sicherlich ist dies sein eigentümliches Werk. Die Diener schaffen weder mit Pflanzen noch Begießen etwas, wenn nicht der Geist durch seine Kraft ihre Arbeit wirksam macht (1. Kor. 3, 6). Bemerkenswert ist auch der Ausdruck, dass zur Gemeinde hinzukamen, die da selig wurden. Wir erkennen es daraus als den Weg zur Seligkeit, dass man sich der Gemeinde anschließt. Außerhalb derselben ist weder Vergebung der Sünden noch Hoffnung auf ewiges Leben. So ist es für alle Frommen ein herrlicher Trost, dass sie in die Gemeinde aufgenommen wurden, um die Seligkeit zu erlangen, wie denn das Evangelium eine Kraft Gottes heißt, selig zu machen alle, die daran glauben (Röm. 1, 16). Indem nun aber Gott nur eine bestimmte Zahl der Gemeinde zuführt, erscheint diese Gnadengabe an die Erwählung gebunden, welche die oberste Ursache unserer Seligkeit ist.

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