Arndt, Johann Friedrich Wilhelm - Vorwort zu "Die Bergpredigt Jesu Christi"

Arndt, Johann Friedrich Wilhelm - Vorwort zu "Die Bergpredigt Jesu Christi"

„Wer mit seinem Bruder zürnt, der ist des Gerichts schuldig.“

Vorwort

Die Bergpredigt gehört unstreitig nicht bloß zu den exegetisch-, sondern auch homiletisch-schwierigsten Abschnitten der heiligen Schrift; wie dies schon aus der geringen Zahl ihrer practischen Bearbeitungen hervorgeht. Sie setzt für die homiletische Behandlung nicht nur ein selbstbegründetes Verständniß ihres großen und herrlichen Zusammenhangs, wie ihrer einzelnen Theile, sondern auch einen gewissen Muth voraus, sich an schwierige Aufgaben zu wagen und vor Bedenklichkeiten nicht zurückzuschrecken, welche theils in der Verzärtelung und Verbildung unserer Zeit, theils in der Zähigkeit oder Beschränktheit des Stoffes liegen. Solcher Muth ist aber eher das Eigenthum der frischeren Jugend, als des bedächtigeren und krittelnderen Alters. Der Verfasser hat das Unternehmen gewagt, und Gott hat es sichtbar an manchem seiner Zuhörer gesegnet; nichtsdestoweniger gesteht er offen, daß die Lösung der Aufgabe ihm nicht selten sehr schwer geworden, und daß er nur schüchtern den Aufforderungen zum Drucke dieser Vorträge nachgegeben hat. Es ist nicht der Inhalt, welcher ihm diese Schüchternheit auflegt, denn den hat er nicht zu vertreten, sondern der Herr Selbst und Sein Wort. Es ist auch nicht die einfache, alltägliche Form und Diction, in die diese Betrachtungen gekleidet worden sind; denn die Erfahrung lehrt zur Genüge, daß wir Prediger des Evangeliums nicht einfach genug predigen können, und daß manchmal sogar die einfachsten Vorträge von den Gebildeten nicht verstanden werden; warnte doch schon Paulus vor dem Predigen mit klugen Worten, damit nicht das Kreuz Christi zu nichte würde; mußten doch in der alten Kirche alle Rhetoren und Histrionen ihre frühere Beschäftigung aufgeben, wenn sie zum Christenthume übertraten; und ist sogenannte ciceronianische Schönrednerei eigentlich erst von den Rationalisten gepflegt worden, die dadurch ihren magern Inhalt zu bereichern und ihre leeren Kirchen zu füllen hofften. Nein, was ihn verlegen und schüchtern macht, ist lediglich der gewaltige Text und die Armuth des auslegenden Wortes; bei allem Detail ist das Tiefste doch nicht gesagt worden, und die umfassenderen Stellen selbst sind mehr Andeutungen als Ausdeutungen geblieben. Die Bergpredigt ist etwas so Erhabenes und Vollendetes, ein solches Meisterstück der gediegensten Redekunst, eine solche Harmonie von Gesetz und Evangelium, eine solche Verwahrung vor Pharisäismus, Heidenthum und christlicher Unnatur, eine solche Lebensnorm, nicht nur für den einzelnen Christen, als solchen, sondern auch für seine häuslichen, bürgerlichen und kirchlichen Verhältnisse, wie sich so umfassend und inhaltreich, so andeutend und doch so erschöpfend, fast nirgends wiederfindet im N.T. Sie ist, wie Herder mit Recht sagt, die Magna Charta des Reiches Gottes. Daher sie auch durch Luthers geniale Erklärung, Tholucks gründliche Monographie, und Menkens unvergleichliche Homilien, noch lange nicht genügend erörtert worden ist, und es hienieden auch wohl nie werden wird. Man sieht in ihr die Morgenröthe eines neuen Tages aufgehen; aber der große, herrliche Tag selbst, den die Morgenröthe anmeldet, geht erst in der triumphirenden Kirche, in der Ewigkeit auf.

Der Verfasser schließt mit dem Wunsche: daß der Geist Dessen, der da gewaltig predigte, und nicht wie die Schriftgelehrten, das schwache Wort dieser Predigten kräftig, und das todte Wort in den Herzen der Leser lebendig machen möge!

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