Hebräer, Kapitel 11
11:1 Es ist aber der Glaube eine gewisse Zuversicht des, das man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, das man nicht sieht.1)
Billig entsteht hier die Frage: wie kann ein sterblicher Mensch eine gewisse Zuversicht bekommen wegen zukünftiger Dinge, die er hoffen soll, und wie kann er eine gewisse Ueberzeugung bekommen von dem Wesen der Dinge, die er nicht siehet? Die einzige Antwort, die man hierauf geben kann, ist diese: es muß ein Wort des lebendigen Gottes vorhanden sein, welches dem Menschen eine gewisse Nachricht von den zukünftigen und unsichtbaren Dingen gibt; denn daß man sich hierin auf seine Vernunft verlassen dürfe, kann kein vernünftiger Mensch behaupten, der die Schriften der weisesten Heiden gelesen hat, die wegen der zukünftigen und unsichtbaren Dinge in einer beständigen Ungewißheit blieben, ja, wenn sie sich für weise hielten, und etwas Gewisses ausdenken wollten, zu Narren werden. Ist nun ein Wort Gottes vorhanden, so muß es lauter sein; denn wenn es mit etwas Unrichtigem vermengt wäre, und man eine Auswahl machen müßte, so würde die Sache vor den Richterstuhl der Vernunft gezogen; da dann wieder nichts als Ungewißheit entstünde. Doch sagt uns auch die heilige Schrift, daß nicht nur das Wort, sondern auch der Glaube Gottes Gabe sei (Eph. 2,8.), daß Er nicht nur das Licht aufstecke, sondern auch Augen dazu schenke (Eph. 1,18.), daß Er nicht nur die Wahrheit in die Welt herein gegeben habe, sondern auch den Sinn oder Verstand dazu schenke (1 Joh. 5,20.), und daß die Menschen glauben nach der Wirkung Seiner mächtigen Stärke, welche Er gewirkt, oder erwiesen hat an Christo, da Er Ihn von den Todten auferweckt hat (Eph. 1,19.20.). Die Nothwendigkeit dieser göttlichen Wirkung erhellt daraus, daß die verderbte Seele des Menschen gegen die zukünftigen und unsichtbaren Dinge und sonderlich gegen Gott selber eine Feindschaft, und dagegen eine überwiegende Lust zu gegenwärtigen und sichtbaren Dingen in sich hegt, und daß jene eine so feine und erhabene Natur haben, daß eine neue Fähigkeit in der Seele erschaffen werden muß, um sie zu verstehen, und von ihnen einen bleibenden Eindruck zu bekommen. Wenn aber nun diese Fähigkeit nicht nur geschaffen, sondern auch ein wenig erstarkt ist, wenn dieser Eindruck nicht nur gemacht, sondern auch vermehrt, oder wenn der Glaube in der Seele entstanden ist, und eine gewisse Festigkeit erlangt hat: so zeigt er sich im Thun und Leiden als sehr wirksam, wie Paulus Hebr. 11. durch viele Beispiele der Heiligen, die vor Christo gelebt haben, beweist. Die ganze Seele bekommt durch ihn gleichsam eine neue Gestalt; der ganze Wandel eine neue Einrichtung. Man kann durch den Glauben hassen, verlassen, suchen, lieben, dulden, thun, was man vorher nicht hat können. Er ist die Wurzel der ganzen Frömmigkeit. Der Glaube an Jesum Christum rechtfertigt, sobald er entsteht, und der Mensch merkt gemeiniglich den Augenblick nicht, worin er entsteht, allein der Friede Gottes, den man von de an empfindet, und die Proben, die der Glaube im Thun und Leiden ablegt, beweisen, daß er vorhanden sei. Diese Proben aber richten sich nach seiner Stärke; wiewohl keine Bosheitssünde neben ihm sein kann, sobald er entstanden ist.(Magnus Friedrich Roos)
Der Glaube ist ein Geschenk Gottes. Weil Gottes Gnade an uns wirkt, darum können wir glauben. Die Heilige Schrift würde nicht sagen: „Wer da glaubt, der wird selig werden“, wenn Gott nicht allen Menschen die Möglichkeit zum Glauben anbieten wollte. Der Glaube ist die Fähigkeit, mit Gott in Verbindung zu stehen. Er ist ein Überzeugtsein von den Dingen, die man nicht sieht. Er ist ein Hangen an Gott; der Glaube steht mit Gott im Zusammenhange. Er ist ein rückhaltloses Vertrauen auf Gott, ein Blicken auf Ihn. So ist der Glaube das Band, das uns mit Gott verknüpft, die Hand, mit der wir Ihn und Seine Gaben ergreifen. Außerordentlich wichtig ist es nun, dass diese Gabe des Glaubens in uns vermehrt, gestärkt, ausgebildet und zu einer gewaltigen Kraft werde. Unser gegenwärtiges und zukünftiges Schicksal hängt hiervon ab, ewiges Leben oder ewige Verdammnis. Der Glaube wird nicht von heute auf morgen das, was er sein soll; er ist entwicklungsfähig, muss sorgfältig gepflegt werden und wird nur durch fortgesetzte Speisung stark, groß und mächtig. Gott gibt uns Sein Heil und Seine Gaben nach der Schwäche oder Stärke, nach der Kleinheit oder Größe unseres Glaubens. Nach dem Maße unseres Glaubens verherrlichen wir Ihn, und nach dem Maße unseres Glaubens kann Er uns gebrauchen. Wer die Heilige Schrift nach dieser Richtung erforscht, der wird erkennen, wieviel von unserem Glauben abhängt. (Markus Hauser)
Das Glauben und das Hoffen sind untrennbar verbunden und doch ist es noch ein großer Schritt, der uns vom Hoffen hinüber in den Glauben führt. Was mir Gottes Gnade gibt, hat im Maß des Lebens, das uns die Natur gewährt, noch nicht Raum. Die Gerechtigkeit, die mir die Gnade gibt, ist die eines Sünders, der unter dem Zwang steht, mit dem die Natur das falsche Begehren in mir erweckt, und das Leben, das mir die Gnade gibt, ist das Leben eines Sterbenden. Jeder Blick auf Jesus wendet mein Antlitz nach vorn der Zukunft zu. Ich nenne ihn den Christus, den Herrn über alles; das ist die große Hoffnung, die alles überragt, was die Gegenwart mir zeigt. Ich nenne ihn den Auferstandenen, der uns zur Auferstehung führt, und damit hat er mir die Hoffnung geschenkt. Es ist ein köstliches Ding, hoffen zu dürfen, und ich will die göttliche Gnade nicht geringschätzen, die mir die Hoffnung schenkt, und nicht murren, weil ich auf sie warten muss. Indem Jesus mich zum Hoffenden macht, erfahre ich bereits, dass er mein Versöhner ist und mich in Gottes Vergebung gestellt hat. Ich kann aber nicht nur in der Zukunft leben. Mit drängendem Anspruch packt mich, was gegenwärtig ist, und lässt mich nicht nur auf das warten, was noch nicht gesehen wird. Das Sichtbare ist mir dazu gezeigt, damit ich es sehe, und es fordert mit heiliger Verpflichtung von mir die Tat. Nun muss ich den Schritt tun, der mich vom Hoffen zum Glauben hinüberführt, und ich tue diesen Schritt dann, wenn ich die Hoffnung auch im Verkehr mit dem, was gegenwärtig ist, bewahre und mir das, was nicht sichtbar ist, gewiss bleibt, auch wenn ich mich im Sichtbaren bewege. Ich glaube nicht, wenn meine Hoffnung über der Gegenwart schwebt und mir nicht jetzt mein Wollen und Handeln gibt. Dann mache ich aus ihr ein müßiges Spiel, einen erquickenden und tröstenden Traum. Das ist der Unglaube, der die Seele zerreißt und den Willen spaltet. Stehen beim Gehofften, gewiss sein dessen, was nicht sichtbar ist, das ist der Glaube. Dass ich innerhalb dieser Welt in Gottes Reich lebe, in meinem natürlichen Zustand der Sünde gestorben bin, und als der zum Leben Berufene krank bin und sterbe, das heißt gläubig sein. Ich bin es nicht, wenn ich zwar hoffe, einst werde die Welt Gott untertan, jetzt aber mich so verhalte, als sei sie die Beute meiner Eigensucht, wenn ich auf Gottes kommendes Gericht warte, jetzt aber so handle, wie es meine Lust mir rät, wenn ich auf das kommende Leben mich freue, jetzt aber im Leiden und im Glück mich so benehme wie die, die sagen, sie müssten die Rosen pflücken, weil sie blühen. Dieser Riss ist tödlich; denn er ist Sünde, weil er die göttliche Gabe missachtet. Gott ist nicht nur der Kommende, sondern auch der Gegenwärtige. Darum gibt mir seine Verheißung, wenn ich sie mit redlichem Willen fasse, die Hoffnung so, dass sie mich gläubig macht.
Es ist, Herr, Gott, meine selige Hoffnung, dass ich Dich einst anbeten darf; so will ich Dich auch jetzt ehren. Ich hoffe, dass ich Dich einst von Angesicht zu Angesicht erkennen darf; so will ich auch jetzt vor Dir wandeln. Ich hoffe, dass ich einst von allem Bösen frei in reiner Gerechtigkeit Dir dienen darf; so will ich auch jetzt das hassen, was Dein Gebot verwirft. Dies ist meine Bitte. Erhöre sie nach Deiner Barmherzigkeit. Amen.(Adolf Schlatter)
11:2 Durch den haben die Alten Zeugnis überkommen.
Klingt das nicht wie ein leiser Verzicht? Die Alten haben solches Zeugnis erhalten - und wir gehen leer aus. Soll das heißen, daß wir uns nur an ihre Erfahrungen zu halten haben? Das würde weder mit meiner Erfahrung noch mit meinem Schriftverständnis stimmen. Zuerst allerdings hat das Zeugnis, das andere bekamen, für uns grundlegende Bedeutung bei der Entstehung unseres Glaubens. Angezündet wurde die Flamme durch deren Bezeugung; empor schlug sie, als die Schriftwahrheit mit meinem eigenen Glauben zusammenstimmte und dadurch erst recht lebendig wurde. Aber genährt ist die Flamme doch nachher durch die Erfahrungen des lebendigen Heilands, und zwar durch dreifache Zeugnisse, die mir kein Mensch wegreden kann. Religiös habe ich so viel Antworten seiner Gnade erlebt, daß meine Seele den Anfechtungen zum Kleinmut und der Verzagtheit nicht erlag; sittlich habe ich manchen Kraftzufluß und manchen Sieg über meine Sünde erlebt, und im Punkt der Gebetserhörungen - sei es Geldnot oder Krankheit, eigene oder fremde, eigene Schwierigkeiten in der Lebensführung oder auffallende Hilfen für andere - ich bin wohl tausendmal reich gesegnet worden!
Ich bin nicht wert aller Barmherzigkeit und Treue, die du, mein Herr und Heiland, an mich gewandt hast. Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiß nicht, was er dir Gutes getan hat. Nein, ich vergesse nicht und preise deinen Namen! Amen. (Samuel Keller)
11:3 Durch den Glauben merken wir, daß die Welt durch Gottes Wort fertig ist, daß alles, was man sieht, aus nichts geworden ist.
Gott schuf den Adam und die Eva am sechsten Tage, folglich waren sie keine Zuschauer der großen Werke, die Gott in den fünf ersten Tagen machte, und nichts als eine göttliche Offenbarung hat von diesen eine Nachricht geben können. Wer nun die göttliche Offenbarung, die Moses hernach aufgeschrieben hat, für wahr hält, hat denjenigen Glauben, der nach V. 1. eine Ueberzeugung von demjenigen ist, das man nicht siehet. Die Welt ist durch das Wort oder Sprechen Gottes fertig worden. Gott hat durch Sein Sprechen eine Welt gemacht, in welcher alles dasjenige in bestimmten und langen Zeitläuften geschehen sollte, was schon geschehen ist, jetzt geschieht und geschehen wird. Er hat die Welt schon im Anfang so eingerichtet, daß Alles, was hernach in ewigen Zeiten geschieht, hat geschehen müssen, oder doch geschehen können. Auch auf mich, der ich jetzt lebe, und auf meine Leiden und Werke, und auf mein ewiges Schicksal hat Gott gesehen, da Er die Welt machte. Er hat Alles auf einmal schon im Anfang, ja vor diesem Anfang vor dem Gesicht gehabt. Zuerst schuf Gott den Himmel und die Erde, und hernach, da schon Etwas vorhanden, Alles aber noch in einem rohen Zustand war, sprach Er, und Sein Sprechen zeigte eine allmächtige Kraft. Und so ist Alles, was man siehet, worden. Als Adam und Eva erschaffen waren, und ihre Augen das erstemal aufthaten, war schon Alles da. Was von da an geschahe, konnten sie als Augenzeugen ihren Nachkommen erzählen, aus was aber Alles, was schon da war, worden sei, konnten sie nicht anders als durch eine göttliche Offenbarung wissen. Es war nämlich aus demjenigen worden, das ihnen und uns nicht sichtbar gewesen war. Sie sahen die Geschöpfe Gottes vor sich: aber ihr Werden und ihren Urstoff hatten sie nicht gesehen. Und wenn sie auch schon am ersten Tage gelebt hätten, so hätten sie doch das Nichts nicht sehen können, aus welchem der Himmel und die Erde worden war. Nichts siehet man nicht, und der Uebergang vom Nichts zu Etwas übersteigt nicht nur unsere Sinnen, sondern auch unsern Verstand. Wir glauben aber doch, weil Gott es Mosi nach den ältern Patriarchen und Propheten, und durch ihn uns geoffenbart hat, daß Alles, was man siehet, worden sei, folglich ehemals nicht gewesen sei, ob wir schon dasjenige, woraus es worden ist, nicht sehen. Dieses Werk der Schöpfung ist eine Ursache des Lobes, womit Gott im Himmel und auf Erden geehrt wird und geehrt werden soll. Es ist auch ein Grund des Vertrauens, das wir zu Gott, als einem allmächtigen, allein weisen und gütigen Gott haben sollen. Abraham glaubte an Gott als denjenigen, der dem, was nicht ist, rufen kann, wie dem, was ist, Röm. 4,17. Gleichwie nämlich dasjenige, was ist, herkommen muß, wenn man ihm ruft, also ruft Gott demjenigen, was nicht ist, und es muß alsbald entstehn und kommen. Zu einem solchen Glauben werden wir alle gedrungen und berufen; denn das Licht und Leben und Heil, worauf wir warten, ist bei uns selber nicht, Gott aber ruft ihm durch Sein Wort, und es entsteht. Zu einem solchen Glauben werden wir alle gedrungen und berufen; denn das Licht und Leben und Heil, worauf wir warten, ist bei uns selber nicht, Gott aber ruft ihm durch Sein Wort, und es entsteht. Wohl dem, deß Hülfe der Gott Jakobs ist, deß Hoffnung auf den HErrn seinen Gott steht, der Himmel, Erde, Meer und Alles, was darinnen ist, gemacht hat, der Glauben hält ewiglich, Ps. 146,5.6. Gleichwie aber die Schöpfung der Anfang der Werke Gottes ist, also ist sie auch die erste Quelle, woraus alle Pflichten herzuleiten sind. HErr, Du bist würdig zu nehmen Preis und Ehre und Kraft, denn Du hast alle Dinge geschaffen, und durch Deinen Willen haben sie das Wesen, und sind geschaffen, Off. Joh. 4,11. (Magnus Friedrich Roos)
Wir erkennen und begreifen durch den Glauben; denn er bewegt unsere Gedanken. Er beschenkt uns nicht nur mit Staunen und Fragen, sondern mit Erkenntnis, weil die Gewissheit Gottes durch den Glauben so in unser Inneres hineingepflanzt ist, dass sie alle unsere Kräfte bewegt. Darum lässt es uns der Glaube nicht zu, dass wir nur beim Sichtbaren verweilen. Wie reizvoll ist die unermessliche Fülle dessen, was für uns Sicherheit besitzt! Unsere Beobachtung kann sich auch ins Einzelne und scheinbar Kleine so vertiefen, dass sie sich ganz hineinversenkt, weil sie nie an ein Ende gelangt, bei dem sie den ganzen Vorgang restlos erfasst hätte. Allein ich kann nicht mehr in die Natur versinken, wenn mein Denken unter der Leitung des Glaubens steht. Was mir die Sinne zeigen, kann ich nicht unverbunden für sich neben die Gewissheit Gottes Stellen, die mir im Glauben gegeben ist. Nun geht mein Blick zu dem empor, aus dem und zu dem alle Dinge sind, und damit habe ich auf die Frage, woher die Dinge kommen, die Antwort und damit habe ich auf die Frage, woher die Dinge kommen, die Antwort erhalten: sie sind durch Gottes Wort entstanden. Das bedeutet nicht, dass ich Hypothesen mache, Theorien anstelle und Systeme bilde. Das ist nie das Geschäft des Glaubens. Mit ihm ist mir Gewissheit gegeben, nicht schwankendes Vermuten. Er entsteht durch das, was ich empfange, nicht durch das, was ich selbst bewirke. Das aber weiß ich als Glaubender, dass über dem Sichtbaren Unsichtbares steht und die Vernünftigkeit des Geschehens durch Gottes Wort zustande kommt, mit einem Wort, dass die Welt einen Schöpfer hat. Dadurch wird mein ganzer Verkehr mit der Welt von Grund aus neu. Sie gilt mir nicht mehr als die einzige Wirklichkeit, als das Erste und das Letzte. Solange ich in meiner Erkenntnis und in meiner Begehrung nur nach dem Sichtbaren greife, bin ich abwärts gebeugt und suche unter mir für meinen Geist die Füllung und für mein Leben den Gehalt. Aus dieser nach unten gebeugten Haltung richtet mich der Gedanke auf. Das ist Gnade, die sich durch die Gewährung des Glaubens an uns offenbart.
Auf Dein Wort, unser Schöpfer und unser Vater, zeigt auch die Natur hin. Sie kann es mir nicht sagen, sagt mir aber das, dass Dein Wort die schaffende Macht ist und eine unendliche Fülle umfasst. Dieselbe Macht und Herrlichkeit hat Dein Wort auch dann, wenn es zu uns spricht und uns zu Deinen Kindern macht. Amen. (Adolf Schlatter)
11:4 Durch den Glauben hat Abel Gott ein größeres Opfer getan denn Kain; durch welchen er Zeugnis überkommen hat, daß er gerecht sei, da Gott zeugte von seiner Gabe; und durch denselben redet er noch, wiewohl er gestorben ist.
11:5 Durch den Glauben ward Henoch weggenommen, daß er den Tod nicht sähe, und ward nicht gefunden, darum daß ihn Gott wegnahm; denn vor seinem Wegnehmen hat er Zeugnis gehabt, daß er Gott gefallen habe.
11:6 Aber ohne Glauben ist's unmöglich, Gott zu gefallen; denn wer zu Gott kommen will, der muß glauben, daß er sei und denen, die ihn suchen, ein Vergelter sein werde.2)
Moses hat von dem Patriarchen Henoch 1 Mos. 5,21-24. geschrieben, daß er ein göttliches Leben geführt, oder mit Gott gewandelt habe; worauf ihn auch Gott als einen Mann, der nach dem Maß des damaligen Alters noch jung gewesen, hinweggenommen habe, daß er unter den Sterblichen nicht mehr gesehen worden. Wer mit Gott wandelt, darf freilich mit Gott nicht als mit Seinesgleichen umgehen, sondern erkennt, daß Gott ein ewiger, heiliger, Alles durchdringender, Alles beherrschender und belebender Geist sei: da dann der Mensch, der mit Ihm wandeln oder Seine gnädige und wirksame Gegenwart allenthalben genießen will, sich immer bestreben muß, Ihm gefällig zu sein, und deßwegen hat Paulus Hebr. 11,5. von dem Henoch geschrieben: er habe vor seinem Wegnehmen das Zeugniß gehabt, daß er Gott gefallen oder gefällig zu sein sich beflissen habe, und hernach hinzugesetzt, ohne Glauben sei es unmöglich, Gott zu gefallen. Wer also einen Henochianischen Wandel führen will (woran auch der Ehestand nicht hindern soll), muß vor allen Dingen glaubig werden. Wer nur scharfsinnig denken, wer nur seine Phantasie mit Bildern füllen, wer seinen Leib plagen, wer seinen äußerlichen Stand mit einem andern verwechseln will, findet durch dieses Alles Gott noch nicht. Wer mit Ihm wandeln will, muß vor allen Dingen zu Ihm kommen oder hinzunahen; wer aber zu Ihm kommen will, muß glauben, daß Er sei, wer Er ist, nämlich ein lebendiges, gütiges, heiliges Wesen, das einen Menschen mit Sich selbst beleben und vergnügen kann. Dieser Glaube ist die Neigung des menschlichen Herzens zu Gott, deren Sich Gott nicht entziehen wird. Wer mit diesem Glauben zu Ihm kommt, von dem läßt Er Sich finden und genießen. Weil aber bei dem Wandel mit Gott die mannigfaltigen Leiden dieser Zeit nicht ausbleiben, und die menschliche Seele ohne zuversichtliche Hoffnung darin nicht aushalten könnte, so soll sie auch glauben, daß Gott denen, die Ihn suchen, ein Vergelter sein werde, folglich Hoffnungsblicke auf die selige Ewigkeit und besonders auf den Tag Jesu Christi bekommen. Paulus hatte Hebr. 11,1. gesagt: der Glaube ist eine gewisse Zuversicht deß, das man hoffet, und nicht zweifelt an dem, das man nicht siehet. Dasjenige nun, das man nicht siehet, ist Gott selbst, und dasjenige, das man hoffet, ist Seine Vergeltung. Hier muß nun eine Seele eine gewisse Ueberzeugung und Zuversicht oder Festigkeit bekommen. So lange sie den Unglauben für entschuldbar oder gar für eine Tugend hält, kommt sie nicht weiter. Durch den Glauben muß sie zu Gott nahen, und Ihn, wenn sie Ihn gefunden hat, noch weiter suchen. Auf diese Weise wird der Henochianische Wandel angerichtet und fortgeführt.
Es fehlte dem Henoch nicht an der Erkenntniß Jesu Christi; denn er weissagte von Seiner Zukunft zum Gericht. Was Henoch weiter von Christo erkannt habe, wissen wir nicht, weil Moses nicht Alles, was die Patriarchen wußten, aufgeschrieben hat. Jetzt soll sie freilich reichlicher bei uns sein, und einen Wandel mit Gott bei uns anrichten, wie er Gal. 2,20. 1 Joh. 1,3. 1 Joh. 3,23.24. beschrieben wird. (Magnus Friedrich Roos)
11:7 Durch den Glauben hat Noah Gott geehrt und die Arche zubereitet zum Heil seines Hauses, da er ein göttliches Wort empfing über das, was man noch nicht sah; und verdammte durch denselben die Welt und hat ererbt die Gerechtigkeit, die durch den Glauben kommt.
11:8 Durch den Glauben ward gehorsam Abraham, da er berufen ward, auszugehen in das Land, das er ererben sollte; und ging aus und wußte nicht wo er hinkäme.
11:9 Durch den Glauben ist er ein Fremdling gewesen in dem verheißenen Lande als in einem fremden und wohnte in Hütten mit Isaak und Jakob, den Miterben derselben Verheißung;
11:10 denn er wartete auf eine Stadt, die einen Grund hat, der Baumeister und Schöpfer Gott ist.
Er wusste also schon vom himmlischen Jerusalem und richtete seinen Glaubensblick der Heimat zu. In der Opferung seines einzigen Sohnes, den er lieb hatte, bewies er seinen Gehorsam, seinen Glauben, seine völlige Hingabe an den Herrn. Wartende haben Gott vor Augen, sie eilen Ihm zu. Darum lieben sie Ihn so sehr, dass sie alles hingeben können für Ihn. Der Herr konnte mit Abraham verkehren und ihn segnen, weil er glaubte, weil er die Verheißung ergriff und auf die Stadt Gottes wartete. Er war ein Glaubensmann und er konnte warten; darum schämte sich Gott nicht, der „Gott Abrahams“ genannt zu werden. Wir werden glaubensstarke Leute, Wartende, wenn wir die bestimmten und klaren Gottesverheißungen wie ein Lebenswort in uns aufnehmen, ohne mit der Zeit zu rechnen, die uns von der Erfüllung trennt. Die Verheißungen sind das helle Licht der Wartenden, darum wandeln sie sich nicht in Finsternis, wenn auch die Tage böse sind. Das sehen wir auch bei Jakob, der bei seinem Lebensende als ein Wartender seinem Sehnen Ausdruck gab. Er hatte den Geist der Weissagung, sah das Heil kommen, darum redete er vom Friedefürsten: l. Mose 49, 10. Jakob wartete auf das Heil, seine Seele ward lebendig und fand Tröstung und Kraft -, mag es gleich noch tausend Jahre dauern, bis die Erfüllung kommt! Wir vergessen ja auch, wenn wir die Sonne sehen, wie weit entfernt sie ist, und doch freuen wir uns. Jakobs Auge haftete auf dem, der da kommen sollte, auf dem „Helden aus Juda“. Und das deinige? Auf wen wartest du? (Markus Hauser)
11:11 Durch den Glauben empfing auch Sara Kraft, daß sie schwanger ward und gebar über die Zeit ihres Alters; denn sie achtete ihn treu, der es verheißen hatte.
11:12 Darum sind auch von einem, wiewohl erstorbenen Leibes, viele geboren wie die Sterne am Himmel und wie der Sand am Rande des Meeres, der unzählig ist.
11:13 Diese alle sind gestorben im Glauben und haben die Verheißung nicht empfangen, sondern sie von ferne gesehen und sich ihrer getröstet und wohl genügen lassen und bekannt, daß sie Gäste und Fremdlinge auf Erden wären.
Betrachte dir die Grabschrift aller jener seligen Gläubigen, die vor der Erscheinung unseres Herrn heimgingen. Es ist dabei ganz übergangen, auf welche Art sie starben, ob vor Alter oder auf gewaltsame Weise; aber das Eine, worin sie alle übereinstimmen, ist vor allem beachtenswert: „Sie alle sind gestorben im Glauben.“ Im Glauben lebten sie: Er war ihr Trost, ihr Führer, ihre Triebfeder und ihre Stütze; und in derselben geistlichen Gnade starben sie und vollendeten ihren Lebensgesang mit dem herrlichen Lied, in welchem sie allezeit ihren Trost gesucht hatten. Sie verließen sich nicht auf das Vergängliche oder auf ihre eigenen Verdienste; sie wichen keinen Schritt ab von ihrem ersten Pfad in der Kindschaft Gottes, sondern beharrten auf dem Weg des Glaubens bis ans Ende. Es ist ebenso köstlich, im Glauben zu sterben, als in demselben zu leben. Das Sterben im Glauben hat eine wichtige Beziehung auf die Vergangenheit. Sie glaubten den Verheißungen, die vorausgegangen waren, und waren gewiss, dass ihre Sünden ausgetilgt seien durch die Gnade Gottes.
Das Sterben im Glauben hat es auch mit der Gegenwart zu tun. Diese Heiligen trauten zuversichtlich auf ihre Gotteskindschaft, sie genossen die Strahlen seiner Liebe und verließen sich auf seine Treue. Das Sterben im Glauben richtet aber seinen Blick auch in die Zukunft. Sie entschliefen und bezeugten sterbend, dass der Messias gewiss erscheinen werde, und dass, wenn Er in den letzten Tagen wiederkomme auf die Erde, sie aus ihren Gräbern auferstehen und Ihn schauen würden. Für sie waren die Todesschrecken nur die Geburtsschmerzen eines bessern Lebens. Darum Mut! meine Seele, wenn du diese Grabschrift liest. Dein Lauf ist durch die Gnade Gottes ein Glaubenslauf, und dir wird das Schauen selten zuteil; das war auch der Pfad der Herrlichsten und Besten. Der Glaube war die Bahn, auf welcher sich die Sterne erster Größe bewegten, solange sie hienieden glänzten; und wohl dir, wenn es auch deine Bahn ist.
Blicke heute abend aufs neue zu Jesus empor, dem Anfänger und Vollender deines Glaubens, und danke Ihm, dass Er dir einen gleich herrlichen Glauben geschenkt hat, wie den in die Herrlichkeit Vorangegangenen. (Charles Haddon Spurgeon)
11:14 Denn die solches sagen, die geben zu verstehen, daß sie ein Vaterland suchen.
11:15 Und zwar, wo sie das gemeint hätten, von welchem sie waren ausgezogen, hatten sie ja Zeit, wieder umzukehren.
11:16 Nun aber begehren sie eines bessern, nämlich eines himmlischen. Darum schämt sich Gott ihrer nicht, zu heißen ihr Gott; denn er hat ihnen eine Stadt zubereitet.
Es gibt viele thörichte und stolze Menschen, welche sich der Gottesfurcht, folglich eigentlich Gottes schämen, da es doch auf’s Höchste zu bewundern ist, daß Sich Gott der Menschen nicht schämet. Als Christus Seine eigene menschliche Natur, die ganz rein war, betrachtete, so sagte Er Ps. 8,5.: was ist der Mensch, daß Du sein gedenkest, und des Menschen Sohn, daß Du dich seiner annimmst? Wie viel mehr können wir sagen: was sind Abraham, Isaak, Jakob, die Menschen, die Sünder, daß Sich Gott nicht geschämet hat, zu heißen ihr Gott, und sie gleichsam in Seinen Titel zu setzen, welcher 2 Mos. ,15. ganz steht, und so lautet: Jehovah, eurer Väter Gott, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks, der Gott Jakobs? Was sind die Apostel gewesen, denen der Heiland hat sagen lassen: Ich fahre auch zu Meinem Gott und zu eurem Gott? Und was sind wir Abkömmlinge der Heiden, die wir von Paulo Röm. 3,29. die Versicherung erhalten haben, daß Gott auch der Heiden Gott sei? Gott schämet sich nicht, auch unser Gott zu heißen, weil Er uns eine Stadt zubereitet hat, welche eine Hütte Gottes bei den Menschen sein wird. In dieser Stadt wird Er bei ihnen wohnen, und sie werden Sein Volk sein, und Er selbst wird mit ihnen sein als ihr Gott, Offenb. 21,3. In dieser Stadt, deren Schöpfer und Baumeister Gott selber ist, wird also völlig offenbar werden, was der Ausdruck ihr Gott bedeute. Hier wird der allein gute Gott Sich Seinem Volk auf die herrlichste Weise zu genießen geben. Hier wird sich Sein Volk hoch freuen, daß Gott sein Gott sei. Ehe aber dieser völlige Genuß und diese hohe und unzerstörliche Wonne angeht, sollen wir dem guten Gott, der sich auch heute nicht schämet, unser Gott zu heißen, mit einem ehrerbietigen Glauben begegnen, durch denselben Ihn unsern Gott nennen, und gern zu dem Volk gehören, dessen Gott Er ist, und unser Glück darein setzen, daß wir uns zu Ihm halten, und in Gehorsam vor Ihm wandeln. Eben dieser Glaube soll diese Folge bei uns haben, daß wir nach dem Vorbild Abrahams, Isaaks und Jakobs nicht an unserm irdischen Vaterland und an den Gütern, die es einschließt, hangen, sondern eines bessern begehren, nämlich eines himmlischen, uns nach der Weise desselben in der Heiligung bilden lassen, und durch die Hoffnung, dasselbe zu erreichen, die Beschwerden unserer Pilgrimschaft geduldig ertragen. Insonderheit sollen wir mit den unfruchtbaren Werken der Finsterniß, die in unserm irdischen Vaterland im Schwang gehen, keine Gemeinschaft haben, sondern sie vielmehr mit Worten und Werken bestrafen, von der Welt, die im Argen liegt, ausgehen, und, wenn wir ausgegangen sind, ebenso wenig zu derselben im Fortgang des Lebens umkehren, als Abraham in das abgöttische Chaldäa umgekehrt ist. Wer im Glauben ein wenig versteht, was der Ausdruck bedeute: Gott ist der Gott Seines Volkes, und wer eine Hoffnungsaussicht auf die Stadt bekommen hat, die Er Seinem Volk bereitet hat, den werden diese Gebote nicht hart zu sein dünken. (Magnus Friedrich Roos)
Die Christen sind gewohnt, oft zu sagen: mein Gott, oder unser HErr Gott. Wer bedenkt aber, was dieser Ausdruck bedeute? Abraham, Isaak und Jakob waren fromme Männer; der Apostel aber sagt: Gott habe sich nicht geschämt, der Gott Abrahams, Isaak und Jakobs, folglich ihr Gott zu heißen. Weil sie schwache Geschöpfe und Sünder waren, hätte sich Gott dessen schämen können, Er schämte sich aber dessen nicht bei einer großen Herunterlassung Seiner Liebe und um Christi willen. Christus hat Matth. 22. daraus, daß Gott noch zur Zeit Mosis Sich selber den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs genannt hat, den Schluß gemacht, daß diese Männer nach ihrem Tod noch leben, da dann der weitere Schluß auf die Auferweckung ihrer Leiber auch nach der Sadducäer Geständniß ganz richtig war, weil doch die Menschen nicht immer wider den Plan der Schöpfung unvollständige Menschen bleiben können, sondern die Seelen, wen sie übrig bleiben, ihre Leiber wieder bekommen müssen. Hernach sagte ein Engel zu dem Apostel Johannes, da er ihm das neue Jerusalem zeigte, Offenb. Joh. 21,3.: siehe da, eine Hütte Gottes bei den Menschen, und Er wird bei ihnen wohnen, und sie werden Sein Volk sein, und Er, Gott selbst, wird bei ihnen sein als ihr Gott. Wenn also Gott von Menschen sagt, Er sei ihr Gott, und diese Menschen ihrerseits auch sagen können: Gott sei ihr Gott, so bezieht sich dieser Ausdruck auf Menschen, die leben, denen sich also Gott offenbaren kann, die Seine Liebe genießen, Seine Herrlichkeit verehren und Ihn loben. Er ist aber von einer so reichen Bedeutung, daß von den Bürgern des neuen Jerusalems nichts Größeres gesagt werden kann, als daß Gott selbst bei ihnen sein werde als ihr Gott. Im neuen Jerusalem wird man also völlig erfahren, was dieser Ausdruck bedeute, darum sagt der Apostel: Gott habe sich nicht geschämt, Abrahams, Isaaks und Jakobs Gott zu heißen, weil Er ihnen eine Stadt zubereitet habe, nämlich das neue Jerusalem, in welcher er als ihr Gott bei ihnen und bei allen denjenigen, die ihrem Stammbaum durch den Glauben eingepfropft werden, wohnen, und Sich ihnen als der allein gute Gott, als das ewige und reinste Licht, und als die wesentliche Liebe mittheilen wird. Paulus fragt Röm. 3,29.: ist Gott allein der Juden Gott? Ist Er nicht auch der Heiden Gott? und antwortet: ja freilich, auch der Heiden Gott. Er hat also auch den Heiden, welche in den Fußstapfen des Glaubens Abrahams wandeln, folglich für Abrahams Samen geachtet werden, eine Stadt zubereitet. Die Namen der zwölf Geschlechter Israels sind an die Thore des neuen Jerusalems geschrieben, um anzuzeigen, daß die Auserwählten und Versiegelten aus diesen zwölf Stämmen darin wohnen; wer aber aus den Heiden die Gnade erlangt, von welcher Paulus Eph. 2,13 – 3,6. und Röm. 11,17. zeuget, wird einem von diesen zwölf Geschlechtern einverleibt. Weil auch die Namen der zwölf Apostel des Lammes auf die Gründe dieser Stadt geschrieben sind, so kann Niemand das Bürgerrecht darin erlangen, als wer durch den Glauben auf den Grund, das ist auf das Evangelium der Apostel und Propheten erbaut ist.(Magnus Friedrich Roos)
11:17 Durch den Glauben opferte Abraham den Isaak, da er versucht ward, und gab dahin den Eingeborenen, da er schon die Verheißungen empfangen hatte,
11:18 von welchem gesagt war: „In Isaak wird dir dein Same genannt werden “;
11:19 und dachte, Gott kann auch wohl von den Toten auferwecken; daher er auch ihn zum Vorbilde wiederbekam.
11:20 Durch den Glauben segnete Isaak von den zukünftigen Dingen den Jakob und Esau.
11:21 Durch den Glauben segnete Jakob, da er starb, beide Söhne Josephs und neigte sich gegen seines Stabes Spitze.
11:22 Durch den Glauben redete Joseph vom Auszug der Kinder Israel, da er starb, und tat Befehl von seinen Gebeinen.
11:23 Durch den Glauben ward Mose, da er geboren war, drei Monate verborgen von seinen Eltern, darum daß sie sahen, wie er ein schönes Kind war, und fürchteten sich nicht vor des Königs Gebot.
11:24 Durch den Glauben wollte Mose, da er groß ward, nicht mehr ein Sohn heißen der Tochter Pharaos,
11:25 und erwählte viel lieber, mit dem Volk Gottes Ungemach zu leiden, denn die zeitliche Ergötzung der Sünde zu haben,
11:26 und achtete die Schmach Christi für größern Reichtum denn die Schätze Ägyptens; denn er sah an die Belohnung.
11:27 Durch den Glauben verließ er Ägypten und fürchtete nicht des Königs Grimm; denn er hielt sich an den, den er nicht sah, als sähe er ihn.
Die Prüfung, welcher die Menschen auf Erden unterworfen sind, besteht darin, daß die sichtbare Welt für sie Reizungen und Schrecknisse enthält, und sie sowohl jene als diese durch einen Glauben überwinden müssen, welcher eine gewisse Zuversicht ist dessen, das man hoffet, und eine Gewißheit von dem, das man nicht siehet. Wem dasjenige, was zukünftig und unsichtbar ist, keinen solchen Eindruck macht, welcher gegen die Reizungen und Schrecken, die von irdischen Dingen entstehen, das Uebergewicht sein kann, der ist ein unglaubiger Mensch wie Esau, welcher seine Erstgeburt deßwegen verachtet und um ein Linsengericht verkauft hat, weil die damit verbundenen Vortheile und Vorzüge zukünftig und meistens unsichtbar waren. Ein solcher Mensch fällt auf die sichtbare Welt mit seiner ganzen Lust hinein, schweift mit seinen Begierden entweder bei einem kleinen oder großen Umkreis darin herum, wird oft geschreckt, oft ergötzt, zuweilen niedergeschlagen, zuweilen aufgeblasen, bekümmert sich über Mangel und fehlgeschlagene Anschläge, und freuet sich, wenn es ihm gelungen ist. Am Ende aber findet er, daß er vergeblich gelaufen sei, und einem Irrwisch nachgejaget habe, den er bei dem Eintritt in die finstere und trostlose Ewigkeit plötzlich aus dem Gesicht verliert.
Wer hingegen glaubig ist, und zwar durch die Kraft und nach der Vorschrift des Wortes Gottes, der siehet das irdische Leben als einen Prüfungsstand und die sichtbare Welt als eine Schule an, worin man zu einem edleren Leben in einer unsichtbaren Welt zubereitet werden soll. Er siehet also nicht auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare; da ohnehin was sichtbar ist, zeitlich, und was unsichtbar ist, ewig ist. Gott, welcher der Inbegriff alles Guten, ja allein gut ist, ist uns unsichtbar. Der HErr Jesus war zwar eine Zeit lang ein sichtbares Bild des unsichtbaren Gottes unter den Menschen, und damals konnte Er zu Seinen Jüngern sagen: selig sind die Augen, die da sehen, das ihr sehet: allein Er hörte bald wieder auf, den sterblichen Menschen sichtbar zu sein, und von da an gilt Sein Wort im völligsten Verstand: selig sind, die nicht sehen und doch glauben. An diesem Glauben ist nun Alles gelegen. Mit demselben hält man sich an Den, den man nicht siehet, als sähe man Ihn; wie von Mose gesagt wird. Moses hat einen solchen Glauben erreicht und bewiesen, ob er schon die Gnadenmittel, welche dazu fördern können, bei weitem nicht so reichlich genoß, als wir sie genießen. Vierzig Jahre lebte er am egyptischen Hof und war mit gottlosen Menschen umgeben. Vierzig Jahre war er Schäfer, zog mit seiner Heerde einsam in der arabischen Wüste umher, und traf, wenn er nach Hause kam, bei seinem Schwäher Jethro kein großes Licht der Erkenntniß an. Allein er hielt eben dasjenige weislich zu Rath, was ihm in seiner Jugend von dem Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs und von Seinen Werken und Verheißungen gesagt worden war, und wendete es zur Ausrichtung des Willens Gottes treulich an. Alsdann widerfuhr ihm, was Christus lange hernach sagte: wer da hat, dem wird gegeben, daß er die Fülle habe, und der Schatz der Wahrheit wurde in seinem Herzen durch besondere Offenbarungen sehr vermehrt. Er konnte also seinen Gott mit einem ungemeinen Glauben in den schwersten Fällen preisen, und wurde dagegen von Gott zu einem besondern Beispiel Seiner Gnade und Barmherzigkeit gemacht.(Magnus Friedrich Roos)
11:28 Durch den Glauben hielt er Ostern und das Blutgießen, auf daß, der die Erstgeburten erwürgte, sie nicht träfe.
11:29 Durch den Glauben gingen sie durchs Rote Meer wie durch trockenes Land; was die Ägypter auch versuchten, und ersoffen.
11:30 Durch den Glauben fielen die Mauern Jerichos, da sie sieben Tage um sie herumgegangen waren.
11:31 Durch den Glauben ward die Hure Rahab nicht verloren mit den Ungläubigen, da sie die Kundschafter freundlich aufnahm.
11:32 Und was soll ich mehr sagen? Die Zeit würde mir zu kurz, wenn ich sollte erzählen von Gideon und Barak und Simson und Jephthah und David und Samuel und den Propheten,
11:33 welche haben durch den Glauben Königreiche bezwungen, Gerechtigkeit gewirkt, Verheißungen erlangt, der Löwen Rachen verstopft,
11:34 des Feuers Kraft ausgelöscht, sind des Schwertes Schärfe entronnen, sind kräftig geworden aus der Schwachheit, sind stark geworden im Streit, haben der Fremden Heere darniedergelegt.
11:35 Weiber haben ihre Toten durch Auferstehung wiederbekommen. Andere aber sind zerschlagen und haben keine Erlösung angenommen, auf daß sie die Auferstehung, die besser ist, erlangten.
11:36 Etliche haben Spott und Geißeln erlitten, dazu Bande und Gefängnis;
11:37 sie wurden gesteinigt, zerhackt, zerstochen, durchs Schwert getötet; sie sind umhergegangen in Schafpelzen und Ziegenfellen, mit Mangel, mit Trübsal, mit Ungemach
11:38 (deren die Welt nicht wert war), und sind im Elend umhergeirrt in den Wüsten, auf den Bergen und in den Klüften und Löchern der Erde.
11:39 Diese alle haben durch den Glauben Zeugnis überkommen und nicht empfangen die Verheißung,
11:40 darum daß Gott etwas Besseres für uns zuvor ersehen hat, daß sie nicht ohne uns vollendet würden.
Der Glaube ist die größte Kraft, welche der Seele zu Hülfe kommt, denn auch die Liebe, wenn es die rechte Liebe ist, hat im Glauben ihre Wurzel. Die Fundamente des Glaubens sind die unsichtbaren Dinge, welche die Seele aber aus freier Wahl so ergreift, als wären es sichtbare. Der Glaube steht siegreich auf der Sinnenwelt, auf den Berechnungen des Verstandes, auf allen Feindesheeren und Lebensbedrängnissen, er ist der Sieg, der die Welt überwunden hat. Freilich ist der Glaube nicht jedermanns Ding; man kann niemand zwingen zu glauben, aber wer nicht zum Glauben kommt, hat es dennoch anzusehen als seine eigne Schuld. Christus würde nicht sagen: „wer nicht glaubt, wird verdammet werden“ wenn der Unglaube eine bloße Kurzsichtigkeit oder Unbegabtheit wäre. Wer ungläubig ist, der ist es, weil er es will, nicht weil er nicht anders kann. Der Unglaube ist eine Sünde des Herzens, nicht des Verstandes; wer sich beugen will, der kommt auch zum Glauben. Alle Glaubenshelden, die Ebr. 11 uns vor’s Auge gestellt werden, hatten ihr eignes Leben dran gegeben und konnten darum glauben. Das eigne Leben aber ist nichts anders als Entfremdung von Gott, und diese Gottentfremdung will der Ungläubige nicht richten. Keiner jener Glaubensmänner war von Natur begabter als der andere, aber sie konnten brechen mit sich selber, weil sie es wollten, und diese Hingabe des Herzens öffnet es auch für die Güter, die kein Auge gesehn, kein Ohr gehört hat und die in keines Menschen Herz gekommen waren, die aber Gott bereitet hat denen, die Ihn lieben. Wahrlich, wollen wir Christen, nach all’ den Gottesthaten, die für uns geschehen sind, nicht glauben, so wird uns die Hure Rahab und der gemeinste Israelit beschämen an jenem Tage. Es werden Zeiten kommen, wo wir durch alle Macht, Reichthum, Kunst und Ansehn nichts ausrichten können und wo ein Quentlein Glaube mehr gelten wird als ein Centner Macht und Kunst. – O mein Heiland, auf Dich bin ich ja gewiesen als den Anfänger und Vollender des Glaubens. Kann ich nicht einen Heldenglauben bekommen, so gieb mir doch den Glauben, der Dich ergreift zur Seligkeit und jeder Sünde mit ganzem Ernst bis an’s Ende widersteht. Amen. (Johann Friedrich Wilhelm Arndt)