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Titus, Kapitel 2

Titus, Kapitel 2

2:1 Du aber rede, wie sich's ziemt nach der heilsamen Lehre:

2:2 den Alten sage, daß sie nüchtern seien, ehrbar, züchtig, gesund im Glauben, in der Liebe, in der Geduld;

2:3 den alten Weibern desgleichen, daß sie sich halten wie den Heiligen ziemt, nicht Lästerinnen seien, nicht Weinsäuferinnen, gute Lehrerinnen;

2:4 daß sie die jungen Weiber lehren züchtig sein, ihre Männer lieben, Kinder lieben,

2:5 sittig sein, keusch, häuslich, gütig, ihren Männern untertan, auf daß nicht das Wort Gottes verlästert werde.
Hier ist davon die Rede, was „der gesunden Lehre geziemt“. Da führt das Wort sogleich in die praktischen Dinge des Lebens und der Bewährung im täglichen Wandel. Weit entfernt von der Meinung, daß der Schwerpunkt auf die Erkenntnis und biblische Ausdrucksweise zu legen sei (wiewohl diese Dinge ihre hohe Bedeutung haben), wird die Bewährung in einem geheiligten Wandel als Kennzeichen echten Christentums gefordert. Die Anweisungen, die Titus erhielt, erweisen, daß es biblisch ist, den verschiedenen Altersstufen und Geschlechtern unter den Gläubigen einer Gemeinde auch besondere Belehrungen zu erteilen; sie brauchen das. Andererseits ersieht man hier, wie weit vom Ursprung die Namenchristenheit abgeirrt ist, denn alle diese Unterweisungen haben zur Voraussetzung, daß die Gläubigen 1. unter sich in Liebe vereint und 2. ihrer Trennung von der Welt sich bewußt sind. - „damit das Wort Gottes nicht verlästert werde!“ Es kam dem Apostel und kommt allen wahren Christen auf die Ehre des Herrn an. Das Wort Gottes soll nicht verlästert werden vor der Welt, als wäre es eine kraftlose, gut entbehrliche Lehre! Letzteres geschieht überall da, wo der Wandel mit den Worten des Bekenntnisses nicht stimmt. Ein theoretisches Christentum nennt die Schrift Heuchelei, sie erkennt nur ein im praktischen Leben bewährtes Christentum an. Die Bibel soll den Menschen vorgelebt werden und in den Häusern der Kinder Gottes als eine lebenserneuernde, heiligende Gotteskraft erblickt werden! (Georg von Viebahn)

2:6 Desgleichen die jungen Männer ermahne, daß sie züchtig seien.

2:7 Allenthalben aber stelle dich selbst zum Vorbilde guter Werke, mit unverfälschter Lehre, mit Ehrbarkeit,

2:8 mit heilsamem und untadeligem Wort, auf daß der Widersacher sich schäme und nichts habe, daß er von uns möge Böses sagen.
Was der Herr von gläubigen Jünglingen erwartet, steht neben dem hier Gesagten auch in 1. Joh. 2, 14-17. Die Jugend neigt zur Übereilung, zu schnellen Entschlüssen; man bindet sich leicht durch übereilte Zusage. Da warnt das Wort: Seid besonnen! Das ist in unseren Tagen doppelt notwendig: Seid besonnen! - Titus war ein bewährter Christ und geeignet, ein Vorbild zu sein. Paulus selbst stellt sich wiederholt als Vorbild hin. (Phil. 4, 9.) Das war nicht Anmaßung, sondern es entsprach der Wahrheit und den Bedürfnissen der Gläubigen. Diese Vorbilder der apostolischen Tage sind auch heute noch in Kraft und Wirkung - während es für einen Gläubigen unserer Tage sicherlich bedenklich ist, wenn er sich als Vorbild hinstellt; er darf und soll aber danach streben, ein Vorbild zu sein; insoweit er ein Vorbild ist, wird er als Vorbild wirken! Titus sollte „ein Vorbild guter Werke“ sein, was bedurfte er dazu?

  1. In der Lehre Unverderbtheit - offenbar ist Satan bemüht, bei allen, die einen Platz als Lehrer des Wortes Gottes einnehmen, die Lehre zu verderben.
  2. Würdigen Ernst. Der Scherzgeist, der immer eine witzige Anspielung bereit hat, ist nicht von oben her. Scherzgeist vertreibt den Heiligen Geist! (vgl. Eph. 5, 4.)
  3. Gesunde, nicht zu verurteilende Rede. Für einen geistlichen Lehrer ist Jak. 3, 1. 2 von besonderer Bedeutung. Übereilte, unbiblische Worte trägt der Satan durch die Zungen seiner Untergebenen weiter zum Schaden der Sache Gottes! (Georg von Viebahn)

—- Wahre Christen in dienender Stellung haben besondere Aufgaben und besondere Versuchungen; bei den Sklaven der damaligen Zeit war dies vielleicht noch mehr der Fall, als heute bei den Dienenden. Damals wie heute waren die meisten Gläubigen unter den Niedrigen. Wir finden deshalb in den Briefen so viele besondere Ermahnungen für die Dienenden (Eph. 6, 5-8; Kol. 3, 22-25; 1.Tim. 6, 1. 2; 1.Pet. 2, 18-20), weil es viele Sklaven und Sklavinnen unter den Bekennern Jesu gab. Die selbstlose, stille Treue der Kinder Gottes, die in dienender Stellung sind, ist eine bessere Predigt für ihre unbekehrten Herrschaften, als viele Worte. Zum Zeugnis in Worten gibt der Herr wohl manche Gelegenheit, die in Demut benutzt werden soll, aber das stille, treue Dienen ist eine tägliche Predigt ohne Worte! - Die gläubigen Sklaven und Sklavinnen hatten ganz andere Begriffe über ihr Verhältnis zu ihren Herren, als die heidnischen! Bei den heidnischen Sklaven war es nicht verwunderlich, wenn sie zum Widerspruch und zur Selbstsucht geneigt waren, wenn sie nahmen, was sie ungestraft nehmen konnten. Die Kinder Gottes dagegen sollten ganz andere Begriffe haben und aus ganz anderen Beweggründen handeln. Sie sollten das Christentum, das sie bekannten, darstellen und zieren in allen Stücken! Die Lehre unseres Heiland-Gottes soll von den unbekehrten Menschen verstanden werden durch die Früchte der Demut und Sanftmut, des Fleißes und der Treue, die sie in uns Gläubigen hervorbringt. (Georg von Viebahn)

2:9 Den Knechten sage, daß sie ihren Herren untertänig seien, in allen Dingen zu Gefallen tun, nicht widerbellen,

2:10 nicht veruntreuen, sondern alle gute Treue erzeigen, auf daß sie die Lehre Gottes, unsers Heilandes, zieren in allen Stücken.

2:11 Denn es ist erschienen die heilsame Gnade Gottes allen Menschen
Allen Menschen heilsam - d.h. ohne diese Gnade wird kein Mensch von seinem natürlichen Schaden geheilt, ohne diese Gnade geht jeder Mensch an sich selbst zugrunde. Man braucht nicht an grobe Laster zu denken - aber es steckt doch in einem jeden von uns schon viel erbliche Belastung von bösen Anlagen. Darum durfte die Gnade nicht verborgen bleiben, sondern mußte erscheinen. Sonst ist manches von der Herrlichkeit und Schönheit Gottes verborgen, aber diese eine der Menschheit zugekehrte Seite hätte gar nicht wirken können, wenn sie vor aller Welt verborgen geblieben wäre. Nun ist es zu Weihnachten so deutlich geworden, was Gott vorhat, daß er seine Gnade als ein menschliches Kind unter uns hat geboren werden lassen, daß seine Gnade persönlich in unser Leben hineinkam, damit alle, die daran glauben, persönliche Hilfe erleben sollten. Heilsam, Gnade, erschienen - drei Gedanken zu einer Weihnachtsbetrachtung für dich! Denke jeden in seinen Wirkungen für dich selbst durch und bete darüber, dann wird's eine stille, gesegnete Feststunde für dich werden, und die alte Weihnachtsbescherung wird dir neuen Glanz und neue Freude bringen.
Wir danken dir, lieber Vater im Himmel, daß du dich unseres Elends so tiefgründig erbarmt hast und so viel Heilkraft in deine Gnade gelegt hast, die da Jesus heißt. Laß uns wieder aus seiner Fülle nehmen Gnade um Gnade. Amen. (Samuel Keller)

2:12 und züchtigt uns, daß wir sollen verleugnen das ungöttliche Wesen und die weltlichen Lüste, und züchtig, gerecht und gottselig leben in dieser Welt
Weil viele Menschen das Wort Gnade unrecht verstehen und mißbrauchen, so hielt Paulus für nöthig, Röm. 6,1.15. die Fragen aufzuwerfen: sollen wir in der Sünde beharren, auf daß die Gnade desto mächtiger werde? Sollen wir sündigen, dieweil wir nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade sind? Er beantwortet aber diese beiden Fragen so, wie es einem heiligen Apostel zustand; er antwortet beidemal: das sei ferne, und leitet seine Antwort aus der innerlichen Beschaffenheit der Gnade Gottes her, wie sie in dem Evangelio beschrieben wird. Tit. 2,12. aber sagt er sogar: die heilsame Gnade züchtiget uns, daß wir sollen verleugnen das ungöttliche Wesen und die weltlichen Lüste, und züchtig, gerecht und gottselig leben in dieser Welt. Er nennt die Gnade eine heilsame Gnade, das ist eine Gnade, welche dem Menschen zum Heil oder zur Seligkeit verhilft. Er sagt: sie züchtige uns, das ist, sie treibe uns an, sie gewöhne und stärke uns, zu verleugnen das ungöttliche Wesen u.s.w. Man darf nur bedenken, daß die heilsame Gnade uns Empfindungen der Liebe Christi gewähre, und daß nach derselben uns der Heilige Geist gegeben werde, und dieser durch das Blut Christi unser Gewissen und unsere ganze Seele reinige, so wird man bald einsehen, daß sie zu einem heiligen Wandel treibe und tüchtig mache. Wer also mit dem Munde sagt, er hoffe aus Gnaden selig zu werden, und stehe schon jetzt in der Gnade, dabei aber das ungöttliche Wesen und die weltlichen Lüste nicht verleugnen, und in dieser Welt nicht züchtig, gerecht und gottselig leben will, dessen Hoffnung ist eitel, dessen Ruhm von der Gnade ist lügenhaft, der kann wohl das ehrwürdige Wort Gnade im Munde führen, aber von der Kraft derselben fühlt er nichts in seinem Herzen. Gleichwie es Gnade ist, wenn man gerechtfertigt wird, also ist es Gnade, wenn man geheiligt und Christo innerlich ähnlich gemacht wird. Es ist Gnade, wenn man von der Schuld und Strafe der Sünden los wird, es ist aber auch Gnade, wenn man von der Herrschaft der Sünde frei, und wenn die Sünde hernach noch weiter in der Seele abgethan wird. Ja es ist auch Gnade, wenn man über einer jeden Uebereilung eine innerliche Bestrafung bekommt, bei einer jeden Gefahr, in die Sünde zu fallen, in eine Angst und Furcht geräth, und zuweilen durch ein Leiden am Fleisch von dem Wandel nach dem Fleisch, wozu man hingerissen werden könnte, abgehalten wird. Wer die Verleugnung des ungöttlichen Wesens und der weltlichen Lüste, und züchtiges, gerechtes und gottseliges Leben für eine verdrießliche Last und für eine Pein hält, hat noch keine Erfahrung davon bekommen, und in das vollkommene Gesetz der Freiheit noch nicht durchgeschauet. Das Joch Christi ist sanft, und Seine Last ist leicht, und geistlich gesinnet sein, ist Leben und Friede: deßwegen wird auch jene Verleugnung und jenes Leben aus der Gnade hergeleitet. Die allen Menschen erschienene heilsame Gnade werde auch mir und den Meinigen zu Theil, und erhalte uns auch heute bei dem Einigen, daß wir Gottes Namen kindlich fürchten, und diese kindliche Furcht durch einen vorsichtigen Wandel offenbaren. Was das Gesetz, welches die Sünde reizt und den Sünder verdammt, bei uns nicht zuwege bringen kann, wirke die Gnade in uns. Sie mache uns frei vom Gesetz der Sünde und des Todes, das ist von dem Trieb zu sündigen und in das Verderben hinein zu rennen; hingegen verschaffe sie, daß die Gerechtigkeit, vom Gesetz erfordert, in uns als Leuten, welche nicht nach dem Fleisch, sondern nach dem Geist leben, erfüllet werde.(Magnus Friedrich Roos)


Merkwürdig: Gnade und Züchtigen in einem Atem genannt. Gnade vergibt, Gnade heilt, Gnade richtet auf, Gnade rettet - alles mögliche läßt sich mit ihr vereinen und von ihr aussagen; aber wie sollen wir das verstehen, daß sie züchtigt? Wer so fragt, hat wohl die Gnade noch nie erlebt. Solch eine volle, rettende Gnade, die alle alten Sünden verzeiht, als hätte man sie nie gehabt, noch getan, daß man sich ihr gegenüber vorkommt wie in einer mächtigen Liebeswelle, bringt die Eiskruste des Mißtrauens gegen Gott zum Schmelzen und schafft ein neues Leben. Sie zieht uns in einen Liebesumgang mit Gott hinein, wo wir einfach außerstande sind, die alten Schlechtigkeiten gutzuheißen und listig zu verstecken. Sie entwaffnet uns und beschämt uns, sie überbietet alles, was wir uns hatten träumen lassen, und zwingt uns neue Entscheidungen und Entschlüsse ab. Wir können hinter solcher Hingabe Gottes in Christo nicht zurückbleiben. Er vertraut uns und glaubt an unsere Änderung: können wir solch einen großartigen Gott enttäuschen? Wir müssen mit der Erneuerung unseres Lebens Ernst machen, wie Gott Ernst machte mit der Tilgung der alten Schuld. Die Gnade wird unser weiser, starker Erzieher, dem wir gehorchen müssen.
Wir danken dir, Herr Jesus, daß du unsere persönliche Gnade geworden bist, daß du uns von innen heraus erneuerst und zu dir ziehst. Jetzt laß unser Mund und Leben dein Lob verkünden! Du bist es wert. Amen. (Samuel Keller)


Da war ein alter intimer Bekannter, mit dem wir früher in unbekehrtem Zustande allerhand böse Streiche verübt haben; nachher ist er von Stufe zu Stufe gesunken. Ist es ein Wunder, daß wir jetzt ihm den Rücken kehren, seinen Gruß nicht erwidern und mit ihm nichts zu tun haben wollen? So müssen wir die ganze böse Sippschaft energisch verleugnen: das ungöttliche Wesen und die weltlichen Lüste. Aber ehrlich! Nicht nur in Formen und im Verkehr vor den Leuten, sondern auch im geheimsten Gedankenstübchen unserer Seele. Die geheimen Beziehungen zu schlechten Leuten sind schlimmer als die offenbaren. Mancher meint, das Gebot des Apostels schon erfüllt zu haben, wenn er Theater und Konzerte meidet und ein ernsthaftes, feierliches Gesicht aufsetzt. Das ist äußerlich und wertlos, wenn die innere Herzensabkehr dem nicht entspricht. Der Herr will unser Herz und unsere Gesinnung zuerst ganz rein haben, dann wird das neue, unmittelbare, gottgewirkte Wesen sich schon seine äußeren Normen und Formen selber schaffen. Je peinlicher du auf innere Sauberkeit achtest, desto selbstverständlicher wird der neue Takt dich lehren, auch nach außen dich recht zu benehmen. Einen von beiden muß man verleugnen: entweder Jesum oder die Weltart.
Da wir dich gewählt, Herr Jesu, komm du selbst zu uns und fülle unsere Seelen mit deinen Gedanken und Interessen, bis kein Raum mehr sei für die wüsten Träume und Triebe der Selbstsucht. Amen. (Samuel Keller)


Am Eingang eines Seehafens sind drei Leuchtfeuer; nur wenn sie für den einfahrenden Schiffer in eins zusammenfließen, kann er bei Nacht die Einfahrt sicher wagen. So sind in unserem Text die Pflichten gegen uns selbst, gegen den Nächsten und gegen Gott diesen Leuchtfeuern gleich. Man kann nicht eins von ihnen verachten oder vernachlässigen, ohne daß man sich auch vom Segen der anderen entfernt. Wer gegen sich selbst züchtig - sich in Zucht haltend - lebt, der kann auch dem Nächsten gegenüber gerecht sich betragen, und nur, wenn diese beiden ersten Pflichten erfüllt werden, ist es möglich, daß man auch gottselig, d. h. in Beziehung zu Gott richtig wandelt. Wer sich darauf versteift, daß seine Fehler auf einem dieser Gebiete durch tüchtige Leistung auf einem andern wettgemacht würden, der irrt sich. Gottseligkeit gibt nicht die Erlaubnis zu persönlicher Zuchtlosigkeit oder zu ungerechter Behandlung des Nächsten, ebensowenig wie Bravheit im Umgang mit andern uns der Pflicht überhebt, gottgemäß zu leben. Die heilsame Gnade will uns durch ihren inneren Zug zu allen drei Pflichten tüchtig machen, und es liegt nicht an ihr die Schuld, wenn wir an irgend einem dieser Punkte elend versagen. Weil wir einheitliche Persönlichkeiten sind, müssen wir in allem vorwärtsgehen.
Ach, da haben wir oft über uns seufzen müssen, Herr Jesu! Mach du uns treuer und brauchbarer. Wenn wir ermüden, so erinnere uns an deine Nähe und an deine Kraft, damit wir Leuchtfeuer werden für andere. Amen. (Samuel Keller)

2:13 und warten auf die selige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit des großen Gottes und unsers Heilandes, Jesu Christi,
Auf was wartest du, mein lieber Mensch? Vielleicht auf gute Tage in dieser Welt, die noch kommen sollen; vielleicht auf ein Ehrenamt, das dir noch zu Theil werden soll; vielleicht auf einen Reichthum, der dir noch zufallen soll? Wie aber, wenn dein Warten vergeblich wäre? Alsdann wärest du äußerst mißvergnügt. Und wie, wenn dein Warten und Hoffen erfüllt würde? Alsdann wärest du auch mißvergnügt; denn Salomo, der Alles bekam, was ein Mensch auf Erden begehren kann, sagt, es sei doch Alles Eitelkeit und Mühseligkeit gewesen, und unter der Sonne bleibe einem Menschen nichts übrig, oder er finde kein bleibendes Gut, Pred. 2,1.; ja, es habe ihn verdrossen zu leben, denn Alles, was unter der Sonne sei, habe ihm übel gefallen, weil es so gar eitel und Mühe sei, V. 17. Auf dieses Mißvergnügen läuft alles Begehren und Warten derjenigen hinaus, welche unter der Sonne ihr höchstes Gut suchen; wie auch die Lebensläufe vieler Menschen, die sehr glücklich zu werden schienen, einen Jeden belehren können. Auf was sollst du also warten, mein lieber Christ, wenn das Wort Salomo’s Spr. 10,28. an dir erfüllt werden soll: das Warten der Gerechten wird Freude werden? Du sollst warten auf die selige Hoffnung, du sollst nämlich warten, daß die Hoffnung, welche an sich schon selig macht, und welche auf eine vollkommene Seligkeit gerichtet ist, an dir ganz erfüllet werde. Du sollst warten auf die Erscheinung der Herrlichkeit des großen Gottes und Heilandes Jesu Christi, welche dich unaussprechlich erquicken, und zu einer herrlichen und völlig vergnügten Kreatur machen kann. Auf dieses sollst du warten. Ist aber das Erwartete auch gewiß? Es ist an sich selbst gewiß, denn der wahrhaftige Gott, der nicht lügen kann, hat es verheißen. Es soll aber auch in Absicht auf dich selbst gewiß sein, damit du nicht vergeblich wartest, und bei deinem Warten zu Schanden werdest. Darum, mein Lieber, weil du darauf warten sollest, so thue Fleiß, daß du vor dem HErrn unbefleckt und im Frieden erfunden werdest, 2 Petr. 3,14. Zu diesem Ende soll dich die allen Menschen in Christo erschienene heilsame Gnade züchtigen, das ist anleiten und anweisen, daß du verleugnest das ungöttliche Wesen und die weltlichen Lüste, und züchtig, gerecht und gottselig lebest in dieser Welt. Diese Welt ist aber eine böse Welt. So überwinde sie denn durch den Glauben. Wie aber, wenn ich bei einem solchen Leben in dieser Welt überall zurückstehen und Schaden und Schmach leiden muß? Alsdann tröste dich mit jener Hoffnung und Erscheinung. Wenn jene Hoffnung erfüllt werden, und jene Erscheinung geschehen wird, so wirst du viel reicher, vornehmer, herrlicher und vergnügter werden, als du in dieser Welt bei einer königlichen Würde geworden wärest. Dieses Warten währt aber so lange? Was sagt aber die Schrift Hab. 2,3.4.? Die Weissagung wird noch erfüllet werden zu seiner Zeit, und wird endlich frei an den Tag kommen, und nicht außen bleiben. Ob sie aber verzeucht, so harre ihr, sie wird gewiß kommen, und nicht verziehen. Siehe, wer halsstarrig ist, wird keine Ruhe in seiner Seele haben; denn der Gerechte lebet seines Glaubens.(Magnus Friedrich Roos)


Eine Erscheinung Gottes in Christo liegt hinter uns, als die heilsame Gnade das erstemal offenbar wurde, eine zweite, andersgeartete, liegt vor uns. Die erste hatte sittliche Bedeutung und Kraft und wollte uns von der Sünde scheiden; dabei ließ sie Stückwerk und Unvollkommenheit genug übrig und von Krankheit und Tod, Elend und Not des Leibes und Lebens hat sie uns noch nicht befreit. Die zweite Erscheinung hat hier ihre Aufgabe: sie will mit der Herrlichkeit Gottes und Jesu, die offenbar werden sollen, auch all unsere Unvollkommenheit, alle unsere Tränen verscheuchen. Wer sich mit solcher Hoffnung zu trösten weiß, dem ist sie süß und selig. Wer auf solche Aussicht wartet, der kann des Augenblicks Knechtschaft tragen. Nur muß das, was wir von der ersten Erscheinung der heilsamen Gnade gelernt, erlebt, genommen und genossen haben, so groß sein, so gewiß, so wirklich sein, daß uns das in den Stand setzt, auch echt und stark in Hoffnung froh zu sein, wenn wir der zweiten herrlichen Erscheinung warten. Und zwar nicht nur für uns, sondern auch für andere muß unser Warten stark sein, damit sie an unserer festen, fröhlichen Hoffnung ihren wankenden Glauben stärken können!
Herr Jesus, stärke uns jetzt alles das, was wir von deiner heilsamen Gnade nehmen und erleben dürfen und dann mache unsere Hoffnung glühend und klar, damit sie andern im Dunkeln den Weg zeige zur Herrlichkeit. Amen. (Samuel Keller)


Welch herrliche Tatsache: „Die Gnade Gottes ist erschienen, heilbringend für alle Menschen!“ Gepriesen sei der Herr! Niemand ist abgeschlossen, alle sollen wissen: Auch für dich ist das Heil zu finden! Kein Mensch ist so tief verschuldet, so weit von Gott entfremdet, daß die Gnade Gottes ihn nicht retten wollte und könnte. Dies ist die herrliche Botschaft an alle Welt: Die Gnade Gottes ist erschienen, heilbringend für alle Menschen! Aber wozu unterweist sie uns, die Gläubigen? Sie lehrt uns in einem neuen Leben zu wandeln! Mit dem, was gottlos heißt, und mit dem, was Weltlust und Sündengenuß heißt, haben wir nichts mehr zu tun, wir sollen das alles verleugnen, daran vorübergehen, als ob es für uns nicht da ist! Wir leben mit unserem Herren schon in einer anderen, besseren Welt, im Reich Gottes, wo Gerechtigkeit, Friede und Freude herrscht durch den Heiligen Geist {Röm. 14, 17}. - Wir wissen, daß der jetzige Zeitlauf schnell abläuft, die Welt eilt dem Gericht entgegen. Wir aber erwarten die Erfüllung unserer glückseligen Hoffnung: die Erscheinung der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Heilandes Jesu Christi! Welch selige Freude, wenn wir Ihn schauen werden, wenn Er uns zu Sich ruft, wenn wir Ihm von Angesicht huldigen werden! Ist das wirklich meine Hoffnung? Dann lebe ich in diesen eilenden Tagen besonnen, gerecht und gottselig, dann ist mein Herz auf den Herrn gerichtet, mit Ihm beschäftigt und mein Leben Seinem Dienst geweiht. Ist es so bei mir? (Georg von Viebahn)

2:14 der sich selbst für uns gegeben hat, auf daß er uns erlöste von aller Ungerechtigkeit und reinigte sich selbst ein Volk zum Eigentum, das fleißig wäre zu guten Werken.1); 2)
Warum soll man das Wort nicht in seiner ganzen Großartigkeit verstehen? Was uns drückt, ist, daß wir selbst ungerecht sind vor Gott, ungerecht sind gegen andere Menschen und daß andere gegen uns ungerecht sind und wir außerdem mit denen mitempfinden, die man „die Opfer des großen Unrechts“ in der Welt nennt. Alle solche Ungerechtigkeit hat doch nur die eine Wurzel der Sünde, daß die Menschheit nicht in Ordnung und Harmonie ist mit Gott. Sollen wir uns da nicht freuen, daß Jesu Lebenszweck so angegeben wird: uns zu erlösen von aller Ungerechtigkeit, eigner und fremder! Ja, gerade, wenn wir erlebt haben, daß uns schon in unserm Verhältnis zu Gott durchgreifend geholfen wurde durch das Heil, das uns Jesus brachte, wenn wir weiter spürten, wie das uns hilft, unsere persönlichen Verhältnisse zu andern Menschen gerechter und besser zu gestalten - sollten wir dann nicht verlangend ausschauen nach der Erlösung von aller, auch der letzten Ungerechtigkeit, unter der irgendwo eine Seele seufzt. Mehr als das, wir strecken uns aus nach der Richtung, von woher die Hilfe kommen soll und helfen mit unsern schwachen Kräften mit Raum machen, Brücken schlagen, Wunden verbinden, Zäune abbrechen, damit sich Jesu Werk bald allüberall zur seligen Wirklichkeit durchsetze.
Komm, Herr Jesu! Wir sehnen uns nach der Vollkommenheit, nach den Zeiten der Erquickung von deinem Angesicht. Hilf uns, die Wege zu bereiten! Amen. (Samuel Keller)


Die selbstsüchtige Welt fragt bei allem: Was hat man davon? Nun, was hat Jesus davon, daß er sich in den Tod gab? Hier ist ein Ziel seiner Aufopferung genannt: Daß dadurch ein Volk für ihn zum Eigentum gereinigt würde, so daß es dann in solchem neuen Zustande ganz von selbst wahrhaft gute Werke hervorzubringen imstande ist. Auf der neuen Erde wird man nicht nur sitzen und singen, sondern wie Gott allezeit wirkt, werden wir auch wirken. Nur ohne Sünde, ohne Mißerfolg, ohne selbstsüchtige Nebenabsichten. Es wird unsere neue Natur und Art sein, daß wir gar nicht anders können, als fleißig zu guten Werken zu sein. Wie wohl tut es, wahrhaft Gutes zu vollbringen, und wie wenig davon gibt es jetzt! Soll es nicht einst unsere große, edle Aufgabe sein, Gottes Gedanken in seiner Schöpfung zu verwirklichen? Daß wir heute von solchen Gedanken noch wenig wissen, tut der frohen Aussicht und seligen Hoffnung keinen Abbruch. Gott wird Gedanken genug für die Ewigkeit haben!
Herr Jesu, damit trösten wir uns über die Unvollkommenheit von heute und sehnen uns nach der herrlichen Zukunft der Kinder Gottes. Fange mit deinem Reinigen hier an und bringe es dort selig zum Abschluß. Amen. (Samuel Keller)

2:15 Solches rede und ermahne und strafe mit gutem Ernst. Laß dich niemand verachten.
O ewiger und allmächtiger Gott, ich bin Dir den größten Dank schuldig, daß Du mich erschaffen hast, da ich nichts war; aber noch weit größern, daß Du mich erlöset hast, da ich verloren und verdammt war! Ich lag in der Hölle Rachen. Du hast mich durch das Blut Deines Sohnes herausgezogen. Ich bin mir ganz Dir schuldig; denn Du hast mich ganz gebildet. Meine Zunge soll Dich beständig loben, weil Du sie mir gegeben hast. Mein Mund soll immerdar Dein Lob verkündigen, weil er von Dir Luft und Odem hat. Mein Herz soll mit beständiger Liebe Dir anhangen, weil Du es gebildet hast. Alle Glieder sollen zu Deinem Dienste bereit sein, weil Du sie alle, wie viel und wie groß sie auch sind, wunderbar bereitet hast. Wenn ich schon zuvor mich ganz Dir schuldig bin, weil Du mich ganz gemacht hast, was wird’s sein, das ich Dir für die Erlösung aus meiner Knechtschaft und Gefangenschaft vergelten könnte? Das verlorne Schäflein hast Du den Krallen des höllischen Wolfs entrissen; den verlornen Groschen hast Du ängstlich gesucht. Wer bin ich, daß Du für meine Erlösung so besorgt, und zu meinem Heile so wunderbar freigebig sein wolltest? Wenn Du die ersten Menschen nach dem Falle ganz von Dir verworfen und mit allen ihren Nachkommen bis in die unterste Hölle hinabgestürzt hättest, so wäre keinem von uns Unrecht geschehen, sie und auch wir hätten empfangen, was unsere Thaten werth sind. Aber nun erzeigst Du Deine unbegreifliche und unaussprechliche Liebe gegen uns, daß Du Deinen Sohn den ersten Eltern nach dem Falle als Erlöser versprichst, und denselben in der Fülle der Zeit uns sendest, und durch ihn aus dem Tode zum Leben, aus den Sünden zur Gerechtigkeit uns zurückrufst. O Liebhaber der Menschen, der seine Lust bei den Menschenkindern hat, wer kann diese Liebe würdig preisen? wer kann sie mit dem Verstande erfassen? War der Knecht so werth, daß der Sohn zu seiner Erlösung in den Tod gegeben werden mußte? War der Feind so zu lieben, daß Du ihm den geliebtesten Sohn zum Erlöser bestimmt hast? Meine Seele staunt, wenn sie diese Wohlthat erwägt, und wird ganz hingenommen und zerfließt in Liebe zu Dir. Reinige mich denn, daß ich immer fleißiger werde zu guten Werken und verleugne das ungöttliche Wesen, und züchtig, gerecht und gottselig lebe in dieser Welt. Amen. (Johann Friedrich Wilhelm Arndt)


Der Herr hat die Seinigen „losgekauft von aller Gesetzlosigkeit“, sie brauchen der Sünde nicht zu dienen, den Willen Satans nicht mehr zu tun. Wir sind tatsächlich befreit, um den Willen Gottes zu tun. Ein Kind Gottes darf kühn im Blick auf die Ketten und Stricke der Sünde und Leidenschaften, mit denen es früher gebunden war, sagen: Ich bin frei! Nun gilt es, täglich in der Freiheit zu wandeln, für welche Christus uns freigemacht hat: “ Haltet dafür, daß ihr der Sünde tot seid.“ {Röm. 6, 11} Gott will die Seinen bewahren, und Er wird es tun, wenn wir wachend und betend vor Ihm wandeln. Aber noch eins: „Wer zu stehen meint, sehe zu, daß er nicht falle.“ (1. Kor. 10, 12.) Christus hat Sich Selbst für uns gegeben, nicht nur um uns von vergangener Schuld zu erlösen, sondern um uns zu reinigen, damit wir in einem neuen Leben zu Seiner Ehre, als Sein Eigentumsvolk, eifrig wären in guten Werken! Die Welt soll an unseren guten Werken erkennen, daß wir Jesu Eigentum sind! (Mat. 5, 16.) Hier ist eine klare Lehre darüber, daß die Gläubigen durch das Opfer von Golgatha erkauft sind, um in Heiligkeit zu wandeln! Dies soll mit aller Machtvollkommenheit bezeugt werden, damit die Gläubigen davon überführt werden, daß dies Gottes Wille und Gottes Wahrheit ist.

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