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2. Korinther, Kapitel 5

2. Korinther, Kapitel 5

5:1 Wir wissen aber, so unser irdisch Haus dieser Hütte zerbrochen wird, daß wir einen Bau haben, von Gott erbauet, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist, im Himmel.
Wir verhelfen der göttlichen Natur zum Durchbruch und zum Siege, wenn wir Sünde, Fleisch, Welt und Teufel täglich überwinden und ein stilles Gebetsleben führen. Der Himmel steht über Golgatha offen. Dort wird dir Gnade um Gnade geschenkt. Beziehe täglich viel von dorther. Stehe in regem Verkehr mit der ewigen Heimat, indem du zu einem göttlichen Leben und Wandel, zu einem standesgemäßen Dasein himmlische Kräfte erflehst, bräutlichen Schmuck anziehst und dich immer wieder salben lassest mit heiligem öle, mit dem Geiste, der durch und durch Geist und Seele und Leib heiligt. Wer viel erfleht von oben, dem wird viel geschenkt. Im Himmel aber wird ihm das Größte zuteil. Wenn das irdische Haus, diese Hütte abgebrochen wird, haben wir einen ewigen Bau im Himmel. Wenn nun der Herr die Seinen überkleiden und entrücken wird, werden sie Ihm ähnlich gemacht. Die himmlische Behausung, die himmlische Stofflichkeit machen die neue Leiblichkeit aus. Lass den neuen Geist in alle Lebensgebiete eindringen, unterwirf dich der neuen Lebensordnung, dem Gesetze des Geistes mit Wissen und Willen, mit Liebe und Beharrlichkeit. Es gilt, den Leib mit seinen Anlagen und Bedürfnissen und Trieben streng zu überwachen. Jage mit Eifer nach dem vorgesteckten Ziele; trachte nach dem, was droben ist. Dein himmlisches Vaterland halte stets im Auge; dies bewahrt vor dem irdischen Sinn und vor Verstrickungen in diese im argen liegende Welt. (Markus Hauser)


Der Tod ist verschlungen in den Sieg, sagte Paulus. Wer an ihn glaubt, stirbt nicht, sagte Johannes. Für die Glaubenden der ersten Zeit besaßen solche Worte einen streng buchstäblichen Sinn. Gottes Tag, sagten sie, ist nahe und führt uns in das ewige Leben hinüber. Aber bei der wilden Heftigkeit, mit der der Jude und der Grieche Paulus bekämpfte, bekam die Erwägung für ihn ernsteste Notwendigkeit, wie es mit ihm stehe, falls er sterbe. Er sah, wenn der Tod in seine Nähe kam, auf Jesus. Mit ihm ist er verbunden und diese Verbindung erfährt keine Unterbrechung und kommt nie ins Schwanken. Er wird immer bei Christus sein. Jetzt ist er in ihm, umfasst, getragen und regiert von ihm, und dann, wenn sein Zelt abgebrochen wird, wird er da sein, wo Christus ist. Wo ist denn er? Das weiß Paulus. Er weiß, wo der ist, der in der Sendung Gottes herrscht. Er ist in den Himmeln, da, wo es ewige Wohnungen gibt, wo die himmlische Gottesstadt steht und sich der himmlische Zion befindet, der königliche Sitz dessen, der im Namen Gottes regiert. Gelangt er dorthin, so ist das für ihn ein Gewinn von wunderbarer Größe. Jetzt wohnt er in einem Zelt; es ist abbrechbar; denn es ist ihm von der Natur bereitet. Dann erhält er ein Haus, ein ewiges, das Gott bereitet hat. Gibt es wirklich für Paulus einen Raum in der Gottesstadt? Ich bin des Christus, antwortet er. Das genügt. Darum verweilt seine Hoffnung nicht im Himmel, sondern fährt noch höher hinauf. Die Gottesstadt kommt zur Erde hernieder und wird der Menschheit sichtbar und für sie offen. Christus kommt zur Menschheit und bringt ihr Gottes Reich in sichtbarer Macht. Die dann um Jesus gesammelte Gemeinde ist die der Auferstandenen. In ihr werden aber die, die jetzt sterben und in den Himmeln ihr Haus erhalten, nicht fehlen. Darum sind sie Auferstehende. Soll ich Paulus fragen: Warum bist du mit dem Himmel noch nicht zufrieden? Fürchtest du, das sei noch ein unvollendeter Zustand, eine Art von Zwischenzustand, der noch die Sehnsucht nach dem vollendeten Leben in sich habe? Das würde die Meinung des Paulus entstellen. Er sah in dem, was ihm Christus gab, immer die vollkommene Gnade, die ihn völlig dankbar macht. Aber seine Hoffnung sah nie nur auf sein eigenes Ziel, als begehrte er nur für sich das verklärte Leben, sondern sie sah auf Gottes Ziel und darum auf das, was Christus schaffen wird. Das gab seiner Hoffnung die Füllung, dass er mit Christus in seinem ganzen Gang und Werk verbunden sein wird. Jetzt hängt er am Gekreuzigten als der, der in seinen Tod mit eingeschlossen ist. Dann wird er beim himmlischen Christus sein, solange er von oben seine Gemeinde regiert, und dann wird er auch in seiner neuen Offenbarung bei ihm sein.
Was ich jetzt sehe und denke, Herr Christus, das reicht nicht aus, um Deine letzten und großen Werke zu beschreiben. Ich kenne jetzt nur mein Zelt, in dem ich hause, das bewegliche und leicht zerstörte. Aber Dein Name gibt mir die Hoffnung, die kein Ende kennt. Denn Dein Name verkündet mir Gottes ganze Hilfe und unbegrenzte Gnade. Erhalte mich in Dir; dann bleibe ich im Leben. Amen. (Adolf Schlatter)

5:2 Und darüber sehnen wir uns auch nach unsrer Behausung, die vom Himmel ist, und uns verlangt, daß wir damit überkleidet werden;
Paulus sagt 2 Kor. 5,1.: wir wissen, so unser irdisches Haus dieser Hütten (des sterblichen Leibes, durch den Tod) zerbrochen wird, daß wir einen Bau haben von Gott erbauet, ein Haus nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel. Hernach sagt er V. 2.: wir sehnen uns nach unserer Behausung, die vom Himmel ist, daß wir damit überkleidet werden. Was er also einen Bau und ein Haus genannt hatte, nennet er auch ein Kleid, gleichwie auch der sterbliche Leib in dieser Rede des Apostels sowohl ein Haus als auch ein Kleid der Seele genennet wird. Es gibt also etwas im Himmel, in das man als in ein Haus einziehen, und das man zugleich als ein Kleid anziehen kann. Paulus nennt dieses Himmlische 1 Kor. 15,54. die Unverweslichkeit und die Unsterblichkeit, das ist etwas, das nicht zerstört werden und nicht sterben kann, und sagt daselbst, der auferstandene Leib werde es anziehen, gleichwie er auch 2 Kor. 5,2. spricht, er wünsche damit überkleidet zu werden, das ist, dasselbe über den sterblichen Leib anzuziehen, da dann das Sterbliche von dem Leben verschlungen würde, V. 4. Gleichwie also der Leib, den wir jetzt als ein Kleid tragen, und von dem unsere Seelen im Tod so entkleidet werden, daß sie hernach bloß oder nackend sind, sterblich ist: also ist das himmlische Kleid lauter Leben, und wenn man dieses Kleid über den sterblichen Leib anziehen kann, wie bei den Gerechten, die den jüngsten Tag erleben werden, wirklich geschehen wird, so wird das Sterbliche oder die sterbliche Beschaffenheit desselben von dem Leben verschlungen oder aufgehoben. So wünschte es Paulus zu erfahren; allein dieser Wunsch Pauli wurde nicht erfüllt; denn er mußte seinen sterblichen Leib ausziehen; und so geht es Allen, die vor dem jüngsten Tage sterben. Er wußte auch solches wohl, und sagte deßwegen V. 8.: wir sind aber getrost, und haben viel mehr Lust, außer dem Leibe zu wallen, und daheim zu sein bei dem HErrn. Also war’s dem Paulo nicht bange, wenn er dachte, daß er sterben und hernach außer dem Leibe sein werde. Er hatte ein Verlangen nach diesem Zustand, und wußte, daß er alsdann bei dem HErrn daheim sein und das ewige Haus im Himmel bewohnen werde, V. 1. Warum seufzte er aber? Warum sehnte er sich, mit dem himmlischen Haus überkleidet zu werden? Darum, weil er wußte, daß diejenigen, die in der Hütte des Leibes sind, beschwert seien, V. 4. Der sterbliche Leichnam beschwert die Seele, wie der Verfasser des Buchs der Weisheit Kap. 9,15. sagt, und niemals beschweret er sie mehr, als wenn es nahe dabei ist, daß er zerbrochen werden solle, und wenn er wirklich zerbrochen wird. Dieser Beschwerde wünschte Paulus durch die Ueberkleidung mit dem himmlischen Haus überhoben zu werden, wobei er sich’s doch auch gefallen ließ, daß Gott sein irdisches Haus oder seine schwache Hütte zerbreche, und er alsdann außer dem Leibe bei Ihm sei. Auch ich fühle die Beschwerde, welche mit dem irdischen Leben verbunden ist, täglich: da mir nun Gnade widerfahren ist durch Christum Jesum meinen HErrn, warum sollte ich mich nicht nach meiner Behausung, die im Himmel ist, und bei der Auferweckung meines Leibes sich vom Himmel herab lassen wird, sehnen? Dieselbe wird eine gute Wohnung und ein herrliches Kleid sein. Indessen soll ich mich befleißigen, dem HErrn wohl zu gefallen, es sei nun, daß ich bald heimgehe, oder länger ein Pilgrim sein muß, und an den Richtstuhl Christi fleißig gedenken.(Magnus Friedrich Roos)


Reine fühlen Qual, zu wohnen unter Unreinen. Betende fühlen sich beengt, zu arbeiten unter Fluchenden. In Gott Ruhende erdulden Schmerzen mitten unter Ausgelassenen. Alle, die den Herrn Jesus anziehen, seufzen oft, denn sie stehen im Kampfe mit der gefallenen Schöpfung, und es will ihnen nur schwer gelingen, das zu sein, was sie gerne sein möchten und sein sollten. Nach der vollen Freiheit der Kinder Gottes seufzen wir, denn wir sehen uns auf allen Seiten beengt, bedrängt, gebunden, unvollkommen. Das Bessere leuchtet schon ins Herz hinein, darum fühlen sich Salemspilger beschwert. Wo ist denn ihre Heimat? Beim Herrn! Heiß ist ihr Verlangen, Jesum in Seiner Herrlichkeit schauen zu können; dies verursacht Heimweh. Da und dort weint einer eine stille Träne. Beim Herrn möchte er sein, und ach, er ist noch so ferne auf der Wanderschaft. Wer sind die Seufzenden? Es sind Christen, die sich nach der Vollendung sehnen. Gelöst sind schon zahlreiche Bande, ihr Sinn steht nach der himmlischen Stadt. Und dieses Aufwärtsschauen, dieses Suchen dessen, was droben ist, wo Christus ist, dieses bewusste Eingewurzeltsein in der himmlischen Welt ist fast wie ein Leidenszustand. Nirgend hier ist es ihnen ganz wohl. Heim, heim drängt das Gott liebende Herz. Nicht einer verstorbenen Gattin, nicht einem heimgegangenen Kinde gilt der Schmerz: es ist Jesus, Jesus! dem allein das höchste Verlangen gilt, nach dem allein der Seele Sehnen geht. O schöner Tag der Aufnahme in Jesu Herrlichkeit! Bald darf auch ich das frohe Wort hören: Heute wirst du bei mir im Paradiese sein. (Markus Hauser)

5:3 so doch, wo wir bekleidet und nicht bloß erfunden werden.

5:4 Denn dieweil wir in der Hütte sind, sehnen wir uns und sind beschwert; sintemal wir wollten lieber nicht entkleidet, sondern überkleidet werden, auf daß das Sterbliche würde verschlungen von dem Leben.
Mit der Hütte ist unser Leben im Leibe auf Erden gemeint. Oft genug eine elende, baufällige Hütte! Alle Reparatur hilft nichts mehr. Da sehnen wir uns nach der herrlichen neuen Behausung, die wir durch die Auferstehung bekommen. Sehnen ist aber ein heimliches Seufzen, das nicht laut sein will. Im Hintergrund unseres Herzens ist ein Druck - „sind beschwert“ - mag er von körperlichem Leiden beeinflußt und erhöht worden sein oder nicht -, eine stete Erinnerung: „Du bist hier nicht zu Hause! Klebe an keinem Erdenglück! Laß dich durch Erfolg oder Ehre oder Menschengunst nicht täuschen. Du gehst einem andern Heim entgegen!“ Je älter wir werden, desto mehr „beschwert“ sind wir, desto natürlicher wird das Heimweh nach dem Lande der Lebendigen auf der neuen Erde, desto stärker jenes heimliche Sehnen. Gott hat Stimmen geschaffen, die uns dazu mahnen müssen: in der äußeren Natur, im Scheiden der Unseren, die vorangingen, in mancher ergreifenden Melodie, im tiefen Ungenügen, das uns aus Lust und Genuß anweht. Wir wollen Ewigkeit, tiefe, selige Ewigkeit, und es ist noch eine Ruhe vorhanden dem Volke Gottes.
Sonst müßten wir verzagen. Herr, unser Gott! Du hast uns durch den Glauben erst recht heimatlos gemacht auf Erden und ziehst uns durch Jesu Liebe der Heimat zu. So tröste uns mit der nahen Heimkehr und stärke unser Sehnen, daß es heilig und mächtig werde. Amen. (Samuel Keller)

5:5 Der uns aber dazu bereitet, das ist Gott, der uns das Pfand, den Geist, gegeben hat.

5:6 So sind wir denn getrost allezeit und wissen, daß, dieweil wir im Leibe wohnen, so wallen wir ferne vom HERRN;
Christus hat Seinen Jüngern, und mit ihnen allen Glaubigen, die Verheißung gegeben: Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende. Auch vergewissert uns die heilige Schrift, daß Er und der Vater und der Heilige Geist in den Glaubigen wohne, und diese in Christo Jesu seien, Ihm anhangen, und Ein Geist mit Ihm seien. Dessen ungeachtet sagt Paulus: wir wissen, daß, so lange wir im Leibe wohnen, so wallen wir dem HErrn. Das Gegentheil von diesem Wallen ist das Daheimsein bei dem HErrn, V. 8. Dem HErrn wallen heißt also noch nicht in des Vaters Haus, oder bei dem HErrn daheim, sondern in der Fremde sein; so lange man so wallet oder in der Fremde ist, muß man im Glauben wandeln: in des Vaters Haus aber wird man im Schauen wandeln, V. 7. Wenn nun ein Christ in der Fremde durch den Glauben viele göttliche Gaben, Wirkungen und Tröstungen empfinden, und das Nahesein, ja die Inwohnung Gottes in seiner Seele deutlich spüren kann: was wird’s sein, wenn er bei dem HErrn daheim sein und im Schauen wandeln wird? Alsdann wird der Pilgrim ruhen, das Kind wird den Vater sehen, und derjenige, der geglaubt hat, wird durch das Schauen inne werden, daß Alles, was er nach dem Wort Gottes von den himmlischen Dingen geglaubt hatte, wahr, und noch viel herrlicher sei, als er sich’s bei dem Glauben vorgestellt hatte. Merkwürdig ist, daß Paulus sagt: wir wallen dem HErrn so lange wir im Leibe wohnen; V. 8. aber: wir sind getrost, und haben viel mehr Lust, aus dem Leib auszuziehen, und heimzukommen zu dem HErrn. Das Heimkommen zu dem HErrn fängt also an, sobald eine gerechtfertigte und geheiligte Seele aus ihrem Leib ausgezogen sein wird, oder sobald das irdische Haus dieser Hütte zerbrochen sein wird, da sie dann einen Bau von Gott erbauet, ein haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist, im Himmel bekommt. Freilich wird der jüngste Tage noch etwas Neues bringen; denn durch dasjenige, was 1 Thess. 4,17. beschrieben ist, und durch das Wort: kommet her, Matth. 25,34., werden die Gerechten noch näher zu dem HErrn hingerückt werden, und von da an auf eine neue Weise bei dem HErrn sein allezeit. Die Hoffnung dieses seligen und herrlichen Zustandes soll die Glaubigen getrost machen. Allezeit sollen sie getrost sein, weil sie wissen, ihr Leben sei nur eine Pilgrimsreise, und ihre Leiden werden mit dieser Reise ein Ende nehmen. Das ende ist auf derjenigen Seite, auf welcher es den sterblichen Menschen in’ Gesicht fällt, traurig, weßwegen es auch erwünschter wäre, wenn man die himmlische Behausung über den sterblichen Leib als ein Kleid anziehen dürfte, und alsdann das Sterbliche, das im Leib ist, von dem Leben verschlungen würde, V. 2.3.4.; weil es aber die Ordnung Gottes bei Allen, die den jüngsten Tag nicht erleben, mit sich bringt, daß ihre Seelen von den Leibern entblößt werden, oder aus denselben ausziehen, so sind wir dennoch getrost, und haben vielmehr Lust, aus dem Leibe, den wir doch in der Auferstehung wieder bekommen werden, auszuziehen, und auf diesem Weg zu dem HErrn heimzukommen. (Magnus Friedrich Roos)

5:7 denn wir wandeln im Glauben, und nicht im Schauen.
Daß wir das bisweilen im Überschwang der Gefühle vergessen konnten, ist verzeihlich und begreiflich. Aber es wird dafür gesorgt, daß man wieder nüchtern wird. Die Wirklichkeit ist so hart und unerbittlich, daß manche überstiegene Stimmung an ihr zerschellt. Dann besinnen wir uns darauf, daß wir ja noch nicht selig sind, noch nicht im Schauen und Genießen der ewigen Herrlichkeit drin sind, sondern draußen in der kalten Luft der Welt glauben müssen an all die Wärme der Ewigkeit. Das kommt uns manchmal hart an:„Immer nur glauben, ohne zu sehen!“ Aber, liebes Herz, willst du tauschen mit denen, die da nicht glauben? Du hast an deinem Glauben doch noch einen starken Halt und einen köstlichen Trost; jene haben davon nichts. Daß du glauben darfst und die Güter Gottes in der Form des Glaubens jetzt schon haben darfst, wie kleine Modelle von ebenso viel großen, schönen Häusern, die in der Ewigkeit dein sein werden - ja noch mehr, daß Vergebung der Sünden und Kräfte des Heiligen Geistes im Kampf gegen die Sünde und Liebeszüge Jesu durch den Glauben dargereicht werden - ist das nicht genug? Wollen wir uns durch die Aussicht des ewigen Schauens jetzt wohl trösten, aber nicht blenden lassen, so daß man seinen Weg in der Gegenwart nicht sieht und stolpert. Im Gegenteil, wir falten die Hände und beten:
Ewigkeit, in die Zeit, leuchte hell hinein, Daß uns werde klein das Kleine Und das Große groß erscheine. Sel'ge Ewigkeit! Amen. (Samuel Keller)

5:8 Wir sind aber getrost und haben vielmehr Lust, außer dem Leibe zu wallen und daheim zu sein bei dem HERRN.
Aus dem Leibe auszuwandern, kann für Gottes Kinder nur Gewinn sein. Ihr innerer Mensch ist erneuert, er drängt hinauf zu Gott. Die „Heiligen und Geliebten“ wollen daheim beim Herrn sein. Wie lange schon ist der Christ auf der Wanderung? Seit dem Tage der Übergabe an Jesus! Daheim! O welch ein schönes Wort! Und doch verspüren wir's, es gibt nur ein Daheim. Solange wir nicht beim Herrn sind, solange wir nicht Sein Angesicht schauen können, sind wir eben nicht daheim. Das lieblichste Familienverhältnis, das schönste Heim hienieden, auch das angenehmste Leben kann die Heimat dort oben nicht ersehen, kann das Sehnen nach dem Bräutigam nicht stillen. Aus Gott Geborene sind Kinder Gottes. Nur im Anschauen Gottes ist ihr Herz ganz gestillt. Daheim beim Herrn hört alles Seufzen auf, dort fühlen und wissen sich Seine Kinder nicht mehr beschwert. Der müde Leib ist zurückgelassen. Seele und Leib bereiten heute viele Schmerzen. Die Bande sind nicht mehr, wie sie sein sollten. Das Naturleben ist anormal, die Sünde hat Verwicklungen und Verirrungen verursacht, die Schmerzen nach sich ziehen. „Du sollst des Todes sterben!“ Dieses Strafwort hat Lösungen und Zersetzungen gebracht, welche auch im sonst gesunden Menschen zahllose Bangigkeiten und Leiden auslösen. Was Wohlsein ist, werden nur diejenigen erfahren, die daheim sind beim Herrn. Ja, nur Auferstandene haben ein ganz normales Leben! Wer den Geist hat, steht mit der Heimat, mit dem himmlischen Thron in Verbindung. Nach dem Vaterhause „ebnet sich das Kind. (Markus Hauser)


Der Weltmensch klebt an des Daseins süßer Gewohnheit; der bloße Gedanke an ein Ende dieses Erdenlebens erzeugt den kalten Schauer7 der Todesfurcht. Wie anders Paulus! Ihm ist das Leben „außer dem Leibe“, jenseits des Todes eine solche Gewißheit und eine so selige Aussicht, daß er bei solchem Gedanken zweimal kurz nacheinander betont: wir sind getrost. Dann muß der Gedanke an solche Zukunft einen starken Reiz im Gefolge haben. Daheim sein beim Herrn Jesu Christo! Das ist keine Gefühlssteigerung eines müßigen Träumers, sondern die klare Aussicht eines Mannes, der hier auf Erden mehr gearbeitet hat als sie alle! Jetzt mit aller Kraft sich täglich einspannen in die Arbeit, dem Reiche Gottes Wege in alle Welt zu bahnen, als gäbe es nichts anderes und zu gleicher Zeit, als sein zartes, süßes Geheimnis, das Heimweh nach der Herrlichkeit der ewigen Vollendung in der Brust tragen - das macht starke, freie Persönlichkeiten. Das ist unser Trost, daß alles, was wir jetzt unter Tränen und im Kampf arbeiten, ein Echo in der ewigen Herrlichkeit haben soll. In dem Maß, als wir uns dem Arbeitsvorbild des Apostels nähern, wächst auch jenes heilige Ruhebedürfnis nach dem Feierabend.
Tröste uns, Herr Jesus, jetzt im Sturm und Regen der Fremde damit, daß jeder erkämpfte Schritt uns der Heimat näher bringt. Dann wollen wir getrost sein und niemals über Lasten klagen. Es geht doch nach Hause zu dir! Amen. (Samuel Keller)


Nur diejenigen können so sagen, die im Glauben wandeln und nach dem Schauen sich sehnen, und die ihr Leben auf Erden für eine Wallfahrt halten, und dabei wissen, daß sie ein Vaterland im Himmel haben, wo sie bei dem HErrn daheim sein werden. Allein was ist jenes Schauen, oder was ist dasjenige, das man durch das Schauen genießen wird? Was enthält das himmlische Vaterland? Wer ist der HErr, bei dem man daheim sein soll? Dieses Alles weiß Niemand, als wer davon eine Empfindung bekommen, oder wer die Kräfte der zukünftigen Welt geschmeckt hat, daß der HErr freundlich sei, wie Petrus 1 Petr. 2,3. sagt; denn alle wahren Begriffe entstehen aus Empfindungen. Freilich wird Niemand bei Leibesleben das ganze Gewicht der himmlischen Herrlichkeit mit einem völligen Eindruck erkennen, oder die ganze Fülle der himmlischen Freuden empfinden, aber etwas davon soll man doch erkennen und empfinden, und durch dieses Etwas nach dem Ganzen begierig werden. Wehe dem, der noch keine Freude geschmeckt hat, als diejenige, welche die Augenlust, Fleischeslust und das hoffärtige Leben gewähren kann! Wehe dem, dessen Seele noch nichts ergötzt hat, als was durch den Leib sie berührt hat! Ein solcher Mensch verläßt freilich die Erde ungern und begehrt außer dem Leib, an dem die Seele mit ihrer ganzen Lust angeheftet ist, nie zu wallen. Und doch wird er bald von der lieben Erde weggerissen und der Ausspruch Gottes: du Narr, diese Nacht oder diesen Tag wird man deine Seele von dir nehmen, wird an ihm erfüllt. Wie bitter aber ist alsdann das Sterben! Und wie schrecklich die Folge desselben! Zwar gibt es Leute, die zu sterben wünschen, wenn es ihnen übel geht, allein diese Leute denken an nichts als an das Ende des mühseligen Lebens, über dasselbe aber sehen sie nicht hinaus. Sterben wollen sie, oder vielmehr nimmer leiden, was auf ihnen liegt, ohne zu bedenken, wie es ihnen hernach ergehen werde. Ist aber dieses nicht Unvernunft? Ein Christ hat Lust außer dem Leibe zu wallen, weil er weiß, daß seine Seele außer dem Leibe die himmlische Freude und Ruhe, wovon er schon einen Vorschmack empfunden hat, ungehinderter und völliger genießen werde. Er stellt sich also den Zustand der Seele nach dem Tod nicht als fühllos, düster oder gar peinlich vor. Die Seele wird bei demselben ohne Sorge auf die Auferweckung ihres Leibes warten und zwar keinen Leib, aber doch ein himmlisches Haus haben, welches sie bewohnen und zugleich als ein Kleid anziehen wird, wie Paulus 2 Kor. 5,1-4. lehrt. Uebrigens aber wird sie bei dem HErrn daheim sein, und wie dieser kurze Ausdruck anzeigt, an ihrem rechten Ort in der Ruhe sein und den HErrn durch’s Schauen erkennen und genießen. Ein Christ darf also bei seinem Sterben denken, nun endige er eine beschwerliche Pilgrimschaft, nun gehe er heim, nun komme er zu dem HErrn, an den er geglaubt habe, ohne Ihn zu schauen und den er geliebt habe, ohne Ihn zu erblicken: nun werde er aber zu Ihm kommen, und bei Ihm zu sein und Seine Herrlichkeit zu sehen. Der uns aber zu diesem Heimgehen bereitet, ist Gott, der uns auch das Pfand oder das Angeld der himmlischen Herrlichkeit, nämlich den Geist gibt, V. 5. (Magnus Friedrich Roos)

5:9 Darum fleißigen wir uns auch, wir sind daheim oder wallen, daß wir ihm wohl gefallen.
Ein Herr, der vor dreißig Jahren am russischen Hofe viel verkehrt hatte, schilderte mir einst in anschaulicher Weise die Abhängigkeit der Hofgesellschaft von den Launen des Herrschers, und schloß mit den Worten: „Eine Miene, ein Blick, ein Ton der Stimme des Zaren schafft Sonnenschein oder Regen bei jenen Leuten.“ Was dort erbärmlich ist, weil es sich um einen sündigen Menschen handelt - in unserem Verhältnis zu Jesus ist es wirklich so, und hier hat es volle Berechtigung. Ruht sein Wohlgefallen auf uns, dann können wir jauchzen mitten im Leiden; ist er mit uns unzufrieden, so freut uns kein Erdenglück. Ein Sonnenstrahl seiner Gunst belebt uns, so daß wir keine Worte für die Schilderung dieses Glückes haben. Das Bewußtsein aber, daß wir durch Untreue oder Lauheit uns sein Mißfallen zugezogen haben, liegt wie eine Bleilast dumpf und drohend über unserem ganzen Wesen. Dauert das länger, wird die Spannung unerträglich. Wie recht hat da Paulus das ausgesprochen, daß die wirklichen Geistesmenschen sich überall befleißigen, der Gegenstand seines Wohlwollens zu sein. Das ist schon ein Stück der himmlischen Glückseligkeit, die man hier im Staub genießen kann.
Ohne dich, Herr Jesus, kann ich's nicht mehr aushalten. Wend' von mir nicht dein Angesicht! Ich müßte verschmachten und vergehen, wenn du dein Antlitz im Zorn vor mir verbirgst. Laß mir leuchten dein Antlitz, so genese ich. Amen. (Samuel Keller)

5:10 Denn wir müssen alle offenbar werden vor dem Richtstuhl Christi, auf daß ein jeglicher empfange, nach dem er gehandelt hat bei Leibesleben, es sei gut oder böse.1)
Das erste Offenbarwerden geschieht im Sterben. Wir werden in jenen Augenblicken enthüllt. Das Verborgene tritt hervor, der innere Mensch wird sichtbar. Ob wir im Glauben gewandelt oder nicht, das kommt ans Licht. Die Möglichkeit, in eine reine Welt einzugehen, hängt eng zusammen mit der Reinheit des Herzens. Unsere Genesung, die Gesundheit des inneren Menschen sollte heute unser Hauptanliegen bilden. Morgen schon kannst du enthüllt werden. Wie stehst du jetzt zu Jesus, dem Sohne Gottes? Hat Er dich abgewaschen von deinen Sünden? Ist dein innerer Mensch erneuert? Viele Gläubige sind dem inneren Menschen nach schwach, krank, matt, lahm und blind. Und es lebt noch mancherlei Sünde in ihnen. Das sind arge Fesseln. Wir müssen gesunde, freie, reine Gottesmenschen werden. Ganz anders gestaltet sich das irdische Leben im seligen Stande normalen Lebens mit Gott. Und geht's ans Offenbarwerden, welche Freude! Es tritt ans Licht ein normales, ein aus dem Heiligtum genährtes Gotteskind. Hier können der Mensch und sein Kleid sehr verschieden sein. Dort gar nicht mehr. Was ein jeder seinem Wesen nach ist, tritt schon in seiner bloßen Erscheinung ans Licht. Sein Kleid ist nicht edler als sein Herz und als seine Gesinnung. Wie seine Innerlichkeit war, so ist nun auch seine Gestalt, seine Erscheinungsform, sein Anblick. Reinheit ist Schönheit, ist Vollkommenheit. Der Reine kann Gott schauen, er kann sein, wo Gott ist, es ist ihm wohl bei dem heiligen Gott. Welch ein Offenbarwerden! Da geht man ein zu des Herrn Freude. (Markus Hauser)


Lasset uns jetzt hinzutreten mit Freudigkeit zu dem Gnadenstuhl, auf daß wir Barmherzigkeit empfahen und Gnade finden auf die Zeit, wenn uns Hülfe noth sein wird (Ebr. 5,16.) Wenn wir dieses täglich und bis an unser Ende thun werden, so werden wir dereinst Freudigkeit haben, vor Seine Richterstuhl offenbar zu werden. Vor diesem Richterstuhl müssen alle Menschen offenbar werden; denn obschon diejenigen, die nicht an Jesum glauben, schon gerichtet sind, wie Er selbst Joh. 3,18. sagt, und diejenigen, die an Ihn glauben, gerechtfertiget sind und Friede mit Gott haben: so müssen doch beide Haufen ihr Urtheil auch öffentlich und völlig bekommen, und der Beweis des Urtheils muß so geführt und in’s Licht gestellet werden, daß jedermann die Gerechtigkeit Jesu Christi preisen könne. Die Menschen sind, so lang ihr irdisches Leben währet, sich und Andern großentheils unbekannt. Niemand siehet dem Andern in’s Herz, und viele kennen sich selbst sehr wenig, ja Niemand kennet sich selbst vollkommen. Die Worte höret man, und die Werke siehet man: aber der Rath des Herzens, aus welchem jene und diese fließen, bleibt meistens verborgen. Oft wird auf Erden das Gute für bös, und das Böse für gut, der Fromme für einen Heuchler, und der Heuchler für fromm gehalten. Endlich wird das Allermeiste wieder mit er Vergessenheit bedeckt, indem nicht nur ein jeder Mensch viele von seinen Gedanken, Worten und Werken wieder vergißt, sondern auch von den allermeisten Menschen bei den späten Nachkommen gar nichts mehr im Angedenken bleibt. Es wird aber ein Tag kommen, da alle Menschen vor dem Richterstuhl Christi werden offenbar werden. Alsdann wird der HErr an’s Licht bringen, was im Finstern verborgen ist, und den Rath der Herzen offenbaren. Alle Werke werden in’s Gericht kommen, und alles, was verborgen gewesen war, es sei gut oder bös. Dieser Tag wird Alles klar machen. Er wird entdecken, wer Weizen oder Unkraut auf dem Acker Gottes gewesen sei. Es wird insonderheit der Werth aller Werke der Menschen bestimmt werden, und bei dieser Würdigung oder Schätzung werden viele Werke höher geschätzt werden, als diejenigen, die sie gethan hatten und auch andere gemeint hatten, wie aus Matth. 25,35-40. zu schließen ist: andere Werke aber, die einen großen Schein gehabt hatten, werden als Holz, Heu und Stoppeln, zum Schaden derer, die sie gethan hatten, verbrannt werden 1 Kor. 3,12-15. Auf gleiche Weise werden auch die bösen Werke derjenigen, die verloren gehen, gleichsam auf der Wage der Gerechtigkeit abgewogen werden. Offenb. Joh. 20,11.12.15. wird diese große Sache so beschrieben: ich sahe einen großen weißen Stuhl, und den, der darauf saß, vor welches Angesicht flohe die Erde und der Himmel, und ihnen ward keine Stätte funden. Und ich sahe die Todten beide groß und klein stehen vor Gott, und die Bücher wurden aufgethan; und ein ander Buch ward aufgethan, welches ist des Lebens. Und die Todten wurden gerichtet, nach der Schrift in den Büchern nach ihren Werken. und so jemand nicht ward erfunden geschrieben in dem Buch des Lebens, der ward geworfen in den feurigen Pfuhl. Nur Wahrheit oder rechtschaffenes Wesen wird alsdann gelten: nur wer Christo angehört, wird vor dem Richtestuhle Christi mit Freudigkeit stehen können. (Magnus Friedrich Roos)

5:11 Dieweil wir denn wissen, daß der HERR zu fürchten ist, fahren wir schön mit den Leuten; aber Gott sind wir offenbar. Ich hoffe aber, daß wir auch in eurem Gewissen offenbar sind.

5:12 Wir loben uns nicht abermals bei euch, sondern geben euch eine Ursache, zu rühmen von uns, auf daß ihr habt zu rühmen wider die, so sich nach dem Ansehen rühmen, und nicht nach dem Herzen.

5:13 Denn tun wir zu viel, so tun wir's Gott; sind wir mäßig, so sind wir euch mäßig.

5:14 Denn die Liebe Christi dringt in uns also, sintemal wir halten, daß, so einer für alle gestorben ist, so sind sie alle gestorben; 2)
Ein Tod war zur Versühnung der Welt nöthig: diesen Tod aber hat Christus gelitten. Einer ist für Alle gestorben. Sein Tod geschahe zur Erlösung von den Uebertretungen, die unter dem Alten Testament waren, das ist, er galt für die Sünden, die zur Zeit des Alten Testaments begangen worden, und zwar den Bußfertigen und Glaubigen vergeben, aber noch durch keine Versühnung getilgt worden waren: damit diejenigen, welche unter dem Alten Testament berufen worden, und den Beruf angenommen haben, das verheißene ewige Erbe am jüngsten Tag rechtmäßig empfangen könnten, Hebr. 9,15. Der Tod Jesu geschah aber auch zur Erlösung von den Sünden, die unter dem Neuen Testament geschehen. Er trug überhaupt als das Lamm Gottes die Sünde der Welt; und wurde durch Seinen Tod die Versühnung für unsere und der ganzen Welt Sünde. Christus starb nicht so für Alle, wie Jemand für sein Vaterland, das ist zum Besten seines Vaterlandes, sterben kann, oder wie ein Christ das Leben für die Brüder, das ist zur Rettung der Brüder, lassen soll. Alle solche Vorstellungen sind noch zu niedrig, als daß sie der Wichtigkeit des Todes Jesu völlig entsprächen, denn Paulus sagt 2 Kor. 5,14.: wir halten dafür, so Einer für Alle gestorben ist, so sind sie Alle gestorben. Hier werden wir also auf den Gedanken von einer gerichtlichen Aestimation oder Schätzung geleitet. Da Christus am Kreuz starb, galt es bei Gott so viel, als ob alle Sünder am Kreuz gestorben wären, und die Genugthuung für ihre Sünden geleistet hätten. Wir halten dafür, daß dem so sei, wie Paulus sagt: und warum dürfen wir so denken? Darum, weil Gott selber den Tod Seines Sohnes so angesehen hat; denn in Glaubenssachen müssen unsere Gedanken den Gedanken Gottes gleichförmig sein. Einer ist für Alle gestorben. Die Folge davon ist unaussprechlich wichtig bei denjenigen, welche an Jesum glaubig werden. Gleichwie nämlich durch Einen Menschen die Sünde in die Welt gekommen ist, und der Tod durch die Sünde, und ist also der Tod zu allen Menschen hindurchgedrungen, dieweil sie alle gesündigt haben: also ist vielmehr Gottes Gnade und Gabe Vielen reichlich widerfahren, durch die Gnade des einigen Menschen Jesu Christi, der für Alle gestorben ist; und um deßwillen die Sünde durch die Gnade und der Tod durch die Gabe des ewigen Lebens verschlungen und aufgehoben werden soll, Röm. 5,12.15. Lasset uns also oft an den Augenblick gedenken, da Adam sündigte, und denselben Augenblick als den Anfang alles Unheils in der Welt ansehen. Lasset uns aber ebenso oft, ja noch fleißiger an den Augenblick gedenken, da Christus am Kreuz im lautersten Gehorsam Seinen Geist in die Hände Seines Vaters übergab: denn an diesem Augenblick hängt das Heil Aller, die selig werden. Lasset uns von Herzen zu Jesu sagen: lieber HErre mein, Dein Tod soll mir das Leben sein; Du hast für mich bezahlet. Unsere Leiber werden zwar auch durch den Tod zerbrochen: wenn aber dieser Tod die Sünde als einen verderblichen Stachel nicht mehr in sich hat (und diesen soll er bei keinem Glaubigen mehr haben), so ist das Sterben ein Gewinn, und ein sehr glücklicher Schritt in ein besseres Leben.(Magnus Friedrich Roos)


Gerechtigkeit? Hat Er deinen Fuß auf einen hohen Felsen gestellt? Hat Er deinen Gang gewiss gemacht in deinen Schuhen? Hat Er dir eine Wohnung im Himmel bereitet? Hat Er dich für den Himmel geschmückt? Hat Er deinen Namen in sein Buch des Lebens eingeschrieben? Hat Er dich mit unzählbaren Wohltaten überschüttet? Hat Er für dich Reichtümer der Gnade aufbewahrt, die kein Auge gesehen und kein Ohr gehöret hat? Dann tue auch etwas, was seiner Liebe wert ist. Biete deinem sterbenden Erlöser nicht bloß das leere Opfer deines Mundes dar. Was musst du empfinden, wenn dein Meister kommt, und du Ihm bekennen musst, dass du nichts für Ihn getan hast, sondern dass du deine Liebe abgesperrt hieltest wie einen stehenden Wassergraben, so dass sie weder seinen armen Brüdern, noch seinem Werk zufloss? Fort mit einer solchen Liebe! Was halten die Menschen von einer Liebe, die sich nie durch Taten beweist und offenbart? „Ach,“ sagen sie, „öffentliche Zucht ist besser als heimliche Liebe.“ Wer mag etwas von einer Liebe wissen, die so schwach ist, dass sie dich nicht einmal zu einer einzigen Tat der Selbstverleugnung, der Großmut, des Heldensinnes oder der Begeisterung reizt! Bedenke, wie sehr Er dich geliebt hat, und hat sich selbst dahingegeben für dich! Kennst du die Macht dieser Liebe? Dann lass sie für deine Seele einen rauschenden, gewaltigen Wind sein, der die Wolken deiner Weltliebe hinwegfegt, und den Staub deiner Sünde vertreibt. „Um Christi willen,“ das sei die feurige Zunge, die sich auf dein Haupt setze; „um Christi willen,“ das sei das göttliche Entzücken, der himmlische Hauch, der dich über die Erde emporträgt, das sei der göttliche Geist, der dich kühn macht gleich dem Löwen, und schnell wie des Adlers Flug im Dienste des Herrn. Die Liebe sollte den Füßen der gottdienenden Tat Flügel verleihen, und Kraft den Armen des Wirkens. Auf Gott gerichtet mit einer Beständigkeit, die nichts erschüttern kann, entschlossen, Ihn zu ehren, mit einer Bestimmtheit, die sich durch nichts lässt abwendig machen, und vorwärts strebend mit einem Eifer, der nimmer ermüdet, wollen wir unsre Liebe zu Jesu laut bezeugen. Möge das Gewicht der göttlichen Waage uns himmelwärts heben, Ihm entgegen! (Charles Haddon Spurgeon)


Wenn die Liebe dringt, so ist es ein angenehmer, sanfter, aber mächtiger Drang. Die Seele wird durch sie gleichsam gefangen gehalten, und kräftiglich geneigt und getrieben, nur für den geliebten Liebhaber zu leben, und ihm ungeachtet der Schmach und Schmerzen, die dabei vorkommen mögen, gefällig zu sein. Das Gesetz befiehlt, drohet, flucht, und bringt nichts zuwege, als die kraftlosen Wünsche und Bestrebungen, die Röm. 7. beschrieben sind: aber der Drang der Liebe Christi wirkt dasjenige, was das Gesetz heischt, und verschafft, daß die Gerechtigkeit, vom Gesetz erfordert, in dem Menschen erfüllt wird. Alle Seligen im Himmel leben und bewegen sich bei diesem süßen Drang der Liebe Christi, und die Gerechten auf Erden sollen ihn auch fühlen. Die Liebe Christi gegen uns kann empfunden und erkannt werden. Daß sie empfunden oder gefühlt werden könne, bezeugt das Hohelied Salomo’s nebst vielen Sprüchen der heiligen Schrift, und alle Heiligen bezeugen es aus der Erfahrung; daß man sie aber auch mit dem Verstand erkenne, bezeugt Paulus, indem er sagt: sintemal wir halten, daß, so Einer für Alle gestorben ist, so sind sie Alle gestorben. Dieses ist die größte Probe der Liebe Christi, daß Er für Alle gestorben ist. Sterben ist doch das Aeußerste, das ein Mensch aus Liebe übernehmen kann. Christus ist aber aus Liebe gestorben, Er ist für Alle gestorben, und dieses gilt so viel, als ob Alle gestorben wären, weil Er im Sterben ihre Stelle vertreten hat. Wer nun diese Liebesprobe Christi mit seinem Verstand erkennt und betrachtet, und Seine Liebe zugleich fühlt, wie sie noch jetzt sich u den Sündern neigt, und sie tröstet, erquickt, erleuchtet, reiniget, zurechtweiset, stärket, und zur Empfahung des himmlischen Erbes zubereitet, wird sich auch gedrungen fühlen, nicht mehr sich selber zu leben, sondern Demjenigen, der für ihn gestorben und wieder auferstanden ist. Ein solches Leben verdient allein den Namen eines christlichen Lebens, und kann bis an’s Ende der Wallfahrt durch viele Jahre, wenn Gott es haben will, fortgeführt werden, weil die Liebe Christi eine Quelle ist, die nie vertrocknet, und ein Licht, das nie verlöscht, und dem Müden immer neue Kraft gibt. Unter diesem Drang der Liebe Christi haben alle wahren Christen sich selber verleugnet, ihr Kreuz auf sich genommen, und sind Christo nachgefolgt, ohne sich über die Härtigkeit ihres HErrn oder über die Schwere Seiner Gebote zu beklagen. Niemals aber haben sie dafür gehalten, daß sie die Liebe Christi völlig erkannt haben; denn sie übertrifft alle Erkenntniß, Eph. 3,19., oder daß sie dieselbe ganz empfunden haben, denn der irdische Zustand und die noch übrige Sünde hindert solches. Hier hat also ein geistliches Wachsthum statt, bis das Vollkommene kommt, und das Stückwerk aufhört. In Ewigkeit aber wird man nicht aufhören, von Christo geliebt zu werden, und Ihn zu lieben, und dabei über alle Maßen vergnügt und glückselig sein. (Magnus Friedrich Roos)


Die Wahrheit, die Paulus in diesen Worten ausdrückte, war so wirksam bei ihm, daß sie eine sehr große Frucht hervorbrachte. Er sehnte sich nach seiner himmlischen Behausung, er befliß sich, während seiner Wallfahrt und dereinst in seiner himmlischen Heimath dem HErrn wohlzugefallen. Bei dem Eifer um Gottes Ehre überließ er sich zuweilen einem außerordentlichen Trieb, zuweilen aber handelte er auch mäßig, um der Leute, mit denen er zu thun hatte, liebreich zu schonen. Um nun die Korinther, ja uns alle in den tiefen Grund dieses Verfahrens, ja in sein Herz hinein sehen zu lassen, setzte er hinzu: Denn die Liebe Christi dränget uns also: sintemal wir halten, daß so Einer für Alle gestorben ist, so sind sie Alle gestorben. Paulus hatte also den Berg Sinai hinter sich, wo der HErr als ein eifriger Gott unter Donner und Blitzen gebot und verbot, und die Menschen dadurch schreckte und zu Versprechungen drang, welche sie nicht erfüllten, s. 2 Mos. 20,19.20. Paulus wußte gar wohl, was das Gesetz vermöge, welches auf diesem Berg gegeben ward, und hat es Röm. 7,9-24. ausführlich beschrieben. Man wird getödtet, das ist verurtheilt und niedergeschlagen durch’s Gesetz: die Sünde aber wird nicht getödtet, sondern durch’s Verbieten lebendig. Man fühlt, daß man fleischlich und unter die Sünde verkauft sei. Man thut, was man nicht will, und thut nicht, was man will. Man hat Lust am Gesetz Gottes nach dem inwendigen Menschen, sieht aber ein anderes Gesetz, das ist einen gewaltsamen Trieb, in seinen Gliedern, welches dem Gesetz Gottes, das man sich im Gemüth als eine nothwendige Regel des Lebens vorstellt, zuwider ist, und den Menschen gefangen hält. So weit bringt’s also der Berg Sinai mit seinem Gesetz, daß der Mensch bei einem unkräftigen guten Willen sich als fleischlich, als gefangen, als elend fühlen muß, und einen gewissen Tod in seiner Seele empfindet. Hier entsteht also nichts von derjenigen heiligen Sehnsucht, Fleiß, Eifer und liebreichen Zärtlichkeit, die Paulus von sich selbst bezeugen konnte, und überhaupt nichts von der Frucht des Geistes, die Gal. 5,22. beschrieben ist. Wie entsteht aber dieselbe? Sie entsteht, wenn der durch das Gesetz verurtheilte und erschreckte Sünder, dergleichen einer Paulus auf seiner Reise nach Damaskus geworden war, von dem Heiligen Geist auf den Hügel Golgatha geführt wird. Da hängt und stirbt Einer, der Seines Gleichen nicht hat, am Kreuz. Wir wissen, wer dieser Einige sei. Er ist der eingeborne Sohn Gottes, das Wort, welches Fleisch geworden war, der Mittler zwischen Gott und den Menschen, der Stellvertreter der Menschen, Jesus Christus. Er starb eines wahrhaftigen Todes. Er starb aber für Alle, Er gab sich selbst für Alle zur Erlösung. Aber Gott hielt davor, daß im Augenblick des Todes Jesu alle Sünder gestorben seien, und deßwegen durfte es Paulus auch davor halten. Man stelle sich vor, ein einiger reicher Bürge bezahle für viele verarmte Schuldner. Wenn nun dieses geschieht, so hält man gerichtlich dafür, daß, da der einige Bürge bezahlte, alle Schuldner bezahlt haben, weil die Bezahlung in ihrem Namen geschehen ist.
So sehe ich denn den Augenblick, da Christus am Kreuz gestorben ist, als denjenigen an, in welchem das ewig geltende Versühnopfer für mich geopfert, meine Schuld bezahlt und mir der Zugang zu Gott geöffnet worden. In demselben Augenblick Seines Todes hat Christus die größte Probe Seiner Liebe gegen die Welt abgelegt, für welche Er ewiglich gepriesen werden wird. Und diese Seine Liebe dränge mich, nicht mir selber zu leben, sondern Demjenigen, der für mich gestorben und auferstanden ist. (Magnus Friedrich Roos)

5:15 und er ist darum für alle gestorben, auf daß die, so da leben, hinfort nicht sich selbst leben, sondern dem, der für sie gestorben und auferstanden ist.
Die Selbstsucht kennt Gott nicht, sie trennt, sie scheidet von dem Gott der Liebe, sie lässt kein Einswerden zu. Wie aber stehst du da, wenn Der selbst dein Gegner ist, den du in der Zeit der Not und im Leiden um Hilfe anrufen willst? Das bedenke wohl! Die Selbstsucht ist eine der schlimmsten Sünden. Tief sind ihre Wurzeln, und bitter ist ihre Frucht. Wenn sich unser Lieben und Leiden, unser Arbeiten und Wirken, unsere Freundschaft, ja selbst unser Beten nur um unser liebes Ich drehen, können die Folgen nicht ausbleiben. Die Selbstsucht tötet jedes frisch aufkeimende Leben. Sie ist Feindschaft wider Gott. Darum lässt sie weder Gemeinschaft mit Ihm noch Gemeinschaft mit den Erlösten zu. Sie vernichtet alles wahre Leben. Stehen wir nicht als Verbrecher da, wenn wir diese Warnung verachten und in der Eigenliebe verharren? Wieviel häusliches Elend hat gerade hierin seinen Grund f Wie viele Anstalten leiden schwer unter der Selbstsucht einzelner Glieder! Und wie viele Gemeinschaften können nicht gedeihen, weil die Eigenliebe einzelner nicht in den Tod gegeben wird! Es sollte uns nicht schwerfallen, das zu erkennen. Diese Sünde ist gefährlich und zu hässlich, um länger geduldet zu werden. Sie darf nicht gedeihen in unseren Herzen, sie verwüstet das schönste Paradies. Von dieser Ursünde frei zu werden, sei unser ernstes Anliegen. Gott ist die Liebe, darum dürfen wir die Selbstsucht nie entschuldigen, nie beschönigen, ja nie aufkommen lassen. Unser Wesen muss von Ihm erfüllt sein. (Markus Hauser)

5:16 Darum kennen wir von nun an niemand nach dem Fleisch; und ob wir auch Christum gekannt haben nach dem Fleisch, so kennen wir ihn doch jetzt nicht mehr.

5:17 Darum, ist jemand in Christo, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, es ist alles neu geworden!
Eine schöpferische Tat Gottes ist an mir geschehen; das steht in heller Deutlichkeit vor meinem Blick. Habe ich selbst die Erinnerung an Gott in mir erweckt? Habe ich selbst mir meine Bibel auf-geschlossen, so dass sie mir Gottes Willen zeigt? Habe ich selbst aus dem Kreuz Jesu das Licht her-vorgelockt, dass es vor mir als das Herrlichste strahlt, was ich sehen kann, im Glanz des vollkom-menen Gehorsams, der Gott als Gott ehrt, und in der Herrlichkeit des vollkommenen Versöhnens, das uns Menschen in den Frieden Gottes emporhebt? Habe ich selbst je etwas anderes in mir er-weckt als den eigensüchtigen Willen, der an meinen eigenen Vorteil gebunden ist? Was ich habe, ist Schöpfung, nicht eigener Erwerb, Empfangenes, nicht Gemachtes. Wieso ist es aber eine neue Schöpfung, mehr als Natur, mehr als Fortsetzung dessen, was die Natur mir gab, und wesentlich verschieden von dem, was auf dem Boden wächst, den die erste Schöpfung für uns hergestellt hat? Auch die Natur zeugt von Gott, stiftet zwischen uns Gemeinschaft und gibt uns den Antrieb zur Liebe. Aber die Natur hat nicht die Vollmacht zu vergeben, sondern führt alles, was geschieht, zu seinem Ende mit vergeltender Gerechtigkeit, und die Natur schafft kein unvergängliches Leben, sondern ist unter das Gesetz des Todes gestellt, und die Natur bringt mir kein Wort Gottes; sie bleibt stumm und ist nicht imstande, mir zu sagen, wie es in Wahrheit mit meinem Verhältnis zu Gott steht. Nun habe ich aber ein Wort Gottes gehört, das zu mir spricht und mir Gott zeigt als mei-nen Gott, und dieses Wort tilgt alle Schuld und verheißt das ewige Leben. Das ist neue Schöpfung über die ganze Natur hinaus.
Bin ich Dein Geschöpf, so ist es mein Beruf, Dein eigen zu sein mit dem ganzen Herzen, mit fröh-lichem Glauben, mit redlicher Liebe. Darum bitte ich Dich; denn so schaffst und vollendest Du in mir Deine neue Kreatur. Amen. (Adolf Schlatter)

5:18 Aber das alles von Gott, der uns mit ihm selber versöhnt hat durch Jesum Christum und das Amt gegeben, das die Versöhnung predigt.
Man darf bei der Erlösung des menschlichen Geschlechts den Sohn Gottes nicht als abgesondert von dem Vater und Heiligen Geist vorstellen, wie es vielleicht bei der Schwachheit des menschlichen Verstandes öfters zu geschehen pflegt, sondern gewiß glauben, daß auch der Vater durch den Geist dabei wirksam gewesen sei, wiewohl nur der Sohn Gottes als Mensch gekreuziget worden und gestorben ist. Wenn man dieses wunderbare und große Werk des dreieinigen Gottes in dem Verhältniß gegen das Uebel, woraus die Menschen herausgerissen werden sollen, betrachtet, so heißt es eine Erlösung; betrachtet man es aber in dem Verhältniß gegen Gott, so heißt es eine Versöhnung. Gott hat uns, wie Paulus sagt, mit Ihm selber versöhnet durch Jesum Christum. Man darf sich hier freilich keine Versöhnung vorstellen, dergleichen zwischen Menschen, die gleiche Rechte gegen einander haben, vorzugehen pflegt, da nämlich jeder Theil nach einer Abbitte oder Genugthuung oder auch ohne dieselbe seine Feindschaft fahren, und anstatt des Hasses eine neue Liebe bei sich aufkommen läßt. Bei Gott geht keine solche Veränderung vor, und auch damals, da wir Gott durch den Tod Seines Sohnes versöhnt wurden, ging noch keine Veränderung in uns vor. Man nehme also lieber das Bild von einem König, der seinen rebellischen Unterthanen nicht eigentlich feind ist, aber doch eine gerechte Strenge gegen sie ausüben, und sie alle zum Tod verdammen sollte, wiewohl er doch nach der Liebe wünscht, ihrer verschonen zu können. Man stelle sich weiter vor, es stelle sich ein Mittler zwischen den König und die Rebellen, und bringe als dieser ihr Sachwalter durch eine geziemende Abbitte und Genugthuung so viel zuwege, daß der König ihnen Gnade anbieten und erzeigen könne: so hat dieser Mittler die Rebellen mit dem König versöhnt, das ist, einen Weg geöffnet, auf welchem der König seine vorhin gehegte Liebe ihnen erzeigen, und sie anstatt der Todesstrafe begnadigen und mit neuen Wohlthaten überschütten kann. Nun muß aber den Rebellen diese ihre Versöhnung auch verkündiget werden, und diese Verkündigung bei ihnen diese Wirkung haben, daß sie sowohl die Feindschaft gegen ihren König, als auch die zur Verzweiflung führende Furcht vor seinem mächtigen Zorn fahren lassen. Hat nun Gott das Erste, nämlich die Versöhnung der rebellischen Welt durch Seinen Sohn Jesum Christum zu Stande gebracht, so hat Er auch für das Letztere, nämlich für die Verkündigung dieser Versöhnung gesorgt. Er hat, wie Paulus sagt, das Amt gegeben, das die Versöhnung prediget. Dieses Amt ist eine Gabe Gottes, Christus selbst, und hernach die Apostel, verwalteten es zuerst, es muß aber, so lange noch Rebellen auf Gottes Erdboden übrig sind, folglich bis an’s Ende der Welt verwaltet werden. Die durch Christum ausgerichtete Versöhnung muß geprediget werden, weil sie in dem Gesetz, das allen Menschen in’s Herz geschrieben worden, nicht enthalten ist. Hier müssen nun Ermahnungen, hier müssen sogar Bitten vorkommen, mit welchen man die unglaubigen Menschen zu erweichen und zu überreden sucht, daß sie ich für versöhnt halten, aber auch die Gnade nicht vergeblich empfahen sollen. (Magnus Friedrich Roos)

5:19 Denn Gott war in Christo und versöhnte die Welt mit ihm selber und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung.
Paulus schrieb dieses in der Rücksicht auf die Zeit des Leidens und Todes Christi, wodurch Er für uns zur Sünde oder zu einem Sündopfer gemacht war, wie er am Ende dieses Kapitels sagt. Christus war nicht der Vater, aber doch war der Vater in Ihm, und Er in dem Vater, Er selbst war das wesentliche Wort, das Gott ist, Er war der wahrhaftige Gott und das ewige Leben. Er war zwar nicht der Heilige Geist, aber doch war dieser Geist über Ihm und in Ihm. Er war Sein Geist, da Er hingegen keines andern Menschen Geist genannt wird. In Christo wohnte also damals und wohnet noch jetzt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig, das ist, die ganze Gottheit wohnet wesentlich in Ihm. Gott war in Christo, nicht nur Seine eigene göttliche Natur, wiewohl diese allein mit dem Fleisch zu Einer Person vereinigt war. Gott aber, oder das ganze göttliche Wesen, das in Christo war, versöhnte die Welt mit Ihm selber. Eine jede göttliche Person war nach ihrem persönlichen Charakter bei dieser Versöhnung wirksam, und diese Versöhnung widerfuhr der Welt, die Gottes Feindin gewesen war. Man kann nicht sagen, daß in der Zeit der Erniedrigung und des Todes Jesu, auf die Paulus zurücksieht, die Welt wirklich bekehrt und zur Liebe Gotte herumgelenkt worden sei; denn die Wenigen, welche das Wort Christi annahmen, und der Schächer am Kreuz, der allein zur Zeit des Leidens Jesu gewonnen wurde, waren nicht die Welt, sondern ein sehr kleiner Theil der Welt. Gott versöhnte aber die Welt mit Ihm selber durch den Tod Jesu (Röm. 5,10.), durch welchen Er ein Sündopfer für uns wurde. Feinde hatten diese Versöhnung nöthig, und die unmittelbare Frucht derselben war diese, daß Gott ihnen ihre Sünden nicht zurechnete. Wie aber? Hat denn Gott zur Zeit des Todes Jesu allen Seinen Feinden, welche mit einander die Welt waren, ihre Sünden wirklich vergeben? Hat Er sie wirklich begnadigt? Nein, denn Er hat hernach erst das Wort von der Versöhnung aufgerichtet, oder das Evangelium predigen lassen, damit die Menschen durch den Glauben die Gnade oder Vergebung der Sünden erlangen könnten. Wiefern hat also Gott Seinen damals mit Ihm versöhnten Feinden ihre Sünden nicht mehr zugerechnet? So, daß diese Sünden den Antrag der Gnade durch da Evangelium nicht hindern sollten, und nun Gott durch Seine Knechte alle Menschen ermahnt, daß sie mit Ihm wirklich versöhnt oder Seine lieben Kinder sein sollen. Man stelle sich Rebellen vor, die als Feinde ihres Königs seinen Zorn wider sich erregt, und den Tod verdient haben. Wenn nun ein Mittler sie versöhnt, so ist die nächste Wirkung davon diese, daß der König den Rebellen, ungeachtet ihrer Uebelthaten, durch eine Gesandtschaft Gnade anbieten und den neuen Zutritt zu seinem Thron eröffnen läßt. Durch dieses Alles aber soll hernach auch der harte Sinn bei den Rebellen erweicht, ihre innerliche Feindschaft beschämt und überwunden, und eine neue Liebe und Ehrerbietung gegen den König in ihnen gepflanzt werden.(Magnus Friedrich Roos)


Das Gesetz ist durch Moses gegeben worden; überdieß haben vor und nach seiner Zeit Verheißungen und Vorbilder den Menschen Hoffnung gemacht, daß der Messias in der Welt erscheinen, und die Menschen durch ein Opfer mit Gott versöhnen werde. Die Altväter sind damals im Glauben gestorben, haben aber die Erfüllung dieser Verheißung nicht empfangen, sondern sie von ferne gesehen, und sich derselben vertröstet, Hebr. 11,13. Als aber die Zeit des Alten Testaments zu Ende ging, so richtete Gott etwas Neues unter den Menschen auf, und was denn? Nicht ein neues Gesetz, nicht eine reinere Sittenlehre; denn das alte Gesetz war schon vollkommen, und die Sittenlehre, welche in den Schriften Mosis und der Propheten enthalten war, bedurfte keiner Zusätze. Er richtete aber das Wort von der durch Christum geschehenen Versöhnung auf. Dieses war das gute Wort, auf welches Er die Altväter vertröstet hatte, und das Evangelium, welches Er zuvor verheißen hatte, Röm. 1,1.2.; dieses Wort ist etwas sehr Großes und Wichtiges. Nun kann man predigen: Gott war in Christo und versöhnte die Welt mit Ihm selber, und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu. Nun sind Botschafter an Christus Statt vorhanden, durch die Gott vermahnet. Ja diese Botschafter bitten die Menschen an Christus Statt: seid doch versöhnt mit Gott, haltet dafür, daß ihr durch Christum mit Gott versöhnt seid, fasset eine Zuversicht zu Gott, liebet Ihn, und dienet Ihm williglich. Will Jemand wissen, wie uns Gott durch Jesum Christum mit Ihm selber versöhnt habe, so sagt man ihm: Gott hat Den, der von keiner Sünde wußte, für uns zur Sünde oder zu einem Sündopfer gemacht, auf daß wir würden in Ihm die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt. Wir sind also durch Christum mit Gott versöhnt worden, in so fern Er unsere Sünden getragen hat, und ein Sündopfer für uns worden ist, und die unmittelbare Frucht dieser Versöhnung soll diese sein, daß wir in Christo Jesu lauter Gerechtigkeit, und zwar eine Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, werden, folglich bei der Vergebung unserer Sünden ein volles Recht zu allen himmlischen Gütern, ja zu der ewigen Gemeinschaft mit Ihm selbst haben.
Hat nun Gott unter uns das Wort von der geschehenen Versöhnung aufgerichtet, so ist es unrecht, wenn man immer bei dem Gesetz oder bei dem Berg Sinai stehen bleiben, und gleichsam von diesem Berg aus in den Himmel steigen will. Hier ist kein Weg zum Himmel gebahnt. Das Gesetz hat seinen Nutzen, indem es dem Menschen die hohen Forderungen Gottes entdeckt, ihn, weil er sie nicht leisten kann, zum Sünder macht, und ihm die Nothwendigkeit zeigt, durch den Glauben an Christum gerecht und selig zu werden. Dieser Glaube selbst aber wird durch das Wort von der Versöhnung erweckt, und hält sich an dieses Wort, j an Christum den Erlöser selbst, welcher uns durch dieses Wort vor die Augen gemalt wird. Wie soll ein Mensch, der sich bewußt ist, daß er den gerechten Gott nicht nur durch grobe und muthwillige Sünden beleidigt, sondern auch durch seine besten Werke Seinen hohen und gerechten Forderungen niemals eine vollkommene Genüge geleistet habe – wie soll ein solcher Mensch getröstet und ruhig werden, wenn er nicht weiß und glaubt, daß Christus seine Sünden getragen habe, für dieselben ein Opfer worden sei, und ihn dadurch mit Gott versöhnt habe? Bei diesem Glauben vergeht die alte Knechtschaft unter der Sünde, und es wird Alles neu. V. 17. So lasse denn der große Gott das Wort von der Versöhnung in meiner Seele recht klar und kräftig werden. (Magnus Friedrich Roos)


Wenn in den Schriften des Neuen Testaments von der großen Versöhnung gehandelt wird, welche durch Christum geschehen ist, so wird immer gesagt, daß die Menschen Gott versöhnt worden seien, und diese werden alsdann als gewesene Feinde Gottes vorgestellt; wie denn Paulus Röm. 5,10. sagt: wir sind Gott versöhnet durch den Tod Seines Sohnes, da wir noch Feinde waren, und Kol. 1,21.22.: euch, die ihr weiland Fremde und Feinde waret durch die Vernunft in bösen Werken, hat Er nun versöhnet mit dem Leibe Seines Fleisches durch den Tod, auf daß Er euch darstellete heilig und unsträflich und ohne Tadel vor Ihm selbst. Wer will also die menschliche Natur, wie sie nach dem Sündenfall ist, rühmen? Es steckt eine Feindschaft wider Gott in ihr, welche sich durch die Vernunft äußert, die der Wahrheit Gottes widerspricht, arge Gedanken und Anschläge, und wohl gar Spöttereien und Gotteslästerungen aussinnet, und dabei euch in bösen Werken ausbricht. Diese Feindschaft wider Gott muß ein jeder Mensch in der Buße mit Schmerzen fühlen, erkennen und bekennen, aber auch eingestehen, daß er wegen derselben verwerflich und verdammungswürdig sei. Wie tröstlich ist’s aber, wenn der Mensch alsdann höret, daß Gott uns mit Ihm selber versöhnet habe durch Jesum Christ, 2 Kor. 5,18., oder daß Gott in Christo gewesen, da Er am Kreuz hing, und die Welt mit Ihm selber versöhnet habe. Es mangelte Gott nicht an einer vorläufigen Liebe gegen die Welt; denn der Sohn Gottes hat selber gesagt: also hat Gott die Welt geliebt, daß Er Seinen eingebornen Sohn gab. Ja eben dadurch hat Gott Seine Liebe gegen die Welt geoffenbart, oder, wie Röm. 5,8. gesagt wird, gepriesen, daß Er sie durch Jesum Christum mit Ihm selber versöhnt hat. Niemals bekehren sich so viele Menschen, daß die heilige Schrift hätte sagen können, die Welt bekehre sich, oder habe sich bekehrt; sie sagt aber, Gott habe die Welt mit Ihm selber versöhnt. Auch sagt sie nie, daß Gott die Welt durch das Evangelium oder durch Seinen Geist mit Ihm selbst versöhnt habe oder noch immer versöhne, sondern schreibt diese Versöhnung als eine geschehen Sache dem Tod Jesu zu, wodurch Jesus für uns zur Sünde oder zu einem Sündopfer gemacht worden ist, Röm. 5,10. 2 Kor. 5,21. Wir müssen also diese Versöhnung als eine sehr große und wichtige Sache ansehen, die geschehen ist, da Christus am Kreuze starb. Gott liebte die Welt; damit sich aber Seine Liebe an ihr auf eine geziemende Weise zu ihrer Seligmachung offenbaren könnte, mußte Christus am Kreuz sterben, zur Erweisung der göttlichen Gerechtigkeit, Röm. 3,25., welcher sonst durch die Begnadigung der Feinde Gottes einen Eintrag geschehen wäre. Gott rechnete um des Todes Jesu willen Seinen Feinden ihre Sünden nicht zu, daß Er um derselben willen über sie einen neuen Fluch ausgesprochen, und sie durch einen richterlichen Ausspruch von Seinem Angesicht verstoßen hätte, sondern richtete dagegen das Wort von der Versöhnung unter ihnen auf; Er ließ ihnen die durch Christum geschehene Versöhnung verkündigen, und sie dadurch locken und einladen, zu Ihm zu kommen, und zu Seinem Gnadenthron hinzunahen, damit sie Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden, auf die Zeit, da ihnen Hülfe noth ist. Nun die durch Christi Tod geschehene Versöhnung sei auch heute mein Trost, und gebe mir Zuversicht, zu Gott zu nahen, und im Frieden vor Ihm zu wandeln. (Magnus Friedrich Roos)

5:20 So sind wir nun Botschafter an Christi Statt, denn Gott vermahnt durch uns; so bitten wir nun an Christi Statt: Lasset euch versöhnen mit Gott.3)
Wie sollte ich die Aufforderung: sei mir Gott versöhnt, nicht hören? Hat es denn Verstand, mit Gott zu streiten? Will ich stärker sein als Er, will ich Ihn besiegen? Versöhnt mit Gott, das ist nicht nur das Ende unseres Elends, das ist der Aufstieg in die Kraft und Herrlichkeit. In Gottes Frieden leben als Gottes Freund, du kannst, Herz, nichts Größeres verlangen. Aber es klingt so unglaublich, so übermenschlich, dass wir versöhnt sein könnten mit Gott, und daran erkennen wir, wie nötig uns die Versöhnung mit Gott ist, dass wir wirklich gegen ihn sind, in der Tat ihn fliehen, fürchten und mit Ihm hadern. Wir verspüren alle in uns die Lust, uns für die große und laute Schar anwerben zu lassen, die ruft: Gott ist tot, der Gott der Patriarchen und Propheten, der Gott und Vater Jesu, der Gott der Christenheit; einst glaubten sie an ihn und meinten, sie hätten Sein Wort gehört und Seine Werke geschaut; doch nun ist dies alles in die Vergangenheit hinabgesunken. Vor diese Schar tritt Paulus und sagt ihr: ihr streitet gegen Gott und wünscht, er sei verschwunden: lasst euch versöhnen mit Ihm. Dazu zeigt er uns Jesus am Kreuz; dort, sagt er, hat Gott dich mit Sich versöhnt. In den Frieden mit Gott kann ich aber nur gelangen, wenn mein boshafter Wille stirbt. Sich mit Ihm versöhnen heißt, der Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit entrinnen; denn mit dieser versöhnt sich Gott nicht. Kann ich lassen, was vor Gott verwerflich ist? Sieh Jesus an, sagt mir Paulus,, wie Er sein Kreuz trögt. Er ist der Sünde wegen gestorben, damit deine Sünde tot sei, weil er lebt und dich im Glauben unter seine Macht und Wirkung stellt. Bekehren kann ich mich nicht, wenn mir nicht Vergebung gewährt ist. Steht meine Schuld vor Gott mit ihrer mich verklagender Macht, was hilft mir dann all mein frommes Bemühen? Sieh Jesus an, sagt Paulus, an seinem Kreuz; dort siehst du den, der vergibt. Denn dazu hat er das Kreuz getragen, damit er dir vergeben kann. Ich kann aber nur dann im Frieden mit Gott leben, wenn ich mich in seine Regierung ergebe und willig leide, was mich beengt und plagt. Wie soll ich leiden und sterben, ohne dass daraus ein Aufruhr gegen den entsteht, der mich ins Leiden stellt? Sieh Jesus an, sagt mir Paulus, wie Er gelitten hat. Er litt und pries den Vater und machte aus der Gottverlassenheit die Offenbarung der göttlichen Herrlichkeit. Bist du nun versöhnt mit Gott?
Der Tatbeweis dafür, dass Gott uns verzeiht, bist Du, Herr Jesus Christ. Unsere Sünde und Schande, unser Leiden und Sterben nahmst Du auf in Dein Werk und hast es in Segen verwandelt. So hast Du an das Licht gebracht, was mit uns geschieht, weil Gott uns vergibt. So vergib mir alles, was sich in mir gegen Dich sträubt und den Unfrieden meiner Seele offenbart, damit ich es erfasse und bewahre, dass ich versöhnt bin mit Dir. Amen. (Adolf Schlatter)

5:21 Denn er hat den, der von keiner Sünde wußte, für uns zur Sünde gemacht, auf daß wir würden in ihm die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt.
Allmächtiger, ewiger und barmherziger Gott, ich bitte Dich um der allerheiligsten Wunden Deines Sohnes willen, erhalte in mir, wie in Deinem heiligen Apostel, die Stütze der lebendig machenden Hoffnung! Es schwankt bisweilen mein Herz wie ein Schiff mitten im Meere; verleihe mir jenen sichern und festen Anker. Bändige die Fluthen der Versuchung und des Zweifels, der Du ein Gott der Hoffnung und des Trostes bist. So gewiß und unbeweglich die Wahrheit Deiner Verheißungen und die Gewißheit meiner Erlösung ist, so gewiß wird in mir die Festigkeit einer heiligen Hoffnung sein können. Drei Dinge sind es, die mich aufrichten, wenn ich darniederliege, nämlich die Liebe, die mich zum Kinde machte, die Wahrheit der Verheißung, die Macht, die in der Bezahlung meiner Schuld liegt. Das ist das dreifache Seil, das Du aus dem himmlischen Vaterland in diesen Kerker herablässest, damit Du mich aufrichtest und im Anblick Deiner Herrlichkeit anziehest. Die Betrachtung Deines Gebots macht, daß ich hoffe; die Betrachtung Deiner Verheißung macht, daß mein Herz beruhigt wird, wenn ich hoffe; die Betrachtung Deiner Gnade in Christo verhindert, daß ich an Deiner Erbarmung verzweifle; die Betrachtung meiner eigenen Gebrechlichkeit macht, daß ich nicht auf mich und meine Kräfte und Verdienste meine Hoffnung setze. So viel weniger meine Hoffnung an dem eitlen und vergänglichen Sande der gegenwärtigen Güte und der menschlichen Hülfe haftet, um so viel fester und sicherer wird sie auf den unbeweglichen und unerschütterlichen Felsen Deiner Verheißungen und der himmlischen Güter gebaut. Dir allein gehöre mein Herz an, daß ich mich ganz von der Welt abziehe und von ganzem Herzen Dir anhange und nicht mehr mit mir selbst lebe, sondern dem, der für mich gestorben und auferstanden ist. In mir ist nichts als Sünde, Tod und Verdammniß; in Dir nichts als Gerechtigkeit, Leben, Heil und Trost. Daher verzweifle ich an mir, aber ich hoffe auf Dich; in mir werde ich zerschlagen, in Dir werde ich aufgerichtet. Es mögen sich wohl die Trübsale vermehren, wenn nur Deine belebenden Tröstungen dabei sind und meine Hoffnung aufrecht halten. Auf Dich, Herr, habe ich gehofft; ich werde nicht zu Schanden werden ewiglich. Amen. (Johann Friedrich Wilhelm Arndt)


O Herr Jesu Christe, Du Heiland der ganzen Welt, wir armen Sünder beugen uns in den Staub vor Dir und sagen Dir Lob und Dank, daß Du uns nicht lassen willst in dem Elend unserer Sünde und Verdorbenheit, sondern hast Dich unserer erbarmet und auf Dich genommen unsere Schuld und Strafe. O wie können wir in alle Ewigkeit Dir genug danken, daß Du an unserer Statt das bitterste Leiden und den schrecklichsten Tod übernommen hast, auf daß wir Frieden hätten und statt der Verdammniß unserer Natur erlangten die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt. O Herr, wer sind wir, daß Du Dich unserer so annimmst, und schenkest uns, was Dein ist, und nimmst auf Dich, was unser ist? Wer sind wir, daß Du täglich Deine Gnadenzeit uns offen lässest und schenkst uns auch jetzt wieder die heilige Zeit, da wir Deines theuern Leidens und Sterbens besonders gedenken und daraus Kräfte der zukünftigen Welt ziehen dürfen? O mache uns diese Zeit recht gesegnet durch ernstliche Erweckung zur Buße, durch gründliche Wiedergeburt in Dein Leben und durch alle Früchte eines wahren Glaubens, einer reinen Liebe und gewissen Hoffnung des ewigen Lebens. Mache uns insbesondere Dein heiliges Wort recht theuer und wichtig, und schenke uns dadurch viel Licht über unsere Finsterniß, viel Reue und Leid über alle unsere Sünden, viel Demuth über unser großes elend, und erfülle uns mit einer rechten Heilsbegierde, daß wir uns selbst nicht mehr suchen, sondern alles Heil nur in und aus Dir suchen und finden. Vertreibe durch die Bilder Deiner Passion aus unsern Herzen alle Sünden- und Weltbilder, damit Dein heiliger Geist in uns wohnen könne als in Tempeln, die gewaschen sind durch Dein Blut. Laß uns immer mehr der Welt absterben, erneure uns in Dein vollkommnes Ebenbild, und sei uns allenthalben und allezeit nahe mit Deiner Weisheit, Gerechtigkeit und allmächtigen Hülfe. Amen. (Johann Friedrich Wilhelm Arndt)


Betrübte Seele! warum trauerst und weinst du? Bist du betrübt über dein Sündenelend? Dann schaue empor zu deinem vollendeten Herrn und Heiland, und bedenke, dass du in Ihm vollkommen geworden bist; du bist in Gottes Augen so vollkommen, wie wenn du nie gesündiget hättest; ja, noch viel mehr, der Herr der Gerechtigkeit hat ein göttliches Gewand über dich geworfen, so dass du mehr hast als die Gerechtigkeit Gottes. O du, lieber Christ, der du trauerst, über die angeborne Sündhaftigkeit und Bosheit, siehe, nun kann dich keine deiner Sünden mehr verdammen. Du hast die Sünde hassen gelernt; du hast aber auch die Erkenntnis empfangen, dass die Sünde nicht mehr dein ist: sie wurde Christus aufs Haupt gelegt. Du stehst nicht mehr für dich selbst da, denn du bist nun in Christo geborgen; bist nicht angenehm um deinetwillen, sondern in deinem Herrn und Heiland; du wirst von Gott in dieser Stunde ebenso angenommen, mit all deiner Sündhaftigkeit, wie in jener seligen Zukunft, wo du, von allem Verderben und Elend erlöst, verklärt vor seinem Throne stehst. O, ich beschwöre dich, fasse diesen köstlichen Gedanken recht zu Herzen: vollkommen gemacht in Christo! Denn du bist „vollkommen in Ihm“.
„Christi Blut und Gerechtigkeit,
Das sei dein Schmuck und Ehrenkleid;
Damit kannst du vor Gott besteh‘n,
Wenn du zum Himmel wirst eingeh‘n.“
„Wer will verdammen? Christus ist hier, der gestorben ist, ja vielmehr, der auch auferwecket ist, welcher ist zur Rechten Gottes, und vertritt uns.“ Christ, lass dein Herz guter Dinge sein, denn du bist „angenehm gemacht in dem Geliebten“, was hast du noch zu fürchten? Dein Antlitz strahle von Glück; lebe bei deinem Meister; wandle in den Vorstädten des himmlischen Jerusalem; denn bald kommt deine Zeit, und dann wirst du dich erheben dahin, wo dein Jesus thront, und wirst herrschen zu seiner Rechten, gleichwie Er empfangen hat und ist gesessen zur Rechten des Vaters; und das alles darum, dass Er der göttliche Meister, „der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht ist, auf dass wir würden in Ihm die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt.“ (Charles Haddon Spurgeon)


In diesem Kapitel gibt der Apostel Paulus den Christen in ihren Trübsalen einestheils einen Trost, daß sie in Anbetracht der wichtigen Herrlichkeit des zukünftigen Lebens in aller ihrer Noth, ja auch im Tod selbst nicht verzagen sollen. Denn auch dieser könne ihnen nicht schädlich seyn, weil dadurch nichts anderes, als die irdische, gebrechliche Hütte des Leibes abgebrochen, dagegen aber im Himmel, in der ewigen Herrlichkeit, ein viel besserer Bau von Gott selbst bereitet werde.
Anderntheils aber erfordert er dazu, wenn wir mit der himmlischen Glorie gleichsam überkleidet und angezogen zu werden verlangen, daß wir uns auch bestreben müssen, nicht blos, sondern mit dem Rock der Gerechtigkeit unseres Heilandes bekleidet erfunden zu werden. Wenn wir nämlich nach zurückgelegter Wanderschaft einmal daheim bei Gott, unserm lieben Vater, und in Seiner Herrlichkeit seyn wollen, so müssen wir uns auch bestreben, daß wir schon hier auf Erden, da wir gleichsam noch in der Fremde sind, dennoch Ihm, unserm HErrn, in wahrem Glauben und ungeheuchelter, aus dem Glauben fließender Gottseligkeit gefallen mögen.
So lasset sich's denn auch der Apostel, nachdem er ein wenig von sich und seinem Wandel bei den Corinthern geredet hatte, angelegen seyn, nicht allein die Gnade Gottes, der die versündigte Welt in Christo Sich wieder versöhnet hat, sondern auch das Amt, das Er eingesetzet, herrlich anzupreisen - und als ein „Botschafter an Christus Statt“ zu flehen und zu bitten, daß doch jedermann diese angebotene Gnade im Glauben annehmen - und in der Ordnung eines heiligen Lebens behalten möge.
Daher sollen wir uns ermuntern lassen, mit Ablegung alles alten, gegen Gott feindlichen und sündigen Wesens eine neue Creatur in Christo zu werden - und zu schuldiger Dankbarkeit aus der Kraft Jesu Christi Ihm zu leben als unserm HErrn, der für uns gestorben und auferstanden ist, und „Ihm zu dienen ohne Furcht unser Leben lang - in Heiligkeit und Gerechtigkeit, die Ihm gefällig ist.“ Dazu wolle uns der dreieinige Gott nach Seiner Erbarmung verhelfen. (Veit Dieterich)


Neben dem, der die Sünde nicht kannte, stehen wir, die wir sie kennen. Kennen wir sie wirklich? Steht es nicht so: ich kenne sie nicht; aber er kennt sie? Man kennt die Sünde erst, wenn man von ihr frei geworden ist. Die Maße des Drachens kann niemand messen als der, der ihn überwunden und erschlagen hat. Deshalb, weil er die Sünde an sich selbst nicht kannte, konnte er sie an uns; darum richtete er sie und darum ward sie an ihm gerichtet. Weil wir dagegen die Sünde tun und sie deshalb nicht kennen, wurde er für uns zur Sünde gemacht; denn sehen müssen wir sie in ihrer Verwerflichkeit und todbringende Macht. Es ist mir nicht zu helfen, solange ich sie verberge, schönfärbe, erkläre, entschuldige und rechtfertige. Wie soll sie aber ans Licht kommen. ohne dass sie mich in Schande, Fluch und Zorn versenkt? Wird der zur Sünde gemacht, der sie kennt und sie in sich selber hat, so dass er an sich selber sehen muss, was sie ist und wirkt, so ist das sein Untergang. Dass der zur Sünde gemacht wird, der sie kennt, das ist die Tat des göttlichen Zorns. Nun wird sie aber ans Licht gestellt an dem, der sie nicht kannte, und dadurch wird die Enthüllung der Sünde zur göttlichen Gnadentat. Dass er zur Sünde gemacht wird, bringt weder ihm noch uns das Verderben. Er tut eben jetzt Gottes herrlichen, gnädigen Willen im vollkommenen Gehorsam; dar-um ist für ihn das Erhöhtwerden an das Kreuz die Erhebung, die ihn hinauf zum Vater führt. Für uns aber tritt deshalb, weil er zur Sünde gemacht ist, Gottes Gerechtigkeit in Kraft, die aus uns et-was anderes als Sünder macht, nämlich Glaubende. Weil wir die Sünde kennen, kennen wir die Ge-rechtigkeit nicht. Weil Jesus dagegen die Sünde nicht kannte, kannte und wirkte er Gottes Gerech-tigkeit, in der die Wahrheit und die Erbarmung zur herrlichen Einheit verbunden sind. Durch Ihn wird unser Sündigen vom Licht der Wahrheit bestrahlt und aus allen dunklen Verstecken und täuschenden Hüllen herausgeholt. Jesus nimmt aber, indem er selbst für uns zur Sünde gemacht ist, dem Licht der Wahrheit die rächende Macht, an der wir verderben, und gibt ihm den Glanz der Barmherzigkeit. Daher sehen wir an Ihm Gottes Gerechtigkeit, die nicht die Sünde der Welt, wohl aber die Welt lieb hat und ihr deshalb das Lamm Gottes gibt, das ihre Sünde von ihr nimmt.
Zu Dir, heiliger Gott, könnte ich nicht aufsehen, wäre nicht Dein Vergeben meine Stütze, und ich könnte nicht in mein Leben hineinsehen, wäre nicht Dein Vergeben das, was mich hält. Ich weiß, wo Du es mir und Deiner ganzen Schar gewährt hast; das geschah im Sterben Deines Sohnes, unseres Herrn. Dort zeigst Du uns, was Sünde ist, und nun weiß ich, dass sie vergeben ist, und dort zeigst Du mir, was Deine Gerechtigkeit ist, und nun weiß ich, dass ich ihr glauben soll. Amen. (Adolf Schlatter)

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