1. Johannes, Kapitel 1
1:1 Das da von Anfang war, das wir gehört haben, das wir gesehen haben mit unsern Augen, das wir beschaut haben und unsre Hände betastet haben, vom Wort des Lebens
1:2 und das Leben ist erschienen, und wir haben gesehen und bezeugen und verkündigen euch das Leben, das ewig ist, welches war bei dem Vater und ist uns erschienen:
1:3 was wir gesehen und gehört haben, das verkündigen wir euch, auf daß ihr mit uns Gemeinschaft habt; und unsre Gemeinschaft ist mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus.
Mit den geistlichen und himmlischen Gaben Gottes verhält es sich nicht so, wie mit den irdischen Gütern, unter welchen ein jedes so eines Besitzers Eigenthum ist, daß alle andern Menschen von dem Besitz und Genuß desselben ausgeschlossen sind. Wenn auch eine Erbschaft einem Geschlecht zufällt, so theilt man das Erbe unter so Viele, daß ein jeder Erbe nur seinen Theil bekommt, an den kein Anderer eine Ansprache machen darf. Allein im Reich Gottes haben alle Gerechten den Heiligen Geist, insofern Er eine Gabe ist, gemeinschaftlich. Alle haben gemeinschaftlich eine Ansprache an die Früchte der großen Erlösung, die Christus ausgerichtet hat. Was in dieser heiligen Schrift ein geistlicher Segen heißt, als: Gnade, Licht, Leben, Freiheit, Kindschaft, Friede und Freude, gehört Allen gemeinschaftlich, und ist Keinem so verheißen, daß ein Anderer ausgeschlossen wäre. Auch das unvergängliche, unbefleckte und unverwelkliche Erbe, das im Himmel behalten wird, empfangen sie gemeinschaftlich, denn Christus wird an jenem Tag zu den Gesegneten Seines Vaters sagen: erbet das Reich, und wird nicht hinzusetzen: theilet es unter euch. Dieses ist die Gemeinschaft, welche alle Kinder Gottes unter sich haben, die Apostel und Propheten nicht ausgenommen, und nach welcher sie Ein Leib, Ein Volk, Eine Heerde, Eine Braut Christi, und zwar nach den Gaben verschieden sind, übrigens aber gleiche Rechte haben, so daß einem Jeden der Genuß von Allem, was das Reich Gottes in sich schließt, vergönnt ist. Wer aber in einer solchen Gemeinschaft mit allen Heiligen stehen will, muß auch Gemeinschaft mit dem Vater und Seinem Sohn Jesu Christo haben, und diese Gemeinschaft ist freilich der Grund von jener, ja der Grund des ganzen Heils, das die Heiligen genießen. Es besteht aber die Gemeinschaft mit Gott dem Vater und Seinem Sohn Jesu Christo darin, daß die Heiligen den Geist des Vaters und des Sohnes empfangen haben; weßwegen sie auch die Gemeinschaft des Heiligen Geistes 2 Kor. 13,13. genannt wird. Daran erkennen wir, sagt Johannes 1 Joh. 3,4. daß Er in uns bleibet: an dem Geist, den Er uns gegeben hat. Obgleich der Geist von dem Vater und Sohn ausgeht und gesandt wird, so ist Er doch nicht von dem Vater und Sohn getrennt. Wem der Geist des Vaters und Sohnes gegeben ist, in dem ist und bleibet der Vater und Sohn, der hat also Gemeinschaft und ist vereinigt mit dem Vater und Seinem Sohn Jesu Christo.
Die Bekehrung besteht also nicht darin, daß man sich nur zu frommen Leuten halte und geselle, und ihre Weise äußerlich annehme. Wer sich bekehren will, bekehre sich zu dem Vater und Seinem Sohn Jesu Christo, und erbitte Gnade und den Heiligen Geist; alsdann ist der Grund des Heils gelegt durch den Glauben, alsdann ist man aber durch die Liebe mit allen Gliedern Christi verbunden, und steht in einer Gemeinschaft mit ihnen, welche auch der Tod nicht trennen und aufheben kann. Was nützt es, wenn man sich der äußerlichen Kirche rühmt, zu der man sich bekennt? Keine solche Kirche oder keine Partei der Christenheit hat die Verheißungen von Gott empfangen, daß alle ihre Glieder unfehlbar selig werden. Wie reich bin ich bei der irdischen Armuth, wenn ich mit allen Heiligen Gemeinschaft habe und meine Gemeinschaft mit dem Vater und Seinem Sohne Jesu Christo ist!(Magnus Friedrich Roos)
1:4 Und solches schreiben wir euch, auf daß eure Freude völlig sei.
1:5 Und das ist die Verkündigung, die wir von ihm gehört haben und euch verkündigen, daß Gott Licht ist und in ihm ist keine Finsternis.
Willst du jenseits des Grabes an einen seligen Ort kommen, so musst du dich erst für Gott entschieden haben; wer nicht zu Ihm geht, kann nicht selig werden, denn nur bei Ihm ist Seligkeit. Nun ist aber das die Botschaft Gottes an uns: „Gott ist Licht, und keine Finsternis ist in Ihm!“ Hassest du das Licht, die Reinheit und Heiligkeit Gottes, wandelst du in der Finsternis, ist dein Herz, dein Denken, Wollen und Tun unrein, fleischlich, selbstsüchtig, so hassest du auch Gott! Wie solltest du mit solcher Gesinnung, mit einer so verderbten und verkehrten Seele selig werden können? Auch dort gesellt sich Gleiches zu Gleichem. Finsternisnaturen kommen ins Reich der Finsternis, der Fürst der Finsternis zieht sie an sich. Lichtesnaturen aber gelangen ins Land des Lichtes; Gott, der Urquell des Lichtes, zieht sie an und nimmt sie bei sich auf. Die Sünde ist die Finsternis. Welche Sünde ist deine Grundsünde, diejenige, welche zu vielen anderen Anlass gibt, dich treibt, bindet, fesselt? Welches ist deine Sünde, deine eigene Finsternis? Zorn? Neid? Gleichgültigkeit? Wollust? Weltliebe? Trunksucht? Womit bist du gebunden? Mit welchem Strick sucht der Teufel dich, gerade dich hinunterzuziehen in die Finsternistiefe? Weiche diesen Fragen nicht aus, finde es nicht langweilig, über solche Dinge nachzudenken. Die Sache ist ernst und wichtig und dreht sich um deine eigene Person! Die Sünde ist der Leute Verderben. Wer Sünde tut, der ist der Sünde Knecht. Lass dich mit dem Blute Jesu reinigen von deinen Sünden. Sonst hast du keine Kraft gegen Sünde und Finsternis. (Markus Hauser)
1:6 So wir sagen, daß wir Gemeinschaft mit ihm haben, und wandeln in der Finsternis, so lügen wir und tun nicht die Wahrheit.
Als wir durch den Glauben mit Christo vereinigt wurden, kamen wir in eine so völlige Gemeinschaft mit Ihm, dass wir eins wurden mit Ihm, und dass seine und unsre Neigungen sich gegenseitig und übereinstimmend gestalte- ten. Wir haben Gemeinschaft mit Christo in seiner Liebe. Alles, was Er liebt, lieben auch wir. Er liebt die Heiligen; wir auch. Er liebt die Sünder; wir auch. Er liebt das arme, verirrte Menschengeschlecht und seufzt und sehnt sich, dass die Wüste dieser Erde möchte in ein Paradies des Herrn verwandelt werden; so auch wir. Wir haben Gemeinschaft mit Ihm in seinen Wünschen. Ihn verlangt nach der Verherrlichung Gottes; danach trachten wir auch. Er wünscht, dass die Heiligen möchten bei Ihm sein, wo Er ist; und dort wünschen auch wir bei Ihm zu sein. Er sehnt sich danach, die Sünde zu vernichten; siehe, wir kämpfen unter seinem Panier. Er möchte gern, dass seines Vaters Name geliebt und gelobt würde von aller Kreatur; und auch wir bitten täglich: „Dein Reich komme; Dein Wille geschehe auf Erden wie im Himmel.“ Wir haben Gemeinschaft mit Christo in seinen Leiden. Wir werden zwar nicht ans Kreuz geheftet, noch sterben wir eines grausamen Todes, aber wenn Er geschmähet wird, so werden wir mitgeschmähet; und wahrlich, es ist süß, um seinetwillen Schmach zu erdulden; verachtet zu werden, weil wir in seiner Nachfolge wandeln; und die Welt zum Feinde zu haben. Der Jünger ist nicht über seinem Meister. In unserem Teil haben wir Gemeinschaft mit Ihm in seinen Mühsalen und in seiner Arbeit, indem wir den Menschen dienen durch das Wort der Wahrheit und durch Werke der Liebe. Unsre Speise und Erquickung besteht wie die seine darin, dass wir den Willen tun Des, der uns gesandt hat, und vollenden sein Werk. So haben wir auch Gemeinschaft mit Christo in seinen Freuden. Wir sind selig in seiner Seligkeit, wir freuen uns über seine Erhöhung. Hast du je diese Freude geschmeckt, liebe gläubige Seele? Es gibt keine reinere und entzückendere Wonne, und ist keine höhere bekannt unter dem Himmel, als die, dass wir Christi Freude in uns vollkommen haben, auf dass unsre Freude überschwänglich sei. Seine Herrlichkeit erwartet uns, um unsre Gemeinschaft völlig zu machen, denn seine Gemeinde wird mit Ihm sitzen auf seinem Stuhl als seine innig geliebte Braut und Königin. (Charles Haddon Spurgeon)
1:7 So wir aber im Licht wandeln, wie er im Licht ist, so haben wir Gemeinschaft untereinander, und das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, macht uns rein von aller Sünde.1)
Wie Er im Lichte ist! Können wir je dahin gelangen? Werden wir je imstande sein, so klar im Licht zu wandeln, wie Er, den wir nennen „unser Vater“, von welchem geschrieben steht: „Dass Gott ein Licht ist, und in Ihm ist keine Finsternis?“ Gewisslich, das ist das Vorbild, das uns vorgestellt ist; denn der Heiland selber hat gesagt: „Seid vollkommen, gleichwie euer Vater im Himmel vollkommen ist;“ und wenn wir gleich fühlen, dass wir nie zur Vollkommenheit Gottes gelangen werden, so trachten wir doch danach und geben uns nicht zufrieden, bis dass wir sie möglichst erreicht haben. Wenn der junge Künstler im Anfang den Pinsel zur Hand nimmt, so kann er kaum hoffen, es einem Raffael oder Michelangelo gleich zu tun; wenn er aber in seinem Gemüt nicht ein hohes Vorbild bewegte, dem er nachstrebt, so würde er nur Unbedeutendes und Mittelmäßiges erreichen. Was bedeutet aber der Ausdruck, dass der Christ im Licht wandeln soll, gleichwie Gott im Licht ist? Wir begreifen, dass hier von einer Ähnlichkeit, nicht von einem gleichen Maße die Rede ist. Wir sind ebenso wahrhaft im Licht, ebenso herzlich im Licht, ebenso ernstlich im Licht, ebenso aufrichtig im Licht, obgleich wir nicht im gleichen Maße darin sein können. Ich kann nicht in der Sonne wohnen, es wäre ein zu glänzender Ort für meine Wohnung, aber ich kann wandeln im Licht der Sonne; und obgleich ich nicht zu derjenigen Vollkommenheit der Reinheit und Wahrheit gelangen kann, welche dem Herrn der Heerscharen, als dem unendlich Guten, eigen ist, so kann ich doch den Herrn allezeit vor Augen haben und mit dem Beistand, des innewohnenden Geistes danach streben, dass ich seinem Bilde ähnlich werde. Ein vorzüglicher alter Schriftausleger sagt: „Wir können im Licht sein, wie Gott im Licht ist, nach der Ähnlichkeit, aber nicht nach der Einerleiheit.“ Wir haben das gleiche Licht und sind und wandeln darin so wahrhaftig als Gott, obgleich die Gottähnlichkeit in vollkommener Heiligkeit und Reinheit uns nicht zukommt, bis dass wir durch den Jordan schreiten und zur Vollkommenheit des Höchsten eingehen. Vergiss nie, dass die Segnungen heiliger Gemeinschaft und völliger Reinheit mit dem Wandel im Licht verbunden sein müssen. (Charles Haddon Spurgeon)
„Macht uns rein,“ spricht der Apostel, und nicht: „es wird uns einmal rein machen.“ Es gibt viele, die da meinen, dass ihnen als Trost im Tode die Hoffnung auf die Vergebung der Sünde bleibe. Ach, wie unendlich besser ist es doch, dass wir schon jetzt rein werden, als wenn wir auf die bloße Möglichkeit der Sündenvergebung angewiesen wären, wenn es einmal mit uns zum Sterben kommen soll. Manche bilden sich ein, dass das Gefühl der Vergebung ein Gnadengeschenk sei, das uns erst nach jahrelanger innerer Christenerfahrung zuteil werden könne. Aber die Vergebung der Sünden ist etwas Gegenwärtiges, ein Vorrecht eben des heutigen Tages, eine Freude gerade dieser Stunde. Im gleichen Augenblick, wo ein Sünder sein Vertrauen auf Jesum setzt, hat Er auch völlige Vergebung schon empfangen. Unsre Schriftstelle zeigt auch eine Fortdauer an, weil sie in der gegenwärtigen Zeitform ausgedrückt ist. Es hieß gestern „macht uns rein,“ es heißt heute „macht uns rein,“ und „macht uns rein“ heißt es auch noch morgen; es wird auch so bleiben, bis du durch den Jordan schreiten musst; du darfst jede Stunde zu diesem Born kommen, denn er macht noch immerfort rein. Und ebenso haben wir die Vollständigkeit der Reinigung ins Auge zu fassen: „Das Blut Christi, seines Sohnes, macht uns rein von aller Sünde, nicht nur von Sünde, sondern von aller Sünde.“ Liebe Seele, ich kann dir nicht sagen, wie unaussprechlich süß dies Wort klingt, aber ich bitte Gott den Heiligen Geist, Er wolle dir einen Vorgeschmack davon geben. Vielerlei sind unsre Sünden wider Gott. Aber sei unsre Schuld groß oder klein, die gleiche Quittung tilgt alles aus, das Blut Jesu Christi ist eine so köstliche und göttliche Zahlung für die Übertretung der Verleumdung Petri, als für die Flucht des liebenden Johannes; unsre Missetat ist hinweg, auf einmal hinweg, und auf ewig hinweg. O selige Vollendung! Welch ein lieblicher Gedanke, um darüber einzuschlafen! (Charles Haddon Spurgeon)
Es gibt für uns, die wir uns auf dem Wege der Ewigkeit bewegen dürfen und bald vor den Richterstuhl Christi gestellt werden, eine Reinigung von den Sünden. Dank sei dem Herrn! Ungewiss ist die Stunde unseres sicheren Todes. Heute noch kannst du vor dem Angesicht dessen erscheinen müssen, der Augen hat wie Feuerflammen, der dich darum durch und durch kennt. „Eure Sünden scheiden euch von eurem Gott!“ Jes. 59. Die Sünde trennt vom Licht, denn sie ist Finsternis. Sie macht deine Seele und deinen Nervenleib finster. So musst du als eine schauerliche, finstere Gestalt vor den Gott des Lichtes treten. Dann wirst du auf dein Gewand blicken, auf deine hässliche Erscheinung, auf deine greifbar gewordene Sünde -, kannst du dir's denken, was dann geschehen wird? - Der Mensch ist sein eigener Verräter. Seine in Finsternis, in Sünde eingehüllte Seele zeigt alles an, was er getan hat bei Leibesleben. Ohne die Reinigung von den Sünden kannst du nicht ruhig und getrost dem Tode und dem Richterstuhl Christi entgegensehen. Und ohne die Reinigung von deinen Sünden kannst du in den Tagen deines Erdenlebens nicht glücklich sein. Du kannst dich wohl lustig machen, von einem sinnlichen Vergnügen zum anderen jagen, kannst lachen und scherzen, aber glücklich sein kannst du nicht. Hast du noch Dinge, die dir ein Bedürfnis sind, obschon du weißt, dass du dich damit gegen deinen Gott versündigst? O lass dich heilen durch das Blut Jesu Christi! Glaube an die Kraft dieses Blutes; auch dich reinigt es. (Markus Hauser)
Wenn wir die Aussperrung des Lichts als unseren Schutz für unentbehrlich halten, ist uns die Gemeinschaft unerreichbar. Sie gelingt uns nur dadurch, dass wir uns im Licht bewegen. Lüge und Schein bauen zwischen uns eine Zwischenwand auf und lassen uns nicht zu, dass wir wirklich zusammenkommen. Flüchte ich mich ins Dunkle, so trennt mich diese Flucht von den anderen. Diese Flucht ist aber aufgegeben und zu Ende, sowie wir vor Gott gestellt sind, weil Gott Licht ist und die, die vor ihm leben, ins Licht versetzt. Nun tritt, so wie wir die Heimlichkeiten der Lüge und des Scheins hinter uns haben, die Gemeinschaft mit Sicherheit ein. Wir sind nun füreinander da, sehen, was der andere bedarf, zeigen ihm auch, was wir selbst bedürfen, hören auf das, was der andere sagt, und reden, was für ihn heilsam ist, und reichen einander die Hand zum gemeinsamen Werk, indem sich Kraft mit Kraft und Besitz mit Besitz vereint. Das ist aber nicht möglich, solange unsere Sünden unvergeben auf uns liegen. Die unvergebene Sünde drängt uns in die Dunkelheit. Wir können uns nicht im Licht bewegen mit der Schmach unserer Sünden, sondern nur wenn wir von ihnen gereinigt sind. Diese Reinigung ist uns aber durch das Blut Jesu gegeben, mit dem uns Jesus Gottes Vergeben erworben hat. Die uns reinigende Wirkung seines Todes erfahren wir gerade dann, wenn wir in der Gemeinschaft leben. Menschen können nicht beisammen sein, ohne dass beständig ihre sündliche Art sichtbar wird, und das, was die Gemeinschaft von uns verlangt, macht sie uns oft in empfindlicher Weise spürbar. Darum gibt es keine Gemeinschaft zwischen uns, wenn wir nicht stetig im Verkehr mit allen an Gottes Vergeben glauben und es einander geben. Das können wir aber deshalb, weil das Blut Jesu unsere Schulden tilgt. Es reinigt den Bruder, der in Wort oder Tat fehl greift; es reinigt ebenso mich, dem dasselbe widerfährt. Darum ist das Kreuz Jesu der Ort, an dem wir den Wandel im Licht beginnen und zu der in Gott geeinten Menschheit verwachsen.
Mit freudiger Danksagung lege ich vor Dir, gnädigster Gott, alle Verhüllungen und unechte Färbung ab und empfange, was mir das Blut Deines geliebten Sohnes erworben hat, die Ehre dessen, dem Du vergeben hast, die Furchtlosigkeit dessen, der in Deinem Licht steht, die Offenheit für die anderen, für die Du mir gegeben hast, was ich von Dir empfing. Das sind die edlen Schätze, die Du Deiner Christenheit anvertraut hast. Mache uns zu ihren treuen Verwaltern. Amen. (Adolf Schlatter)
Und das ist die Freudigkeit, die wir haben zu Ihm, daß, so wir etwas bitten nach Seinem Willen, so höret er uns. 1 Joh. 5,14.
Wenn gesagt wird, daß wir Alles nach Gottes Willen bitten sollen, so sollen wir dieses für keine beschwerliche Einschränkung halten; denn nichts ist gut, als was Gott will, und Er will alles Gute. Der Beter hat also dennoch einen großen Raum vor sich, und ist mit seinem Bitten nicht eng eingespannt. Man sehe nur das Wort Gottes an, und bedenke, wie viel Gutes darin von den Menschen gefordert, und wie viel ihnen verheißen ist: was aber Gott fordert und verheißt, ist unfehlbar der Gegenstand Seines Willens. Ein Beter darf sich also so weit ausbreiten, als die Gebote und Verheißungen Gottes reichen, und dabei versichert sein, daß er nach Seinem Willen bitte. Wenn er bittet: HErr, erquicke mich nach Deinem Wort, stärke mich nach Deinem Wort, sei mir gnädig nach Deinem Wort, wie Ps. 119,25.28.58. gesagt wird, so verfehlt er des Willens Gottes nicht. Ja, wenn Christus in uns bleibt, und Seine Worte in uns bleiben, so ist ein Wille des Geistes in uns, welcher mit dem Willen Gottes übereinkommt, und deßwegen konnte der HErr Jesus Joh. 15,7. zu Seinen Jüngern sagen: so ihr in Mir bleibet, und Meine Worte in euch bleiben, werdet ihr bitten, was ihr wollet, und es wird euch widerfahren. Es gibt freilich Dinge, davon Gott Seinen Willen in Seinem Wort nicht geoffenbaret hat. Was ist nun hierin zu thun? Ich soll kein Rathgeber Gottes sein wollen, ich soll mit meinem schwachen und sehr eingeschränkten Verstand nicht entscheiden, was Gott thun werde oder solle; denn Salomo sagt, Pred. 3,11.: der Mensch kann doch nicht treffen das Werk, das Gott thut, weder Anfang noch Ende. Doch darf ich einen bescheidenen Versuch mit Bitten machen: gleichwie Moses um die Verlängerung seines Lebens, Jeremias um Abwendung der Zerstörung Jerusalems, und Salome für ihre zwei Söhne um das Sitzen zur Rechten und Linken des HErrn Jesu gebeten hat. Wenn uns nun der HErr antwortet wie dem Mose, zu dem Er sagte: sage Mir davon nicht mehr, oder wie dem Jeremia, zu welchem Er sprach: du sollst nicht mehr für dieses Volk beten, oder wie der Salome und ihren Söhnen, zu denen Er sagte: ihr wisset nicht, was ihr bittet: so sollen wir uns zur Ruhe geben, und glauben, daß dasjenige, was Gott thun wolle, besser sei als dasjenige, um was wir Ihn gebeten haben. Wie soll ich aber diese Antworten Gottes vernehmen? So daß ich wahrnehme, wie mich der Heilige Geist, der Beistand und Regierer aller Glaubigbetenden vom weitern Bitten zurückhalte, und mir keine Kraft gebe, darin fortzufahren, und endlich auch so, daß ich wahrnehme, wie der Erfolg anders ausgefallen sei, als ich gewünscht und gebeten habe. Hingegen hat Hanna die Mutter Samuels nach dem Willen Gottes gebeten, da sie um einen Sohn bat, und Hiskia, da er um die Verlängerung seines Lebens bat, ungeachtet weder jene noch dieser sich auf besondere und ausdrückliche Verheißungen Gottes berufen konnten. so sind viele, ja Alle erhöret worden, die den HErrn Jesum in den Tagen Seines Fleisches um eine leibliche Hülfe gebeten haben, weil Sein Name gelästert worden wäre, wenn Er Jemand hülflos von Sich gelassen hätte. Auch sagt Jakobus Kap. 5,16.17.18. mit großer Freimüthigkeit: des Gerechten Gebet vermag viel, wenn es ernstlich ist. Elias war ein Mensch wie wir, und er betete ein Gebet, daß es nicht regnen sollte: und es regnete nicht auf Erden drei Jahre und sechs Monden. Und er betete abermal, und der Himmel gab Regen, und die Erde brachte ihre Frucht. Weil uns Gott höret, so wir etwas nach Seinem Willen bitten, so dürfen wir eine Freudigkeit oder Freimüthigkeit gegen Ihn haben, und Ihn in der Hoffnung der Erhörung oft und um Vieles bitten. (Magnus Friedrich Roos)
1:8 So wir sagen, wir haben keine Sünde, so verführen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns.2)
1:9 So wir aber unsre Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, daß er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Untugend.3)
Johannes hat in seinem ersten Brief sehr ernstlich auf einen heiligen Wandel gedrungen und vor dem Sündigen gewarnt, und unter Anderem 1 Joh. 3,6.7.8.9. geschrieben: wer in Jesu Christo bleibet, der sündiget nicht; wer da sündiget, hat Ihn nicht gesehen noch erkannt. Kindlein, lasset euch Niemand verführen; wer recht thut, der ist gerecht, gleichwie Er gerecht ist. Wer Sünde thut, der ist vom Teufel, denn der Teufel sündiget von Anfang. Dazu ist erscheinen der Sohn Gottes, daß Er die Werke des Teufels zerstöre. Wer aus Gott geboren ist, der thut nicht Sünde, denn Sein Same bleibet bei ihm, und kann nicht sündigen, denn er ist aus Gott geboren. Hiemit beschreibt er einen befestigten Gnadenstand, wie er sich im Wandel zeigt, und ein andersmal faßt er Alles kurz zusammen, wenn er sagt, die Kinder Gottes sollen im Licht, in der Liebe und in der Wahrheit wandeln, gibt aber freilich auch Kap. 2,1. und 3,20. dieses als einen möglichen Fall an, daß ein Wiedergeborner sündige, und ihn alsdann sein Herz oder Gewissen verdamme. Dieser Fall ist eine leidige Ausnahme von der allgemeinen Regel, die Kap. 3,6-9. steht. Es mag aber nun diese leidige Ausnahme geschehen oder nicht. das ist, es mögen die Wiedergebornen von einem Fehler übereilt werden, und etwas, das durchaus bös ist, thun oder nicht, so sollen sie doch nie sagen: wir haben keine Sünde. Auch bei der Beweisung der größten Treue sollen sie solches nicht sagen, weil auch die böse Lust, welche sie in sich haben, ob sie gleich dieselbe nicht ausüben, Sünde ist, und weil auch die Mängel, welche ihren guten Werken ankleben, und die Unterlassung vieler befohlenen Werke Sünden sind. Kurz zu sagen, was weniger ist, als die im Gesetz befohlene Liebe Gottes von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüth und von allen Kräften, und die Liebe, womit man den Nächsten liebt, als sich selbst, ist Sünde. So wir also sagen, wir haben keine Sünde, so verführen wir uns selbst, durch eine eitle Einbildung, und die Wahrheit ist nicht in uns, sondern anstatt derselben ein lügenhafter Stolz; so wir aber unsere Sünden bekennen, so ist Gott treu und gerecht, daß Er uns die Sünden vergibt, und reiniget uns von aller Untugend. Johannes redet hier nicht von einem leichtsinnigen Menschen, sondern von einem Wiedergebornen, dessen Bekenntniß der Sünden mit Scham, Reue und Glauben verbunden ist. Gleichwie ein solcher durch sein Bekenntniß Gott seine Aufrichtigkeit zeigt, und über sich selbst ein gerechtes Urtheil spricht, also ist Gott gegen ihn treu, und erfüllt Seine Verheißungen, aber auch gerecht, indem Er ihm von Rechtswegen widerfahren läßt, was der Mittler, an den der Sünder glaubt, ihm erworben hat. Und was ist’s denn? Es ist die Vergebung der Sünden und die Reinigung von aller Untugend. Durch jene wird der Sünder von aller Schuld und Strafe losgesprochen, folglich gerechtfertigt, durch diese aber in der Heiligung weiter geführt, und von aller Untugend, die ihm eine Last ist, immer mehr frei gemacht. So wollen wir denn auch heute vor Gott bekennen, daß wir Sünder seien und Sünde haben, und dieses Bekenntniß täglich vor Gott wiederholen. Wir wollen auch bekennen, daß wir gesündigt haben, aber auch die Ermahnung Johannis 1 Joh. 2,1. zu Herzen nehmen, daß wir nicht sündigen sollen. Der HErr vergebe uns und reinige uns. (Magnus Friedrich Roos)
1:10 So wir sagen, wir haben nicht gesündigt, so machen wir ihn zum Lügner, und sein Wort ist nicht in uns.
Wir schau'n hinauf, der Vater herab,
An Lieb' und Treu geht uns nichts ab,
Bis wir zusammen kommen.
Mit diesen kurzen Worten schildert Luther gar trefflich das Leben in der Gemeinschaft mit Gott. Es ist ein sich stets wiederholendes Hinaufblicken des innern Menschen zu Gott in Liebe und Verlangen; ein Hinaufblicken, dem Seine Antwort von oben gewiß ist, eine Antwort voll Gnade und Erbarmen, aus dem Herzen der ewigen Liebe und Treue. Indeß kann nur zwischen Gleichartigen eine wahrhafte und innere Verbindung, eine Lebensgemeinschaft gestiftet werden und Bestand haben; Gottes Wesen muß erst unser Wesen geworden sein, sein Licht, d.i. seine Reinheit, unser Sein und Wandeln im Lichte erzeugen und nähren; nur die reines Herzens sind, können Gott schauen. Von Natur ist leider in uns nichts als Finsterniß, und lieben wir die Finsterniß und hassen das Licht. Um zum Wandel im Lichte zu gelangen, müssen daher die Bande der Finsterniß gelöst und die Ketten gesprengt werden, in welchen wir gefangen liegen. Dies geschieht dadurch, daß wir die Finsterniß in uns erkennen und bekennen; denn dann vergiebt uns Gott unsere Sünde und reinigt uns von unserer Untugend; der Gott, der das Licht ist, ist zugleich die Liebe und hat seine Gnade in Christo der Welt erscheinen lassen. Selige Erfahrung, wenn das gläubige Geistesauge eindringt in das Innerste des Herzens Gottes und sieht, was sich darin reget und beweget von Liebe und Erbarmen, und aus der Fülle dieses Lichts Kräfte eines neuen heiligen Lebens in das entsündigte Gemüth einströmen! Seliger Zustand, wenn die Sünde uns eine Last, ein Kummer, eine Demüthigung ist und das Leben in Gott allein unsere Lust, unser innigster Wunsch, unser tägliches Gebet und unser Wachsthum am inneren Menschen! Amen! (Johann Friedrich Wilhelm Arndt)
Dein Schreiben enthält Fragen, mit denen du mich wohl hättest verschonen können. Ich werde dir aber doch in Kürze antworten, so gut ich es kann.
Zuerst fragst du, ob wohl ein Sünder von deiner Art vom Herrn auch angenommen werde und Vergebung erlangen könne. Dabei bekanntest du einige Soldaten-Sünden. Ich dachte, du solltest daran keinen Zweifel haben und längst wissen, daß Gott reumütige Sünder annimmt, und daß er ihnen um Christi willen alle Sünden ohne Ausnahme, seien sie groß oder klein, seien es deren viele oder wenige, vergibt. Alle Sünden, welche erkennt, bekannt, bereut und gehaßt werden, vergibt Gott freilich, wenn man sie anders zu lassen von Herzen entschlossen ist. Wollte man aber nur darum Vergebung haben, um von der Unruhe des Herzens los zu sein, und nicht in erster Linie deshalb, daß man von der Sünde auch frei und los wird, so hat die Reue und Buße nicht die rechte Art. Es muß den treuen Seelen nicht nur um Vergebung, sondern hauptsächlich um Reinigung von Sünden zu tun sein. Wer aber Freiheit von der Herrschaft der Sünde sucht, der erstattet auch, soviel als möglich, das veruntreute Gut wie ein Zachäus, damit kein Bann auf ihm bleibe. Und wenn Gott dir vergeben soll, so mußt du auch deinem Nebenmenschen, der an dir gesündigt hat, vergeben, er sei, wer er wolle. Ferner mußt du auch den festen Vorsatz fassen, mit Wissen und Willen nie mehr zu sündigen. Auf ernste Reue wird dir Gott vergeben; doch mußt du dich auch zur Ausführung seiner Gnadengerichte an dir verstehen. Denn „Zion wird durch Recht erlöset werden, und ihre Wiederkehrenden durch Gerechtigkeit“ (Jes. 1,27). Die Reinigungsarten, die Gott für dich anwendet, mußt du dir gefallen lassen.
Weiter fragst du: „Kann ein solcher Sünder, wie ich einer bin, auch zur Gemeinschaft mit Gott und zu gewisser Versicherung der Vergebung seiner Sünden gelangen?“ Antwort: Ja, das kann wohl sein. Doch sollst du dies noch besser verstehen lernen. Merke doch, was in 1. Joh. 1 geschrieben steht, so hast du auf deine Fragen eine recht deutliche Antwort! Denn so wir im Lichte wandeln, wie unser Heiland nun als Gott-Mensch im Lichte ist, so haben wir Gemeinschaft untereinander, und das Blut Jesu Christi macht uns rein von aller Sünde. Wer wandelt aber im Licht? Nicht wahr der, welcher im Licht die Finsternis erkennt, sie flieht und haßt, sie auch ohne Falsch bekennt und gerne von ihr frei wäre? Ein solcher hat an Jesu Christo, dem einzig Gerechten, einen Fürsprecher und Versöhner; das sagt dir der Apostel Johannes im 2. Kapitel. Daher soll keiner, der von seinen Sünden frei und los sein will, an der Vergebung zweifeln, auch wenn er von ihnen angefochten ist. Wenn aber eine Seele, die boshafter, doppelherziger, falscher Art ist, gerne Vergebung hätte, und doch so manches vom Alten beibehalten und gleichsam verbergen möchte, so wandelt sie nicht im Licht und kann keine Gemeinschaft mit Gott haben. In ihm ist keine Finsternis, und es soll sich keiner einbilden, daß er mit einer einzigen Sünden- oder Finsternisliebe in Gottes Lichtsgemeinschaft bestehen könne. Wer aber das, was Gott haßt, auch haßt, ist ja einig mit Gott und will, was Gott will. Ob ein solcher schon noch Sünde fühlt, kann er doch in Gottes Gemeinschaft bestehen, kann Vergebung erlangen und glauben. Eine solche lichtliebende Seele wird der heilige Geist von der Vergebung der Sünden versichern. Wo er dies aber nicht tut, da muß heimliche Tücke vorhanden sein, und darum ist es notwendig, daß der, welcher an der Vergebung zweifelt, nach der Ursache seines Unglaubens forscht.
Durch das, was ich dir bisher geschrieben habe, solltest du vorbereitet sein, zu verstehen, was ich dir auf deine dritte Frage antworten möchte; sie lautet: „Wenn denn nun ein neuer Krieg ausbrechen und ich wieder zum Militär einberufen werden sollte, wie werde ich unter der schrecklichen Lebensart der Soldaten durchkommen können?“ Antwort: Du wirst durchkommen gerade so, wie du willst. Wirst du in der Lichtsgemeinschaft Gottes bleiben wollen, so wird dich die Finsternis immer mehr in dieselbe hineintreiben; du wirst immer mehr Lichtslust verspüren und Lichtskraft anziehen und somit im Lichte gegründeter werden. Wirst du aber ein Behagen an den sündlichen Fleischeswerken der Kriegsleute haben und denselben nicht alsbald entweichen, so wirst du wollen, was das Fleisch will, und wirst so nach und nach in die Gemeinschaft der Sünder treten. Es kommt darauf an, ob dir die Bitterkeit der Sünde einen so tiefen Eindruck gemacht hat, daß du dich entschlossen hast, all die Tage deines Lebens dich vor solcher Betrübnis deiner Seele zu hüten, und ob die Liebe zum Licht einen bleibenden Sitz in dir gewonnen hat. Kurz, es kommt auf deinen Willen an.
Wenn du unter den Kindern der Welt und den Sündern eine Angst fühlst, so ist dies ein gutes Zeichen; durch sie kannst du verwahrt bleiben. Bitte nur, daß dich diese Begleiterin nicht verlasse! denn wenn sie von dir weichen würde, so könntest du verloren sein. Sollte der edle Geist in dir sich mit den Sündern gemein machen? Das ist unmöglich. Ist demnach reine Lichtsliebe herrschend in dir, so wird sie dich befähigen, gegen die Anläufe der Finsternis zu bestehen. Ist aber nur anfänglicher Lichtslust in dir, so wird diese nach Freiheit suchen und ringen. Wenn ein höherer Sinn für Licht und Wahrheit in dir ist, wie sollte dir dann an dem, was die Weltkinder üben und lieben, nicht ekeln! Es wird sich also bald zeigen, ob ein wahres Werk Gottes in dir ist, oder nicht. Zweifle keineswegs daran, daß Gott das, was er angefangen hat, auch hinausführen und vollenden werde! Trachte nur darnach, dich von aller Befleckung des Fleisches und des Geistes reinigen zu lassen, und siehe, wie du die in dir angefangene Heiligung in der Furcht Gottes vollenden mögest! (Johann Michael Hahn)