Johannes, Kapitel 4
4:1 Da nun der HERR inneward, daß vor die Pharisäer gekommen war, wie Jesus mehr Jünger machte und taufte denn Johannes
4:2 (wiewohl Jesus selber nicht taufte, sondern seine Jünger),
4:3 verließ er das Land Judäa und zog wieder nach Galiläa.
4:4 Er mußte aber durch Samaria reisen.
4:5 Da kam er in eine Stadt Samarias, die heißt Sichar, nahe bei dem Feld, das Jakob seinem Sohn Joseph gab.
4:6 Es war aber daselbst Jakobs Brunnen. Da nun Jesus müde war von der Reise, setzte er sich also auf den Brunnen; und es war um die sechste Stunde.
Der HErr Jesus hat in den Tagen Seiner Erniedrigung alle Schwachheiten der menschlichen Natur, die nicht sündlich waren, gefühlt, und ist also auch hungrig und durstig worden, hat Traurigkeit und schmerzen empfunden, und ist auch müde worden. Da Er nach Ostern, folglich zur heißen Jahreszeit, über Berge und Thäler zu Fuß bei einer geringen Kost aus Judäa, wo Ihn die Pharisäer beneideten, nach Galiläa reiste, und unterwegs auf dem Feld bei einem samaritischen Städtlein einen Schöpfbrunnen antraf, der eine hölzerne oder steinerne Einfassung hatte, war Er müde von der Reise, und setzte Sich also auf den Brunnen, nämlich auf die Einfassung desselben. Er setzte Sich so hin, wie müde Leute zu thun pflegen, die bei dem Sitzen sich an etwas lehnen, oder den Leib wenigstens ein wenig krümmen. Er schämte Sich nicht, Seine Müdigkeit auch durch die Richtung Seines Leibes bei dem Sitzen zu offenbaren. Seine Seele ruhete dabei in dem Wohlgefallen Seines Vaters, und Er dachte vielleicht an kein Werk, das Er hier ausrichten werde; unversehens aber kam ein samaritisches Weib daher, da Er dann schnell die Gelegenheit benützte, sie und durch sie viele Leute von Sichar zu gewinnen, wie Joh. 4. erzählt wird.
Lasset uns hiebei bedenken, wie Jesus in dem bergigten und heißen Land Israel oft bis zur Ermüdung gereiset sei. Da wo Abraham, Isaak und Jakob ihre Heerden geweidet hatte, in dem Land, das Moses von dem Berg Nebo mit heiligen Betrachtungen beschauet hat, und in den Gegenden, wo Samuel, David und alle Propheten gewohnt und gewandelt hatten, reisete nun der Sohn umher. Dieses Land wurde nun gewürdigt, von den heiligen Füßen des Sohnes Gottes betreten zu werden. Er hätte Sich irgendwo, und zwar in einer angenehmen Gegend eine Wohnung ausersehen, und da mit Gemächlichkeit warten können, bis die Leute zu Ihm kommen, etwas von Ihm begehren und Ihn hören würden. Er hätte durch Seine Jünger, oder auch durch Seine Engel, die Leute aus der Nähe und Ferne zusammen rufen und treiben können. Allein diese Weise zu handeln, wäre für den Stand Seiner Erniedrigung zu vornehm gewesen. Auch wären manche kranke, blöde, arme Personen, die doch von Gott erwählt waren, von Ihm entfernt geblieben. Er reisete also selber von einem Ort zum andern, um die Menschen aufzusuchen. Er that weite Reisen. Er ermüdete Sich dabei, Er schonte Seines Leibes nicht. Er setzte ihn der Sonnenhitze aus, Er wurde unterwegs hungrig und durstig, und hatte nicht immer eine gute Herberge. Wenn Er aber irgendwo nach dem Willen Seines Vaters eine Seele gewinnen konnte, so war dieses Seine Speise, Sein Labsal, Seine Erquickung. Nun sitzt Er freilich zur Rechten des Vaters auf dem Thron der göttlichen Majestät, und wird nimmer müde: aber das Herz, welches Er als ein müder Wandersmann bei dem Brunnen zu Sichar gehabt hat, hat Er noch; Er hat noch die Menschen lieb, sucht das Verlorne, bestraft heilsamlich, gibt und vergibt gerne, und hilft den Elenden herrlich. Wer sollte sich nicht gern mit Ihm einlassen?(Magnus Friedrich Roos)
4:7 Da kommt ein Weib aus Samaria, Wasser zu schöpfen. Jesus spricht zu ihr: Gib mir zu trinken!
4:8 (Denn seine Jünger waren in die Stadt gegangen, daß sie Speise kauften.)
4:9 Spricht nun das samaritische Weib zu ihm: Wie bittest du von mir zu trinken, so du ein Jude bist, und ich ein samaritisch Weib? (Denn die Juden haben keine Gemeinschaft mit den Samaritern.)
Falsche Voraussetzungen! Ja, wenn er bloß ein Jude gewesen wäre und sie bloß ein samaritisch Weib - dann wäre seine Bitte unverständlich gewesen und nach damaligem Gefühl unschicklich. Aber er ist Sünderheiland und sie ist Sünderin; der gute Hirte begeht doch keine Unschicklichkeit und verletzt doch nicht den guten Ton, wenn er das verirrte und verlorene Schaf anruft. Es war der erste feine Faden, den Jesus nach ihr herüber wirft. Andere Beziehungen zu Männern hat sie genug gehabt; jetzt sucht jemand ihre verlorene Seele im Staube. Besinne dich darauf, wo Jesus ähnlich gesagt hat: Gib mir zu trinken! Gib mir diesen Eigensinn, dieses Vergnügen, diese Zeit, diese Sünde - du wirst es los, und ich gewinne dadurch dein Herz für immer. Ihn dürstet nach der Labung, daß er uns an sich ziehen, lieben, heilen und segnen kann. Dort war es ein irdisches naheliegendes Bedürfnis - gib mir zu trinken! - heute knüpft Jesus bei uns an Berufs- oder Zeitfragen, Nöte des Leibes oder Familienbeziehungen an; ihm ist alles recht, woran seine suchende Liebe anknüpfen kann.
Nun, dann komm noch einmal, Herr Jesus, und stelle deinen Anspruch an mich auf ! Was willst du, daß ich dir tun oder um deinetwillen lassen soll? Zeige mir den Krug, aus dem du trinken willst. Ich möchte dir gern, ganz und für immer zu Willen sein. Amen. (Samuel Keller)
4:10 Jesus antwortete und sprach zu ihr: Wenn du erkenntest die Gabe Gottes und wer der ist, der zu dir sagt: „Gib mir zu trinken!“, du bätest ihn, und er gäbe dir lebendiges Wasser.
Ach, was sind uns doch so oft die Augen so gehalten, daß wir den Tag und seine Gelegenheit nicht richtig erkennen! War es Nachwirkung einer Schuld oder natürliche Stumpfheit - aber wir waren nicht am Ausfallstor unseres Interesses, als Jesus oder seine Gabe oder seine Aufgabe und die betreffende Gelegenheit vorüberzog. Bisweilen saß er sogar auf dem Brunnenrand, wie in unserem Text, und wartete auf uns, daß wir ihm zu trinken geben sollten, d. h. in einem dieser Geringsten unter seinen Brüdern. Nie grolle ich mehr mit mir, als wenn ich zu spät erkannte: Das war eine Gelegenheit vom Herrn, und du hast sie verträumt! Wenn wir sie aber zur rechten Zeit erkannt haben, dann müssen wir auch im selben Augenblick zugreifen; so kommt sie nicht wieder. Ein Spaziergang mit einem angefochtenen Menschenkind, ein Briefwechsel, eine Aussprache, eine erwiesene Gefälligkeit - worin kann Jesus nicht gerade seine Hand nach einem Herzen ausstrecken, an das er nur durch uns, nur jetzt und nur durch unsere selbstverleugnende Liebe herankommen kann! Solche Vollmacht, solche Ehrung, solches Vertrauen von oben - soll es uns bereit finden zum Nehmen, Geben, Heilen, Segnen und Helfen?
Vergib, Herr, alle versäumten Gelegenheiten. Gib uns zum Unterpfand der Vergebung neue Winke und neue Gaben, daß wir's besser machen können, und segne uns, wenn wir mit den anderen Seelen reden von dir. Amen. (Samuel Keller)
4:11 Spricht zu ihm das Weib: HERR, hast du doch nichts, womit du schöpfest, und der Brunnen ist tief; woher hast du denn lebendiges Wasser?
4:12 Bist du mehr denn unser Vater Jakob, der uns diesen Brunnen gegeben hat? Und er hat daraus getrunken und seine Kinder und sein Vieh.
4:13 Jesus antwortete und sprach zu ihr: Wer von diesem Wasser trinkt, den wir wieder dürsten;
4:14 wer aber von dem Wasser trinken wird, das ich ihm gebe, den wird ewiglich nicht dürsten; sondern das Wasser, das ich ihm geben werde, das wird in ihm ein Brunnen des Wassers werden, das in das ewige Leben quillt.
Christus gibt uns mit seinem Euangelio den heiligen Geist / Wie er Joh. vii. sich selbs deutet / da er spricht / Wen da dürstet / der kome zu Mir/ und trincke/ Wer an Mich gleubet etc. Das saget er von dem Geist etc.
Da trincken wir so viel / und werden so satt und erquicket zum ewigen Leben/ das aus unserm Leibe fliessen ströme des lebendigen Wassers / das ist / Das wir andern leiblich und mündlich / auch können solche Gnade / durch die predigt des Euangelii ausgiessen / Gal. iii. ii. Cor. iii. (Johannes Bugenhagen)
Wer an den Herrn Jesus gläubig geworden ist, findet in Ihm alle Genüge für die Gegenwart und Freude die Fülle für alle Ewigkeit. Der Gläubige ist nicht ein Mensch, dessen Tage trübselig sind, weil‘s ihm an Trost mangelt, und dessen Nächte kein Ende nehmen, weil ihnen jeder herzerquickende Gedanke fehlt; denn er findet in seinem Heiland einen solchen Born der Freude, einen solchen Quell des Trostes, dass er stets zufrieden und glücklich ist. Stellt ihr ihn mitten in den verachteten Kehrichthaufen, so trifft er daselbst einen edlen Genossen; treibt ihr ihn hinaus in die öde Wüste, so ißt er himmlisches Manna; vertreibt ihr ihn von seiner Freundschaft und aus seinem Hause, so findet er dennoch „einen treuen Freund, der mehr liebt und fester beistehet, denn ein Bruder.“ Lasset alle seine Kürbisse verwelken, so gewährt ihm der Fels der Zeiten schützenden Schatten; untergrabt den Grund aller seiner irdischen Hoffnungen, dennoch bleibt sein Herz unerschüttert, im Vertrauen auf den Herrn. Das Herz ist ein unersättliches Grab, bis der Herr Jesus darin einzieht, und dann wird es zu einem überströmenden Becher. Es ist eine solche Fülle in Christo, dass Er allein des Gläubigen Ein und Alles ist. Der wahrhaft heilig Gesinnte ist so völlig befriedigt von der Allgenugsamkeit Jesu, dass er nimmermehr dürstet, es sei denn allein nach tiefern Zügen aus dem lebendigen Brunnen. Auf solche liebliche Art, teure Seele, sollst du dürsten; es soll kein Durst der Ermattung sein, sondern ein Durst der Liebes-Sehnsucht; es wird dir als etwas Köstliches erscheinen, zu seufzen nach einem volleren Genuss der Liebe zu Jesu. Es hat einmal einer gesagt: „Ich habe oft und viel meinen Eimer im Brunnen gefüllt, nun aber ist mein Durst nach Jesu so unersättlich geworden, dass ich den Brunnen selber an meine Lippen setzen, und nach Herzenslust ohne Aufhören trinken möchte.“ Ist dies jetzt deines Herzens Empfindung, mein lieber gläubiger Christ? Fühlst du, dass all dein Sehnen gestillt wird in Jesu, und dass du jetzt kein andres Verlangen hast, als mehr von Ihm zu erfahren, und innigere Gemeinschaft mit Ihm zu pflegen? Dann komm unaufhörlich zu diesem Brunnen und nimm das Wasser des Lebens umsonst. Jesus wird nie denken, du nehmest zu viel, sondern Er wird dich jederzeit willkommen heißen und sagen: „Trinke, ja, trinke nur immer zu, mein Geliebter und mein Freund.“ (Charles Haddon Spurgeon)
4:15 Spricht das Weib zu ihm: HERR, gib mir dieses Wasser, auf daß mich nicht dürste und ich nicht herkommen müsse, zu schöpfen!
4:16 Jesus spricht zu ihr: Gehe hin, rufe deinen Mann und komm her!
4:17 Das Weib antwortete und sprach zu ihm: Ich habe keinen Mann. Jesus spricht zu ihr: Du hast recht gesagt: Ich habe keinen Mann.
4:18 Fünf Männer hast du gehabt, und den du nun hast, der ist nicht dein Mann; da hast du recht gesagt.
4:19 Das Weib spricht zu ihm: HERR, ich sehe, daß du ein Prophet bist.
4:20 Unsere Väter haben auf diesem Berge angebetet, und ihr sagt, zu Jerusalem sei die Stätte, da man anbeten solle.
4:21 Jesus spricht zu ihr: Weib, glaube mir, es kommt die Zeit, daß ihr weder auf diesem Berge noch zu Jerusalem werdet den Vater anbeten.
4:22 Ihr wisset nicht, was ihr anbetet; wir wissen aber, was wir anbeten, denn das Heil kommt von den Juden.
4:23 Aber es kommt die Zeit und ist schon jetzt, daß die wahrhaftigen Anbeter werden den Vater anbeten im Geist und in der Wahrheit; denn der Vater will haben, die ihn also anbeten.
4:24 Gott ist Geist, und die ihn anbeten, die müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten.1)
4:25 Spricht das Weib zu ihm: Ich weiß, daß der Messias kommt, der da Christus heißt. Wenn derselbe kommen wird, so wird er's uns alles verkündigen.
4:26 Jesus spricht zu ihr: Ich bin's, der mit dir redet.2)
4:27 Und über dem kamen seine Jünger, und es nahm sie wunder, daß er mit dem Weib redete. Doch sprach niemand: Was fragst du? oder: Was redest du mit ihr?
4:28 Da ließ das Weib ihren Krug stehen und ging hin in die Stadt und spricht zu den Leuten:
4:29 Kommt, seht einen Menschen, der mir gesagt hat alles, was ich getan habe, ob er nicht Christus sei!
4:30 Da gingen sie aus der Stadt und kamen zu ihm.
4:31 Indes aber ermahnten ihn die Jünger und sprachen: Rabbi, iß!
4:32 Er aber sprach zu ihnen: Ich habe eine Speise zu essen, von der ihr nicht wisset.
4:33 Da sprachen die Jünger untereinander: Hat ihm jemand zu essen gebracht?
4:34 Jesus spricht zu ihnen: Meine Speise ist die, daß ich tue den Willen des, der mich gesandt hat, und vollende sein Werk.3)
Was Jesus der samaritischen Frau getan hat, hieß jeder Zuschauer bedeutungslos. Was ändert ein Gespräch mit einer Frau aus der untersten Schicht des kleinen und verachteten samaritischen Völkleins am Lauf der Weltgeschichte? Auch die Jünger begriffen nicht, dass er sich mit ihr einlassen mochte. Jesus nannte dagegen das, was geschehen war, seine Speise. Daraus strömt ihm Kraft zu, die die Müdigkeit von ihm nimmt und ihn inwendig stärkt. Denn er hat jetzt den Willen des Vaters getan, und das ist sein Lebensmittel, die unentbehrliche Bedingung und wirksame Gewährung des Lebens. Gottes Wille war es, dass die dürstende Frau das belebende Wasser empfange, und Gottes Wille war es, dass der boshafte Zank zwischen den Juden und den Samaritern, aus dem in nie endender Flut immer neue Versündigung entstand, ein Ende finde und die neue Gemeinde entstehe, die in der Anbetung Gottes im Geist und in der Wahrheit geeinigt ist. Jesus sprach aber nicht nur vom Willen, sondern auch vom Werk Gottes. Der Vater gibt ihm nicht nur das Gebot, das der Sohn durch seinen Gehorsam zum eigenen Willen macht, sondern er ist der für Jesus Wirkende, wodurch es zum Beruf Jesu wird, das Werk des Vaters fertig zu machen und zum Ziel zu bringen. Gottes Wirken bereitet ihm den Raum, in den er sein eigenes Werk hineinstellt, und darum, weil er es auf das Werk des Vaters aufbaut, hat es Kraft und trägt es Frucht. Um in der samaritischen Frau Gottes Werk wahrzunehmen, war freilich der Blick Jesu nötig. Er aber sah die Hand des Vaters nicht nur darin, dass sie gerade jetzt zum Brunnen Jakobs kam, sondern darin, dass sie auf sein Wort aufmerkte, ihm standhielt und sich von Jesus dahin leiten ließ, dass er ihr seine königliche Salbung sagen konnte. Sie war eine zertretene Frau mit ihrer wilden Geschichte. Damit war aber für den Blick Jesu nicht verhüllt, was ihr der Vater gegeben hat, und dass er nun das, was der Vater vorbereitet und begonnen hatte, vollenden konnte, das hieß Jesus die Quelle seiner Kraft.
Ich bedarf der natürlichen Nahrung, Herr, Gott, nach Deiner Schöpferordnung; aber ich lebe nicht vom Brot allein, sondern durch Dein Wort und dieses wird meine Nahrung, wenn es mir Deinen Willen zeigt und ich ihn zu tun vermag. Dieses wahrhafte Brot, das mir das wahrhafte Leben gibt, suche ich bittend bei Dir. Amen.(Adolf Schlatter)
4:35 Saget ihr nicht: Es sind noch vier Monate, so kommt die Ernte? Siehe, ich sage euch: Hebet eure Augen auf und sehet in das Feld; denn es ist schon weiß zur Ernte.
Jesus sah vor sich schon ein zur Ernte reifes Feld. Davon sahen aber die Jünger nichts. Für ihren Blick sah nicht nur die weite Ebene, auf die man vom Jakobsbrunnen sieht, noch winterlich aus, sondern nach ihrer Meinung gab es auch in den Dörfern ringsum für Jesus nichts zu tun. Wie konnte er auch nur an eine Ernte auf dem samaritischen Boden denken? Er kannte ja den Hass der Samariter gegen die Juden und wusste, wie versteckt sie an ihrer sektenhaften Absonderung von Jerusalem festhielten. Selbst wenn die Samariter geneigt würden, auf Jesus zu hören, konnte er nach der Meinung der Jünger in keine Gemeinschaft mit ihnen treten. Denn er war in Kraft seiner Sendung der König Israels; folglich gab es in Samaria keine Ernte für ihn. Öffnet eure Augen und schaut hin, sagt ihnen Jesus; jetzt habt ihr die Arbeit der Schnitter zu tun und dies da, wo ihr meintet, dass keine Ernte wachsen könne. Was damals am Jakobsbrunnen geschah, war nicht nur für Jesus die Speise, die ihn erquickte, und nicht nur für die Samariter der Aufgang eines neuen Tages, sondern auch für die Jünger Jesu ein neuer Anfang, der ihrem Leben mit starkem Stoß eine neue Richtung gab. Die Überraschung, die ihnen dort zuteil wurde, zerbrach ihr angebliches Wissen und erzog sie zum Sehen, das auf Gottes Werk achten lernt. Wie heilsam sind auch uns diese Überraschungen! Sie können uns betrüben, wenn sich Felder als leer erweisen, von denen wir meinten, sie seien zur Ernte reif; sie können aber auch erfreuen und stärken, wenn sich auch da, wo wir meinten, es sei nichts zu hoffen, Gottes Werk zeigt, das den Menschen für sein Wort bereitet, und heilsam sind sie immer, weil sie uns verwehren, mit fertigen Urteilen mit den Menschen zu verkehren, als wüssten wir, was in ihnen verborgen ist. Ob es Erntezeit ist oder nicht, ob hier Ähren reifen oder Dornen wuchern, das weiß nur der, der die Herzen kennt. Darum besteht unser Dienst darin, dass wir seiner Leitung folgen und dann die Erntearbeit tun, wenn er die Ernte reifen lässt.
Unsere Gedanken möchten, Herr Gott, in ungeduldiger Eile erraten, was Du tun wirst. Du heißt uns aber warten, bis Dein Werk sichtbar wird. Gib mir das geöffnete Auge, dass ich nicht bei mir selbst weise bin, sondern dein Wort sehe und mich brauchen lasse, wann und wie Du mich brauchen willst. Amen. (Adolf Schlatter)
4:36 Und wer da schneidet, der empfängt Lohn und sammelt Frucht zum ewigen Leben, auf daß sich miteinander freuen, der da sät und der da schneidet.
4:37 Denn hier ist der Spruch wahr: Dieser sät, der andere schneidet.
4:38 Ich habe euch gesandt, zu schneiden, was ihr nicht gearbeitet habt; andere haben gearbeitet und ihr seid in ihre Arbeit gekommen.
4:39 Es glaubten aber an ihn viele der Samariter aus der Stadt um des Weibes Rede willen, welches da zeugte: Er hat mir gesagt alles, was ich getan habe.
4:40 Als nun die Samariter zu ihm kamen, baten sie ihn, daß er bei ihnen bliebe; und er blieb zwei Tage da.
4:41 Und viel mehr glaubten um seines Wortes willen
4:42 und sprachen zum Weibe: Wir glauben nun hinfort nicht um deiner Rede willen; wir haben selber gehört und erkannt, daß dieser ist wahrlich Christus, der Welt Heiland.
Herr Gott, Du bist ein Geist, und die Dich anbeten, sollen Dich im Geist und in der Wahrheit anbeten. Gieb denn, daß ich auch ein wahrhaftiger Anbeter Deiner Gnade und Herrlichkeit sei, und Dich nicht blos mit den Lippen, sondern auch im Geiste, nicht mit todten, äußeren Gewohnheiten, am wenigsten auf heuchlerische Weise, sondern allezeit in der Wahrheit anbete. Ach, ich kann Dich ja doch nicht täuschen, weil Du der Herzenskündiger bist, der Herzen und Nieren prüft und vor dem unser Inneres offen da liegt wie ein aufgeschlagenes Buch. Menschen sehen, was vor Augen ist, Du aber siehest das Herz an. Du hast ja, Herr Jesu, der Samariterin Alles gesagt, was sie gethan hatte; denn Du weißt, was in dem Menschen ist und bedarfst nicht, daß Jemand Dir Zeugniß giebt von irgend einem Menschen. O sage es auch mir, damit ich mich selbst nicht täusche, mich für einen Christen halte und doch nicht vor Dir als solcher erfunden werde. Erforsche mich und prüfe mich und erfahre, wie ichs meine, und siehe, ob ich auf falschem Wege bin, und leite mich auf ewigem Wege. Du hast Dich der Samariterin so gnädig angenommen und sie nicht verderben lassen, sondern sie auf dem Wege der Buße zum Glauben an Dich, den wahren Messias und großen Propheten, den Heiland der Welt und den Sohn Gottes geführt: nimm Dich denn auch meiner an; bin ich es auch nicht würdig, ich bin’s doch bedürftig; ich kann ohne Dich nicht leben und nicht sterben, nicht von der Sünde frei und im Guten stark werden. Gieb insbesondere, daß ich die Gabe Gottes erkenne und wer der ist, der in seinem Worte mit mir redet und mir lebendiges Wasser geben will: Du bist es ja, o Herr, so bitte ich Dich denn, gieb mir lebendiges Wasser, welches mir ein Brunnen des Wassers wird, das in das ewige Leben quillt, auf daß mich nimmermehr dürste. Erquicke mich auch jetzt mit Deinem Frieden, und laß mich unter dem Schatten Deiner Flügel sicher wohnen, sicher schlafen und sicher leben. Amen. (Johann Friedrich Wilhelm Arndt)
4:43 Aber nach zwei Tagen zog er aus von dannen und zog nach Galiläa.
4:44 Denn er selber, Jesus, zeugte, daß ein Prophet daheim nichts gilt.
4:45 Da er nun nach Galiläa kam, nahmen ihn die Galiläer auf, die gesehen hatten alles, was er zu Jerusalem auf dem Fest getan hatte; denn sie waren auch zum Fest gekommen.
4:46 Und Jesus kam abermals gen Kana in Galiläa, da er das Wasser hatte zu Wein gemacht.
4:47 Und es war ein Königischer, des Sohn lag krank zu Kapernaum. Dieser hörte, daß Jesus kam aus Judäa nach Galiläa, und ging hin zu ihm und bat ihn, daß er hinabkäme und hülfe seinem Sohn; denn er war todkrank.
4:48 Und Jesus sprach zu ihm: Wenn ihr nicht Zeichen und Wunder seht, so glaubet ihr nicht.4)
Wundersucht war ein Zeichen des krankhaften Zustandes der menschlichen Gemüter in den Tagen unsers Herrn und Heilandes; die Menschen verschmähten gesunde Speise und waren nur auf Wunder erpicht. Nach dem Evangelium, das sie doch so sehr nötig hatten, trugen sie kein Verlangen; sie verlangten dringend nach Wundern, welche der Herr Jesus nicht immer für gut fand zu verrichten. Viele Menschen in unsern Tagen müssen auch immer Zeichen und Wunder sehen, sonst wollen sie nicht glauben. Etliche haben in ihrem Herzen gesagt: „Ich muss einen tiefen Abscheu vor mir selber empfinden, sonst kann ich nicht an den Herrn Jesum glauben.“ Aber was tut‘s, ob ihr ein solches Gefühl nie erlebt, wie es auch schwerlich geschehen wird? Wollt ihr deshalb Gott zum Trotz in die Hölle fahren, weil Er euch anders behandelt als andre? Es hat einer bei sich selbst gedacht: „Ja, wenn ich einen Traum hätte, oder wenn ich plötzlich einen unerwarteten und außerordentlichen Antrieb in mir fühlte, dann wollte ich glauben.“ So, wähnt ihr unwürdigen Sterblichen, ließe sich mein Herr von euch befehlen? Ihr seid Bettler vor seiner Tür und fleht um Gnade, und ihr habt noch nötig, Vorschriften und Befehle zu erteilen, in welcher Weise Er euch solcher Gnade teilhaftig machen soll? Meinet ihr, Er werde euch hierin zu Willen sein? Mein Meister hat ein freigebiges Gemüt, aber Er hat einen erhabenen, königlichen Geist, Er duldet keine Vorschrift und tut unumschränkt, wie es Ihm wohlgefällt. Siehe, teure Seele, kommt so etwas auch bei dir vor, bist du auch erpicht auf Wunder und Zeichen? Ist denn nicht ein Wunder über alle Wunder: „Also hat Gott die Welt geliebt, dass Er seinen eingebornen Sohn gab, auf dass alle, die an Ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben?“ Gewiss sind das köstliche Worte: „Wen dürstet, der komme, und wer da will, der nehme das Wasser des Lebens umsonst;“ und die feierliche Verheißung: „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen,“ ist weit besser als alle Zeichen und Wunder! Einem wahrhaftigen Heiland sollte man doch glauben. Er ist die Wahrheit selber. Was verlangt ihr denn noch Beweise von der Untrüglichkeit des Wahrhaftigen, der nicht lügen kann? (Charles Haddon Spurgeon)
Die heilende Macht Jesu zog zwar die Galiläer zu ihm, brachte sie aber doch nicht so zu ihm, dass sie mit ihm verbunden blieben. Dass sie bei Jesus Zeichen und Wunder sahen, das lockte sie herbei, nicht nur wegen der greifbaren Vorteile, die ihnen die Heilungen Jesu gewährten, sondern auch wegen der inneren Stärkung, die sie dadurch erlebten. Gottes Hilfe sichtbar empfangen, Gottes Gnade mit Händen greifen, Gottes Wort in seiner Allmacht augenscheinlich erleben, stärkt das nicht ihre Frömmigkeit? Wurde das nicht für sie zum Glaubensgrund? Ja, sagte Jesus, und darum hat er das Wunder nicht verweigert, wenn der Glaube es von ihm erbat. Aber ohne das Zeichen konnten sie nicht glauben und das war das, was sie von Jesus trennte. Denn es ist nicht sein Beruf, an die Stelle der Natur in beständig fortgehender Reihe Wunder neben Wunder zu setzen. Er holt den Menschen nicht aus seinen natürlichen Verhältnissen heraus und zerschneidet die von Natur auch unter ihrem Druck mit ihrer Arbeit und mit ihrem Sterben beladen sollen sie glauben lernen, und das können sie nur, wenn sie Jesus glauben, nicht dem Wunder, sondern ihm, der ihnen das Wunder tut, nicht seiner Gabe, sondern ihm, dem Geber der Hilfe, die sie tröstet, nicht dem Gewinn, der ihnen zufällt, sei er natürlich oder religiös, sondern ihm, der sie von sich selbst, von ihren Nöten und von ihrer Frömmigkeit wegzieht und zu sich beruft. Sie sollen an ihm den Vater erkennen. Wenn ihnen dies beschieden wäre, dann hätten sie jenen Glauben, der nicht an das Wunder gebunden ist, weil Gottes Gnade alles umfasst, Leben und Tod, diese und die kommende Welt. Jesus klagte aber: niemand kennt den Vater, und dies geschah trotz seiner machtvollen Taten; denn wir hängen, wenn wir das Wunder begehren, an uns selbst und machen das zu unserem Ziel, was aus unserem eigenen Leben wird. Darum hat uns Jesus nicht durch seine Wundermacht geholfen, sondern durch sein Kreuz.
Ob Du hilfst oder die Hilfe versagst, ob Du in der Allmacht Gottes handelst oder im leidenden Gehorsam zum Kreuze gehst, immer, o Jesus, erscheint an Dir Deine herrliche Barmherzigkeit, die uns wahrhaft und völlig hilft. Gib sie mir, die ganze Hilfe, die Du uns dadurch gewährst, dass Du uns zum Vater bringst. Amen.(Adolf Schlatter)
4:49 Der Königische sprach zu ihm: HERR, komm hinab, ehe denn mein Kind stirbt!
4:50 Jesus spricht zu ihm: Gehe hin, dein Sohn lebt! der Mensch glaubte dem Wort, das Jesus zu ihm sagte, und ging hin.
4:51 Und indem er hinabging, begegneten ihm seine Knechte, verkündigten ihm und sprachen: Dein Kind lebt.
4:52 Da forschte er von ihnen die Stunde, in welcher es besser mit ihm geworden war. Und sie sprachen zu ihm: Gestern um die siebente Stunde verließ ihn das Fieber.
4:53 Da merkte der Vater, daß es um die Stunde wäre, in welcher Jesus zu ihm gesagt hatte: Dein Sohn lebt. Und er glaubte mit seinem ganzen Hause.5)
4:54 Das ist nun das andere Zeichen, das Jesus tat, da er aus Judäa nach Galiläa kam.6); 7); 8)
Herr Jesu, Du lebest und regierest in Ewigkeit, so laß denn Deine Herrlichkeit uns offenbar werden, nicht eine vergangene, sondern eine gegenwärtige Herrlichkeit. Segne jede Noth, die uns widerfährt, daß sie uns aus der Welt, aus uns selber heraus und zu Dir hin treibe. Erhöre unser Gebet, auch unser unvollkommenes Nothgebet und lehre uns hinansteigen auf den Gebetsstufen bis zu der höchsten und letzten, da wir Dich anbeten werden in ganz lauterer und heiliger Liebe, in vollkommener Freude an Deiner Schöne! Aber auch ehe wir angelangen, o Herr, an das Ufer der seligen Ewigkeit, da man Dich im Schauen preist, müsse der Anker unseres Lebens fest in Dich eingeschlagen sein, auf daß wir im Frieden dahingleiten mitten über die tobenden Wellen der Welt. Behalte uns im Glauben, im Glauben an Dein Wort, und was Du uns hier schon bescheerst an Vorgeschmack der himmlischen Freude vor Deinem Angesicht, das laß uns gereichen zur Stärkung im Glauben, damit wir in dem wahrhaft seligen, friedensvollen Stande erfunden werden: doch zu glauben, auch wo wir nicht sehen! – Und noch Eins, lieber Herr Jesu: ist’s möglich, so gönne uns das glückliche Loos des Königischen von Capernaum, zu glauben mit unserm ganzen Hause und in Wahrheit zu sprechen: „Ich und mein haus wir wollen dem Herrn dienen.“ Ja, laß uns alle zusammen Dein Eigenthum und Deine Gesegneten sein in Ewigkeit. Willst Du uns gebrauchen zu Werkzeugen der Bekehrung der Unsrigen, so gieb uns dazu die Kraft, welche uns mangelt, Ernst, Liebe, Weisheit, Treue, - Alles, Herr, was nur Du kannst geben. Ach, daß wir Dich nur nicht hindern mögen durch unser Thun! Daß doch keiner von den Unsrigen zurückbleibe, keiner durch seinen Unglauben verloren gehe, sondern alle, alle bekehrt und selig werden, daß wir auch einmal dort sagen können: Hier bin ich und die Kinder, die mir der Herr gegeben hat. Wenn einst Dein Haus wird voll sein, voll von Gerechten durch Einen Glauben, dann müsse Niemand fehlen von Allen, für welche und mit welchen zu beten Dein Geist uns hier getrieben hat. Das hilf, Herr Jesu, Amen. (Johann Friedrich Wilhelm Arndt)