Thomas von Kempen - Buch 1 - Kapitel 18

Thomas von Kempen - Buch 1 - Kapitel 18

Von den Beispielen der heiligen Väter.

1. Schaue die lebendigen Beispiele der heiligen Väter an, in denen die wahre Vollkommenheit und Frömmigkeit hervorglänzte, und du wirst sehen, wie gering ist und fast nichts, was wir thun.

Ach, was ist unser Leben, wenn es mit jenen verglichen wird!

Die Heiligen und Freunde Christi haben dem Herrn gedient in Hunger und Durst, in Frost und Blöße, in Mühe und Arbeit, in Wachen und Fasten, in Gebet und heiligen Betrachtungen, in vielen Verfolgungen und allerlei Schmach.

O wie viele und schwere Trübsale haben die Apostel, die Jungfrauen erduldet und alle die Andern, die Christi Fußtapfen nachwandeln wollten!

Denn sie haßten ihre Seele in dieser Welt, damit sie dieselben für das ewige Leben besitzen möchten.

O welch' ein strenges Leben voller Entsagungen führten die heiligen Väter in Einöden! Wie lange und schwere Versuchungen ertrugen sie! Wie vielfältig wurden sie von Feinden geplagt! Wie häufige und inbrünstige Gebete brachten sie Gott dar! Wie strenge Entsagungen übten sie! Welchen großen Eifer und welche Inbrunst bewahrten sie für ihr geistliches Wachsthum! Welch' tapfern Kampf zur Bändigung der Laster bestanden sie! Wie rein und gerade war die Richtung ihres Herzens zu Gott!

Den Tag über arbeiteten sie und die Nächte brachten sie in anhaltendem Gebete zu, wiewohl sie auch während der Arbeit vom innerlichen Gebete keineswegs abließen.

2. All' ihre Zeit wendeten sie nützlich an; jede Stunde, die sie dem Dienste Gottes widmeten, schien ihnen kurz. Und vor großem Wohlgefallen am beschaulichen Leben vergaßen sie sogar das Bedürfniß leiblicher Erquickung.

Sie entsagten allen Reichthümern, Würden und Ehren, Freunden und Verwandten; wollten nichts von der Welt haben; genossen kaum die Nothdurft des Lebens und bedauerten, dem Körper auch nur aus Bedürfniß dienen zu müssen.

So waren sie arm an irdischen Gütern, aber reich an Gnade und Tugenden.

Aeußerlich darbten sie, innerlich aber wurden sie durch Gnade und göttlichen Trost erquickt.

3. Der Welt waren sie entfremdet, aber Gott die nächsten und vertrautesten Freunde.

Sich selbst schienen sie gleichsam nichts und dieser Welt verächtlich; aber in den Augen Gottes waren sie köstlich und geliebt.

Sie hielten sich in wahrer Demuth, lebten in einfältigem Gehorsam, wandelten in Liebe und Geduld und darum nahmen sie täglich im Geiste zu und fanden große Gnade bei Gott.

Zum Vorbild sind sie gegeben allen Frommen und sie sollen uns mächtiger zum Eifer im Guten antreiben, als die Zahl der Launen uns zur Trägheit verführen.

4. O wie groß war der Eifer aller Ordensleute im Anfange ihrer heiligen Stiftung!

O welche Andacht im Gebete! Welcher Wetteifer in der Tugend! Wie strenge die Zucht! Welche Ehrfurcht und welchen Gehorsam bewiesen alle gegen die Anordnungen des Meisters!

Zeugnis legen noch jetzt ihre hinterlassenen Fußtapfen ab, daß es wahrhaft heilige und vollkommene Männer waren, die, so ritterlich kämpfend, die Welt überwanden.

Jetzt wird einer schon für groß gehalten, wenn er den Buchstaben des Gesetzes nicht übertritt; wenn er das Widrige, was ihm auferlegt ist, mit Geduld zu ertragen vermag.

5. O der Lauheit und Nachlässigkeit in unserem Berufe, daß wir so schnell ablassen von dem alten Eifer und daß uns das Leben selbst vor Erschlaffung und Lauheit fast zum Ekel wird.

Daß doch der Eifer fortzuschreiten nicht gänzlich in dir schlummern möchte, der du so viele Beispiele gottseliger Menschen vor Augen hast!

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