Thomas von Kempen - Buch 1 - Kapitel 16

Thomas von Kempen - Buch 1 - Kapitel 16

Vom Ertragen fremder Fehler.

1. Was der Mensch an sich oder an Andern nicht zu bessern vermag, das muß er geduldig ertragen, bis Gott es anders ordnet.

Bedenke, daß es so vielleicht zuträglicher ist zu deiner Prüfung und zur Uebung in der Geduld, ohne welche unsere Verdienste nicht hoch anzuschlagen sind.

Aber in Bezug auf solche Hindernisse mußt du bitten, daß Gott dir mit seiner Gnade zu Hülfe kommen wolle, und daß du sie mit Geduld ertragen mögest.

2. Wenn Einer, einmal oder zweimal erinnert, sich nicht zufrieden gibt, so streite nicht mit ihm, sondern stelle es gänzlich Gott anheim, damit sein Wille geschehe und seine Ehre in allen seinen Dienern befördert werde; denn er weiß wohl, Böses in Gutes zu kehren.

Bemühe dich, die mancherlei Fehler und Gebrechen Anderer mit Geduld zu ertragen, weil auch du Vieles hast, was von Andern ertragen werden muß.

Wenn du dich selbst nicht so machen kannst, wie du dich gern haben möchtest: wie wirst du einen Andern nach deinem Wohlgefallen haben können?

Wir haben gern Andere vollkommen, und verbessern doch die eigenen Mängel nicht.

3. Wir wollen, daß Andere streng zurechtgewiesen werden, und wir selbst wollen uns nicht zurechtweisen lassen.

Es mißfällt uns die große Ungebundenheit Anderer, und doch wollen wir nicht, daß man uns etwas versage, was wir verlangen.

Wir wollen Andere durch Gesetze beschränkt wissen, und wir selbst lassen uns auf keine Weise mehr einschränken.

So ist denn offenbar, wie selten wir den Nächsten, wie uns selbst, würdigen.

Wenn Alle vollkommen wären, was hätten wir dann von Andern um Gottes willen zu leiden?

4. Nun aber hat es Gott so geordnet, daß wir lernen sollen, “Einer des Andern Lasten zu tragen“ (Gal. 6,2); weil Keiner ohne Fehler, Keiner ohne Last, Keiner mit sich zufrieden, Keiner für sich weise genug ist; sondern wir müssen uns gegenseitig ertragen, gegenseitig trösten, gegenseitig helfen, belehren und ermahnen.

Wie weit es aber Einer in der Tugend gebracht habe, zeigt sich am deutlichsten zur Zeit der Trübsal.

Denn die Gelegenheiten machen den Menschen nicht gebrechlich, sondern bringen nur an den Tag, welcher Art er sei.

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