Thomas von Kempen - Buch 3 - Kapitel 51
Daß man geringere Werke verrichten muß, wenn man zu schwach ist für die höchsten.
1. Sohn! du vermagst nicht immer in gleich brünstigem Verlangen nach Tugenden zu stehen, noch dich auf immer höherer Stufe der Beschauung zu erhalten, sondern du mußt manchmal wegen des angebornen Verderbens zu niedrigen Dingen herabsteigen, und die Last des hinfälligen Lebens auch wider Willen und mit Ueberdruß tragen.
So lange du den sterblichen Leib trägst, wirst du Ueberdruß empfinden und Beschwerniß des Herzens.
Du mußt also im Fleische oft über des Fleisches Last seufzen, weil dir die Kraft fehlt, den geistlichen Uebungen und der Betrachtung des Göttlichen unausgesetzt dich hinzugeben.
2. Dann ist es dir gut, geringere und äußere Werke vorzunehmen und in guten Werken dich zu erquicken, meine Ankunft und die Heimsuchung von oben mit festem Vertrauen zu erwarten, deine Verbannung und die Dürre deines Herzens geduldig zu ertragen, bis du wieder von mir heimgesucht und von allen Aengsten befreit wirst.
Denn ich werde machen, daß du der Mühe vergissest und innern Frieden genießest.
Ich werde ausbreiten vor dir die Weisen der heiligen Schrift, auf daß du mit erweitertem Herzen anhebest zu laufen den Weg meiner Gebote.
Und du wirst sprechen: „Die Leiden dieser Zeit sind nicht werth der Herrlichkeit, die an uns soll geoffenbaret werden.“ (Röm. 8,18.)