Thomas von Kempen - Buch 3 - Kapitel 19

Thomas von Kempen - Buch 3 - Kapitel 19

Vom Ertragen der Unbilden und wer als wahrer Dulder sich bewährt.

1. Was ist’s, das du redest, Sohn?

Laß ab zu klagen, wenn du mein und anderer Heiligen Leiden betrachtet hast.

Noch hast du nicht bis auf’s Blut kämpfen müssen!

Gering ist, was du leidest, im Vergleich mit denen, die so Vieles gelitten haben, so gewaaltig angefochten, so schwer geplagt, so vielfältig geprüft und geübt worden sind.

Du mußt dir also die schwereren Leiden Anderer zu Gemüthe führen, damit du deine viel geringeren leichter ertragest.

Und wenn dir deine Leiden nicht so gering scheinen, so siehe zu, ob dieß nicht von deiner Ungeduld herrührt.

Mögen sie jedoch klein oder groß sein, suche sie nur alle geduldig zu ertragen.

2. Je besser du dich zum Leiden anschickst, desto weiser handelst du, und desto größer ist der Lohn; auch wirst du es leichter ertragen, wenn du mit Muth und durch Uebung dich fleißig darauf gerüstet hast.

Sprich nicht: Das kann ich von einem solchen Menschen nicht ertragen, und so etwas darf ich nicht dulden; denn er hat mir großen Schaden gethan, und bürdet mir etwas auf, woran ich niemals gedacht ahbe; aber von einem Andern wollte ich es gern dulden und sehen, wie es sich ertragen lasse.

Thöricht ist ein solcher Gedanke, der die Tugend der Geduld ganz außer Acht läßt und nicht erwägt, von wem diese gekrönt werden soll, sondern mehr die Personen und die erlittenen Beleidigungen in’s Auge faßt.

3. Der ist kein wahrer Dulder, der nur so viel leiden will, als ihm gut dünkt, und von wem es ihm gefällt.

Ein wahrer Dulder aber merket nicht darauf, von was für einem Menschen ob von seinem Vorgesetzten, oder von Einem seines Gleichen, oder von einem Geringeren, ob von einem Guten oder Frommen, oder von einem Verkehrten und Unwürdigen er in der Geduld geübt werde: sondern er nimmt alles Widrige ohne Unterschied, so viel und so oft und von welchem Geshöpfe es ihm auch zugefügt werden mag, dankbar aus der Hand Gottes an, und hält es für einen großen Gewinn.

Denn bei Gott kann nichts, wie klein es auch sei, unvergolten bleiben, wenn es um seinetwillen erduldet wurde.

4. Sei also gerüstet zum Kampfe, wenn dud en Sieg erringen willst.

Ohne Kampf kannst du die Krone der Geduld nicht erlangen.

Willst du nicht leiden, so magst du auch nicht gekrönt werden.

Begehrst du aber gekrönt zu werden, so kämpfe mannhaft und halte geduldig aus.

Ohne Arbeit kommt man nicht zur Ruhe, und ohne Kampf nicht zum Siege.

Laß mir, o Herr! durch deine Gnade möglich werden, was mir von Natur unmöglich scheint.

Du weißt, daß ich nur wenig ertragen kann und bei der geringsten Widerwärtigkeit schnell muthlos werde.

Laß mir jede Uebung in Trübsal um deines Namens willen lieblich und erwünscht sein; denn leiden und geplagt werden um deinetwillen, ist meiner Seele sehr heilsam.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/t/thomas/3_19.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain