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- | ======Tholuck, | ||
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- | Indem ich, meine Brüder in Christo, heut vor euch auftrete, erinnere ich mich jener Inschrift unter dem Bild eines leidenden Christus, welche einen Mann, dessen Wirken wie ein fruchtbarer milder Frühlingsregen durch Weltteile hindurchging, | ||
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- | Die Liebe Christi zu uns, das Vorbild unserer Liebe zu den Brüdern, das sei das Thema dieser Predigt. | ||
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- | Wie hat der Herr uns geliebt? Wie sollen wir nach seinem Vorbild die Brüder lieben? Das sind also die zwei großen Fragen, die uns heute beschäftigen werden. | ||
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- | =====Wie hat der Herr uns geliebt? | ||
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- | Indem er mitgelitten hat unsre Not. Tun für den Unglücklichen, | ||
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- | Des ew'gen Vaters einig Kind \\ | ||
- | Jetzt man in der Krippen find' | ||
- | Den aller Weltkreis nicht beschloss, \\ | ||
- | Der liegt in Mariens Schoß. \\ | ||
- | Er ist geworden ein Kindlein klein, \\ | ||
- | Der alle Dinge erhält allein! \\ | ||
- | Hallelujah! | ||
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- | In der Armut, in der er geboren wurde, wallt er über die Erde; „die Vögel unter dem Himmel haben ihre Nester, und die Füchse ihre Gruben, aber des Menschen Sohn hat nicht, wo er sein Haupt hinlege!“ Der, welcher fünftausende speist, nimmt Almosen von den ihn begleitenden Frauen. „Er ist versucht worden, wie die Schrift sagt, gleich wie wir in allen Stücken, nur ohne Sünde.“ Die Schwächen und die Schmerzen, die unser irdisches Leben drücken - er hat sie auch kennen lernen; er hat die Last des Tages getragen unter dem Getümmel des Volks, und hat seine Nachtruhe geopfert, wenn die Nikodemi ihn hören wollten. Er hat nach angstvoll durchwachten Nächten sich hinführen lassen unter seine Peiniger, die spitze Dornenkrone ist auf sein Haupt gedrückt worden, und sein göttliches Haupt mit dem Rohr geschlagen! unter der Geißel ist sein Leib mit Blut bedeckt worden, und an's Kreuz haben sie ihn hinaufgezogen, | ||
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- | Aber Menschen, nicht bloß eure leibliche Not ist es, die er mit euch gelitten hat, die Not eurer Seelen, eurer unsterblichen Geister hat er mitgefühlt und mitgelitten. Wer hat, wie er, durchschaut den Willen seines himmlischen Vaters, wessen Seele ist aufgegangen in der Liebe zu ihm, wie die seinige! O! und wenn nun diese heilige reine Jesusseele, wenn sie hineingestellt ist in eine Welt voll Abfall und Empörung gegen Gott, welches Schwert musste diese Seele durchdringen! Jene einsamen Stunden, welche er, wie wir so häufig lesen, in der Stille mit seinem Vater zugebracht hat, wie mögen sie erfüllt gewesen sein von dem Schmerzgefühl für eine untergehende Welt! Wohl mag schon sein erhabenes Antlitz die Spur der heiligen Wehmut getragen haben, denn zweimal lesen wir, wie der Täufer, das Auge auf ihn geheftet, während er vorübergeht, | ||
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- | Nur der, welcher so mitgelitten hat all' unsre Not, kann sie auch heilen, und die Heilung unserer Not, das ist die andere Offenbarung seiner Liebe zu uns. Er ist erschienen als ein Heiland aus aller Not, auch aus der des Leibes, wie ja das Wort der Offenbarung des Johannes in der Ferne die Zeit verkündigt, | ||
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- | Denkt euch den Gottes- und Menschensohn, | ||
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- | Die treuste Liebe sieget, \\ | ||
- | Am Ende fühlt man sie. \\ | ||
- | Weint bitterlich und schmieget \\ | ||
- | Sich kindlich an sein Knie! \\ | ||
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- | Mensch! das tat er für dich, was tust du für ihn? | ||
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- | =====Hat er also uns geliebt, meine Brüder! wie sollen wir nach seinem Vorbild die Brüder lieben? | ||
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- | Das Erste, meine Brüder! ist auch für uns, ehe wir etwas tun für die Not unserer Brüder, dass wir müssen mit leiden mit ihnen, und ehe wir mit leiden, dass wir müssen erkennen ihre Nöte und ihr Elend. Die leibliche Not nun, die erkennt man wohl leicht, denn wer ist, der sie nicht selber empfindet! Aber die Seelennot der Menschen! Wenn du nun selber von Seelennot noch nichts gewusst hast - Seelennot, allerdings für Viele ein ganz fremdes Wort! - so muss es denn erst dahin mit dir gekommen sein, dass du das Wörtlein Sünde verstehen lernst. Es muss in deinem eigenen Leben die Stunde gekommen sein, wo im Licht der göttlichen Wahrheit die eigene Gerechtigkeit dir als ein beflecktes Kleid erschienen ist, wo du mit Erbeben erkannt hast: wenn wir nach unseren Werken gerichtet werden, so ist kein Fleisch vor Gott gerecht. Du musst deine Fesseln fühlen, du musst die Tränen kennen, welche aus der Sehnsucht nach geistlicher Freiheit quellen - es muss zu einem Untergang mit dir gekommen sein. Dann aber, mein Bruder, wenn du erst selbst zur Klasse derer gehörst, die der Heiland selig preist, zu den geistlich Armen - o wie wirst du dann nicht bloß mit leiden können, sondern auch mit leiden müssen die Seelennot der sündigen Menschheit. Siehe, in zwei Klassen teilt sich neben dir die Masse deiner in der Finsternis verlorenen Brüder. Die Einen gehen dahin, gefesselt von der Sünde an Händen und an Füßen - unter ihnen wankt der Boden, und über ihnen droht das göttliche Gericht, aber sie jauchzen und frohlocken; sie sind vergnügt und guter Dinge, denn die Finsternis hat ihre Augen verblendet, dass die Nacht um sie her ihnen scheint, als wäre es Tag, und sie wissen nicht, wohin sie gehen. Auch die Anderen tragen ihre Fesseln, auch unter ihnen wankt der Boden, und über ihnen schwärzt sich der Himmel - aber sie weinen, und ihre Seele schreit nach Freiheit: - in die sicheren Knechte der Sünde und in die aufgeschreckten teilt sich die Menschheit. Seit Christus dich selbst aufgeweckt hat aus dem Schlaf, leidest du mit beiden mit. Du siehst die breite Straße, von welcher der Heiland sagt, dass sie in's Verderben führt. Große helle Scharen ziehen auf ihr hin, und in das Ohr deines Herzens tönt zerreißend der jauchzende Schall der Freudenlieder der Einen, wie der zerreißende Klang der Klagelieder der Anderen - auch auf dein Herz, wenn dir erst der liebende Blick in die Not der Menschheit aufgegangen ist, legt sich, wie auf deines Heilandes Herz, eine Welt der Wehmut; deine Seele wird unaussprechlich betrübt, und du möchtest helfen. | ||
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- | Wem unter euch geht so die Not seiner Brüder zu Herzen? Ich weiß es wohl, so lange ihr eure eigene Not nicht fühlt, könnet ihr die Not eurer Brüder nicht mitfühlen, und wer ist's, der die Wunden seines eigenen Herzens sich gestehen will! O wie gehen die meisten Menschen an dem Klaggeschrei der leidenden Menschheit vorüber und halten sich die Ohren zu, dass sie es nur nicht vernehmen. Die Geschichte erzählt von einem asiatischen Fürsten, der, um das grenzenlose Elend seiner jammernden Untertanen nicht mehr zu sehen, für immer in seinem Palast sich verschloss, das Tageslicht für sich auslöschte, | ||
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- | Doch nicht bloß das Vorbild, wie wir mit der Not unserer Brüder leiden sollen, sondern auch wie wir helfen sollen, ist unser Herr uns geworden. „Wie er ist, sagt Johannes, so sind auch wir in der Welt.“ O ihr, die ihr bis jetzt noch nicht gewusst habt, was eigentlich eure Bestimmung ist in eurem Leben, wollt ihr sie vernehmen, eine herrliche, eine über alle Maßen selige Bestimmung! „Wie er gewesen ist in der Welt, so sollt ihr auch sein;“ wie er umhergegangen ist unter den Kranken und unter den Armen der Erde, so, mein Bruder, sollst du auch umhergehen. Freilich magst du zum Blinden nicht sagen: sieh'! und zum Lahmen nicht sagen: stehe auf und wandle! Aber viel hat einem Jeden von euch die Güte Gottes Gaben gegeben, um rettende Engel zu werden für die leibliche Not eurer Brüder. Je mehr unsere Liebe wächst, desto mehr erkennen wir unser Vermögen zu helfen. Wenn es am Anfang dir scheinen möchte, dass dir keine Gabe verliehen sei für den leidenden Bruder, o glaube mir, das Auge der Liebe fehlt dir nur; mit deiner Liebe wächst das Vermögen. Und vermöchtest du am Ende nichts zu geben, als das Wort des Rates und des Trostes und den schweigenden Händedruck des Mitgefühls, | ||
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- | Allerdings muss dieses Zeugnis nun anfangen in dem Kreis, der einem Jeglichen von uns zunächst liegt - erst muss die Familie eine Kirche Christi werden, dann deine Vaterstadt, dann dein Vaterland. Es ist göttliche Ordnung, welche uns mit dem einen Menschen näher in Verbindung gesetzt hat, als mit dem anderen. Aber, mein Bruder, so unleugbar wie es ist, dass das Mitleiden mit der Seelennot unserer Brüder bei denen beginnt, die uns nach göttlicher Ordnung am nächsten stehen, eben so unleugbar ist es, dass diese Liebe zugleich auch das Entfernteste umfasst. Der Heiland, der in seinen Lebenszeiten aus den Grenzen Palästinas nicht wich, verkündigt: | ||
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