Spieker, Christian Wilhelm - Christliche Morgenandachten auf alle Tage des Jahres - August.

Spieker, Christian Wilhelm - Christliche Morgenandachten auf alle Tage des Jahres - August.

Am 1. August.

„Das Wort Gottes kann eure Seelen selig machen.“ Jac. 1, 21. Die heilige Schrift ist die treue Bewahrerin der göttlichen Wahrheit; sie ist die unversiegbare Quelle des Segens geblieben für Alle, die aus ihr geschöpft haben. Durch kein anderes Buch in der Welt ist so viel für die Belehrung, Besserung, Beruhigung und Heiligung der Menschen geschehen, als durch die heilige Schrift. Sie hat so mannichfache Bedürfnisse des Geistes und Herzens befriedigt, die Unmündigen durch ihre edle Einfalt, die Gebildeteren durch ihre tiefe Weisheit, fühlende Seelen durch die Wärme und Innigkeit ihrer Aussprüche, gebeugte Sünder durch ihre gnadenreichen Verheißungen angezogen, zur Erkenntniß der Wahrheit und zum Glauben an den lebendigen Gott geführt. Sie hat die edelsten Geister erhoben durch die Hoheit ihrer Gedanken und Worte; sie hat den Leichtsinn geschreckt und gewarnt durch ihren heiligen Ernst; sie hat die Muthlosen gestärkt, die Traurigen getröstet, die Gefallenen aufgerichtet. Ach, wie viele Tausende wären erlegen unter dem Drucke des Lebens, unter den Schlägen eines harten Schicksals, unter den Schmerzen eines gebrechlichen Körpers, unter den Qualen eines geheimen Kummers, wäre ihnen nicht der Trost geblieben, der wie eine Stimme Gottes von oben herab in das arme Leben drang und zu dem gebeugten Herzen sprach. Wie viele Taufende haben hier den Glauben gefunden, den sie auf den Irrgängen einer täuschenden Weltweisheit vergebens gesucht hatten! In kurzen, inhaltschweren Sprüchen, in einfachen, klaren Gleichnissen, in ernsten prophetischen Ermahnungen und Warnungen, in trostreichen Verheißungen, in ergreifenden Geschichten, in hochbegeisterten Gesängen spricht sich die einige, ewige Wahrheit, die rechte Weisheit und der heilige Friede Gottes aus. Wie oft hat nicht ein Kraftwort der Bibel das Herz des Unentschlossenen fest gemacht, den schon Wankenden vor dem Falle bewahrt, den sinkenden Muth aufgerichtet, dem Hoffnungslosen seine Rettung gezeigt! Das Wort des Herrn ist eine Leuchte unserer Füße und ein Licht auf unseren Wegen; ein Stab, uns zu stützen; ein Schwert, uns zu beschirmen; ein Schatz, uns reich zu machen; ein Kleid, uns zu bedecken; ein Rathgeber in allen Anliegen; ein Baum, in dessen Schatten wir ruhen, an dessen Blüthenschmuck wir uns erfreuen, durch dessen Früchte wir uns erquicken. Gottes Wort ist eine Zierde der Jugend, ein Stab des Alters, ein Anker der Hoffenden, ein Saitenspiel der Fröhlichen, eine Arzenei der Kranken, ein Himmel voller Sterne, ein anmuthiges Paradies, ein Garten voll duftiger Blumen. Gottes Wort ist der Lebensodem unsrer Seele, die Speise, die uns nährt, der Trank, der uns erquickt. Es hat für jeden Menschen eine Stätte, für jeden Fuß einen Weg, für jede Frage eine Antwort, für jede Zeit einen Propheten. Es hat für jede Wunde ein Kraut, für jede Freude eine Verklärung, für jede Sehnsucht eine Erfüllung, für jede Lage einen Ruheort. Es reicht der Freude, um sie zu heiligen, ihre Jubellieder, und der Trauer, um sie zu lindern, ihre Klagelieder.

Zuschrift aus der Ewigkeit,
Bries von sehr gelehrten Händen,
Du kannst alle Noth der Zeit,
Alle bangen Klagen enden.
Der, der meinen Geist entzückt,
Den ich jetzo noch nicht sehe,
Hat aus der gestirnten Höhe
Mir die Zeilen zugeschickt.

Amen!

Am 2. August.

„Denn gleichwie der Regen und Schnee vom Himmel fällt, und nicht wieder dahin kommt, sondern feuchtet die Erde, und macht sie fruchtbar und wachsend, daß sie giebt Samen zu säen, und Brod zu essen: also soll mein Wort, so aus meinem Munde gehet, auch sein, spricht der Herr. Es soll nicht wieder zu mir leer kommen, sondern thun, das mir gefällt, und soll ihm gelingen, dazu ich es sende.“ Jes. 55, 10. Wie ein Gruß aus dem Tempel der unsichtbaren Welt dringt dies Wort an unser Herz; Geister vergangener Zeiten treten herzu; Vollendete, die längst in Gott ruhen, sagen es uns, daß auch sie gekämpft und Frieden gefunden. Gottes Wort will uns unterweisen zur Seligkeit. Es will nicht unsern Verstand üben, sondern unser Herz bessern,; es will uns nicht Dinge enthüllen, nach denen der Vorwitz fragen mag, sondern unserem Glauben die Wahrheit zeigen, deren Kraft das Herz erneuert; es will uns nicht gelehrt, sondern selig machen.

Gottes Wort spüret unsere verschiedenen Gemüthsstimmungen auf, findet die Leidenschaften und Krankheiten, die uns verzehren, und leuchtet hinab auf den Grund aller Gedanken. In dem Lichte dieses Wortes erkennen wir unsern Flecken, und unter seinem Donner thut sich das Innerste unseres Herzens auf; es erschüttert uns, wenn wir's nicht meinen, es verwundet uns, wo wir uns gesichert halten. Es kommt zu uns, wie Nathan zu David, wie Johannes zu Herodes, redet so laut von unserer Sünde, dringt so ernst auf unsere Bekehrung, mahnt uns so unablässig zu einem gottseligen Wandel, zeugt so drohend von den Schrecken des Gerichts, ladet so freundlich zum ewigen Leben. In einer wunderbaren Mannichfaltigkeit wirkt es auf die Menschen: bald ist es süßer als Honig und Honigseim, bald schärfer denn kein zweischneidiges Schwert; bald ist es milde und lieblich wie Sternenglanz, bald verzehrend wie Sonnengluth. Hier rührt es wie der Gesang der Waldvöglein, und dort erschüttert es wie Erdbeben; hier haucht es süßen Duft wie die Blumen des Frühlings, und dort stürmt es wie die Wogen des Meeres. Hier hat es eine Klarheit, die auch dem Kinde einleuchtet, ein Müdigkeit, die auch schüchterne Seelen gewinnt, einen Zauber, der auch abgewandte Gemüther unwiderstehlich hinreißt. Und dort wieder eine Dunkelheit und Tiefe, die kein Denker ergründet, eine Herbheit, die dem Gefühlvollen wehe thun könnte, eine Vieldeutigkeit, die den Wahrheitsfreund verlegen macht, eine Schärfe, die den Stachel des Zweifels in die Brust wirft. Neben tausend freundlichen Zureden und süßen Lockungen der Liebe, wie viel Donnerschläge göttlicher Strafe, wie viel Blitze göttlichen Zornes! Aber überall ist es der Geist des Herrn, der durch die ganze heilige Schrift geht, des Herrn, der, weil er weiß, was im Menschen ist, das eine Herz durch Güte zur Buße zu leiten sucht, über das andere aber den Hammer schwingt, der Felsen zerschmeißt.

Dein Wort, o Herr, ist milder Thau
Für trostbedürft'ge Seelen.
Laß keinem Pflänzchen deiner Au'
Den Himmelsbalsam fehlen!
Erquickt durch ihn, laß jedes blühn,
Und in der Zukunft Tagen
Dir Frucht und Samen tragen.

Dein Wort ist, Herr, ein Flammenschwert,
Ein Blitz, der Felsen splittert,
Ein Feuer, das im Herzen zehrt
Und Mark und Bein erschüttert.
O laß dein Wort noch fort und fort
Der Sünde Macht zerscheitern,
Und alle Herzen läutern!
Amen!

Am 3. August.

„Herr, dein Wort bleibet ewiglich, so weit der Himmel ist.“ Ps. 119, 89. Wie die Sonne am Himmel Allen scheint, und die Sterne in der Nacht Allen leuchten, so soll auch das theuerwerthe Wort Gottes an allen Menschen ausrichten, wozu es gegeben ist, denn Gott will, daß allen Menschen geholfen werde. Es ist nicht gebunden an Moria noch an Garizim, sondern es soll verkündigt werden in den Eisgefilden des Nordens, wie in den Sandwüsten des Südens, alle Völker, sie mögen noch vor den Thüren der Kirche sitzen in Finsterniß und Schatten des Todes, oder schon seit Jahrhunderten des Lichtes aus Gott sich erfreuen.

Gottes Wort richtet sich an beide Geschlechter. Den Männern stellt es Helden Gottes vor Augen und einen Abraham in seiner Glaubenskraft, einen David in seinem Gebetsgeist, einen Petrus in seinem Feuereifer, einen Paulus in seinem Streitermuth, einen Johannes in seiner Hirtenliebe, einen Stephanus in seiner Todesfreudigkeit. Die Weiber sehen in Maria die demüthige Gottesmagd, in Magdalena die reuige Büßerin, in Tabea die barmherzige Helferin, in Lydia die empfängliche Hörerin, in Claudia Procula die ernste Mahnerin, in Martha die rastlose Dienerin, in Maria die gläubigstille Jüngerin.

Im Worte Gottes findet jede Altersstufe ihr Vorbild vom Knaben Samuel bis zum greisen Simeon, und für jeden Stand zeigt sich ein Vorbild vom königlichen David bis herab zum armen Lazarus: der Kaufmann und der Krieger, der Landmann und der Künstler, der Bergmann und der Schiffer: Jeder findet sich in der Schrift wieder- und kann für seinen Stand daraus lernen. Von den Zeiten der Erzväter an bis in die Apostelgeschichte hinein wandern wir gleichsam durch einen großen Bildersaal frommer Gestalten und edler Musterbilder, und schauen Alles, was etwa eine Tugend, etwa ein Lob ist.

Und die Männer, die Gott ausgewählt hat, seinen Willen zu predigen und zu schreiben, sie sind aus allen Ständen genommen. Könige auf dem Throne, wie David und Salomo; Fürsten und Heerführer Israels, wie Moses und Samuel; Priester vom Geschlechte Aarons, wie Jeremias und andere Propheten; Leute aus allerlei Volk, wie der Rinderhirt Amos, der Teppichmacher Paulus, der Arzt Lucas und die Fischer vom Galiläischen Meere.

Es ist ein langer, Jahrtausende umfassender Weg, welchen uns die heilige Schrift führt, vom ersten Anfang, der Schöpfung Himmels und der Erde, bis zum letzten Ziele, dem neuen Himmel und der neuen Erde; ein wunderbarer Weg, der uns überall zeigt die Güte, wie den Ernst Gottes, die göttliche Treue und die menschliche Untreue, die göttliche Heiligkeit und die schauerliche Tiefe menschlicher Sünde.

Und doch bilden alle Theile der Schrift vom ersten Buch Mosis bis zur Offenbarung Johannes bei all ihrer Verschiedenheit und Mannichfaltigkeit nur eine Einheit, wo alles Einzelne für sich etwas Besonderes und Herrliches ist, und doch Alles mit einander verbunden ist zu einem Tempel der Wahrheit, in welchem der Herr wohnet und wandelt. Die heilige Schrift gleicht jenem künstlichen Schilde Minervas, in dem der große Künstler Phidias ihr Bild so eingeprägt hatte, das, man es überall sah und man den ganzen Schild hätte zerschlagen müssen, um das Bild zu vernichten.

Kein Buch der Welt schaut so weit zurück in die ferne Vergangenheit, keines so weit hinaus in die verhüllte Zukunft, als das heilige Gottesbuch. Denn was kein menschlich Auge gesehen, und kein menschlich Ohr gehört, - das verkündigt uns das erste Buch der heiligen Schrift - ein Zeugniß aus den Tagen, von welchen Keiner zeugen konnte, als der die Tage geschaffen, - das verkündigt uns das letzte Buch der Bibel - ein Zeugniß aus dem Munde Dessen, der das A und das O ist, der Anfang und das Ende. So heben allein die heiligen Bücher den Schleier, der die ersten Anfänge und den letzten Ausgang aller Kreatur vor dem Auge der menschlichen Erkenntniß zudeckte. So enthüllet uns die Zuschrift aus der Ewigkeit die Geschichte der Erde, die Schöpfung des Menschen, die Seligkeit des Paradieses, das Elend der Sünde, Gottes trostreiche Verheißungen, seine gnädigen Führungen, seine wunderbaren Errettungen, seine schreckenden Drohungen, seine strafenden Heimsuchungen.

Darum soll ein jeder Christ Zeit und Kraft und Gebet daran wenden, daß in Erfüllung gehe, was einst Luther, der theure Gottesmann, gewünscht hat: Dieses Buch muß aller Menschen Zungen, Hände, Augen, Ohren und Herzen erfüllen! „Und selig ist, der da lieset und höret die Worte der Weisen sagen, und behält, was darinnen geschrieben ist.“ (Offb. 1, 3.)

Die Bibel ist der größte Schatz zu nennen;
Herr Gott, dich loben wir!
Doch ist's ein Schatz, den Viele noch nicht kennen;
Herr Gott, wir klagen's dir!
Ach, daß wir mehr und mehr ihn lieb gewännen!
Herr, hilf uns für und für!

Amen!

Am 4. August.

„Ich will singen von der Gnade des Herrn ewiglich, und seine Wahrheit verkündigen mit meinem Munde für und für.“ Ps. 89. 2.

Aus meines Herzens Grunde
Sag' ich dir Lob und Dank
In dieser Morgenstunde;
Dazu mein Lebelang.
O Gott auf deinem Thron,
Bring' ich dir Preis und Ehren
Durch Christum unsern Herren,
Dein'n eingebornen Sohn;

Daß du mich hast aus Gnaden
In der vergangnen Nacht
Vor Angst und allem Schaden
Behütet und bewacht. .
Ich bitt' demüthiglich,
Wollst mir mein' Sünd' vergeben,
Womit in diesem Leben
Ich Hab' erzürnet dich.

Du wollest auch behüten
Mich gnädig diesen Tag,
Vor Satans List und Wüthen
Vor Sünden und vor Schmach,
Vor Feuer- und Wassersnoth,
Vor Armuth und vor Schanden,
Vor Ketten und vor Banden,
Vor bösem, schnellem Tod.

Mein' Seel', mein Leib und Leben,
Mein Gut, Ehr', Weib und Kind
Sei dir, Herr, übergeben,
Dazu mein Hausgesind,
Als dein Geschenk und Gab',
Mein' Eltern und Verwandten,
Geschwister und Bekannten
Und Alles, was ich hab'.

Gott will ich lassen rathen,
Der alle Ding' vermag.
Er segne meine Thaten
Und alle meine Sack'!
Ihm hab' ich heimgestellt
Leib, Seele, Gut und Leben,
Und was er mir gegeben;
Er mach's, wie's ihm gefällt.

Darauf so sprech' ich Amen
Und zweifle nicht daran,
Gott wird es All's zusammen
In Gnaden sehen an.
Nun streck' ich aus die Hand,
Greis' an mein Werk in Frieden,
Dazu mich Gott beschieden
In meinem Amt und Stand.
Amen!

Am 5. August.

„So spricht der Herr: Mein Volk thut eine zweifache Sünde; mich, die lebendige Quelle, verlassen sie, und machen ihnen hier und da ausgehauene Brunnen, die da löchericht sind und kein Wasser geben.“ Jer. 2, 13. Ein Wort der Klage über Israel, das der Herr aber auch über sein Christenvolk aussprechen muß. Denn obwohl man erwarten sollte, daß wir Christen, die wir in einem weit tieferen Sinne als Israel sein Volk geworden, in beständiger Treue und unwandelbarer Liebe zu unserem Gott und Herrn halten würden: so machen wir uns doch alle jener zwiefachen Sünde gar oft schuldig, die der Herr durch den Mund des Propheten über sein Bundesvolk erheben mußte. Die lebendige Quelle, aus der wir die Erkenntniß unseres Gottes und Heilandes schöpfen, in deren Spiegel wir des Herrn Heiligkeit, uns selbst aber in unserer Sündhaftigkeit und Verwerflichkeit erkennen, die heilige Schrift, ist wohl in Aller Händen, an Gelegenheit, daraus zu schöpfen, und an frischen heilkräftigen Wassern sich zu erquicken, mangelt es nicht, aber wie Viele in der Christenheit sind gewöhnt, diese Heilsquelle zu besitzen und doch nicht daraus zu trinken! Wie Viele hören die Gnadenwasser rauschen, aber ihr Herz, das dürre ist, wie das Land zur Sommerszeit, wollen sie nicht vom Lobensworte erquicken lassen! Sie meinen selbst Brunnen zu haben: ihren Verstand, ihre Vernunft, ihren Willen, ihre Grundsätze. Aber das sind eitel Hungerquellen, denn sie versiegen in der Zeit der Noth, in der Stunde des Todes. Und doch, wie sucht man diese Brunnen auszuhauen und zu mauern. Allerlei Ausflüchte und Ausreden werden gemacht, allerlei Vorwände und Entschuldigungen gesucht, um den ernsten Mahnungen des göttlichen Wortes, aus dem Weg zu gehen. Wie Felix der Landpfleger dem Apostel Paulus, so weist man heute noch dem Worte Gottes höflich die Thür und heißt es ein andermal kommen. Man widerspricht ihm nicht offen, aber man hat keine Zeit:, Arbeit und Zerstreuung erleiden keinen Aufschub, Gott der Herr aber kann warten. Und so gleitet der Ernst des Gesetzes und die Freundlichkeit des Evangeliums wirkungslos an dem Herzen ab wie das Wasser vom Fels. Und noch mehr. Welche Kunst, welchen Scharfsinn, welche Gelehrsamkeit wendet man an, um die lebendige Quelle zu trüben, das Wort der Wahrheit zu fälschen und zu verspotten! Wie findet Menschenwort, das doch oft zur Sünde verleitet und zum zeitlichen und ewigen Verderben führt, begierige Leser und Hörer, aber das Gotteswort, welches aus dieser lebendigen Quelle fließt, das zur Vergebung der Sünden, zum Leben und zur Seligkeit verhilft, wird gering geachtet und bleibt oft ungelesen im Staube liegen, weil die Kinder dieser Welt in ihrer Weisheit und in ihrem Dünkel, in ihrer Lust und ihrem Leichtsinn sich nicht stören lassen wollen von dem mahnenden Worte und dem strafenden Geiste Gottes. Herr, mehre täglich unter uns den Hunger und Durst nach deinem Wort, der lebendigen Quelle. Dein Wort heilt allein die Wunden, welche die Welt uns schlägt, und erquickt alle müden und dürstenden Erdenpilger und macht sie immer reicher an Kraft und Frieden in allen Anfechtungen und Versuchungen dieser Zeit, immer reicher an Sanftmuth und Demuth, Glaube und Liebe, Geduld und Ergebung in deinen väterlichen Willen. Gieb, Herr, daß wir nach deinem Wort leben und auf dein Wort sterben.

Herr Jesu Christ! o hilf, daß wir
Auf dein Wort achten für und für,
Und deines Licht's uns freuen;
Bis einst durch deine große Macht
Uns wird nach dieser finstern Nacht
Dein ew'ges Licht erneuen! Amen!

Am 6. August

Alles was Odem hat, lobe den Herrn! denn Er ist freundlich und Seine Güte währet ewiglich! Mein Gott und Vater, was hülfe alles Arbeiten unserer Arme, und alles Rennen unserer Füße, und alle Sorgen unseres Herzens, wenn du nicht aufthust deine milde Hand, und alles Fleisch, das zu dir kommt, sättigest mit Leben und Wohlgefallen? Und ob du schon die vollkommenste Nahrung uns reichlich darreichest in deinem Worte, das wir hören sollen und bewahren'; ob du schon die heilsamste Quelle des Friedens und der Genüge uns ergießest in deinem Geiste, der unseren Geist erneuern und unsere Seele selig machen kann: so willst du uns doch auch nicht mangeln lassen an leiblicher Nothdurft, sondern heißest uns bitten um's tägliche Brod, ja giebst so Vielen, welche nicht bitten noch danken, viel mehr denn sie bedürfen und verstehen. Darum hilf, daß ich dir in allen äußerlichen Dingen ergeben und gelassen sei, mich nicht ängstlich quäle noch aus thörichter Eitelkeit bemühe um dergleichen, vielmehr zufrieden und genügsam Dasjenige gebrauche, was du mir beschieden hast, und mich dessen, worin ich mehr habe als Andere, nicht überhebe, noch sein Maß im Vergnügen und Wohlleben überschreite, sondern also mich verhalte, wie es deiner Gaben und meines himmlischen Berufes würdig ist.

Laß mich mehr an Andere denken, als an mich selbst, wenn du mir Großes erzeigst, daß ich auch den Dürftigen darreiche, auch dem, welcher keine Noth empfindet und doch der Liebe seines Nächsten bedarf, gern zur Unterstützung und Freude diene. Uebe mich aber zu allen diesen Stücken in der Gottseligkeit und gieb mir Geschmack an deinem Evangelium und Hunger nach Gerechtigkeit, auf daß es mir die liebste Speise sei, in der Gemeinschaft meines Heilandes deinen Willen zu thun! Dazu segne mir und Allen, die dich lieb haben, diesen heutigen Tag und die andere Wochenhälfte, in die ich eintrete; segne uns mit deinem Geiste des Friedens. Amen.

Am 7. August.

„Der Herr ist ein rechter Gott, ein lebendiger Gott, ein ewiger König.“ Jer. 10, 10.

Gott lebt! wie kann ich traurig sein,
Als wär kein Gott zu finden?
Er weiß gar wohl von meiner Pein,
Die ich hier muß empfinden.
Er kennt mein Herz
Und meinen Schmerz,
Drum will ich nicht verzagen
Und ihm nur Alles klagen.

Gott hört, wenn Niemand hören will!
Wie sollt' ich bange sorgen:
Mein Seufzen dringe nicht zum Ziel
Und sei vor Gott verborgen?
Ruf' ich empor,
So hört sein Ohr,
So steigt die Hülfe nieder
Und schallt das Amen wieder.

Gott sieht! wie klaget denn mein Herz,
Als säh er nicht mein Weinen?
Vor ihm muß auch der tiefste Schmerz
Ganz offenbar erscheinen.
Kein Thränlein fällt,
Das er nicht zählt,
Ja werth und theuer schätzet,
Bis er uns drauf ergötzet.

Gott führt! drum geh ich ruhig fort
Auf allen meinen Wegen;
Mag mir die Welt bald hier bald dort
Arglistig Schlingen legen,
So wird er mich,
Ob wunderlich,
Doch immer selig leiten,
Daß nie mein Fuß kann gleiten.

Gott giebt! und wär ich noch so arm,
Doch soll ich nicht verderben.
Was hilft mir denn mein steter Harm,
Als müßt' ich Hungers sterben?
Er hat ja Brod!
Und wenn die Noth
Uns nach der Wüste weiset,
Wird man da auch gespeiset.

Gott liebt! ob ich die Vaterlieb'
In Schlägen nicht gleich finde:
Wie er ein lieber Vater blieb
Am Kreuz bei seinem Kinde,
So bleibt er mir
Mein Vater hier,
Der je und je mich liebet,
Obgleich sein Kreuz betrübet.

Gott lebt! wohlan, ich merke das;
Gott hört! ich will's ihm klagen;
Gott sieht! er setzt den Thränen Maß;
Gott führt! ich darf nicht zagen.
Gott giebt und liebt:
Nur unbetrübt!
Er wird mir endlich geben,
Auch dort mit ihm zu leben.
Amen!

Am 8. August.

„Wehe dem, der sein Haus mit Sünden bauet und seine Gemächer mit Unrecht, der seinen Nächsten umsonst arbeiten läßt und giebt ihm seinen Lohn nicht.“ Jer. 22,13. Darüber lässet sich Luther also vernehmen: „Ich habe schon etliche erlebt, die in großen Gütern gesessen sind und doch in kurzer Zeit in Grund wieder verdarben. Warum das? Daß sie nicht haben wollen geben, wie Christus vermahnet, sondern vielmehr Andern genommen und ihr Haus mit Sünden gebauet; darum hat sich's endlich mit ihnen umgekehrt, daß ihnen wieder genommen ist, wie die Erfahrung lehret und das gemeine Sprüchwort sagt: „Gut, das übel gewonnen ist, erreichet den dritten Erben nicht.“ Solches stehet man, sage ich, täglich in allen Stunden; und wenn es schon eine Zeit lang währet, und vom Vater auf den Sohn reichet, so gehet es doch mit dem dritten Erben unter, denn es ist ein verfluchtes Gut, entweder geraubet oder ergeizet. Durch solche tägliche Erfahrung sollten doch die Weltkinder klug werden, daß sie gedächten: „Was willst du lange scharren und geizen, du kannst doch das ergeizte Gut mit Recht nicht besitzen, wie du solches an Dem und Jenem erfahren.“ Denn auch Salomo spricht: „Der Gottlose, wenn er schon lange sammelt mit Haufen, hat immer solchen Fluch im Hause, daß er nicht allein seiner Güter nicht gebessert ist, sondern ihm auch den Händen verschwindet, als hätte es ihm der Rost gefressen.“ Was hast du denn nun zuletzt daran, du elender Mensch, wenn du lange gescharret und gekratzet hast, denn daß du dir dein Leben in Sünden hast sauer werden lassen, daß dich der Teufel, wenn dein Stündlein kommt, in den Abgrund der Hölle reiße, bist in deinem Leben nie froh geworden, verlierest Geld, Gut, Leib und Seele und führest über das alles, mit deinem verdammten Gut, Gottes Ungnade und Fluch über deine Kinder und Erben, die sein eben so wenig gebessert sollen sein, als du, ja darüber verarmen und in Jammer und Unglück kommen.“

Gott, wenn ich Nahrung hab' und Kleid,
So lasse mir's genügen;
Das Andre mache mir zu leid,
Und laß mich's nicht besiegen!
Weh', wenn mein Glauben irre schifft.
Den Schatz verliert, auf Felsen trifft,
Und endlich Schiffbruch leidet!
Die Geldsucht bringt nur Schmerzen ein;
Gieb, Herr, ein Herz, das solche Pein
Mit frohem Glauben meidet!
Amen!

Am 9. August.

„Herr, lehre mich thun nach deinem Wohlgefallen; denn du bist mein Gott. Dein guter Geist führe mich auf rechter Bahn!“ Ps. 143, 10. Mit diesem Gebete komme auch ich zu dir, mein Herr und Gott, und flehe um Hülfe und Segen zu einer heilsamen Führung meines Christenthums bis an mein seliges Ende. Ich hoffe von deiner Barmherzigkeit in Jesu Christo, du werdest mich unter den Versuchungen, mit denen ich täglich zu kämpfen habe, nicht verlassen. Stärke und befestige in mir den Vorsatz, allezeit nach deinem heiligen Willen zu leben, nach deinem gnädigen Wohlgefallen zu trachten und dir gehorsam zu bleiben, auch in Anfechtung, Noth und' Trübsal. Dein guter Geist erhalte mich auf dem Wege der Wahrheit und der Gottseligkeit, wie mich auch die eigene Trägheit, die böse Begier und die Lust der Welt davon hinweg locken möchten.

Vollende das gute Werk, das du in mir angefangen hast, und laß mir dein Antlitz immer herrlicher leuchten. Ohne dich bin ich arm, schwach, verlassen und ohnmächtig. Nur dann fühle ich mich froh und stark, glücklich und heiter, wenn dein Licht in meine Seele strahlt, dein Friede das Herz erquicket, dein Geist edle Gedanken und selige Gefühle weckt. Wie bin ich so kleinmüthig und verzagt, so unruhig und unvermögend, wenn ich einmal etwas auf den Antrieb meines eigenen Herzens auf die Anreizungen sinnlicher Neigungen, aus Eitelkeit oder der Welt zu gefallen unternehme.

Laß mich die Zeit meiner Heimsuchung erkennen und den Reichthum deiner Gnade nicht verachten, auf daß ich die Zeit des Heils nicht versäume, mich zu dir, meinem Herrn und Gott, bekehre und mein Leben bessere. Erhalte mich im Wachen und Beten, damit ich am Tage des Gerichts nicht zu Schanden werde, sondern das Ende des Glaubens, der Seelen Seligkeit, davonbringe. Ja, Alles mit dir und in deinem Namen! Auch das heutige Tagewerk mit dir, mein lieber himmlischer Vater. Amen.

Am 10. August.

Lobt Gott und rühmet allezeit
Die großen Wunderwerke,
Die Majestät und Herrlichkeit,
Die Weisheit, Kraft und Stärke,
Die er beweist in aller Welt
Und dadurch alle Ding' erhält,
Drum danket seinem Namen!

„Seid dankbar in allen Dingen, denn das ist der Wille Gottes in Christo Jesu an euch.“ 1. Thess. 5, 18. „Nach dem Glauben,“ sagt Luther, „mögen wir nichts Größeres thun, denn Gottes Lob, Ehre und Namen preisen, predigen, singen und auf allerlei Weise erheben und groß machen. Denn wiewohl kein Unterschied ist unter den Werken, so man sie gegen den Glauben hält, so ist doch eins höher, als das andere, so man sie unter einander misset. Denn gleichwie im Leibe die Glieder gegen die Gesundheit keinen Unterschied haben und die Gesundheit in einem gleich wirket, wie in dem andern; so sind doch der Glieder Werk verschieden, und eines höher, edler, nützlicher, denn das andere. Also auch hier Gottes Ehre und Namen preisen, dann die folgenden Werke der andern Gebote und muß doch in demselben Glauben gehen, da alle Andern innen gehen. Nun siehe, wie mancherlei gute Werke der Mensch mag in diesem Gebote alle Stunden thun und nimmer ohne gute Werke dieses Gebots sein, so er will. Denn, sage an, welcher Augenblick mag vergehen, darin wir nicht ohne Unter laß Gottes Güter empfangen oder aber böse Widerwärtigkeit leiden? Was sind aber Gottes Güter und Widerwärtigkeit anders, als stete Vermahnung und Reizung, Gott zu loben, zu ehren und zu benedeien, ihn und seinen Namen anzurufen? Wenn du nun aller Dinge müßig wärest, hättest du nicht genug zu schaffen allein an diesem Gebot, daß du zu Gottes Namen ohne Unterlaß benedeiest' singest, lobest, ehrest? Wozu ist die Zunge, Stimme, Sprache und der Mund anders geschaffen? Wie Ps. 51 stehet: „Herr, thue auf meine Lippen, daß mein Mund möge verkündigen dein Lob.“ Wenn wir dieses Wort wahrnähmen, so hätten wir hier auf Erden ein Himmelreich und allzeit genug zu thun, wie die Seligen im Himmel.“' Darum lobet den Herrn in seinem Heiligthum, lobet ihn in der Beste seiner Macht. Lobet ihn in seinen Thaten; lobet ihn in seiner großen Herrlichkeit. Lobet ihn mit Posaunen, lobet ihn mit Psalter und Harfen. Lobet ihn mit Pauken und Reigen, lobet ihn mit Saiten und Pfeifen. Lobet ihn mit hellen Cymbeln; lobet ihn mit wohlklingenden Cymbeln. Alles, was Odem hat, lobe den Herrn Hallelujah! Amen.

Am 11. August.

„Herr, erquicke mich um deines Namens willen, führe meine Seele aus der Noth um deiner Gerechtigkeit willen.“ Ps. 143, 11.

Nacht und Schlaf ist jetzt zurücke,
Und ich soll zur Arbeit gehn.
Nun die ersten Augenblicke
Müssen auf den Himmel sehn.
Lieber Vater, walte du,
Führe mich dem Himmel zu.

Daß du mich die Nacht beschützet,
Dafür sei dir Dank gebracht;
Nimm, was mir am Tage nützet,
Gleichfalls väterlich in Acht.
Treuer Vater, walte du,
Führe mich dem Himmel zu.

In so mancherlei Beschwerden
Sieh und wende meine Noth,
Und bei meinem Schweiß auf Erden
Segne mir mein Stücklein Brod.
Reicher Vater, segne du,
Führe mich dem Himmel zu.

Uebereilte mich die Sünde,
Denn du weißt, wie schwach ich bin.
So vergieb mir, deinem Kinde,
Wirf mich nicht im Zorn dahin.
O Erbarmer, schone du,
Führe mich dem Himmel zu.

Jesu, du nur bist mein König,
Herrsche du allein in mir;
Mache dir mich unterthänig,
Denn mein Herz gehöret dir.
Nun, mein Herr, regiere du,
Führe mich dem Himmel zu.

Laß dein Schäflein Weide finden
Unter deinem sanften Stab;
Bleib' ich einen Schritt dahinten.
Schneide mir den Irrweg ab.
Treuer Hirte, rufe du,
Führe mich dem Himmel zu.

Lehr' mich als am Tage wandeln,
O du werther heil'ger Geist,
Gieb mir Weisheit, so zu handeln.
Wie es Christen würdig heißt.
Was ich nicht kann, schaffe du,
Führe mich dem Himmel zu.

Wenn ich endlich ausgewallet,
Laß mich schlafen in der Gruft;
Wenn dann die Posaune schallet.
Die uns zum Erwachen ruft,
Führe mich dem Himmel zu;
Dort ist Leben, dort ist Ruh.

Amen!

Am 12. August.

„Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit, denn sie sollen satt werden.“ Matth. 5, 6. Wer sich gesättigt fühlt mit irdischem Gut, wer in der Lust der Welt seine volle Befriedigung findet, wer sich dabei für gerecht und tugendhaft hält und für geschickt zu allen guten Werken, der wird freilich nicht verlangen nach dem Licht und Heil und Trost des Evangeliums, dem wird Christus in seiner Armuth und Demuth. eine 'Thorheit und ein Aergerniß sein. Wer es aber recht lebhaft fühlt, daß er durch sich selbst nichts vermag, daß all sein Wissen Stückwerk und seine Tugend wie ein bestecktes Kleid ist, wer sich über die engen Grenzen der Zeit hinaus nach dem Frieden und nach der Herrlichkeit des ewigen Lebens sehnt, wer die Versöhnung mit dem Heiligen und Gerechten durch den ewigen Mittler Jesus Christus begehrt, der wird gesättigt werden mit dem Brode des Lebens. Es ist keine Seele so geschickt, die Freundlichkeit des Herrn zu schmecken, als die in Anfechtung und Trübsal die Trostlosigkeit der menschlichen Weisheit erkannt hat.

Nur ein zerbrochenes Herz will Gott heilen, ein verwundetes verbinden, ein mattes stärken, ein trauriges trösten; nur den Demüthigen will er Gnade geben und die Gebeugten aufrichten. Wenn das Herz seinen Jammer fühlt, wird's begierig nach dem göttlichen Trost und erquicket wie ein welkes Blümlein vom Thau. Das ist's, was Maria preiset in ihrem Lobgesang: „Die Hungrigen füllet er mit Gütern und läßt die Reichen leer.“ Luc. 1, 53. Ein rechter Hunger und Durst muß in uns brennen nach dem Freunde der Sünder, der uns gerecht macht durch sein Blut. Dann reicht er uns die Hand und spricht: „stehe auf und wandle!“ - Den Armen wird das Evangelium gepredigt, Denen, die in der Wüste des Lebens nach dem himmlischen Manna schmachten, die sich so hülfsbedürftig und verlassen fühlen und die sich sehnen nach einem neuen Himmel und nach einer neuen Erde, in welcher Gerechtigkeit wohnet. Was fragen Diejenigen nach dem ewigen Vaterlande, die ihren Himmel schon auf Erden haben! Ach, erwecke täglich in mir, mein Gott, das Verlangen nach deinem Heil und entzünde in mir einen heißen Durst nach deiner Gerechtigkeit. „Ohne mich könnet ihr nichts thun,“ sprach der Herr zu seinen Jüngern, und darum will ich zu ihm gehen und bei ihm Rath, Trost, Hülfe und Beistand suchen und von ihm annehmen. Amen.

Am 13. August.

„So spricht der Herr Zebaoth: Sehet, wie es euch gehet! Ihr säet viel, und erntet wenig; ihr esset, und werdet doch nicht satt; ihr trinket, und stillet den Durst nicht; ihr kleidet euch, und könnet euch doch nicht erwärmen; ihr erwerbet Geld, und legt es in einen löcherigen Beutel.“ Haggai 1, 5 und 6. Was ist der Grund der kümmerlichen Ernte von einer großen Aussaat? des Hungers und Durstes, der niemals gestillt werden kann? der Kälte, gegen welche uns die Kleidung nicht zu schützen vermag? und des durchlöcherten Beutels, worin wir unser Geld aufzubewahren glauben? Es ist der Mangel des göttlichen Segens, und dieser fehlt, weil uns Gott und sein Dienst eine Nebenfache, ein entbehrliches Ding, ja etwas Ueberflüssiges scheint. Wir glauben mit unserer Klugheit, mit unserm Verstande, mit unserm Glücke und Gelde Alles ausrichten und das Gedeihen unter einem höhern Einfluß entbehren zu können. Wir vergessen bei der Arbeit das Gebet, bei unserem Tagewerk den Blick nach oben. Wir erwarten von der Erde unsern Lohn, unsere Freude, unsern Segen. Da kommen denn die bösen Begierden und Leidenschaften, und zehren den Erwerb schnell hinweg, zertreten die ausgestreute Saat, bringen Heißhunger zum Essen und Unersättlichkeit zum Trinken. Das Wenige, was uns zuwächst, wird durch Ausschweifungen, Nachlässigkeiten und Thorheiten bald zur Spreu gemacht. Die Gottseligkeit aber hat die Verheißung dieses wie des zukünftigen Lebens. Wie bald würde die Blindheit der Menschen aufhören, wenn sie im Stande wären, ihre eigenen Wege zu betrachten; wenn sie ein Auge hatten für die Ordnung Gottes und für ihre eigene Unordnung, für die Klarheit des Herrn und für die Dunkelheit ihres eigenen Herzens. Wie bald würden sie dann das Rechte finden, das Bessere erkennen, und das Eine, das noch Hut, festhalten. Wie leicht würde es ihnen werden, Häuser zu bauen und zu erhalten, mit Zufriedenheit und Danksagung die Wohlthaten der Natur zu empfangen, sich mit Wenigem genügen M lernen und in diesem Wenigen großen Reichthum zu finden. Wie gelehrig würden sie sein, des Lebens Bedarf sich zu verschaffen, durch Mäßigkeit es zu vervielfältigen und in jeder Gabe die Lieblichkeit Gottes zu schmecken. Habe ich auch heute in dieser Weisheit zugenommen und meine Arbeit mit gottseligem Eifer gethan? War ich bescheiden, genügsam, mildthätig und in allen Stücken dankbar? Ach, laß es mich immer deutlicher sehen, mein Gott, wie es mir gehet und welche Wege ich wandle, und erhalte mich fest auf deinen Wegen. Du hast dich ja uns nicht unbezeugt gelassen, hast uns viel Gutes gethan und vom Himmel Regen und fruchtbare Zeiten gegeben und unsere Herzen erfüllet mit Speise und Freude. Apost.-Gesch. 14, 17. Deine Name sei gepriesen von dankbaren Lippen! Amen.

Am 14. August.

„Und Jesus reckte die Hand aus über seine Jünger und sprach: Siehe da, das ist meine Mutter und meine Brüder. Denn wer den Willen thut meines Vaters im Himmel, derselbige ist mein Bruder, Schwester und Mutter.“ Matth. 12, 49 und 50. Dieses Schriftwort zeigt, wer die rechten Brüder und Schwestern des Herrn Jesu sind. In ernster Unterredung mit den Pharisäern hat der Herr manches harte und schwere Wort gesagt; da wird er unterbrochen: „Siehe, deine Mutter und Brüder sind draußen, und wollen mit dir reden.“ Sie waren, wie wir annehmen dürfen, aus falscher fleischlicher Liebe gekommen Marc. 3, 21), seinem Eifer Einhalt zu thun, aber er läßt sich nicht hindern in dem, weßhalb er auf Erden erschienen ist. Jesum nach dem Fleische kennen (2. Kor. 5, 16), von Jesu Alles wissen, was die Evangelien berichten, das hilft noch nicht zur Seligkeit. Christus ist geoffenbaret im Fleisch, aber gerechtfertigt im Geist. Und Niemand kann Jesum wahrhaftig den Herrn, seinen Herrn nennen, ohne durch den heiligen Geist. Wer den im Fleische erschienenen Jesus mit Glaubensaugen ansieht und in ihm Den erkennet, der um unsrer Sünde willen gestorben und um unsrer Gerechtigkeit willen auferwecket ist, der kennet ihn recht, der ist sein Bruder, seine Schwester und Mutter. Und von dieser Verbindung und Gemeinschaft mit Christo sollen wir uns nicht abwenden lassen durch die Verhältnisse irdischer Liebe und verwandtschaftlicher Bande. Diese müssen vielmehr da verleugnet werden, wo sie dem Reiche Gottes, in welchem nur Gottes Wille gilt, hindernd in den Weg treten. Und das sollen wir um so mehr zu Herzen nehmen, je schwerer es dem Fleische fällt, sich in Gottes Rath und Willen zu fügen. Wer Vater oder Mutter, Weib oder Kind, Bruder oder Schwester mehr liebt, denn mich, ist mein nicht werth, spricht der Herr. Er, der Sohn Gottes und König des Himmelreichs, hat sich nicht geschämt, uns Brüder zu heißen und will sich auch unser nicht schämen in seiner herrlichen Wiederkunft. So hilf uns denn, Herr Jesu Christ, daß wir allezeit den Willen thun deines Vaters im Himmel, der durch dich auch unser Vater ist. Du stellst uns arme, hülfsbedürftige, sündige Menschen deinem treuen Heilandsherzen so nahe und schließest keinen aus, der zu dir kommt. So kann uns, deinen Brüdern, nichts mangeln, was noth ist und heilsam in Zeit und Ewigkeit.

O Herr, durch dein' Kraft uns bereit'
Und stärk' des Fleisches Blödigkeit,
Daß wir hier ritterlich ringen,
Durch Tod und Leben zu dir dringen!

Amen!

Am 15. August.

Groß bist du, o Herr, und sehr zu preisen, groß ist deine Kraft, und deine Weisheit ohne Maaß. Zu deinem Lob hast du uns geschaffen, und unser Herz ruhet nicht, bis es ruhet in dir. Aber wer giebt, daß du in mein Herz kommst, daß du es mit heiliger Freude und Wonne erfüllest, daß ich allen Jammer vergesse und dich allein umfasse? Was bist du mir? Vergieb, daß ich mich unterwinde, mit dir zu reden! Sage nur um deiner Barmherzigkeit willen, Herr mein Gott, was du mir bist. Sprich zu meiner Seele: Ich bin deine Hülfe!

Ich will deiner Stimme nachgehen und dich umfassen. Verbirg dein Antlitz nicht vor mir, daß ich nicht sterbe. Eng ist die Wohnung meiner Seele, komm und mache sie weit, zerrüttet ist sie, stelle sie wieder her. Viel Unreinigkeit der Sünde hat sich darin festgesetzt, die deinen Augen mißfällt; ich weiß und bekenne es. Ich will nicht mit dir rechten, denn du bist die Wahrheit, ich will mich selber nicht täuschen. Ich habe gesündigt, daß ich nicht in dir, sondern in deinen Creaturen meine Lust suchte: so bin ich in Schmerzen, Verwirrung und Irrthum gefallen. Ach, vergieb die Ungerechtigkeit meines Herzens und sprich zu mir, barmherziger Gott, sprich zu mir Armen: Ich bin deine Hülfe!

Entreiß mich dem Abgrunde eitler Freuden, laß mich empfinden, was es heißt, dich lieben, und tröste meine Seele, daß sie wiederum fröhlich werde. Herr, der du immerdar bist ohne Veränderung, der du lebest und regierest, sprich zu deinem Knechte: Ich bin deine Hülfe! Amen.

Am 16. August.

„Und nun, Kindlein, bleibet bei ihm, auf daß, wenn er geoffenbaret- wird, daß wir Freudigkeit haben und nicht zu Schanden werden vor ihm, in seiner Zukunft.“ 1. Joh. 2, 28.

Bleibt bei Dem, der euretwillen
Auf die Erde niederkam,
Der, um euren Schmerz zu stillen,
Tausend Schmerzen auf sich nahm.
Bleibt bei dem, der einzig bleibet,
Wenn auch Alles untergeht,
Der, wenn Alles auch zerstäubet,
Siegend über'm Staube steht.

Alles schwindet; Herzen brechen,
Denen ihr euch hier ergabt,
Und der Mund hört auf zu sprechen,
Der euch oft mit Trost gelabt;
Und der Arm, der euch zum Stabe
Und zum Schilde ward, erstarrt,
Und das Auge schläft im Grabe,
Das euch sorgsam einst bewahrt.

Alles stirbt; das Ird'sche findet
In dem Irdischen sein Grab,
Alle Lust der Welt verschwindet
Und das Herz stirbt selbst ihr ab.
Ird'sches Wesen muß verwesen,
Ird'sche Flamme muß verglüh'n,
Ird'sche Fessel muß sich lösen,
Ird'sche Blüthe muß verblüh'n.

Doch der Herr steht über'm Staube
Alles Irdischen und spricht:
Stütze dich auf mich und glaube,
Hoffe, lieb' und fürchte nicht!
Darum bleibt bei dem, der bleibet,
Und der geben kann, was bleibt,
Der. wenn ihr euch ihm verschreibet,
Euch in's Buch des Lebens schreibt.

Amen!

Am 17. August.

Herr Gott, himmlischer Vater! In dieser Morgenstunde befehle ich dir meinen Leib und meine Seele in deine liebreiche und gnadenvolle Regierung, in deinen mächtigen Schutz, in deine väterliche Aufsicht, Fürsorge und Treue. Laß mich und die lieben Meinigen heute deine heiligen Engel auf allen unsern Wegen begleiten. Laß deinen guten Geist uns kräftig regieren und unser Herz zum kindlichen Gehorsam lenken, daß wir von den Wegen der wahren Gottseligkeit nicht abweichen. Laß mir in all meinem Vornehmen dein Licht leuchten, deine Kraft mich stärken, deine Liebe mich drängen, deine Furcht mir beiwohnen, daß ich in Gerechtigkeit wandle, meinen Taufbund stets vor Augen habe, meinem Nächsten mit aufrichtiger Liebe, mit Sanftmuth, Demuth, Freundlichkeit, Dienstwilligkeit und Wahrheit begegne und die Worte im Herzen habe, die du sprichst: Wie ihr wollet, daß euch die Leute thun sollen, also thut ihnen gleich auch ihr!

Gieb, daß ich die Zeit, die ich noch zu leben habe, wohl und christlich anwende, zu deines Namens Ehre, meines Nächsten Dienst und meiner Selbstbesserung. Gieb mir auch die Gnade, daß ich mich meiner Sterblichkeit selbst erinnere, und meine Gedanken allzeit aus dem Zeitlichen in das Himmlische und Ewige richte. Und wenn ich dann meinen Lauf vollendet und das Ziel, so du mir in Gnaden gesetzt, erreicht habe: so verleihe mir nach deiner großen Barmherzigkeit um Jesu Christi willen ein sanftes, fröhliches und seliges Ende.

Gieb nur die Gnade, daß ich alles Irdische verlasse und um bei dir zu sein mit Luft abscheiden möge. Nun so laß mich weder Engel, noch Fürstenthum, noch Gewalt, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes, noch keine andere Creatur von dir und deiner Liebe scheiden, die da ist in Christo Jesu, meinem Herrn! Amen.

Am 18. August.

„Also auch ein Jeglicher unter euch, der nicht absagt Allem, was er hat, kann nicht mein Jünger sein.“ Luc. 14,33. Das ist das Grundgesetz im Reiche Christi gewesen von Anbeginn. Der Kaufmann (Matth. 13, 45) kam erst in den Besitz der köstlichen Perle, nachdem er Alles, was er besaß, verkauft und für die Perle hingegeben hatte. Zu dem israelitischen Jüngling, der zu Christo kam mit der Frage: „Herr, was muß ich thun, daß ich das ewige Leben erlange?“ sprach der Herr: „verkaufe Alles, was du hast, und gieb es den Armen und dann folge mir nach.“ Luc. 18, 22. So hatten auch die Jünger Alles verlassen und sich hingegeben ihrem Herrn und Meister in treuer, fester Liebe. Und allerdings verlangt das Christenthum eine völlige Selbstverläugnung, eine Aufopferung aller Neigungen und Wünsche, eine unbedingte Hingebung an den Dienst Jesu. „Es sei denn, daß Jemand von Neuem geboren werde, kann er nicht in das Reich Gottes kommen“ - sprach Christus zu Nicodemus in jenem Nachtgespräch (Joh. 3, 3). Und zu seinen Jüngern: „Wahrlich, ich sage euch, es sei denn, daß ihr euch umkehret, und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen.“ Matth. 18, 3. Alles Aufforderungen zu einer völligen Erneuerung unseres Gemüthes und Sinnes, wenn wir in das Reich Gottes eingehen wollen. Es ist eine ganz neue Welt, in welche uns Christus führt, eine ganz neue Herrlichkeit, die er über uns aufschließt. Sein Reich ist nicht von dieser Welt; was er uns verheißt, ist nicht Reichthum und Ueberfluß, nicht Glanz und Schimmer der Eitelkeit, nicht ein bequemes, gemächliches Leben, nicht äußeres Ansehen und Gewalt. Im Gegentheil - er weiset auf Armuth und Noth, auf Kampf und Entbehrung, auf Haß und Verfolgung, auf Kerker und Tod. „So Jemand zu mir kommt, und verläßt und verläugnet nicht seinen Vater, Mutter, Weib, Kinder, Brüder, Schwestern, auch dazu sein eigen Leben, der kann mein Jünger nicht sein.“ Luc. 14, 26. In dieser Entsagung, welche Erhebung! In dieser Armuth, welcher Reichthum! In dieser Hingebung, welcher Gewinn! Christus will keine getheilte Liebe, kein halbes Herz. Wie er sich uns ganz hingiebt, so sollen wir uns auch hingeben mit Allem, was wir sind und haben. Lehre mich, Herr, die Welt überwinden, dein Kreuz dir nachtragen, stark werden in der Liebe und überall nur dein Reich suchen.

Ich will dich lieben, meine Krone,
Auch in der allergrößten Noth;
Und würde mir auch nichts zum Lohne,
Ich will dich lieben, meinen Gott.
Ich will dich lieben, schönstes Licht,
Bis mir das Herze bricht!

Amen!

Am 19. August.

„Denn wir sind wohl selig, doch in der Hoffnung. Die Hoffnung aber, die man siehet, ist nicht Hoffnung; denn wie kann man das hoffen, das man siehet? So wir aber deß hoffen, so warten wir sein durch Geduld. Desselbigen gleichen auch der Geist hilft unserer Schwachheit auf; denn wir wissen nicht, was wir beten sollen, wie es sich gebühret, sondern der Geist vertritt uns auf das Beste, mit unaussprechlichem Seufzen.“ Röm. 8, 24-26. Die Verheißung, die uns Christen gegeben ist, sie ist die höchste und reichste, welche gedacht werden mag - die Seligkeit. Wenn diese aber auch erst in der zukünftigen Herrlichkeit den Gläubigen zu Theil wird, so sollen wir doch auch schon hier einen Vorschmack empfangen, und wie man oft den erquickenden Strahl der Sonne „die Sonne“ selbst zu nennen pflegt, so doch Jeder weiß, daß damit nicht das majestätische Tagesgestirn selbst, sondern nur ihr Licht und ihre Wärme gemeint ist, so redet die heilige Schrift auch oftmals von der „Seligkeit“, die schon hier die Herzen der Kinder Gottes erfüllt. In diesem Sinne spricht der Apostel von sich und allen Gläubigen: Wir sind wohl selig, aber er fügt auch gleich hinzu: doch in der Hoffnung auf die Offenbarung und den völligen Genuß, und gebietet, dessen in Geduld zu warten, denn dies stille Warten und Hoffen in Geduld, dies feste Beharren in allerlei Leiden und Anfechtungen von innen und außen, wodurch wir nach Christi Exempel in die Herrlichkeit eingehen müssen - das ist des Christen Gnadenstand, des Glaubens Seligkeit hienieden.

In diesem Stande sehen wir mit leiblichen Augen zwar nichts, aber mit dem Glaubensauge einen offenen Himmel, ein versöhntes Vaterherz, ein freundlich Angesicht des heiligen Gottes, das uns nicht im Zorn, sondern in Gnaden anschauet. Und in solchem Anblick werden wir frei von aller Sorge des Lebens und aller Furcht des Todes, denn wir wissen: wir werden in Frieden heimfahren zu der Stätte, die Christus den Seinen bereitet hat.

O meine Seele, wenn in dir solche zuversichtliche Hoffnung der künftigen Herrlichkeit lebet, dann ist die Scheidewand hinweggethan, die das Kind vom Vater, die gefallene Kreatur vom heiligen Schöpfer, den Erdenpilger von der ewigen Heimath trennt - dann hast du hier einen reichen Vorschmack der himmlischen Seligkeit, dann bist du selig. Dann hast du freien Zugang zu dem Vater und kannst ihn bitten, wie die lieben Kinder ihren lieben Vater bitten; dann wirfst du all deine Noth und Klage auf ihn und weiht: er sorgt für mich mit Vatertreue; dann brennen die Schulden und die Sünden der vergangenen Tage dir das Herz nicht mehr wund, du weißt: Christus hat sie ausgetilgt am Stamme des Kreuzes; dann lebst du nicht mehr mit der Welt und ihren Freuden, du weißt: man kann nicht zween Herrn dienen; dann wandelst du fröhlich auch unter Kreuzeslast und auf Dornenpfaden, du weißt: dieser Zeit Leiden sind nicht werth der Herrlichkeit, die an uns soll offenbar werden. Ohne Unterlaß redest du mit deinem Gott, und wenn du nicht weißt, was du beten sollst, was dir das Beste und Nützlichste sei und wie du dein Gebet nach göttlichem Willen und am erhörlichsten einrichten sollst, so hilft dir sein Geist auf, legt dir in's Herz und in den Mund, was deinen Bitten fehlt und wirket solche Seufzer in dir, die du nimmer genug verstehen, geschweige aussprechen kannst. Amen.

Am 20. August.

„Nun aber bleibet Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größeste unter ihnen. 1. Kor. 13,13.

Unter jenen großen Gütern,
Die uns Christus zugetheilt,
Ist die Lieb' in den Gemüthern
Wie ein Balsam, der sie heilt,
Wie ein Stern, der herrlich blinket,
Wie ein Kleinod, dessen Preis
Niemand zu benennen weiß,
Wie die Schönheit, die uns winket,
Und die Lust, die Jedermann
Zwingen und vergnügen kann.

Liebe kann uns Alles geben,
Was auf ewig nützt und ziert,
Und zum höchsten Stand erheben,
Der die Seelen aufwärts führt.
Menschen- oder Engelzungen,
Wo sich keine Lieb' erweist,
Wie beredt man sonst sie preist,
Wie beherzt sie angedrungen,
Sind ein flüchtiger Gesang,
Sind ein Erz- und Schellenklang.

Was ich von der Weisheit höre,
Der Erkenntniß tiefer Blick,
Die geheimnißvolle Lehre,
Und des Glaubens Meisterstück,
So der Berge Grund versetzet,
Und was sonst den Menschen ehrt,
Das verlieret seinen Werth,
Alles wird für nichts geschätzet,
Wenn sich nicht dabei der Geist,
Der die Liebe wirkt, erweist.

Hätt ich alle meine Habe
Mild den Armen zugewandt,
Opfert' ich mich selbst dem Grabe,
Scheut' ich nicht der Flammen Brand,
Gab' ich meinen Leib auf Erden
Ihnen zu verzehren hin,
Und behielte meinen Sinn:
Würd' ich doch nicht besser werden,
Bis mich wahre Lieb' erfüllt,
Die aus Gottes Herzen quillt.

Glaubenssieg und Hoffnungsblüthe
Führt uns tröstend durch die Welt,
Bis das irdische Gebiete
Und der Schöpfungsbau zerfällt;
Nur der Liebe weite Grenzen
Strecken sich in Ewigkeit;
Alle, die sich ihr geweiht,
Werden unaufhörlich glänzen.
Glaub' und Hoffnung bleiben hier;
Liebe währet für und für.

O du Geist der reinen Liebe,
Der von Gott du gehest aus,
Laß mich spüren deine Triebe,
Nimm dir hin mein Herz und Haus!
Was in mir sich selbst nur suchet,
Es nicht treu mit Andern meint,
Haß ist, und nur Liebe scheint,
Laß mich halten als verfluchet;
Lenke meinen ganzen Sinn,
Geist der Lieb', zur Liebe hin!

Amen!

Am 21. August.

„Sehet euch vor vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig aber sind sie reißende Wölfe.“ Matth. 7, 15. Wir sollen uns hüten vor den falschen Propheten, vor denen, die da vorgeben, daß sie uns den Weg des Lebens lehren, zu Glück, Heil und Seligkeit führen wollen, und doch uns irre führen in Aberglauben, Unglauben und Verderben. Dazu haben sie Gaben und Kräfte, sind der Rede mächtig und verstehen mit dem Strome ihrer Worte die Gemüther zu überwältigen und mit ihrem verschlagenen Verstande die Herzen zu bezaubern, indem sie den Sinnen schmeicheln und die Gefühle aufregen. Solchen falschen Propheten ist's nur darum zu thun, sich einen Namen zu machen, daß man sie ehren, bewundern und fürchten muß.

Falsche Propheten hat es zu allen Zeiten gegeben: in den Tagen des Herrn waren es die Pharisäer, die mit dem Schein eines gottseligen Wesens das Volk verführten, und die Sadducäer, die gar vom Glauben gefallen waren, und ihre Jünger nach ihres Herzens Gelüsten dahin leben lehrten. Und diese Verführer, sie sind auch heutzutage nicht ausgestorben und treiben ihr Lügenwesen in allen Ständen. Das Wort Gottes ist ihnen verhaßt, weil es nur Jesum Christum gelten läßt, und sie ziehen wider dasselbe mit allen Waffen ihres Verstandes und ihrer schlagfertigen Rede zu Felde, als wäre es nicht die seligmachende Wahrheit, sondern ein ersonnenes Mährlein. Dagegen preisen sie ihren Weg als den allein richtigen an, auf welchem alle Menschen unfehlbar glücklich werden müßten. Sie können aber keine Seelennahrung darreichen, sondern säen Hochmuth, Augenlust und Fleischeslust, indem sie sagen, der Glaube, der doch das Herz macht, sei gleichgültig, und es komme nur auf die Werke an, oder sie sprechen leichtfertig: „Lasset uns essen und trinken, denn morgen sind wir todt!“ So zerreißen sie denn die Seelen und rauben ihren Gott, Christum und die Hoffnung des ewigen Lebens.

Und die versuchenden Stimmen solcher Irrlehrer, die sich in Schafskleidern unter die Heerde Christi mischen, sie finden so leicht Anklang in unserem verkehrten Herzen, dem ja die Natur des falschen Propheten angeboren ist und das in gar andern Dingen als in der Gnade Gottes in Christo Jesu durch Buße und Glauben sein Heil und seine Seligkeit sucht. Darum thut es noth, daß wir uns immer fester gründen auf Gottes Wort, das allein den rechten Weg zum Leben uns weisen kann, daß wir nicht müde werden im Gebet um des Herrn Licht und Kraft, dann wird der treue Gott uns erleuchtete Augen des Verständnisses geben, uns stärken und bewahren vor dem Argen, daß wir Glauben halten und Freudigkeit haben am Tage unsers Herrn Jesu Christi.

Du heiliges Licht, edler Hort,
Laß uns leuchten des Lebens Wort,
Und lehr' uns Gott recht erkennen,
Von Herzen Vater ihn nennen.
O Herr, behüt' vor fremder Lehr',
Daß wir nicht Meister suchen mehr,
Denn Jesum Christ mit rechtem Glauben,
Und ihm aus ganzer Macht vertrauen.

Amen!

Am 22. August.

„Wer auf den Wind achtet, der säet nicht, und wer auf die Wolken siehet, der erntet nicht.“ Pred. Sal. 11, 4. Der Herr schenkt den Seinen im Leben wohl manche gesegnete Stunde, wo er der Seele besonders nahe tritt und ihr sein Friedensantlitz zeigt, daß sie es schmeckt und erfährt: Es ist etwas des Heilands sein; daß sie mit seliger Gewißheit spricht: Mein Freund ist mein, und ich bin sein! Es sind das solche Feierstunden, wie sie dem Petrus auf Tabor, und den zwei Wandrern in Emmaus zu Theil wurden, wie sie Maria von Bethanien zu Jesu Füßen und die Jünger am See Genezareth mit dem Auferstandenen erlebten. In solchen Segensstunden, wo keine Welt und keine Sünde sich zwischen uns und unsern Heiland stellt, da legen wir dem Herrn Alles, was 'wir haben, auf's Neue freudig zu Füßen und geben uns ihm zu eigen; sprechen ihm das Gelübde unwandelbarer Treue und unablässiger Heiligung aus: Es sei in mir kein Tropfen Blut, Der, Herr, nicht deinen Willen thut! Abthun wollen wir Alles, was ihm mißfällt; trachten wollen wir mit Geduld in guten Werken nach dem ewigen Leben, trachten nach dem Reiche Gottes, daß es zu uns und zu allen Menschen komme.

O wie viel gute, fromme Vorsätze fassen wir vor dem Angesichte des Herrn! Warum haben wir so wenige ausgeführt? Warum bleibt's so oft beim Alten? Warum will's nicht vorwärts mit unsrer Heiligung?

Wenn es zur That kommen soll, ach, da gebricht es uns oft an dem freudigen Muth, der sich nicht mit Fleisch und Blut bespricht; die Hindernisse, die sich uns in der Nachfolge Jesu entgegenstellen, dünken uns zu groß, so unübersteiglich; die Welt, der Satan und unser Fleisch wollen es nicht zugeben, daß wir ohne Vorbehalt und Rückhalt dem Herrn uns hingeben und ihn lieben von ganzem Herzen und von ganzer Seele; wir achten mehr auf die Mühen und Fährlichkeiten, die mit dem Leben für den Herrn verbunden sind, als auf seinen Gnadenruf. - Ja, „wer auf den Wind achtet, der säet nicht, und wer auf die Wolken siehet, der erntet nicht!“ O Seele, schaue unverwandt auf den starken Herrn, der dich berufen hat zu seinem wunderbaren Licht. Bitte ihn um die rechte Demuth, so wirst du auch den rechten Muth haben, seinen Fußtapfen nachzufolgen, wirst in seiner Kraft die Werke thun, die er dir aufgetragen und wirst nicht auf halbem Wege stehen bleiben. Der das gute Werk in dir angefangen, der wird's auch vollenden. Ohne ihn vermagst du nichts, durch ihn vermagst du Alles. Er will stark sein in deiner Schwachheit. Darum nur getrost und freudig an's Werk. „Wer die Hand an den Pflug legt und siehet zurück, der ist nicht geschickt zum Reiche Gottes.“ Ohne Heiligung wird Keiner, Herr, in deinen Himmel gehn', O so mache immer reiner Hier mein Herz, dich einst zu seh'n;

Hilf du selber meiner Seele,
Daß sie nicht den Weg verfehle,
Der mich sicher dahin bringt,
Wo man ewig dir lobsingt!

Amen.

Am 23. August.

„Weichet nicht dem Eiteln nach, denn es nützet nicht, und kann nicht erretten, weil es ein eitel Ding ist.“ 1. Sam. 12, 21. Einiges in der Welt ist erst jüngst entstanden, Anderes schon längst untergegangen; Einiges hat die Mitte erreicht, Anderes ist im Beginnen; Alles aber fließt dahin und strebt nach einem gemeinsamen Orte.

O großer Strom, wohin rauschest Du? Eine geringe Quelle ist dein Anfang, du läufst und wächsest, und wirst wieder verschlungen. O Quelle, die nie versiegt, o Lauf, der nie ruht, o Abgrund, der nie erfüllt wird! Die Eitelkeit gebiert's, die Sterblichkeit reißt es fort, und Alles verschlingt der unersättliche Tod. Immer eilt die Gegenwart davon, immer folgt ihr die Zukunft nach, und weil ein ewiger Wechsel ist, so scheint ein ewiger Bestand zu sein. Denn das Auge des Sterblichen ist kurzsichtig und auf das Einzelne gerichtet; es erhebt sich nicht zur Anschauung des Ganzen. Hören daher die Menschen von der Veränderlichkeit der Dinge, so staunen sie und verwundern sich, als ob neuerdings sich begeben hätte, was doch schon vor Alters etwas Altes war. Mir scheint Alles wie im Aufbruche zu sein, ein Geräusch der ganzen Natur trifft mein Ohr, die da läuft, um zu ihrem Endziele zu gelangen. Wo sind unsere Väter, wo Alle, in deren Liebe und Freundschaft wir uns glücklich fühlten? O alte Zeit, wo bist du hin? Einst, da du noch warest, da liebte ich dich; jetzt, da du nicht mehr bist, liebe ich dich noch immer, und doch möchte ich nicht, daß du wiederkehrtest. Was ist das für ein unerhörtes Ding, daß man etwas liebt und seine Gegenwart nicht wünscht? Wer deutet meinem Herzen dieses wunderbare Gefühl?

Wohl mag ich darum deine Rückkehr nicht wünschen, weil ich lieber dort zu sein verlange, wo du jetzt bist. Einst liebte ich dich verkehrt, weil ich dich gern da hätte bleiben lassen, wo ich war jetzt liebe ich dich besonnener, weil ich dort sein will, wo du ewig stehst. Ich bin in der Verbannung, du im Vaterlande, und darum werde ich nicht müde, deiner zu gedenken, weil ich in der Erinnerung an dich gleichsam zum Vaterlande zurückeile. O wie süß ist es, im fremden Lande der Vergangenheit zu gedenken!

Am 24. August.

„Glaube an den Herrn Jesum, so wirst du und dein Haus selig.“ Apstg. 16, 31.

Wohl einem Haus, wo Jesus Christ
Allein das All im Allem ist!
Ja, wenn er nicht darinnen wär',
Wie finster wär's, wie arm und leer!

Wohl, wenn der Mann und Weib und Kind
Im rechten Glauben einig sind,
Zu dienen ihrem Herrn und Gott
Nach seinem Willen und Gebot!

Wohl, wenn ein solches Haus der Welt
Ein Vorbild vor die Augen stellt,
Daß ohne Gottesdienst im Geist
Das äußre Werk Nichts ist und heißt!

Wohl, wenn das Räuchwerk im Gebet
Beständig in die Höhe geht,
und man nichts treibet fort und fort,
Als Gottes Werk und Gottes Wort!

Wohl, wenn die Eltern gläubig sind
Und wenn sie, Kind und Kindeskind
Versäumen nicht am ew'gen Glück,
Daß ihrer keines bleibt zurück.

Wohl, wenn im äußerlichen Stand
Mit fleißiger, getreuer Hand
Ein Jegliches nach seiner Art
Den Geist der Eintracht offenbart!

Wohl solchem Haus! denn es gedeiht;
Die Eltern werden hocherfreut
Und ihren Kindern sieht man's an,
Wie Gott die Seinen segnen kann.

So mach' ich denn zu dieser Stund'
Sammt meinem Hause diesen Bund:
Wich' alles Volk auch von ihm fern, -
Ich und mein Haus stehn bei dem Herrn!

Amen!

Am 25. August.

„Ich habe mir vorgesetzt, ich will mich hüten, daß ich nicht sündige mit meiner Zunge. Ich will meinen Mund zähmen, will verstummen und stille sein. Ps. 39, 2 und 3. Mein Mund soll die Wahrheit reden, und meine Lippen sollen hassen, was gottlos ist.“ Spr. 8, 7. Mit diesem Vorsatz will ich auch heute in die Mitte des geselligen Lebens treten. Ach, wie viel Unredlichkeit und Falschheit, wie viel Lug und Trug erlaubt sich die leichtsinnige Menge! Rasch fährt das Wort über die Lippen, unbesonnen und unüberlegt, oft im Zorn und bösen Willen, oft im Sturm empörter Leidenschaft. Man hat nicht bedacht, ob nicht durch das unzeitige Wort die Ehrfurcht gegen Gott verletzt, der Nächste betrübt, geärgert und gelästert, die Unschuld vergiftet, das Recht gebeugt, das Eigenthum gefährdet, das Gewissen beunruhigt wird. Die Zunge ist ein klein Glied, aber richtet großen Schaden an; ein klein Feuerlein, das einen Wald anzünden kann. Sie ist eine Welt voll Ungerechtigkeit, ein unruhig Uebel, eine giftige Schlange.

Ein Schiff, ob's wohl groß ist und von starken Winden getrieben wird, lenkt man doch mit einem kleinen Ruder: aber die Zunge vermag der Mensch oft nicht zu lenken mit allen Geboten der Liebe und mit aller Kraft seines Willens. Alle Natur der Thiere, der Vögel, der Schlangen und der Meerwunder werden gezähmet und sind gezähmet von der menschlichen Natur; aber die Zunge kann kein Mensch zähmen, das unruhige Uebel voll tödtlichen Giftes. Jac. 3, 7 und 3.

Der Zorn fährt oft wie brausender Sturm einher und zerschmettert alle guten Vorsätze und Gründe der Vernunft. List, Bosheit, Schmeichelei, Tücke, Betrug und Lüge - sie werden alle offenbar durch die rasche schnellbewegliche Zunge. Darum will ich vor Allem mein Herz reinigen; denn wie kein süß Wasser aus dem Meere, so kommen auch keine heilsamen Reden aus dem verderbten Herzen. Weß das Herz voll ist, des; geht der Mund über. Ein guter Mensch bringet Gutes hervor aus dem guten Schatze seines Herzens, und ein böser Mensch bringet Böses hervor aus seinem bösen Schatze.

Matth. 12, 35. Redlich will ich sein in Wort und That, und was der Mund redet, soll das Herz empfinden. Ehe ich rede, will ich denken, und ehe das Wort aus meinem Munde geht, soll es im Innern wohl erwogen werden.

Hilf, daß ich rede stets, womit ich kann bestehen,
Laß kein unnützes Wort aus meinem Munde gehen;
Und wenn in meinem Amt ich reden soll und muß,
So gieb den Worten Kraft und Nachdruck ohn' Verdruß.

Amen!

Am 26. August.

„Richtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet; verdammet nicht, so werdet ihr auch nicht verdammet; vergebet, so wird euch vergeben.“ Luc. 6, 37. Eine Vorschrift die ich so oft vergesse und ohne welche doch der Geist der Liebe gar nicht bestehen kann. Der Heiligste unter den Menschen soll mir auch hierin ein Vorbild sein. Wie unabhängig sein Urtheil von Allem, was nur äußerlich ist und zufällig am Menschen, wie vorurteilsfrei in jedem Verhältnis auch bei der feindseligen Gesinnung seiner Widersacher! Wo irgend ein sittliches Gefühl, irgend ein guter Wille sich zeigt, da ist man seiner Billigung, seiner Geduld, seines trostreichen Beistandes gewiß. Er verdammet nicht, wo Alle verdammt hätten; er richtet milde und nachsichtsvoll, wo Alle schonungslos gerichtet hätten; er weiß selbst bei tiefem Verderben das glimmende Docht anzufachen, und hält, wo nur dies nicht erloschen ist, die Erhebung, selbst aus dem tiefsten Abgrunde, zur Freiheit eines geistigen Lebens nicht für unmöglich. Schon die Sehnsucht nach einem solchen Leben ist ihm Bürgschaft, daß es früher oder später gewiß ergriffen werde. So sein Urtheil über die büßende Magdalena, über die Ehebrecherin, über die Samariterin, über den reichen Jüngling, über Petrus, den Mitgekreuzigten, das Volk um den Richtplatz. Deinem Sinne will ich immer ähnlicher werden, heiligster Jesu! Ich will nicht wieder schelten, wenn ich gescholten werde, nicht drohen, wenn ich leide, will versöhnlich sein meinem Widersacher und Beleidigungen vergessen und vergeben. Seh' ich doch unter meinen Zeitgenossen täglich Züge von Wahrhaftigkeit, Treue, Ausdauer, Uneigennützigkeit und Selbstverläugnung, von Theilnahme an fremdem Wohl, /von herzlicher Dankbarkeit, sich aufopfernder Liebe und redlichem 'Bestreben in Erfüllung des Berufs. Das versöhne mich mit manchen betrübenden, ja schreckensvollen Erscheinungen der Zeit und halte den Glauben an die Menschheit in mir fest.

Liebe, du für uns an's Kreuz erhöhte!
Liebe, die für ihre Mörder flehte;
Durch deine Flammen
Schmelz' in Liebe Herz und Herz zusammen!

Könnten wir uns froh die Deinen nennen,
Und von Widrigkeit und Haß entbrennen?
Lehr' uns vergeben!
Herr, ist dein Verzeih'n nicht unser Leben?

Alles, was wir thun in unserm Kreise,
Sei ein Nachhall deiner Huldbeweise;'
Denn, o wir Armen!
Herr, was sind wir ohne dein Erbarmen?

Amen!

Am 27. August.

„Die Himmel erzählen die Ehre Gottes, und die Beste verkündiget seiner Hände Werk. Ein Tag sagt's dem andern, und eine Nacht thut's kund der andern.“ Ps. 19, 2-4. Ein ewiges Loblied verherrlicht den Herrn der Schöpfung, ein Chor von Millionen Stimmen preiset seinen Ruhm. Wer diese Stimmen zu deuten versteht, wie es David verstand, dem wird die weite Schöpfung zu einem großen Dom voll brausenden Lobgesangs, und das Herz wird ihm bewegt, und er muß heiliger Begeisterung voll mit einstimmen in das tausendstimmige Lied. - Wir wissen ja wohl, die Kreatur selbst kennt ihres Liedes Inhalt nicht, aber es ist der Hauch Gottes, der in ihrem Liede lebt, es M der Schöpfer, der durch sie seine ewige Herrlichkeit feiert, damit wir, die wir ihn kennen, mit klarem Bewußtsein ihn als den Einen, dem Lob und Preis gebührt, feiern.

Tritt nur hinaus auf die Flur in der Morgenfrühe; kaum erwacht der junge Tag, so werden jubelnde Morgenlieder laut, die die Sonne begrüßen, die wie ein Held ihre Bahn zu laufen beginnt, . und wenn der Tag sich neigt und die letzten Strahlen die Wolken über uns verklären, klingt nicht aus dem Abendpurpur und Abendgold über uns noch der Lerchen fröhliches Danklied herab? - Und auch die stumme Kreatur trägt den Namen Gottes; ersteht geschrieben auf jedem Blatt im Hain, auf jeder Blüthe, jedem Halm, auf den Netzflügeln der Mücke, die sich im Sonnenglanze wiegt, wie auf den Fittigen des Adlers, der hoch in den Lüsten über uns kreist.

Und steht, er nicht geschrieben auch in deinem Herzen, o Mensch? Hat sich dir nicht dein Gott geoffenbart in seiner unendlichen Herrlichkeit? Schaust du nicht seiner Gottheit Fülle, seine Herrlichkeit, Liebe und Gnade in seinem Worte, das Fleisch ward auf Erden, in der Gestalt seines Sohnes, die dir aus den Büchern der heiligen Schrift entgegentritt, eine Knechtsgestalt, dir gleich, dem äußern nach, aber umwallt vom Glorienschein himmlischer Verklärung? Und du, o Mensch, wolltest schweigen? Du allein wolltest deinem Herrn die Ehre nicht geben, die ihm gebührt? Dann ständest du tief unter der vernunftlosen Kreatur.

Du hast deine Freude an der reichen Schöpfung, wohlan, vergiß über dem Kleide nicht den, der es sich webt und der es trägt, feiere nicht die Kreatur, wie so viele Thoren thun, sondern erhebe lobpreisend ihren ewigen Herrn! Sprich zu dir selbst, wie der königliche Sänger zu sich sprach: „Ich will den Herrn loben allezeit; sein Lob soll immerdar in meinem Munde sein. Meine Seele soll sich rühmen des Herrn, daß die Elenden hören und sich freuen. Preiset mit mir den Herrn, und laßt uns mit einander seinen Namen erhöhen.“

O daß ich tausend Zungen hätte
Und einen tausendfachen Mund,
So stimmt' ich damit um die Wette
Aus allertiefstem Herzensgrund
Ein Loblied nach dem andern an
Von dem, was Gott an mir gethan.

O daß doch meine Stimme schallte
Bis dahin, wo die Sonne steht!
O daß mein. Herz mit Jauchzen wallte,
So lang' es noch im Laufe geht!
Ach, wär' ein jeder Puls ein Dank
Und jeder Odem ein Gesang!

Amen!

Am 28. August.

Gott des Himmels und der Erden,
Vater, Sohn und heil'ger Geist,
Der du Tag und Nacht läßt werden,
Sonn' und Mond uns scheinen heißt,
Dessen starke Hand die Welt,
Und was drinnen ist, erhält.

Hilf, daß ich mit diesem Morgen
Geistlich auferstehen mag,
Und für meine Seele sorgen,
Daß, wenn nun dein großer Tag
Uns erscheint und dein Gericht,
Ich davor erschrecke nicht.

Führe mich, o Herr, und leite
Meinen Gang nach deinem Wort;
Sei und bleibe du auch heute
Mein Beschützer und mein Hort;
Nirgends als bei dir allein
Kann ich recht bewahret sein.

„Gott! Es ist mein rechter Ernst, ich will singen und dichten, meine Ehre auch. Wohlauf, Psalter und Harfe! ich will früh auf sein. Ich will dir danken, Herr, unter den Völkern, ich will dir lobsingen unter den Leuten; denn deine Gnade reicht, so weit der Himmel ist, und deine Wahrheit, so weit die Wolken gehen.“ Psalm 103, 2 und 5. Was ist doch der Mensch, daß du sein gedenkest, und des Menschen Kind, daß du dich seiner also annimmst! Herr, ich bin zu gering aller Barmherzigkeit und Treue, die du an mir gethan hast. Wie trostreich ist deine Verheißung: „fürchte dich nicht, ich bin mit dir; weiche nicht, denn ich bin dein Gott. Ich stärke dich, ich helfe dir auch, ich erhalte dich durch die rechte Hand meiner Gerechtigkeit.“ Jes. 41, 10. Sei auch heute mit mir, du treuer Gott, auf allen meinen Wegen. Laß mich deine Liebe schmecken; stärke mein Vertrauen, daß ich getrost von dir bitte, was mir zum Leben und zur Seligkeit dient und durch Christum erworben ist. Ich bitte oft, und verstehe nicht, was zu meinem Besten dienet; mir scheint oft gut, was mir verderblich werden kann; ich ergreife oft mit großem Verlangen, was ich zurückweisen sollte.

Darum, mein lieber himmlischer Vater, lege ich mich und mein Schicksal, mein Herz mit allen seinen Wünschen, meine Zukunft mit allen ihren Freuden und Leiden, das Wohl und Wehe meines ganzen Lebens mit vollem Vertrauen in deine heiligen Hände. Segne das Werk meiner Hände und gieb mir recht viele Gelegenheit, Gutes zu thun, Mach's überall mit mir nach deinem Rath und Willen. So bleibe ich dein Eigenthum und bin gewiß, daß weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstenthum noch Gewalt, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes, noch irgend eine Kreatur mich scheiden mag von deiner Liebe, o Gott, die in Christo Jesu ist, meinem Herrn. Amen.

Am 29. August.

„Der Herr kennet die Seinen.“ 2 Tim. 2, 19.

Es kennt der Herr die Seinen,
Und hat sie stets gekannt
Die Großen und die Kleinen
In jedem Volk und Land;
Er läßt sie nicht verderben,
Er führt sie ans und ein;
Im Leben und im sterben
Sind sie und bleiben sein.

Er kennet seine Schaaren
Am Glauben, der nicht schaut,
Und doch dem Unsichtbaren,
Als säh er ihn, vertraut;
Der aus dem Wort gezeuget,
Und durch das Wort sich nährt,
Und vor dem Wort sich beuget,
Und mit dein Wort sich wehrt.

Er kennt sie als die Seinen
An ihrer Hoffnung Muth,
Die fröhlich auf dem Einen,
Daß er der Herr ist, ruht;
In seiner Wahrheit Glanze
Sich sonnet frei und kühn
Die wunderbare Pflanze,
Die immerdar ist ist grün. -

Er kennt sie an der Liebe,
Die seiner Liebe Frucht,
Und die mit lautrem Triebe
Ihm zu gefallen sucht;
Die And'ren so begegnet,
Wie er das Herz bewegt;
Die segnet, wie er segnet,
Und trägt, wie er sie trägt.

So kennt der Herr die Seinen,
Wie er sie stets gekannt,
Die Großen und die Kleinen,
In jedem Volk und Land:
Am Werk der Gnadentriebe
Durch seines Geistes Stärk',
An Glauben, Hoffnung, Liebe,
Als seiner Gnade Werk.

So hilf uns, Herr, zum Glauben,
Und halt' uns fest dabei;
Laß nichts die Hoffnung rauben;
Die Liebe herzlich sei!
Und wird der Tag erscheinen,
Da dich die Welt wird seh'n,
So laß uns als die Deinen
Zu deiner Rechten steh'n!

Amen!

Am 30. August.

Wie kann ich, großer Gott und Herr meines Lebens, deine Güte und Treue genugsam preisen, womit du mich auch in verflossener Nacht behütet und sammt den lieben Meinigen mir das heitere Licht des Tages hast aufgehen lassen! Deiner Wohlthat ist kein Maß noch Ziel. Darum soll ich dir dienen, so gut ich kann und weiß. Darum bete ich mit aufgehobenen Händen: Dein Wille geschehe auf Erden wie im Himmel! Wie die Morgensterne dich loben und die Engelschaaren deine Befehle ausrichten, also will meine Seele dir unterthan und soll mein Mund deines Ruhmes voll, und mein Fuß allewege in deinen Schranken sein.

Hilf nur selbst dazu, Vater, von dem allein das Wollen und das Vollbringen des Guten kommt! Gieb deinen Willen in mein Herz, und nimm meinen Willen in deine Hand, auf daß ich meine Heiligung, die ja dein Wille ist, schasse durch deinen guten Geist. Begleite mich unter den Geschäften und in den Ruhestunden des Tages; regiere mich in der Einsamkeit und unter den Leuten; behüte mich vor Versuchung und mache mich gegen die Anfechtung stark; öffne mir eine richtige Bahn auch zu den Seelen meiner Angehörigen und anderer Menschen, daß ihr Wille mit dem meinigen verbunden deine Gebote halte und wir mit einander aus frohen Lippen deinen hochheiligen Namen preisen über dem Beistande, den du uns verleihest, und über den Segen, mit dem du uns beschüttest.

Alle äußerlichen Dinge des Lebens lege ich mit Vertrauen in deinen Schooß, und hoffe getrost, daß auch hiedurch deine Rathschläge in Erfüllung gehen müssen. Leib und Seele nimm in deine Obhut und Leitung. Du sollst das Wort haben und Recht behalten. Dein Wille geschehe auf Erden, wie im Himmel! Amen.

Am 31. August.

„Das Gebet der Frommen ist dem Herrn angenehm.“
Spr. 15, 8.

O wie heilig ist die Stätte,
Wenn der Christ in seinem Haus
Vor dem Herrn liegt im Gebete! -
Engel ziehen ein und aus,
Tragen still auf gold'nen Flügeln,
Was das Herz im Staube fleht,
Zu den lichtumfloss'nen Hügeln,
Wo der Thron der Gnade steht.

Von den Augen fällt die Binde
Irdischer Befangenheit;
Von dem Herzen schmilzt die Rinde
Hartbeklomm'ner Aengstlichkeit.
Frei bewegt der Geist die Schwingen,
Weil die Glaubenslampe brennt,
Und die Engel Gottes bringen
Frieden, den die Welt nicht kennt.

Denn der Vater spricht zum Kinde:
Sei getrost und weine nicht:
Mir gehorchen Wolken, Winde,
Finsterniß ist vor mir Licht.
Hülle dich in meine Gnade,
Willst du wohl bewahret sein;
Und berühret dich ein Schade,
Muß er dir zum Heil gedeih'n.

Und der Christ steht auf vom Beten,
Schreitet an sein Tagewerk;
Will ihn eine Noth betreten,
Ist der Höchste seine Stärk'!
Mit den rechten Glaubenswaffen
Immer christlich angethan,
Siehet man ihn Gutes schaffen,
Bis die Abendstunden nah'n.

Amen.

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