Schrenk, Elias - Andachten über das Evangelium nach Matthäus

Schrenk, Elias - Andachten über das Evangelium nach Matthäus

Matthäus 5,9

Selig sind die Friedfertigen, denn sie werden Gottes Kinder heißen.

Die Gottlosen haben keinen Frieden. Und weil so viel Gottlose in der Welt sind, ist so viel Unfriede, Streit und Krieg da. Auch Kinder Gottes können noch streiten. Barnabas und Paulus, zwei Männer voll des Heiligen Geistes, kamen einmal hart aneinander (Apg 15, 39). In was wetteifern die Nationen in unseren Tagen am meisten? In der Vorbereitung auf den Krieg. Und wer kann sagen, was für ein Krieg das sein wird! O wie fern sind wir noch von der Erfüllung des Engelgesanges: „Friede auf Erden!“ Es kann nicht Friede werden, bis Jesu Liebe siegt, bis er, der Friedefürst, kommt und die Herrschaft in seine Hand nimmt.

Darum ist eine Hauptaufgabe der Friedfertigen, der Friedensstifter, anhaltend zu rufen: „Komme bald, Herr Jesu!“ Sollen wir den schönen Namen „Friedensstifter“ tragen, müssen wir mit dem Gott des Friedens im Reinen sein, muß Jesus unser Friede, und der Friede nach außen und innen unser tiefes Bedürfnis geworden sein. Das ist bei allen Menschen der Fall, die zerbrochenen Herzens und gedemütigten Geistes geworden sind und als begnadigte Sünder in Geistesgemeinschaft stehen mit dem Gott des Friedens. Sie allein können Frieden stiften. Ist unser Herz nicht gründlich gedemütigt, so wird es leicht erregt, gereizt, empfindlich und ist rechthaberisch und ehrgeizig. So ist es fast unmöglich, Frieden zu halten oder zu stiften. Sind wir aber innerlich zerbrochene Leute, so machen wir nicht mehr alle möglichen Ansprüche, sondern können uns etwas gefallen lassen, nachgeben, stille sein, warten und in diesem Sinn auch auf andere wirken.

Als das stille, geduldige Lamm, als der Sanftmütige und von Herzen Demütige, der nicht seine, sondern nur des Vaters Ehre suchte, ist Jesus der große Friedensstifter geworden. Lernen wir von ihm! Dann werden wir einst vor dem Herrn als Söhne Gottes bekannt werden, und es wird sich schon in dieser Zeit zeigen, daß wir Kinder des Gottes sind, der der Gott des Friedens ist.

Ja, Du Gott des Friedens, regiere in meinem Herzen und bewahre durch Deinen Frieden Herz und Sinn, damit ich mich als Dein Kind erweise. Amen.

Matthäus 6,14.15.

Denn so ihr den Menschen ihre Fehler vergebt, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben. Wo ihr aber den Menschen ihre Fehler nicht vergebt, so wird euch euer Vater eure Fehler auch nicht vergeben.

Diese Worte des Herrn stehen unmittelbar nach dem Vaterunser und sind eigentlich eine Wiederholung und Verstärkung der Bitte: vergib uns unsere Schulden, wie wir vergeben unsern Schuldigern. Eben deshalb haben sie für uns besondere Bedeutung. Sie zeigen uns, dass Gott sich uns gegenüber stellt, wie wir uns unsern Mitmenschen gegenüber stellen. Du kannst also getauft, unterrichtet, konfirmiert sein und zum Abendmahl gehen; du kannst eine ganz richtige Kenntnis von Allem haben, was Christus für dich getan hat, und du hast doch nicht Vergebung der Sünden. Warum? Der Heiland sagt zu Simon: wem viel vergeben ist, der liebt viel. Du liebst aber wenig, oder gar nicht; du bist unversöhnlich, hart, bitter; damit beweist du, dass du selber nicht mit Gott versöhnt bist, sonst wärst du auch versöhnlich. Wir können nur durch den heiligen Geist an Jesu Versöhnungsblut glauben, zur Vergebung der Sünden; so lange wir mit Wissen und Willen den Geist der Unversöhnlichkeit in unseren Herzen beherbergen, versperren wir dem heiligen Geist den Weg in unsere Herzen, so dass er den Glauben an die Versöhnung durch Jesum Christum nicht wirken kann. So schließt sich also der Unversöhnliche selber aus von der Versöhnung Jesu Christi; sein Glaube ist eitel, sein Gebet ist eitel, seine Hoffnung ist eitel; sein Abendmahlsgenuss wird ihm zum Gericht. Wie furchtbar ernst! Da gilt es, allen Menschen zu vergeben und sich zu fürchten vor aller Unversöhnlichkeit, damit wir volle Vergebung erlangen in Jesu Blut. Er schenkt sie aus Gnaden.

Herr, mein Gott! Lass nichts Unversöhnliches in mir sein, damit ich vollen Anteil habe an der Versöhnung in Christo. Wirke in mir den priesterlichen Sinn, der vergeben und lieben kann. Amen.

Matthäus 7,21.

Es werden nicht Alle, die zu mir sagen: Herr, Herr! in das Himmelreich kommen; sondern die den Willen tun meines Vaters im Himmel.

Herr, Herr sagen lautet wie ein Bekenntnis. Man redet viel vom Bekenntnis, aber sehr oft nicht im Sinn dieser Worte Jesu. Wenn man meint, diese und jene Lehrformel unterschreiben sei ein hinreichendes Bekenntnis, so ist das eine große Täuschung. Nicht das Herr Herr sagen, oder Herr Herr schreiben ist schon ein Bekenntnis, das vor Gott gilt; zu einem rechten Bekenntnis gehören drei Stücke: Glauben von Herzen, Bekennen mit dem Mund, und das Tun des Willens des Vaters im Himmel. Manchmal eifert man gewaltig über dem reinen Bekenntnis; eifern ist gut und unter Umständen sehr nötig; aber wenn es so oft mit beißender Lieblosigkeit geschieht, so gar nicht im Geist Jesu Christi, so ist das kein Bekenntnis nach Jesu Sinn. Zu einem richtigen christlichen Bekenntnis gehört unerlässlich der Wandel nach Christi Sinn und Geist, denn der richtige Wandel ist eine Hauptsache bei unserem Bekenntnis. Wir bekennen uns zu Christi und der Apostel Lehre und wollen dabei bleiben bis in den Tod; aber wir bekennen uns nicht nur zu der Lehre, sondern vor Allem zu dem Lehrer. Das Große bei dem Herrn und seinen Aposteln war, dass sie lebten was sie lehrten, und so muss ein treuer Bekenner Jesu Christi auch leben, was sein Meister gelehrt hat. Das kann er nur, wenn Jesu Geist in ihm wohnt. Treibt ihn Jesu Geist, so ist er Jesu Untertan, Jesus ist in Wahrheit sein Herr. Dann ist sein Wandel im Himmel, wie Paulus an die Philipper schreibt, er ist jetzt schon im Himmelreich.

Herr Jesu! Du hast Deinen Vater allezeit bekannt, in Wort und Leben. Gib mir Gnade, dass ich Dich auch in Wort und Wandel bekenne und mich fürchte vor allem bloßen Reden. Heilige Du mich, dass mein Reden und Schweigen, mein Tun und Lassen von Dir zeuge. Amen.

Matthäus 8,20.

Des Menschen Sohn hat nicht, da er sein Haupt hinlege.

Wie leicht vergisst man doch die Armut unseres Herrn während seines Wandels hienieden! Wie harmoniert vornehmes Christentum mit Jesu Jüngerschaft? Hat der Mammon und die Ehre dieser Welt einen Altar im Herzen eines Nachfolgers dessen, der nicht hatte, da er sein Haupt hinlegte? Nein und noch einmal nein! Christen müssen sich wohl fühlen bei ihrem einst so armen Heiland; sie müssen sich wohl fühlen in der Gemeinschaft von armen Jüngern Jesu, an denen wir keinen Mangel haben. Er ist arm geworden, damit wir durch seine Armut reich würden. Jeder Zug im Leben und an der Person des Herrn soll eine Segensquelle für uns werden, so auch seine Armut. Er, durch den Alles geschaffen ist, und der alle Dinge trägt, lebte so, dass er von einem Tag auf den andern auch mit dem täglichen Brot ganz von seinem Vater abhängig war. Er war so demütig, dass er es nicht verschmähte, Handreichung von einigen Frauen anzunehmen, die ihm nachfolgten. Als er aber seine Jünger einmal fragte: habt ihr auch je Mangel gehabt? so konnten sie antworten: nie! Er ist also nie zu Schanden geworden mit seinem Vertrauen auf seinen Vater, für sein und seiner Jünger tägliches Brot. Wenn du betest: unser täglich Brot gib uns heute, so denke daran, dass diese Bitte zum ersten Mal von deinem armen Heiland gebetet wurde. Bete sie ihm nach im Glauben, und du wirst auch keinen Mangel haben, wenn dir, wie ihm das Reich Gottes die Hauptsache ist. Das ist meine Speise, dass ich tue den Willen dessen, der mich gesandt hat. Dieser Sinn Jesu muss unser Sinn werden, dann haben wir die beste Garantie für das tägliche Brot.

Herr Jesu! ich danke Dir für Deine Armut, für Deine Erniedrigung bis zum Tode am Kreuz. Hilf mir, Dir nachzufolgen, wie Du mich auch führen willst. Amen.

Matthäus 9,2

Sei getrost, mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben.

So sprach der Herr zu dem Gichtbrüchigen, der zu ihm gekommen war. Ohne Zweifel brachte man ihn zum Heiland, dass er ihn zunächst heile; der Herr sieht aber ein tieferes Bedürfnis bei ihm als Heilung des Leibes: er hatte keinen Frieden mit Gott. Von wie vielen Kranken gilt dasselbe! Nicht Heilung des Leibes ist es, was sie zuerst bedürfen; nicht einmal Geduld ist es, in der sie Gott zunächst üben will. Er hat sie in die Stille geführt, damit sie zu sich selber kommen und das tiefste Bedürfnis ihres Herzens erkennen sollen. Wohl den Kranken, die ihren Gott mit aufrichtigem Herzen fragen: was hast Du mir zu sagen? O, er hat uns Manches zu sagen. Vielleicht hat er dir zu sagen, dass du dir keine Zeit genommen hast zum Seligwerden; nun legt er dich hin, und gibt dir Zeit. Vielleicht hast du allerlei Unordnung in deinem Herzen und Leben einreißen lassen; es muss anders mit dir werden, und darum führt er sich in die Stille. Lass dir nicht den Arzt, die Arznei, den Kurort die Hauptsache sein; Lass dir den Herrn Jesum für immer die Hauptsache werden; denn nur dann machst du eine gute Kur. Was nützt dir des Leibes Gesundheit, wenn du nicht mit deinem Gott im Reinen bist? Lieber krank sein mit dem Heiland, als gesund ohne ihn. Jede Krankheit erinnert uns an unser Ende, und wenn wir dann nicht Vergebung der Sünden haben, so sind wir verloren. Seien wir daher nicht zu eilig, die Kranken gesund beten zu helfen, sondern blicken wir tiefer, damit wir ihnen Handreichung für Seele und Leib bieten können.

Lieber Vater im Himmel! Du bist treu und suchst Heim auf allerlei Weise, um uns zu Dir zu ziehen. Hilf mir, Dich zu verstehen und Deine Gemeinschaft höher zu achten, als das Leben. Amen.

Matthäus 10,37.

Wer Vater oder Mutter mehr liebt, denn mich, der ist meiner nicht wert. Und wer Sohn, oder Tochter mehr liebt, denn mich, der ist meiner nicht wert.

Wenn der Herr sagt, wir dürfen Vater, Mutter, Sohn und Tochter nicht mehr lieben, als ihn, so meint er damit nicht, dass wir sie so viel lieben dürfen, als ihn. Darüber belehrt er uns klar, wenn er uns zuruft: „du sollst lieben Gott deinen Herrn von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und von allen deinen Kräften.“ So dürfen wir keine Kreatur lieben, auch Eltern und Kinder nicht. Wir sollen sie von Herzen lieben, sie sollen einen warmen Platz in unseren Herzen haben; aber das ganze Herz gehört nur dem Herrn, keinem Menschen. Wie steht es aber bei vielen Menschen in Wirklichkeit? Sie lieben ihre Angehörigen, besonders ihre Kinder mehr, als den Herrn. Das merkt man am besten bei Todesfällen. Wie untröstlich kann man da sein, ja wie mürrisch gegen Gott! Wären solche Stimmungen möglich, wenn man den Herrn mehr liebte, als die Verstorbenen, wenn man ihn von ganzem Herzen liebte? Hat die Liebe Jesu vom Herzen Besitz genommen, so hat man Trost auch am Grab der Liebsten und kann nicht gegen Gott murren. Dass manche Eltern ihre Kinder mehr lieben, als den Herrn, sieht man auch daran, dass sie es nicht vermögen, ein Kind in die Mission, oder in den Diakonissendienst zu geben; eher geben sie eine Tochter einem zweifelhaften Mann, wenn er nur Geld hat. Willst du wissen, ob du Eltern oder Kinder mehr liebst, als den Herrn, so frage dich, ob du beten kannst: Herr, du kannst meine Lieben krank werden lassen, du kannst sie sterben lassen; mache sie nur selig. Kannst du so beten, so ist dir der Herr am liebsten.

Erforsche mich Gott und erfahre mein Herz! Prüfe mich, ob ich Dich von ganzem Herzen liebe, und mache mich los von Allem, was zwischen mir und Dir ist. Amen.

Matthäus 11,29.30.

Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig: so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. Denn mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht.

Wir sollen zu Jesu kommen, mühselig und beladen; bei ihm sollen wir entlastet und erquickt werden. Und dann ermahnt er uns, sein Joch auf uns zu nehmen mit der Versicherung, es sei sanft. Daraus lernen wir, dass sein Joch nichts sein kann, das wir uns selbst aufzulegen haben; denn Alles was wir uns auflegen, drückt, es ist weder sanft, noch leicht. Nur was Jesus uns auflegt, ist sanft und leicht. Jesu Joch macht uns nie zu seufzenden Lasttieren. Wenn Er eine Last auflegt, so hilft Er sie auch tragen. Es gibt Bürden, die man sich selbst aufgeladen hat, und die man, wenn man zum Glauben gekommen ist, nicht ohne Weiteres abschütteln kann, sondern in Geduld und Demut tragen muss, bis der Herr sie wegnimmt. Unter seiner Gnadenhand werden solche Lasten zu großen Segen: sie fördern in der Demut, und lehren und wachen, dass wir uns nicht wieder neue Lasten auflegen, oder uns von andern Menschen nach ihrem Belieben belasten lassen. Es muss uns ein Herzensanliegen sein, unser Leben so einzurichten, dass wir es in allen Dingen mit Jesu zu tun haben, von Ihm lernen. Tun wir das, so merken wir, wie gut man es bei ihm hat. Er der Sanftmütige und von Herzen Demütige behandelt uns gar zart, schonend und freundlich und legt es in allen Dingen darauf an, dass auch wir Seine Art bekommen, dass sein Geist der Sanftmut und Demut auch uns erfülle und wir wandeln können als seine rechten Jünger. Das ist der heilige, sichere Weg zur Ruhe für unsere Seele. Bin ich in der sanftmütigen und demütigen Hand Jesu; suche ich selber als ein Sanftmütiger und Demütiger in seinen Fußstapfen zu wandeln, so werde ich von tausend Dingen verschont, die Andere drücken, welche eigene Wege gehen und darum ihre selbsterwählten Lasten tragen müssen.

Ach, dass ich Dich so spät erkannte, Du hochgelobte Liebe Du! Wie Manches wäre mir erspart geblieben. Bei Dir will ich bleiben; bei Dir hat man es gut. Amen.

Matthäus 18, 5.

Wahrlich, ich sage euch, wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen.

Für erwachsene Leute ist es eine große Demütigung, wenn der Heiland ihnen sagen muss, ihr müsst umkehren und werden, wie die Kinder. Alle, denen das Wort gilt, haben offenbar seit ihrer Kindheit Rückschritte gemacht, sonst müssten sie nicht umkehren. Schauen wir in eines Kindes Auge hinein, welche Klarheit tritt uns bei vielen Kindern entgegen. Tritt derselbe Mensch nach zwanzig Jahren wieder vor uns, welche Veränderung sehen wir in seinem Auge: statt Glanz finden wir Mattigkeit; statt Einfalt, Verschmitztheit, statt Kindlichkeit, Frechheit. Und wie ernst wird diese Tatsache, wenn wir zugeben müssen, dass bei den meisten Menschen ein Rückschritt stattfindet! Woher kommt das? Die erste Antwort lautet: von der Sünde, die in uns wohnt. Unsere sündigen Anlagen entwickeln sich; was schon im Kindesalter in uns schlummerte, wird später offenbar. Doch ist das nicht die einzige Antwort: der Rückschritt, den wir meistens sehen, ist nicht nur eine Entwicklung aus uns selbst heraus, sondern es ist auch ein Entzündetwerden des in uns liegenden Zunders durch unsere Umgebung. Hätten wir lauter geheiligte Menschen um uns her von Jugend auf, deren untadeliges Vorbild, deren weise Behandlung und deren Führung wir in allen Dingen zu genießen hätten, so stände wohl Vieles besser. Aber wie viele Ärgernisse gibt es doch; wie viele Fehler werden in der Erziehung gemacht! So muss uns der Heiland sagen: ihr müsst umkehren und werden wie die Kinder. Da sind es wohl besonders zwei kindliche Stücke, die wir uns aneignen müssen: wir müssen Jesu so vertrauen lernen, wie ein Kindlein seiner pflegenden Mutter vertraut. Wir müssen von ihm so abhängig werden, wie das Kind von seiner Mutter ist. Sind wir in diesen beiden Stücken wieder kindlich, Ihm gegenüber, so merkt man, wir haben dem Ruf des Herrn gefolgt. Dann kann er uns brauchen im Himmelreich.

Auch ich, Herr! möchte noch mehr ein Kind werden. Gib mir einen kindlichen Geist, und nimm alles verkehrte Wesen von mir. Amen.

Matthäus 23,8.

Einer ist euer Meister, Christus; ihr aber seid alle Brüder.

Diese Worte redet Jesus zu seinen Jüngern und dem Volk als Mahnung und Warnung, gegenüber den Schriftgelehrten und Pharisäern, die sich gerne Meister nennen ließen; weil sie ehrsüchtig und hochmütig waren. Wir Alle sind von Natur ehrsüchtig, und wenn man auch das Zeug gar nicht hat, ein Meister zu werden, so möchte man es doch gerne sein. Diese böse Art bleibt so lange, bis wir gedemütigt werden, nicht mehr unsere Ehre, sondern Gottes Ehre suchen. Jeder Meister findet Schüler und Anhänger, die auf ihn schwören und oft für nichts Anderes mehr Verständnis haben, als für das, was von ihrem Meister kommt. Wer wüsste nicht, dass wir auch auf christlichem Boden viele Meister und Jünger haben! Das ist ein großer Übelstand und trägt viel bei zu den Trennungen und dem Parteiwesen, wie es uns überall begegnet. Der Leib Christi hat nur ein Haupt und dieses Haupt ist Christus. Der begabteste und begnadigtste Mensch hat keine größere Aufgabe, als zu Christo dem einen Meister zu führen. Führen wir zu uns selber, so versündigen wir uns und rauben dem Herrn seine Ehre. Bleiben wir an einem Werkzeug hängen, statt vom Werkzeuge hinweg zum Meister zu gehen, so bleiben wir einseitig, schwächlich und bis zu einem gewissen Grad fleischlich. Sobald ein Menschengeist uns leitet, wird der Herr verdunkelt; leitet uns aber der Heilige Geist, so verklärt er uns Christum und macht uns los von den Werkzeugen. Wenn du an Menschen hängst, so beweisest du, das du nicht ganz unter der Zucht des Geistes Gottes stehst, und wenn du Anhang suchst, so regiert dich noch dein eigener Geist. Jesu Jünger sind Brüder; sie stellen sich neben und unter einander, aber nicht über einander.

Demütiger Heiland! Du sollst mein Meister sein; von Dir will ich lernen, nach Dir will ich mich bilden. Ich will keinen Anhang suchen und an keinem Menschen hängen. Binde mich ganz an Dich. Amen.

Matthäus 26,25.

Da antwortete Judas, der ihn verriet, und sprach: bin ich's, Rabbi? Er sprach zu ihm: du sagst es.

Schon oft habe ich mich gewundert, wie schwer es manchen Leuten wird, den Ernst und die Macht der Sünde zu erkennen. Zwar ist es nicht verwunderlich; wer sein eigenes Herz nicht kennt, kennt die Sünde überhaupt nicht, und denkt höchstens dann ernst über die Sünde, wenn er durch dieselbe an seinen Interessen geschädigt wird. Hat man etwas Licht über sich selbst, so kann eine stille Betrachtung des Verräters zum Segen sein. Besonders an ihm kann man die furchtbare Macht der Sünde und die Schlechtigkeit eines vom Licht abgewandten Menschenherzens kennen lernen. Was gehörte doch dazu, der Macht der Liebe, Barmherzigkeit und Treue, der Macht des Geistes gegenüber, wie sie im Heiland dem Judas gegenübertrat, in der Sünde nicht nur zu verharren, sondern immer tiefer in dieselbe verstrickt zu werden! Wir dürfen freilich nicht vergessen, dass es einen Grad menschlicher Verschuldung gibt, bei dem der Sünder nicht mehr umkehren kann. Dieser Grad war am Abend des Verrats von Judas erreicht. Wir sehen das an der Frechheit und Kälte, mit der er es wagt, den Herrn vor den andern Jüngern zu fragen: bin ich's, Rabbi? während er doch vorher schon mit den Feinden unterhandelt hatte. Frechheit und Kälte vor einer schlechten Tat sind immer das Zeichen tiefer Gesunkenheit, und großer satanischer Gewalt über ein Menschenherz. Möchten doch Unbekehrte, die noch Gnadenzüge an ihren Herzen verspüren, umkehren, so lange es Zeit ist, und an Judas lernen, was es heißt, die Gnadenzeit versäumen. Ohne Zweifel ist ihm nicht nur der Geiz, sondern auch sein scharfer Verstand zum Strick geworden. Er war ein Berechner, ein Verstandesmensch; deswegen sah er klar, dass fast alle Leiter des Volkes Jesu Feinde waren und es immer mehr wurden. Der Verstand eines ungläubigen Menschen musste somit zu dem Schluss kommen, dass Jesu Sache aussichtslos sei, und so suchte dieser kalt berechnende Mensch wenigstens noch 30 Silberlinge zu retten. Diese Art Berechnung ohne Glauben hält heute noch Viele vom Heiland ab. Die Unscheinbarkeit der Sache Jesu entspricht ihrem Verstand nicht, und so spielen sie die Klugen, und halten es offen oder versteckt mit den Feinden des Herrn, je nachdem ihre Berechnung es für gut hält. Arme Menschen!

Herr, mein Gott! bewahre mich durch Deine Gnade, nie mit einer Sünde zu spielen und decke Du mich, gegenüber Satans Macht und List. Amen.

Matthäus 26,39.

Mein Vater, ist es möglich, so gehe dieser Kelch von mir, doch nicht wie ich will, sondern wie Du willst.

Auch unter Zittern und Zagen kann der Herr noch Vater sagen, und bei dem tiefsten Leiden seiner Seele ist sein Wille dem Willen des Vaters ergeben. Die Macht des Todes ist ihm ja fremd, die ihn umgebende Macht der Finsternis macht ihm so bange, dass alle seine körperlichen Kräfte schwinden; aber durch die tiefsten Tiefen will er gehen aus Liebe zu uns und mit dem einzigen Verlangen, dass des Vaters Wille geschehe. Einen solchen Erlöser mussten wir haben, wie wir ihn in Gethsemane sehen. Dort hat er um unseres Eigenwillens willen gerungen; dort ward sein Schweiß wie Blutstropfen für uns, die wir unseren Willen so oft unter die Sünde gebeugt haben. Sein Seufzen: mein Vater! nicht wie ich will, sondern wie Du willst, ist die Quelle nicht nur unserer Gerechtigkeit, sondern auch unserer Heiligung. Dort in Gethsemane, wenn wir innerlich stille werden, und uns mit unserem Mittler in sein stellvertretendes Leiden versenken, lernen wir die dritte Bitte im Vaterunser beten: Dein Wille geschehe auf Erden, wie im Himmel. Unsere größte Plage ist der Eigenwille. Ohne völlige Hingabe unseres Willens an Gott, gibt es keine Heiligung, keinen vollen Frieden, keine Geduld im Leiden, keine Freudigkeit in der Trübsal, kein Lob Gottes in der Not. So wollen wir von unserem Mittler lernen und fleißig mit ihm beten: nicht mein, sondern Dein Wille geschehe. Das heißt dann der Heiligung nachjagen. Aber wie er müssen wir immer hinzusetzen: mein Vater! denn nur dann ist unsere Bitte vor dem Vater wohlgefällig, wenn sie in kindlichem Sinn geschieht, mit dem herzlichen Vertrauen, dass des Vaters Wille Liebe ist, wenn er uns auch durch tiefe Wasser führt, und es auch bei uns durch viel Seufzen geht. Die Tränen kindlicher Ergebung werden Friedens- und Freudenquellen, für die Seelen, deren Ziel ist, dem Heiland ähnlich zu werden.

Mein Vater! Dein Wille geschehe auch an mir. Dein Geist, Herr Jesu! wirke so in mir, dass alles eigene Wesen sterbe, und Du mich völlig regieren könnest, auch wenn es durch tiefe Wasser geht. Amen.

Matthäus 26,71-75.

Da verleugnete Petrus abermals, hub an sich zu verfluchen und zu schwören und sprach: ich kenne den Menschen nicht, von dem ihr sagt! Und alsbald krähte der Hahn zum andern Mal. Und der Herr wandte sich und sah Petrum an. Da gedachte Petrus an die Worte Jesu, da er zu ihm sagte: ehe der Hahn zweimal kräht, wirst du mich drei Mal verleugnen. Und Petrus ging hinaus und weinte bitterlich.

Wenn wir das schöne Bekenntnis, das Petrus in Johannes 6,68.69 vor dem Herrn ablegte, vergleichen mit seiner Verleugnung, welcher Gegensatz! War jenes herrliche Bekenntnis nicht aufrichtig? Ja, es war aufrichtig. Und es war ebenfalls aufrichtig, wenn Petrus unmittelbar vor dem Gang nach Gethsemane erklärte: ich bin bereit mit Dir ins Gefängnis und in den Tod zu gehen. Er liebte den Herrn; er hatte den guten Willen, Alles für den Herrn zu tun; aber er überschätzte sein Vermögen. Der Herr belehrte ihn über seine Schwachheit; allein er ließ es sich nicht sagen, und so blieb nur der schwere Weg für seine Kur, er musste fallen. Der Fall war tief; er fluchte und schwur, als er den Herrn das dritte Mal verleugnete, so dass die Art des Falles es bewies: Petrus war im Sieb des Satans. Ach, wie viele Brüder und Schwestern hat der Petrus, die den Heiland verleugnen! Ich rede nicht von denen, die dem Herrn den Rücken kehren, sondern von den Gläubigen, die wie der Petrus, den Herrn nicht verlassen wollen. Stehen denn nicht viele Gläubige unserer Tage so, dass sie viel guten Willen, aber wenig Kraft haben? Sie wissen bei diesem und jenem, dass es durchaus nicht zu Jesu Jüngerschaft taugt; aber immer wieder geschieht es; sie haben keine Kraft zum Überwinden, und verleugnen Jesu Jüngerschaft mit ihren Sünden, in denen sie gefangen bleiben. Der Heiland schaut sie auch an, mit demselben Erbarmen wie Petrus. Er, der vor dem hohen Rat noch Zeit hatte, beim zweiten Hahnenschrei an Petrus zu denken, hat auch für sie Zeit und es gibt, wenn auch nicht bitterliches Weinen, so doch tiefe Scham und man verwünscht die Sünde, wenn der Heiland Einen angeschaut hat; aber es kommt zu keinem vollen Bruch mit der Vergangenheit, man bleibt gebunden. Warum? Dem weinenden Petrus erschien der Auferstandene, und nachher feierte er Pfingsten und stand in Christi Kraft da, so dass zum früheren Wollen auch das Können kam. Da fehlt es jetzt. Man nimmt sich nicht Zeit zum Kraftanziehen aus dem auferstandenen und erhöhten Heiland, und so wird Fallen und Aufstehen zur Gewohnheit und weil es bei vielen so ist, so kommt die Meinung auf, es dürfe so sein.

Herr erbarme Dich unser und schaffe Dir ein Volk, das fest steht in Deiner Kraft und Deinen Namen nicht verleugnet. Offenbare Dich Deiner Gemeinde als den Auferstandenen. Amen.

Matthäus 27,19.

Und da Pilatus auf dem Richtstuhl saß, schickte sein Weib zu ihn und ließ ihm sagen: habe du nichts zu schaffen mit diesem Gerechten; ich habe heute viel erlitten im Traum von seinetwegen.

Es gehört wesentlich zum Segen der Betrachtung der Leidensgeschichte des Herrn, dass in derselben so verschiedene Gestalten an uns vorbei ziehen, durch die uns Gott etwas zu sagen hat. Eine der wichtigsten Gestalten ist Pilatus. Während die Hohenpriester und Ältesten als die ehrgeizigen Todfeinde des Herrn vor uns stehen, deren Herzen kaum mehr eines besseren Eindrucks fähig waren, und Herodes ein in Sünde verkommener Mensch war, macht Pilatus uns den Eindruck eines Mannes, dem das Verhör des Herrn erst zur Entscheidung dienen muss. Für ihn war es Gnade Gottes, dass er Jesum in der Nähe sehen und hören durfte; er blieb auch nicht ohne Eindrücke von der Person und den Worten des Herrn. Diese Eindrücke sollten noch verstärkt werden durch sein Weib, die unter Gottes Leitung einen Traum hat, in dem sie beunruhigt wird über den Herrn; weshalb sie ihren Mann warnt, sein Gewissen nicht zu beflecken durch Ungerechtigkeit an dem Herrn. Aber - das Alles bringt Pilatus keinen Segen. Er kommt zu keinem inneren Sichaufraffen, zu keiner Entscheidung für die Wahrheit und Gerechtigkeit. Sein Gewissen redet für Jesum; aber er schwankt verlegen hin und her, zwischen der Gerechtigkeit und der Volksgunst, und schließlich siegt Letztere bei ihm, über die Gerechtigkeit und Wahrheit. Ohne Zweifel hatte dieser Mann schon viel gegen sein Gewissen gesündigt, und so den Sinn für Wahrheit in sich geschwächt. Dann lässt uns sein Schwanken und Markten gegenüber dem Geschrei ungerechter Menschen vermuten, dass er Blößen hatte in seiner Amtsführung dem Volk gegenüber, und darum nicht die sittliche Kraft, fest hinzustehen. Dieser schwankende und schließlich vor der Volksgunst sich beugende Mann hat dem Herrn gewiss viele Schmerzen gemacht, und er ist ja nur ein Repräsentant vieler verwandter Menschen, die immer hin und her schwanken und doch nicht zur Entscheidung kommen. Wie jämmerlich, wenn Gott sich einem Menschen so naht, und ihn noch würdigt, durch einen Traum gewarnt zu werden, und es bei ihm zu nichts weiter kommt, als „seine Hände zu waschen“, um sein böses Gewissen zu beschwichtigen. Versäume nicht die Gnadenzeit!

Herr gib mir ein zartes Gewissen, für all Dein Reden mit mir und bewahre mich, die Ehre bei Menschen nicht höher zu achten, als die Wahrheit. Amen.

Matthäus 27,46.

Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?

In Gethsemane rang unser Heiland mit dem Tod und es ging dort tief hinab mit ihm um unsertwillen, so tief, dass der Vater ihn durch einen Engel vom Himmel stärken musste, damit er seinen ferneren Leidens- und Todesgang noch machen konnte. Während aber in Gethsemane dem Herrn bei allem Ringen mit der Macht der Finsternis doch das Gefühl und der Genuss der Gemeinschaft mit dem Vater nie entschwand, so finden wir ihn am Kreuze völlig entblößt von dem Gefühl der Nähe des Vaters. Sein Geist war um unsertwillen ganz umhüllt von Finsternis, so dass ihm keine Spur von Licht von dem Vaterangesicht Gottes leuchtete. Wir arme Menschen, die wir Gott von Natur so ferne gekommen sind und oft so lange brauchen, bis wir in innige Lebensgemeinschaft mit ihm kommen, können es nicht verstehen, wie es dem Heiland am Kreuz zu Mute war in seiner Gottverlassenheit. Er, der vorher keine Minute sich vom Vater entfernt fühlte, war in jener Nacht am Kreuz auf den nackten Glauben angewiesen, alle Lebenserquickungen des Vaters waren ihm gänzlich entzogen. O, wie sehen wir da den Ernst unseres heiligen Gottes gegen die Sünde! Unser Mittler ist für uns zur Sünde gemacht; wie können wir, wenn wir nur ein wenig Licht über Jesu inneres Leiden am Kreuz haben, noch der Sünde dienen wollen? Indem er in die tiefste Leidensnacht hinabstieg um unserer Sünden willen, ist er für uns der Urheber des Glaubens geworden, der uns loslösen will, von Allem, was uns außer ihm gefangen hält, damit wir mit ihm und dem Vater so vereinigt werden, dass wir in lauterem Glauben sprechen lernen: Herr, wenn ich nur Dich habe! Und wenn es bei uns durch allerlei innere Not hindurchgeht, so steht er, der gerufen: mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen, tröstend mitleidig, helfend uns zur Seite, damit uns in dunklen Stunden sein Gnadenlicht dennoch leuchte und das Verdienst seiner Gottverlassenheit der Anker unseres Glaubens bleibe. Welch unendlicher Trost ist das, für den Gang durchs dunkle Tal! Da heißt es beim Glauben: ich fürchte mich nicht, Du bist bei mir.

Treuer Heiland! Ich beuge mich tief vor Dir, wenn ich Dich am Kreuze erblicke! O, lass Deine Todesliebe die Macht in meinem Herzen sein, die auch mich zu dem Glauben führt, in dem Du am Kreuze hingst. Amen.

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