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Schopf, Otto - Nürnberger Ware

Schopf, Otto - Nürnberger Ware

Mit diesem dreizehnten Stücklein können es die lieben Gärtnerleser halten, wie sie wollen; sie können es in ihren Sack stecken oder es auch dem Kleinigkeitskrämer wieder in den seinigen legen. Natürlich ist ihm aber das erstere am liebsten. Nicht etwa möchte er Nürnberger Ware zum Kauf anbieten - der Kleinigkeitskrämer ist schon einiges über die Jahre der Nürnberger Spielsachen hinaus, auch war er selber noch nie in der Stadt des berühmten Trichters, der ja noch erfunden werden soll - sondern er möchte davor warnen. Von Zeit zu Zeit kommt solch neuer Nürnberger Ware gar manches Stück zu uns über's Meer und zwar nicht in Ballen verpackt, vielmehr in Büchern gedruckt. Wie können denn Nürnberger Sachen in Büchern sein und noch dazu gedruckt? O doch! Der Kleinigkeitskrämer hält nämlich für Nürnberger Ware die jetzt wieder so vielerorts beliebten englischen Lieder und Melodien. Selbst auf die Gefahr hin, daß es ihm die meisten Leser nicht glauben, viele es ihm übel nehmen werden und auch einige ihn sogar für trivial halten, muß er sich diesen Vergleich erlauben und warnen, sich hiermit gar zu sehr anzufreunden.

So, nun ist es heraus! Weil er im Voraus weiß, daß viele mit ihm nicht einverstanden sind, will der Kleinigkeitskrämer auch noch gesagt haben, warum er so gewarnt haben möchte, denn er hält es für sehr nötig, daß hierüber endlich auch einmal ein Wort geredet und geschrieben wird, und weil's nun bisher große Leute nicht taten, glaubt er es tun zu sollen, obwohl es sich hier eigentlich nicht einmal um eine Kleinigkeit handelt.

Zu allererst sind ihm jene Lieder meistens zu arm an Gedanken, die Melodie hat einen zu leichtfertigen Ton und erinnert oft - es ist wirklich so - an etwas früher zufällig auf dem Jahrmarkt Gehörtes. Er meint, die Art und Weise, wie hier vom Herrn Jesus geredet wird, sei zu weichlich, zu dreist, wenn nicht zu sagen frech, z.B. sollte man das Wort „süß“ eigentlich nicht auf den Herrn anwenden. Süß sind Dinge, die man in der Jugend hochschätzte und mit denen man sich beschenke3n ließ. Aber wenn man die Person und Nähe Jesu rühmen will, redet man eigentlich anders. Geradezu unehrerbietig müssen manche Lieder gefunden werden, die dem Herrn gleichsam Vorschriften und Vorhaltungen machen, daß er noch immer nicht gekommen sei, die Seinigen heimzuholen; und noch vieles andere!

Um aber nicht noch mehr zu sagen - jene Lieder entsprechen dem deutschen Volksempfinden nicht, sie wirken, wie einmal jemand gesagt hat, „seelisch“ und nicht, wie es doch sein sollte, „pneumatisch“ (geistlich) 1) Auf künstliche Weise wurden und werden sie von wenigen Leuten bei Gelegenheit von großen Konferenzen und Festen „eingeimpft“, und solche möchten sich wirklich einmal prüfen, ob sie recht daran tun, in so unverantwortlicher Weise den Geschmack unseres Volkes, das ja nicht immer selber urteilen kann, zu verderben. Die lieben Leser wollen nur einmal in ihrer Erfahrung nachsinnen, ob der Kleinigkeitskrämer nicht Recht hat, ob es ihnen nicht vielfach hiermit ging, wie mit Nürnberger Ware, die von 12 Uhr bis Mittag hält. Schlug die Begeisterung, die man für manche dieser modernen Lieder bei ihrem Aufkommen empfand, nicht bald in Gleichgültigkeit und Überdruß, wenn nicht zu sagen Widerwillen um?

Jede Pflanze gedeiht und blüht nur in ihrer Heimat; im fremden Lande kann sie nur ein mühsames und elendes Dasein fristen. Das ist ein Naturgesetz, welches zu denken gibt und das auch bei den Nationen gilt. Lassen wir deshalb jene Pflanzen in ihrer Heimat und ihren Eigentümern, die sich dauernd besser mit ihnen verstehen wie wir. Der Kleinigkeitskrämer will aber doch auch sagen, was nach seiner unmaßgeblichen Meinung unserm deutschen Volksempfinden entspricht, wenn es mancher der Leser nicht wissen sollte. Das ist allerdings nicht mehr für jeden der Choral, so schön derselbe auch sein mag; vielmehr ist dies das deutsche geistliche Volkslied. Deshalb ihr Dichter und Komponisten, ihre Liederindustriellen und Gesangbuchfarikanten: Gebt uns das, was unser ist, gebt uns das geistliche Volkslied wieder, gebt uns Brot zum Essen, nicht Bonbons zum Naschen, deren wir überdrüssig werden müssen!

Quelle: Gärtner - Eine Wochenschrift für Gemeinde und Haus 1908

1)
Zum Beweise des hier Gesagten vergleiche man z.B. folgende Lieder mit einander: „Der große Arzt ist jetzt uns nah“ mit Tersteegens: „Gott ist gegenwärtig.“, das sonst dogmatisch gerade nicht unrichtige: „Möchtest du los sein vom Bann der Sünd“ mit: „Auf dem Lamm ruht meine Seele (Elberfelder Lieder), oder eins der modernen „Krönt ihn“-Lieder mit Köhners: „Lebt in seinem Heiligtume“, jenes: „Mit Jesu gestorben, im Tode sein“ mit Grafes: „Wenn wir singen, wenn wir beten“ und noch viele andere. Trotz der beständigen Wiederholung, der beständigen Wiederholung, der beständigen Wiederholung bei jenen ist der Eindruck bei den deutschen Liedern ein entschieden nachhaltigerer. Wir kennen auch Ausnahmen; z.B. wünschen wir dem herrlichen auch aus England stammenden: Näher, noch näher, fest an dein Herz, um nur eins zu nennen, recht bald auch einen Platz in unserm Gesangbuch. Überhaupt können wir dankbar sein, daß unser Buch bisher vor dem Eindringen dieses modernen Zuges bewahrt blieb. Wenn manche dasselbe deshalb weniger schätzen, so sind sie sicher im Irrtum, wir sollten es dann als „unser Buch“ desto mehr tun.-
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