Geflügelte Worte haben manche Leser wohl schon seit langem gekannt. Aber was sind denn eigentlich gehetzte Worte? Der Kleinigkeitskrämer liest auch eine Zeitung. Da zählte man einmal eine ganze Reihe von Worten auf, die für kurze Zeit Mode wurden, die jedermann im Munde führte und die dann ebenso schnell wieder verschwanden, wie sie gekommen, z.B. gediegen, voll und ganz, großzügig, erstklassig, realpolitisch u.a.m. Man sagte dort auch, wie diese Worte entstanden. Der Kleinigkeitskrämer revidierte da auch einmal seinen derzeitigen Wortschatz. Zu seinem Erstaunen und ohne sein bisheriges Wissen fand er sich da auch in der Gefahr, gewisse Worte zu Tode zu hetzen oder derb gesagt, mit Eintagsfliegen zu hausieren. Nur einige Worte, die irgend ein Bruder bei einer Gelegenheit - was weiß ich, welcher - prägte, und die dort auch vielleicht angebracht sein mochten, seien genannt. Zur Zeit spprach man in allen christlichen Kreisen vom „Zerbrochensein“; jedermann wollte sich „ganz ausliefern“ und von jedem wurde es verlangt; jetzt hat man gefunden, wozu manches nötig ist: „Auf daß der Herr zu seinem Rechte kommt;“ wir müssen zurück zur „Urgemeinde“ auf daß wieder „urgemeindliche Verhältnisse“ werden; denn, sagt man, „die Gemeinde Gottes ist ein Organismus, aber keine Organisation.“ Just wie Kletten kleben fast jedermann zur Modezeit solche Worte an, selbst wenn man manchmal nicht einmal will. Der Kleinigkeitskrämer will auch bei diesem Punkte nichts tadeln, nichts wünschen und nichts bitten, sondern nur auf etwas bisher vielleicht nicht Beachtetes aufmerksam gemacht haben und so möglicherweise dem einen oder dem anderen ein Geringes dienen.

Quelle: Gärtner - Eine Wochenschrift für Gemeinde und Haus 1908