Scharnschlager, Leupold - Gemeinsame Ordnung der Glieder Christi in sieben Artikeln gestellt

Scharnschlager, Leupold - Gemeinsame Ordnung der Glieder Christi in sieben Artikeln gestellt

(ca. 1540)

Kinder, seid in Ordnung, mit allen guten Vorsätzen, ! in der Furcht Gottes, und tut nicht Unordentliches aus Verachtung oder außerhalh seiner Zeit. Nephtalim

Paulus sagt I. Kor. 14, 40: „Lasset es alles ehrbarlich und ordentlich zugehen.“ Ebenso Kol. 2., 5: „Ich freue mich, wenn ich sehe eure Ordnung und die Festigkeit eures Glaubens an Christus.“

Vorrede

Weil uns der himmlische Vater, dem ewiglich Lob, Ehre und Dank gesagt sei, in diesen letzten Tagen durch Erkenntnis seiner heiligen Wahrheit herausgerufen hat aus der Finsternis der Welt zu seinem wunderbarlichen Licht, ja wir alle getauft sind und verwilligt haben zu einem Leib in Jesus Christus, wir seien, wo wir wollen, in der Welt, deshalb ist vonnöten, auf daß wir unserer Berufung nachkommen nicht mit Worten allein, sondern auch in Tat und Wahrheit, und eine Ordnung halten, durch die wir in der Liebe bestehen, vermahnt und gebessert werden können, da ja alle Dinge durch Ordnung bestehen müssen. Diese ist im folgenden nach Artikeln aufgestellt. Doch sind tägliche Änderungen je nach Gestalt und Gelegenheit der Zeit und stets um eines Besseren willen vorbehalten.

Der erste Artikel

Zum ersten: Weil allerlei Verführungen überall einreißen, ist not, daß die berufenen, ergebenen und verpflichteten Glieder Jesu Christi, wo sie sind in der Welt und im Elend, soweit es ihnen möglich ist, die Versammlungen nicht verlassen (Hebr. 10,2.5), sondern, wo und wie sie können, je nach Gelegenheit der Orte und der Verfolgungen, um der Liebe Christi willen zusammentreten, es seien wenig oder viel, 2., 3, 4,6, 10, 15,2.0, minder oder mehr. Das soll geschehen mit Weisheit, Bescheidenheit, Vernunft, Zucht, Freundlichkeit und stillem Wesen, und das um so viel mehr, als wir sehen, daß der Tag des Herrn naht. Der Herr sagt: Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen (Matth. 18,2.0).

Der zweite Artikel

Zum andern: Wenn sie zusammenkommen, sollen sie, wo kein besonderer Vorsteher ist, einen unter sich, wen sie für tauglich ansehen, freundlich und lieblich ermahnen, ihnen nach seiner von Gott empfangenen Gabe zu lesen oder zu sagen, oder es soll sich sonst einer selbst aus Liebe zur Verfügung stellen zum Dienst. Und es kann einer nach dem andern je nachdem, welchen etwas gegeben ist, wie Paulus lehrt (I. Kor. 4) -reden und seine Gaben darlegen zur Besserung der Glieder, damit unsere Gemeinde! nicht gleich sei den Falschberühmten, da nur einer und sonst keiner reden darf. Vorher aber, ehe sie anfangen zu reden, sollen sie auf ihre Knie fallen (1, Tim. 2, I) und treulich zum Herrn rufen, daß er ihnen gebe, fruchtbar zu reden; und am Schluß einander fleißig vermahnen, nach des Herrn Sinn zu wandeln und beständig bei ihm zu bleiben, treulich zu wachen, auf den Herrn zu warten, bis er kommt (Matth. 24, 42; 26,41; Luk. 12,35 ff.), daß wir vor ihm für unsträflich befunden werden (Phil. 2,15) und damit wir auch nicht allein hier, sondern vielmehr in jener Welt im Herrn bei- und miteinander sein und uns auch ewiglich freuen können (Jes. 4,2 ff.). So sollen sie auch abermals, ehe man auseinandergeht, zum Herrn rufen und bitten für alle Mitglieder, auch Notdürftig; keit, und für alle Menschen nach der Anweisung unsers lieben Bruders Paulus (I. Tim. 2, ff.), auch danksagen um alle empfangene Gabe und Guttaten Gottes (I. Thess. 5,17f.), auch zu Zeiten nach Gelegenheit, ehe sie auseinandergehen (wie gesagt), das Brot miteinander brechen zum Gedächtnis des Todes des Herrn (I. Kor. 11,24).

Der dritte Artikel

Zum dritten: Wo man so beieinander ist, soll ein Vorsteher oder, ist keiner da, sonst ein ältester Bruder (I. Kor. 14) um des Herrn willen der armen Mitglieder gedenken, mit solchen weisen, herzlichen, sanften, unsauren, nicht treibenden und doch ernsten, nachdrücklichen Worten, daß dadurch ihre Herzen zur Selbstwilligkeit und Barmherzigkeit bewegt werden und rechte gottgefällige Art und Kraft der Liebe wachse. Und vor allem soll allezeit eine Büchse oder ein Säckel bei einem Bruder zur Hand und das den Gemeindemitgliedern bekannt sein, auf daß ein jedes Glied in der Versammlung oder nachher, wenn der Herr es zu etwas ermahnt, weiß, das freiwillige Opfer und die Danksagung dahinein zu legen, und damit allezeit, wenn es not tut, dem Armen, je nachdem, was vorhanden ist, und nach eines jeden Notdurft, etwas gereicht werden kann. Das soll dann der Bruder, bei dem es liegt, allezeit mit gutem Gewissen und in der Furcht Gottes, ja mit fleißigem Achtgeben verteilen, nicht, wie die Welt mit ihren Armen tut, ohne Prüfung und Nachforschung des Wandels und Lebens, ob notdürftig oder nicht, ob geizig oder nicht geizig. Denn es ist ein heiliges Amt (Apg. 6, 1 ff.).

Der vierte Artikel

Zum vierten: Weil es Mangel gibt an treuen Arbeitern im Weingarten des Herrn, die für den Herrn in rechter Art, Weisheit und mit gutem Gewissen nach dem Seinigen treulich suchen und streben (I. Thess. 5, 12 f.), weshalb täglich viel Irrtum, Zwietracht und Ärgernis geschieht, darum ist große Not, daß, wenn ein solcher getreuer Arbeiter gefunden und gespürt wird, man auf denselben treue Achtung habe (Hebr. 13, n, ihm gehorche, ihn zwiefacher Ehre wert halte (nach den Worten Pauli: I. Tim. 5,17), ihm mitteile allerlei Gutes (Gal. 6,9 f.) und Handreichung, wie man es vermag und wie er dessen neben seiner ihm möglichen Arbeit bedarf, auf daß wir die Boten und Arbeiter des Herrn, um die wir täglich bitten (Luk. „ 10,2), nicht unwürdig halten und uns der Herr zuletzt ohne Hirten verstreut werden läßt. Das gilt auch nicht allein um derer willen, die die Wahrheit erkannt haben, sondern um der Schwachen, Milchtrinkenden, Krautessenden (I. Kor. 3,2; Hebr. 5,12; Röm. 14,2) und um derer willen, die noch her zum Herrn versammelt werden sollen.

Der fünfte Artikel

Zum fünften: Weil das Vorbild der ersten Gemeinde zu Jerusalem (Apg. 4,32-5,11) bei etlichen mißverstanden wird, wodurch Irrtum und Verachtung, besondere Sekten und dergleichen erwachsen, etliche daraus ein Gesetz, einen Zwang, Strick, sogar fast eine fleischliche Gerechtigkeit, Forderung und dergleichen machen - darum sollen wir erkennen, daß es bei jener ersten Gemeinde zu Jerusalem freiwillig zugegangen ist und wie es nach der Zerstreuung jener Gemeinde dort und anderswo war, daß auch Paulus von der Handreichung und Gemeinschaft der Güter gelehrt hat (Röm .15,25 ff.; I. Kor. 16, ff.; 2. Kor. 9, ff.), und wir sollen ebenfalls in rechter apostolischer Art danach trachten, damit die Braut und Herde Christi nicht gezwungen, sondern freiwillig geführt und geweidet werde. Darum soll ein Steuersammler auf solche Art acht haben, die kleinste Gabe so ohne Verachtung annehmen wie die größere (Luk. 21, 1-4), vom Reichen wie vom Armen, und soll treulich Gott und dem Geber danken. Danach laß es den Herrn machen. Und obgleich jemand aus fleischlichem Verstand sagt: „Ei, es hat doch ein jeder zugesagt und sich dazu verpflichtet; warum soll man es nicht tapfer fordern, was nötig ist ?“ - darauf diese Antwort: Die Ordnung des Heiligen Geistes will es nicht leiden. Das Werk ist nicht das des Menschen, so wie es ja auch nicht das Fleisch war, das zugesagt hat. Darum will es nicht auf fleischliche, sondern auf geistliche Art ersucht werden. Sonst verstören wir dem Herrn sein Volk in der Freiwilligkeit.

Der sechste Artikel

Zum sechsten: Wo ein Bruder oder eine Schwester mit Lastern des Fleisches, falscher Lehre, unordentlichem Leben und Wesen oder in andern solchen Fällen, sei es in Wort oder Werk, angetroffen wird, da soll allezeit von den Vorstehern züchtige, bescheidene, herzliche Vermahnung und Zurechtweisung erfolgen, mit Zittern und Furcht Gottes, in Liebe (Gal. 6, I; Matth. 18,15 ff.). Und es ist fleißig achtzugeben bei einem jeden Fehltritt, er sei heimlich oder öffentlich, groß oder klein, einmal oder öfter vermahnt, wie darin gehandelt werden soll, nach Sanftmut und Schärfe, Lang- und Kurzmut. Denn Zurechtweisung und Ausschluß müssen unterschieden werden nach den sachlichen Umständen und nach dem Zeugnis der Schrift, damit es allezeit nach dem Geist der Liebe und nicht nach Art des Fleisches zugehe (Tit. 3, 13; I. Kor. 5, 1ff.; Röm. 2,1ff.; Eph. 5,11; I. Kor. 6, 5). Die Gewalt Christi ist nicht eine Gewalt zu verderben oder zu tyrannisieren, sondern zu bessern, auf daß auch für Jesus Christus seine Braut rein gehalten werde, überall, sowohl gegenüber denen innerhalb wie auch außerhalb der Kirche, auf daß ein ehrbarer, unanstößiger Wandel geführt und durch niemand der Weg und die Straße zu Christus und seinem Reich verhackt und verargwöhnt werde.

Der siebte Artikel

Zum siebten: Was das Lehren, Taufen und das Abendmahl des Herrn anlangt, so soll das bei und durch uns alles nach dem Inhalt von Befehl und Brauch des Herrn und seiner Apostel gehalten, und nicht verkehrt oder verändert, auch nichts hinzu- oder davon weggetan werden (5. Mos. 4, 2; 12, 32; Spr. 30,6), wie es durch die Widerchristen und Falschberühmten geschieht. Stets soll auch jeder Bruder und jede Schwester die Geheimnisse des Glaubens christlichen Wesens tun und lassen und, was ihm der Herr vertraut, in reinem Gewissen tragen vor der Welt, zur Verhütung der Verlästerung von Christi Namen, Wort und Ehre. Was sonst auch täglich für Sachen und Irrungen vorfallen, so sollen wir allezeit mit Gottesfurcht dreinsehen und handeln, was dem Evangelium Christi gemäß (Philip. 1,27), dem Glauben ähnlich und einem jeden zur Besserung und Erbauung dient. <Wir sollen dem> mit ganzen Treuen nachfolgen und allem Unrechten mit Worten, Werken, Gebärden absagen, es fliehen, meiden und uns absondern (2. Kor. 6, 17) Gott zur Ehre und unserm Bräutigam Jesus Christus, damit, wenn er kommt, wir in heiliger Zierde und im Schmuck des Heiligen Geistes mit Freuden vor ihm erscheinen können (Math. 24) und daß er einnnehme, was er uns erworben und durch sein Gnadenblut zubereitet hat (Joh. 14). Dazu bitten wir unsern himmlischen Vater, daß er uns gebe, solches zu vollbringen und zu erlangen durch Jesus Christus, seinen geliebten Sohn, unsern Herrn, welchem sei Preis, Ehre und Lob im Heiligen Geist von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen!

Im Herrn Christus ein Bruder aus Gnaden und Diener der Wahrheit, auch ein Mitgenosse an der Trübsal, die in Christus ist.

Leupold Scharnschlager

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