Rieger, Carl Heinrich - Kurze Betrachtungen über die Psalmen - Der 61. Psalm.
1. Ein Psalm Davids, vorzusingen auf einem Saitenspiel. 2. Höre, GOtt, mein Geschrei, und merke auf mein Gebet. 3. Hienieden auf Erden rufe ich zu dir, wenn mein Herz in Angst ist, du wollest mich führen auf einen hohen Felsen. 4. Denn du bist meine Zuversicht, ein starker Turm vor meinen Feinden. 5. Ich will wohnen in deiner Hütte ewig, und trauen unter deinen Fittigen, Sela. 6. Denn Du, GOtt, hörst meine Gelübde; du belohnest die wohl, die deinen Namen fürchten. 7. Du gibst einem Könige langes Leben, dass seine Jahre währen immer für und für, 8. Dass er immer sitzen bleibt vor GOtt. Erzeige ihm Güte und Treue, die ihn behüten. 9. So will ich deinem Namen lobsingen ewig, dass ich meine Gelübde bezahle täglich.
Der 61. Psalm heißt 1) in seiner Überschrift: Ein Psalm Davids vorzusingen, auf Saitenspiel. Der Psalm selbst besteht aus einem demütigen Gebet und einer tröstlichen Aussicht auf die Erhörung. Also 2) hält David um gnädige Aufnahme seines Gebets an, legt seine demütige Bitte vor, und unterstützt sie mit schicklichen Beweggründen, V. 2-5. 3) Er tröstet sich zuversichtlich der gnädigen Erhörung und verspricht Alles zu GOttes Ehre anzuwenden, V. 6-9. Wie war doch David ein Mann nach GOttes Herzen, der zur Zeit seiner schweren Leiden das Vertrauen nicht weggeworfen, sondern immer im gläubigen Gebet seine Niedrigkeit GOtt vorgehalten hat, und die Hoffnung: dass ihn GOtt unter Seinen Flügeln noch zur Ruhe bringen werde, behauptet! Wie hat er aber auch zur Zeit der gefundenen Hilfe so gar nicht vergessen, was sein Mund gelobt in der Not, wie hat er sich nicht auf sich selbst und seinen nun wohlgegründeten Wohlstand verlassen, wie hat er sich an dem Exempel seines Vorfahrers Saul gespiegelt, und in solchem Angedenken fest an der Demut gehalten, wie hat er erkannt, dass ihm GOttes Güte und Treue zu seiner Bewahrung so nötig sei, wie wars ihm darum zu tun, dass er sich nicht an Menschen hänge, und auf sie vertraue, sondern vor GOtt bleibe! Denn GOtt hat Manchen schon verworfen, wenn er schon vor Menschen noch eine Weile sitzen bleibt. So bald aber der Segen, die Gnade, das Wohlgefallen, der Geist und das Licht GOttes von einem weicht, so ist man vor GOtt dasjenige nimmer, für was man sich in der Welt noch ausgeben kann. O! wie viel solche Larven und Bilder gibt es in allen Ständen, die das vor GOtt nimmer sind, für was sie doch die Menschen noch achten müssen, so lange sie GOtt äußerlich duldet! Wie genau prüft GOtt hierin der Menschen Herzen, ob einer an Seiner Gnade und Wahrheit hängt, oder ob er sich bloß mit der Eitelkeit und dem äußerlichen Schein behilft.