Rieger, Carl Heinrich - Kurze Betrachtungen über die Psalmen – Der 38. Psalm.

Rieger, Carl Heinrich - Kurze Betrachtungen über die Psalmen – Der 38. Psalm.

1. Ein Psalm Davids, zum Gedächtnis. 2. HErr, strafe mich nicht in deinem Zorn, und züchtige mich nicht in deinem Grimm. 3. Denn deine Pfeile stecken in mir, und deine Hand drückt mich. 4. Es ist nichts Gesundes an meinem Leib vor deinem Drohen, und ist kein Friede in meinen Gebeinen vor meiner Sünde. 5. Denn meine Sünden gehen über mein Haupt, wie eine schwere Last sind sie mir zu schwer geworden. 6. Meine Wunden stinken und eitern vor meiner Torheit. 7. Ich gehe krumm und sehr gebückt, den ganzen Tag gehe ich traurig. 8. Denn meine Lenden verdorren ganz, und ist nichts Gesundes an meinem Leibe. 9. Es ist mit mir gar anders, und bin sehr zerstoßen. Ich heule vor Unruhe meines Herzens. 10. HErr, vor dir ist alle meine Begierde, und mein Seufzen ist dir nicht verborgen. 11. Mein Herz bebt, meine Kraft hat mich verlassen, und das Licht meiner Augen ist nicht bei mir. 12. Meine Lieben und Freunde stehen gegen mich, und scheuen meine Plage, und meine Nächsten treten ferne. 13. Und die mir nach der Seele stehen, stellen mir; und die mir übel wollen, reden, wie sie Schaden tun wollen, und gehen mit eitel Listen um. 14. Ich aber muss sein wie ein Tauber, und nicht hören, und wie ein Stummer, der seinen Mund nicht auftut. 15. Und muss sein wie einer, der nicht hört, und der keine Widerrede in seinem Munde hat. 16. Aber ich harre, HErr, auf dich; Du, HErr, mein GOtt, wirst erhören. 17. Denn ich denke, dass sie ja sich nicht über mich freuen. Wenn mein Fuß wankte, würden sie sich hoch rühmen wider mich. 18. Denn ich bin zu Leiden gemacht, und mein Schmerz ist immer vor mir. 19. Denn ich zeige meine Missetat an, und sorge für meine Sünde. 20. Aber meine Feinde leben, und sind mächtig; die mich unbillig hassen, sind groß. 21. Und die mir Arges tun um Gutes, sehen sich wider mich, darum, dass ich ob dem Guten halte. 22. Verlass mich nicht, HErr, mein GOtt, sei nicht ferne von mir. 23. Eile mir beizustehen, HErr, meine Hilfe.

Der 38. Psalm heißt in seiner Überschrift: Ein Psalm Davids, zum Gedächtnis. David wollte nämlich 1) damit sich selbst ein Angedenken machen, und auch bei Anderen ein Nachdenken erwecken. Darum beschrieb er so umständlich, unter was für ernstlichen Zorn-Empfindungen er sich zur Barmherzigkeit und zur hilfreichen Gerechtigkeit GOttes hindurch gedrungen habe. 2) Dem Psalm selber spürt man leicht an, wie David in drei Absichten so zu sagen drei Anläufe im Gebet nimmt. So oft er nämlich bei einer Bitte die Ansprache an seinen GOtt mit dem Namen HErr wiederholt, wie es im 2. 10. und 22. Vers geschieht. Im Anfang hängt sich David bloß an die Barmherzigkeit GOttes, in der Mitte beruft er sich auf die herzerforschende Allwissenheit GOttes, und am Ende hält er um die eilfertige Hilfe GOttes an. David bittet, dass ihn GOtt nicht Seinen lautern Zorn wolle empfinden lassen, und beschreibt, was er schon unter den bisherigen Züchtigungen GOttes erfahren habe, V. 19. 3) David beruft sich bei seiner Freunde schüchternem und bei der Feinde trotzigem Verfahren auf GOtt, der die beste Kenntnis von ihm und seines Herzens Grund habe, und dem Alles heimgestellt sein solle, V. 10- 22. 4) Zum Schluss hält David noch einmal an, dass ihm doch GOtt durch eilfertige Hilfe Sein Heil zeigen möge, V. 22 bis zum Schluss. O! wie kann ein Tröpflein vom Zorn GOttes schmecken, wenn dazu noch viel Liebe und Verschonen mit untermischt ist, wie kann es doch den Menschen so weh machen? Was muss es sein, von dem Kelch trinken, den der HErr unvermischt eingeschenkt hat? Wie wenig weiß einer sich selbst und Andere zu schätzen, wenn er durch keine dergleichen Erfahrungen gelaufen ist, oder wenn er sich aus dem Wort GOttes solcherlei Gerichte GOttes nicht ernstlich vorstellt. Wie viel Grund zu seinem guten Mut nimmt man noch aus dem äußerlichen Wohlergehen, Gesundheit, Zeugnis und Freundschaft der Menschen her, wie viel Sorge für seine Sünden schlägt man darüber in den Wind, wie manchem Bekenntnis der Sünden weicht man darüber aus? Aber wie geht es, wenn einem GOtt allen falschen Schmuck auszieht, und einen bloß stellt? Da zeigt sichs, was einem an GOtt und Seiner Gnade gelegen war.

Welch ein Widerstand ist im Menschen gegen das Licht der Wahrheit, dass aus dem Licht müssen Blitze und Pfeile schießen! (Karl Heinrich Rieger)

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autoren/r/rieger_k/rieger-psalmen-psalm_38.txt · Zuletzt geändert: von aj
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