Rieger, Carl Heinrich - Kurze Betrachtungen über die Psalmen – Der 25. Psalm.
1. Ein Psalm Davids. Nach dir, HErr, verlangt mich. 2. Mein GOtt, ich hoffe auf dich. Lass mich nicht zu Schanden werden, dass sich meine Feinde nicht freuen über mich. 3. Denn keiner wird zu Schanden, der deiner harrt; aber zu Schanden müssen sie werden, die losen Verächter. 4. HErr, zeige mir deine Wege, und lehre mich deine Steige. 5. Leite mich in deiner Wahrheit, und lehre mich; denn Du bist der GOtt, der mir hilft; täglich harre ich deiner. 6. Gedenke, HErr, an deine Barmherzigkeit, und an deine Güte, die von der Welt her gewesen ist. 7. Gedenke nicht der Sünden meiner Jugend, und meiner Übertretung; gedenke aber meiner nach deiner Barmherzigkeit, um deiner Güte willen. 8. Der HErr ist gut und fromm, darum unterweist er die Sünder auf dem Weg; 9. Er leitet die Elenden recht, und lehrt die Elenden seinen Weg. 10. Die Wege des HErrn sind eitel Güte und Wahrheit, denen, die seinen Bund und Zeugnis halten. 11. Um deines Namens willen, HErr, sei gnädig meiner Missetat, die da groß ist. 12. Wer ist der, der den HErrn fürchtet? Er wird ihn unterweisen den besten Weg. 13. Seine Seele wird im Guten wohnen, und sein Same wird das Land besitzen. 14. Das Geheimnis des HErrn ist unter denen, die ihn fürchten; und seinen Bund lässt er sie wissen. 15. Meine Augen sehen stets zu dem HErrn; denn Er wird meinen Fuß aus dem Netz ziehen. 16. Wende dich zu mir, und sei mir gnädig; denn Ich bin einsam und elend. 17. Die Angst meines Herzens ist groß; führe mich aus meinen Nöthen. 18. Siehe an meinen Jammer und Elend, und vergib mir alle meine Sünde. 19. Siehe, dass meiner Feinde so viel ist, und hassen mich aus Frevel. 20. Bewahre meine Seele, und errette mich; lass mich nicht zu Schanden werden, denn ich traue auf dich. 21. Schlecht und recht, das behüte mich; denn ich harre deiner. 22. GOtt, erlöse Israel aus aller seiner Not.
Der 25. Psalm heißt wieder in seiner Überschrift: Ein Psalm Davids. Wann er gemacht worden sei, lässt sich nicht wohl bestimmen, indem dergleichen Umstände öfters vorkommen können, dass einer so um Gnade und um ein erneuertes Zeugnis derselben, und um Befestigung darin anhält, wie David in diesem Psalm tut. Denn gleich im Anfang bezeugt er, was seine Seele für ein inniges Verlangen nach GOtt trage, und wie er die unrechten Wege, auf welchen Andere Hilfe und Trost suchen, verabscheue, und sich allein an GOtt halte, V. 1-3. Sodann trägt er seine zwei Hauptbitten vor. Vornehmlich, dass ihn GOtt lehren möchte Seine Wege und Seine Wahrheit erkennen, und dass Er sich seiner erbarmen, und ihn bei gnädiger Vergebung der Sünden erhalten möchte. Aber wie bedächtig bittet er auch noch zuvor um die Unterweisung in den Wegen GOttes! Mancher dringt immer auf die Vergebung seiner Sünden, und auf die Versicherung davon, lässt sich aber GOttes Geist und Wort nicht genugsam in die Wahrheit GOttes hineinleiten, und bleibt bei seinem Unverstand in GOttes Wegen auch im friedsamen Genuss der Vergebungs-Gnade zurück. Nun über diese seine zwei Hauptbitten redet er weiter im ganzen Psalm mit GOtt, und unterstützt sein Herz mit mancherlei Glaubens- und Trost-Gründen, woraus er von der Erhörung und Gewährung dieser Bitten versichert sein könne. Er mengt immer wieder neue Bitten ein, daraus man sehen kann, wie ihm sein „Lehre mich und sei mir gnädig,“ am Herzen gelegen sei, V. 8-21. Endlich nimmt er im Schluss die Not des ganzen Volks mit der seinigen zusammen, und macht ein Kyrie Eleison daraus, und sagt V. 22.: „GOtt erlöse Israel aus aller seiner Not.“ So gehts - manchmal heißt es: ich bin einsam und elend, so geht es Niemand, wie es mir geht, ich kanns und darfs Niemand sagen; aber bald fällt einem auch der Andern ihr Druck und Teil aufs Herz, dass man sie mit einschließt und sagen muss: O GOtt! gedenke auch Anderer in ihrer Not! und so geht man denn auch der Erlösung aus seiner eigenen Not geduldiger entgegen:
Wie viel trägt, HErr, Dein Erbarmen?
Trag doch auch mich Armen!
Man muss es gewöhnen, und sich darein schicken lernen, was GOtt zur Übung im Vertrauen und Hoffen für Wege mit einem geht, V. 10. Güte zum Vertrauen, Wahrheit zum Hoffen. V. 21. Das schlechte oder aufrichtige Wesen hängt der Güte an, und liebt das Gute ganz ohne etwas zu veruntreuen und zurückzulassen. Das rechte oder gerade Wesen, liebt das Gute, allein ohne etwas Anderes einzumischen oder sich nach etwas Fremdem zu bequemen und zu biegen. Dies sieht aber David nicht als eine Gabe an, die ihm in seine Hand gestellt werde, sondern als einen hohen göttlichen Beistand, unter welchem er stehen und sich verwahren lassen wolle.