von der Recke, Elisa - Ermunterung zum Dank gegen Gott, auch in traurigen Verhältnissen des Lebens.

von der Recke, Elisa - Ermunterung zum Dank gegen Gott, auch in traurigen Verhältnissen des Lebens.

Gott! Du heiliger und segnender Vater Deiner Menschen, die Du erschufst, auf dass sie durch Fortschritte zur inneren Veredlung immer würdiger werden, um einst Genossen Deines himmlischen Reichs zu sein, zu welchem du die Seelen durch läuternde Anfechtung der Erdenwelt führst! Erfülle mich, Vater der Liebe, mit Deiner Verheißung: dass Deinen Kindern alle Dinge, und selbst niederbeugende Verhältnisse zum Besten dienen; dass Du im Verleihen, wie im Entziehen, ein gütevoller Wohltäter bist. Ja, Herr und Lenker meiner Tage, zu Dir flüchtet mit allen ihren Tränen meine niedergebeugte Seele von einem teuren Grabe, welches in sich das Liebste verschließt, was mein Herz mit heiliger, mit beseligender Liebe umfasste. Umdunkelt ist mein Dasein fortan und öde! O! lass, Vater der Liebe, den lichten verklärten Himmel, der jetzt meine Schwesterseele umgibt, herüber leuchten durch dies finstre Gewölk in mein nächtliches Dasein!

Erziehung für die Ewigkeit einer geistigen Vollendung und Erhebung ist dies schnell vorübergehende Leben; eine Vorbereitungsschule ist es zu einer immer heiligeren Tätigkeit, zu einer immer reineren Liebe. Wohl sind es heiße Stunden, die Stunden der Prüfung in dieser Übungsanstalt; aber sie führen zu den Beseligungen der inneren Ruhe, welche durch die Unruhe des Kampfes befördert wird. In jeder Menschenbrust wohnt, aber waltet nicht immer die freie Willenskraft, sich aufzuringen von dem Niederdrucke der Unzufriedenheit, des Missmutes und der leidenschaftlichen Ungeduld, wenn unser reinstes Streben misslingt, wenn unsere teuersten Hoffnungen scheitern. Wer durch redliche Tätigkeit und Beharrlichkeit im Guten zu dieser Ruhe des inneren Friedens gelangt, und bei den widrigsten Schicksalen, bei den verworrensten Erscheinungen des großen Weltlebens, das Vertrauen zu Gottes allweiser Vorsehung festhält; wer es auch dann noch festhält, wenn Stunden des Kummers ihm näher kommen, wenn unersetzliche Verluste sein Leben veröden: der wird nach und nach ruhig und anspruchlos mit frommer Heiterkeit in sich einen Himmel anbauen, in welchem der Friede wohnt, wo die Liebe waltet; er wird uneigennützig und edel die Menschen lieben; wohlwollend, schonend und helfend auch denjenigen sich nahen, die da irren und fehlen, die unverträglich den Frieden der Andern stören.

Wenn mitten unter den Erscheinungen einer harten trauervollen Zeit ein edles Haupt sich erhebt, das innig Gottes Willen erkennt und Gott nachahmt, Segen und Wohltat spendend, wohin es sein Auge wendet, und Anstalten gründend, die auf das vielseitige Heil seiner nahen und fernen Mitmenschen hinstreben: dann wird die teilnehmende Seele, die so gern sich des Wohls der gesamten Menschheit erfreut, den erscheinenden Gott der Liebe in solchem Ereignis erblicken; sie wird dankend niederfallen und anbeten den hohen Lenker menschlicher Schicksale. Aber plötzlich hinweggenommen wird das würdige Haupt aus dem Kreise seiner wohltätigen Wirksamkeit, von dem Flor seiner blühenden Stiftungen. Des Segens Quelle versiegt nun; verstummt ist die Engelstimme der Liebe, welche zur Eintracht, zu wechselseitigem Wohlwollen die Herzen berief; gewichen ist der Friede von dem geweihten Raume, wo die gottselige Seele waltete; in Trümmern drohen zu verfallen die Anstalten, welche Wohlstand, Veredlung und Erhebung verlassener und vernachlässigter Menschen bezweckten. Mit tiefer Trauer erblickt solches das teilnehmende Gemüt. Wird es auch hier noch den erscheinenden Gott der Liebe wahrnehmen? Wohl schwer ist es, bei so stürmenden und hemmenden Wendungen des Schicksals noch den Glauben zu retten: dass Glückseligkeit Aller der Zweck des ewigen Vaters der Menschen sei; ach! der Menschen, die einander so vielfach das kurze Leben verkümmern! Aber auch hier soll das Herz nicht verzagen, der Mut nicht verzweifeln, und nicht wanken der Glaube an den unerforschlichen Regierer, der über den Wolken thront.

Der einzelne Mensch hier unten überschaut nur die Einzelheiten des großen in einander greifenden Menschenlebens. Er, der Ewige, der mächtig und heilig waltet über das unermessliche Weltall, der aus Wüsteneien fruchtbar blühende Fluren, aus den Trümmern verheerter Städte verjüngtes, frisches Leben hervorruft; er allein weiß, was dem ganzen Reich seiner Schöpfungen, was selbst dem Einzelnen ersprießlich ist. Er, der ewig Weise, hat auch meine Glückseligkeit bestimmt und meine Verluste geordnet, um meine Wohlfahrt, besonders in ihren Beziehungen auf das Ewige, zu begründen. Sollte ich trostlos verzagen an dem Grab, das meine Tränen benetzen, dass der ewige Geist der Liebe aus meinem vielfach verarmten und schmerzenvollen Leben auch sie hinweg nahm, welche die Freude, der Trost meines Herzens war! - Dank ihm, heißer, inniger Dank! dass er sie mir gab; dass sie so lange die Meinige war. Das Andenken an ihre Tugenden, an ihre sanfte Milde, an ihr Wohlwollen, an ihre Versöhnlichkeit, an Alles, was sie wirkte und tat, richte mich auf, wenn ich verlassen die Stellen umwandle, die mit den Spuren ihres schönen Daseins bezeichnet sind.

Teure, verklärte Schwester, du trauerst nicht, wie wir dir nachtrauern. Du wandelst in hellerem Licht; hinter dir liegt das Leben der Tränen, die Welt der Verwirrungen und des Wahnes; dir ist klar, was uns dunkel erscheinet. Im frommen, gottergebenen Herzen will ich dein Andenken tragen, bis auch meine schmerzvolle Hülle in Staub zerfallen, und mein erlöster Geist sich aufschwingen wird, wo der Vater der Liebe uns wieder zusammen führt.

Stärke du, o himmlische Kraft, meine bange Seele; stärke in ihr den Vorsatz, festzuhalten im Glauben an Deine Weisheit und Liebe; nicht müde zu werden im Ringen nach Licht und Recht, und rüstig Gutes zu wirken, so lange mein Tag währt. Amen!

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