Passavant, Theophil - Naeman, oder Altes und Neues - 15. Aus Israel das Heil.
Wer in Israel den Aussatz bekam, wurde nach dem Gesetz, von den Priestern untersucht, für unrein erklärt, von der Gemeine Israel, vom Tempel und allen Gottes-Diensten ferne gehalten, und auch von seinen eigenen Leuten gesondert, bis er heil wurde. Dann mußte er sich wieder vor die Priester stellen, sich prüfen lassen, und erst nur wenn er von ihnen für heil und rein anerkannt und erklärt war, durfte er wieder zu den Seinigen zurückkehren, und als ein gesundes Kind des Volkes Gottes, mitten in Israel sich mit seinen Brüdern seines Gottes freuen. Diese strenge Sitte zielte, heilig und ernst, freilich noch weiter; und wie so viele Gebote, Ceremonien und Sitten von Gott verordnet, wollte sie dem Volke des HErrn mehr bedeuten und sagen, denn bloß ein äußeres Gebot und äußere Geberden. Was meinest du wohl, wollte der heilige Gott Seinen Israeliten damit vor die Seele führen?
Naeman war zu diesem Gesetze nicht verbunden; er kannte es ja nicht, und hatte von seinen Göttern, oder von seinem ihm selbst noch unbekannten Gott, kein bestimmtes Gebot empfangen. Der treffliche Mann war dennoch auch sehr geplagt. Es wäre schon ein großer Trost für sein kindlich Herz gewesen, wenn er Gott den HErrn gekannt hätte, und hätte sich sagen können: Das ist ein Pfahl in's Fleisch, und es ist mein Gott, der mich so schwer heimsuchet:
Was Gott thut, das ist wohl gethan,
Es bleibt gerecht Sein Wille;
Wie Er fängt meine Sachen an,
Will ich Ihm halten stille.
Er ist mein Gott, Der in der Noth
Mich wohl weiß zu erhalten;
Drum laß ich Ihn nur walten.
Was Gott thut, das ist wohl gethan,
Er ist mein Licht und Leben,
Der mir nichts Böses gönnen kann;
Ich will mich Ihm ergeben
In Freud' und Leid, Es kommt die Zeit
Da öffentlich erscheinet
Wie treulich Er es meinet.
So singt ein Kind, wo die Christen weinen; so aber konnte sich ein Naeman in Syrien nicht getrösten; und er mußte lange die Plage tragen, Heil suchen und Mittel zur Rechten, zur Linken, und kein Kraut half, und kein Trank, kein Balsam Arabiens, kein Gold, keine Kunst, kein Mensch, und kein Freund, und kein Gott.
Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen, von welchen mir Hülfe kommt. So sprach sich jedes Glaubens-Kind in Israel im 121 Psalme aus, so oft ihm keine Kunst und kein Freund helfen konnte. Was sagen mir aber die blauen, die grünenden Berge, mit dunkler Waldung so reichlich geschmückt, - was ihre hohen Gipfel mit den ewigen Felsen, gekrönet mit dem Schnee, der ewiglich bleibt, - was, so lange ich ihre Predigt nicht verstehe, nicht weiß, Wessen Name an ihren hohen Felsen-Wänden über dem reinen Schnee-Glanz geschrieben stehet? Was mögen sie mir für eine Hülfe verkündigen, so lange ich nicht gelernt habe mit Moses, dem Manne Gottes, sprechen: HErr! Du bist unsere Zuflucht für und für. Ehe denn die Berge wurden, und Du bildetest die Erde und den Erdkreis, von Ewigkeit zu Ewigkeit - bist Du Gott. - Meine Hülfe, sprach der Israelite, meine Hülfe kommt von Jehovah, Der Himmel und Erde gemacht hat. Und ein anderes Kind Israels erwiederte: Die auf Jehovah hoffen, die sind wie der Berg Zion; der wanket nicht, er bleibet in Ewigkeit. Um Jerusalem her, stimme wieder ein Anderer an, um Jerusalem her sind Berge, und Jehovah ist um Sein Volk her, von nun an bis in Ewigkeit. Ps. 90. 121. 125.
Von dort her sollte Naeman Hülfe werden, aus Israel das Heil. Joh. 4, 22.