Passavant, Theophil - Jakobs Kampf - 2. Altes und Neues

Passavant, Theophil - Jakobs Kampf - 2. Altes und Neues

Wir sind eben nicht weit von Canaan, jenem Lande der Väter, Abraham, Isaak und Jakob, jener Stammväter des Volkes Israel, dieser armen Juden, deren wohl bekanntes Angesicht, ihre Zerstreuung unter allen Völkern, unter uns, uns prediget immerdar: Gott, der Gott der Juden und der Heiden, der Gott der Bibel, der Wahrhaftige und Ewige, ist ein lebendiger Gott, schrecklich und groß. - Israel, Canaan, ein wunderbares Volk, und ist ihm Keines gleich; ein wunderbares Land: es blühete einst wie die Rosen, wie die Lilien auf schönem Gefilde, das Land, wo Milch und Honig fließt (Jer. 11,5.); - und ist nun größtentheils eine Wüste, wie die Bibel auf ihren schrecklichen und treuen Seiten diesen Fluch geweissagt; - aber die Wüste und Einöde wird wieder lustig sein; und die Steppe wird fröhlich stehen, und wird blühen wie die Lilie. Jes. 35. Darum sage ich: ein wunderbares Land, dem kein anderes je gleich gewesen und kein späteres je gleich sein wird. Ich begehre nicht, mein Freund, daß du das Alles glaubest, obwohl dieser Glaube meines Lebens Licht ist und mein Trost; ich möchte nur mit dir etliche Schritte in diesem Lande thun; weiß kein schöneres, wo meine Freunde hinführen; man kann freilich auf dessen Fluren müde werden, doch nirgends ist die Erquickung so groß und die Ruhe so sanft.

Dort nun begegneten Jakob die Engel Gottes.

Ein schönes Begegnen: - diese dienstbaren Geister, ausgesandt zum Dienst um derer willen, die ererben sollen die Seligkeit (Hebr. 1, 14.) Man wünschte sich so dann und wann auf Erden solchen Engeln des Friedens und des Lichts zu begegnen; stößt man ja überall auf so viele Gestalten, lebendige Wesen, oft traurig, oft peinlich, auch schrecklich anzusehen, - sind keine Engel Gottes. Doch kann man hier und da einem schönern Angesichte begegnen, so edel, so rein, so mild, - Friedenskinder; und wird Einem, man habe einen Engel Gottes gesehen; ist auch was Wahres daran; und das thut Einem, dem Ange, dem Herzen, so wohl, denn Manchem könnte sonst sein Weg sauer sein oder dünken in einer Welt, da der Sünder so Viele wohnen. Muß dies freilich auch bekennen: So sehr ich mir eine Engel-Erscheinung wünschte, tonnte mir doch auch vor diesen erhabenen Himmels-Bewohnern bange werden, denn sie sind gar reine und heilige Lichts-Gestalten, und ihre zahllosen Schaaren stehen vor Gottes Throne in unverrücktem, reinem, heiligem Gehorsam; und ich, - ich habe mich so oft an meinem Gott versündigt: ich bin nicht rein; dürfte kaum Einem seiner Engel in's reine Angesicht schauen. O selige Wesen, die so rein sind und so gut!

Warum aber ließ Gott, der Herr, seiner Engel Schaar dem Jakob erscheinen? Der Erzvater hatte Trost und Stärkung nöthig, und zwar, wie man sie nur von oben, nicht von unten empfangen kann. Jakob war auch ein Sünder; er hatte unter Andern von jeher mit jener List zu kämpfen und dergleichen mehr, die man seinem Volke längst schon vorwirft, und er mußte es in diesen Stunden mit altem und neuem Schmerz erfahren, daß so manche Selbsthülfe nicht in die Länge hilft, mancher errungene Vortheil seinen tiefen Schaden nach sich ziehet, und wie man, was einmal geschehen ist, nicht ungeschehen machen kann. Ja, es gibt Stunden in des Menschen, des Sünders Leben, - da wird Einem so bange, da fühlet man sich so schwach, wie von Gott und von Menschen verstoßen oder verlassen; man hat keine Freude von allen seinen Freuden mehr; man hat keinen Frieden, kein fröhlich Vertrauen, keine Kraft mehr in sich selbst: man weiß nur von innerer Unruh, von Angst, und Zagen, und Beben; es ist, als wäre das kräftigste Leben vom Blitz getroffen worden; rückwärts schwere Erinnerungen, vorwärts düstere Wolken, - ein Herz, das uns verdammet; eine alte Schuld ist plötzlich aus der Vergangenheit heraufgetaucht: sie wird an die Wand geschrieben, - scharfe, schwarze Züge; kein Wasser kann sie wegwaschen, kein Schwamm sie tilgen; lange Zeiten sind hinter uns verschwunden, die alte Vergangenheit ist wieder Gegenwart geworden; die alten und neuen Gedanken entschuldigen und verklagen sich unter einander, die alten Wunden schließen sich wieder auf, tief bis in's Blut, und finster wie der Tod. - Wohin? wohin? Ach, zu Gottes Füßen hin, in den Staub hinein, doch auch in Gottes Hände; - aber es wird Einem so bange, und die Nacht ist finster und lang.

Schon im Mutterleibe hatte Jakob seinen Bruder untertreten, eine Vordeutung deß, was der Jüngere später dem Aelteren anthun würde; er hielt mit seiner Hand die Ferse des Esau; darum hießen sie ihn Jakob: Fersenhalter, Untertreter. 1. Mos. 25, 25. s. Hos. 12, 4. Wir wissen, wie die zwei Brüder, wie es oft geschiehet - so verschieden von einander ausfielen; der Eine wild und rauh, ein unbändiger Erdensohn; der Andere still und mild, der gerne in der Hütten blieb; dieser, nicht ohne Recht der Mutter lieber, jedoch mehr, denn es klug war; jener, dem Vater besonders lieb, was auch eine Schwachheit des Alten war; und daraus wollte nicht immer Gutes entstehen. Jakob benutzte seines Bruders Schwachheit, da er einmal von der Jagd gar müde zurück kam: Esau sprach zu Jakob: Laß mich kosten von dem Rothen da, denn ich bin müde. Darum heißet er Edom. Aber Jakob sprach: Verkaufe mir heute deine Erstgeburt. Esau antwortete: Siehe, ich muß doch sterben, was soll mir denn die Erstgeburt? Jakob sprach: So schwöre mir heute. Und er schwur ihm, und verkaufte also dem Jakob sein Erstgeburtsrecht, das sonst so heilig war vor Menschen und vor Gott. Da gab ihm Jakob Brot und das Linsengericht; und er aß und trank, und stand auf, und ging davon. Also verachtete Esau seine Erstgeburt. 1. Mos. 25. Die Menschen verachten oft, sie wissen's oder nicht, ihr schönstes Vorrecht: Gottes Kinder und Erben zu sein; dafür weiß uns aber die Welt keinen Ersatz noch Trost.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/p/passavant/jakobs_kampf/passavant_jakobs_kampf_2.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain