Oehninger, Friedrich - Wahrheiten für unsere Tage - Abfall in der Christenheit

Oehninger, Friedrich - Wahrheiten für unsere Tage - Abfall in der Christenheit

Wem soll ich unsere Gesellschaft vergleichen? sagt Sohm in seiner Kirchengeschichte. Ich vergleiche sie dem Erdball, auf dem wir wohnen. Eine dünne Rinde um einen ungeheuren feurig-flüssigen, vulkanisch-gärenden, revolutionären Kern. Äußerlich alles Ordnung, Friede, Blühen und Gedeihen; aber ein Moment, und die elementaren, titanischen Kräfte der Unterwelt haben die ganze Herrlichkeit in Schutt und Asche verwandelt. Nur wenige sind es, welche die besitzende, regierende, genießende, am öffentlichen Leben Anteil nehmende Gesellschaft bilden; die Masse stellt den Lastträger, zugleich den übermächtigen Feind der Gesellschaft dar.

Die Heilige Schrift selbst redet von den Zuständen der letzten Zeit unter dem Bild von immer neu ausbrechenden gesellschaftlichen Erdbeben und Revolutionen, und im Zeitalter der kontinuierlichen Revolution, die nur zeitweise durch Reaktionen aufgehalten wird, bis neue stärkere Ausbrüche kommen, leben wir jetzt seit 1789. Der Revolution auf den äußeren politisch-sozialen Gebiet geht und ging beständig der Revolution auf dem Boden des geistigen Lebens voran als der treibende Grund. Und der Kern dieser Revolution des 19. Jahrhunderts ist der Materialismus, die Entdeckung der Materie, dass sie Gott sei. Nach diesem Materialismus, der jetzt mehr und mehr die Köpfe beherrscht, ist es die Materie, die alles erschaffen hat, alles verändert und bestimmt, die allein bleibt. „Das Einzige, was ist, ist das Spiel der Atome; ein mechanisches, erbarmungsloses Gesetz der Notwendigkeit hat uns und alles hervorgebracht und wird uns und alles wieder vernichten, ohne irgend welchen Zweck. Wir sind eigentlich nichts; nicht unser Geist ist da, sondern nur der Leib, mechanisch fungierend, irrlichterirrend, eine Welle, im endlosen Meer auftauchend, um für immer wieder zu verschwinden. Da ist kein Raum mehr, weder für Geist, noch Gott, noch Himmel und Jenseits, noch für eine Religion.“ Als eine Stimme der Zeit hat Strauß es ausgesprochen: Wir sind keine Christen mehr, wir haben keine Religion, und Kingsley hat richtig gesehen, als er schrieb: der Kampf der Gegenwart liegt nicht zwischen Katholizismus und Protestantismus, sondern zwischen Atheismus und Christus.

Und doch redet man bei all' diesem Materialismus und Abfall von Gott und von Seinen ewigen geistigen Gesetzen, - man redet noch von Moral, ja man meint, die wahre Moral erst jetzt in diesem Jahrhundert entdeckt zu haben. Aber was ist das für eine Moral? Sie lautet: Der Kampf um das Dasein ist das Weltgesetz und zugleich das Entwicklungsgesetz. Durch den Kampf um das Dasein wird das Geringe, Schwache, des Daseins nicht Würdige vernichtet werden, hingegen das Große, Starke, des Daseins und der Zukunft Fähige aber übrig bleiben. Der Kampf um das Dasein ist das große Läuterungsfeuer, die Welt von allem Elenden, Missgeborenen zu reinigen. Also: hinein in diesen Kampf mit aller Kraft. Schaffst Du dir Bahn, so bist du der Edlere, Größere, Würdigere. Hinein in diesen Kampf, um das Elende und das Geringe vollends zu zertreten, so arbeitest du an der großen und alleinigen Aufgabe der Weltgeschichte. Der Einzelne hat seine Kräfte nicht, dass er dem Nächsten diene, sondern, dass er seinen Nächsten umbringe. Wer übrig bleibt im Kampf, der hat Recht gehabt. Macht ist Recht. Man sieht: der Moral des Christentums ist die Moral des Antichristentum gegenüber getreten, wie vorher schon dem Glauben des Christentums der Glaube des Antichristentums, der nichts anderes ist als Selbst- und Naturvergötterung, Vergötterung der Materie.

Den Namen Moral verdient freilich eine solche Lehre nicht mehr; denn wie kann die Materie sittlich sein, die sich und alles Leben nur in mechanischer Notwendigkeit bestimmt, ohne Freiheit? Der Egoismus ist das einzige Prinzip und die irdische Glückseligkeit das einzige Ziel des Menschen. (Vgl. Sohm.)

Dieser Materialismus ist bereits bewusst und unbewusst. eine furchtbare Macht geworden im Geschlecht unserer Tage. Es sind die Tage, wo der längst von Christus und den Aposteln geweissagte Abfall sich vollzieht, dessen Charakteristikum die Anomie, die Lossagung von Gott und Seinem Gesetz, sowie Lieblosigkeit und Egoismus, sind (vgl. Mat. 24,12). - Christus redet von den letzten Zeiten, den Tagen der Endentwicklung der natürlichen Menschheit unter dem Bild der Mitternacht (vgl. Mat. 25,1, ff.), wozu Luther bemerkt: Die Welt wird noch ganz epikurisch werden, nicht mehr an Gott und die Unsterblichkeit glauben und sich den Lüsten hingeben, und dann wird um Mitternacht das Geschrei erschallen: Der Bräutigam kommt!

Es tobt im Grund; ein feines Ohr vernimmt's,
Stein Feuer mehr; doch in der Asche glimmt's.
Und fährt einst unversehns der rasche,
Erboste Sturmwind in die Asche,
Und frisst das Niedrige und Hohe.
Dann schlägt auf's Neu empor die Lohe.
Ein heißer, tiefer Hass, ich weiß es, glüht
Im Stillen gegen Ihn und Sein Geblüt.
Sie möchten rauben Seine Krone,
Verschlingen, was noch hält am Sohne;
Und bald wird ihre Stunde schlagen,
Da sie zum letzten Strauß sich wagen.
Und rings umher - wie schläft das Volk des Herrn
In Sicherheit, als wär' der Kampf noch fern!

Der Abfall, wie er am Ende vollbewusst im antichristlichen Haupt der atheistischen modernen Gesellschaft, im Antichristen hervortreten und, so lange es Gott zulässt, die Herrschaft auf Erden behaupten wird, ist durch die Entwicklung der vergangenen Jahrhunderte vorbereitet worden. Ehe das Christentum weggeworfen wird, ist es zur heuchlerischen Form geworden, ein dummes Salz, das nun von den Leuten zertreten wird. Mau denke an die Schmach, wie z. B. im 18. Jahrhundert die Vertreter der Kirche und des Staates versäumt haben, die herrlichen Wahrheiten des Christentums von der Toleranz, der Brüderlichkeit, der Freiheit, des geistigen Strebens, geltend zu machen, in Lehre und Leben; darauf sind die Apostel des Abfalls gekommen und haben im Namen des Unglaubens die Humanität gepredigt und das Christentum mit dem Verdacht in Verachtung gebracht, als ob es jene schönen und wahren Grundsätze hasse. So kann man auch jetzt nicht des Materialismus und Sozialismus in den untern Klassen gedenken, ohne zugleich der Sünden der höheren Stände zu gedenken, die das alles provoziert und vorbereitet, gleichsam gesät haben - in Erwerbsucht, Genusssucht, Sinnlichkeit. - Wer Wind sät, wird Sturm ernten. In 1. Tim. 4,1 ff. finden wir eine Zeit charakterisiert, die noch nicht die letzte ist, aber die letzte vorbereitet und anbahnt durch Aberglauben und Heuchelei, - und die letzte Zeit findet sich besonders in 2. Tim. 3,1-5 gekennzeichnet: das liebe eigene Ich und das gehörige Geld dazu! - Aller Abfall geht immer von einem Höheren zu einem andern, verhältnismäßig Niederen. Gottes Gaben und Erkenntnis im Dienste der Selbstsucht verwenden, hat von jeher die Menschen tiefer hinab sinken lassen. Eine Fälschung des Christentums liegt und lag immer besonders darin, dass man das Sündhafte, Eitle, Weltliche weihte, mit christlichen Namen und Formen umgab, statt zu überwinden. Auf diesem Wege hat man bälder Ruhe und Frieden, aber falschen Frieden. Das wahre Christentum weiht auf dem Grabe des Nichtigen; das moderne Christentum will das Nichtige selbst weihen. Welch ein Gegensatz! So kommt man schließlich zur Vergottung der Welt und des Menschen! Eritis sicut deus1).

In Perioden des religiösen Verfalls wiederholen sich stets, wenn auch unter andern Namen und Formen, drei Richtungen, entsprechend den drei Vermögen des Menschen: Wille, Verstand und Gefühl. - Es sind: tote Orthodoxie oder Pharisäismus, skeptische Freigeisterei oder Sadducäismus, mystischer Aberglaube oder Essäismus. Die entsprechenden Erscheinungen auf dem Gebiet des alten Heidentums waren die Stoiker, die Epikureer und die Neuplatoniker, und sie machen sich in der Kirche geltend, die erste besonders in der römischen Kirche, die zweite im Protestantismus und die dritte in den Sekten. Schon vor hundert Jahren hatte Johannes von Müller, der Geschichtsschreiber, Anlass zu schreiben: Erfüllen Sie sich mit dem Ernst eines an Abgründen wandelnden Zeitalters. Aber sind nicht noch eine Menge christlicher Institutionen, Redensarten, Gefühle und Tugenden vorhanden, die die Meinung Lügen strafen, dass die jetzige Zeit im Abfall begriffen sei? Einer der Propheten dieser Zeit, selbst im Abfall vom Christentum vorgeschritten wie wenige, Renon, sagt hierüber: „Die Reste unserer Tugend verdanken wir Formeln, die wir abgestoßen haben. Wir leben von einem Schatten, vom Wohlgeruch eines Leergewordenen Gefäßes. Nach uns wird man vom Schatten eines Schattens Leben. Ich fürchte, das wird etwas leichtsinnig werden.“ - Wie leichtsinnig es bereits geworden, das kann Zola zeigen, dessen Romane ein Spiegelbild unsäglich sittenloser innerer und äußerer Zustände sind. Und wie sehr dieser Geist um sich frisst und herrschend wird, zeigt der Umstand, dass schamlose Literatur riesenhaft zieht und man damit weit die besten Geschäfte macht, wogegen die künstliche Eindämmung solcher geistigen Sündflut wenig ausrichtet. Es wird eben in Erfüllung aller Weissagung in unserer Zeit der vertierte Mensch auf den Thron der Gottheit gehoben. So viel man auch von Humanität rede und eine Zeit lang behaupte, es ist doch wahr: Ohne Divinität sinkt die Humanität schließlich zur Bestialität herab. - „Auf dem Bauche sollst du gehen,“ - da findet das stolze Gottgleichseinwollen sein Grab. - Demgemäß erscheinen in der prophetischen Sprache der Heiligen Schrift die Weltreiche unter dem Bild von Tieren, die von unten aufsteigen, während der Wiederbringer wahrer reiner Menschheit und Menschlichkeit als Mensch geschildert ist, der von oben kommt (vgl. Dan. 7). Das elfte Horn des vierten Tieres in Daniel 7 bedeutet den Ausläufer der ganzen gottwidrigen Entwicklung in der Menschheit, den Antichristen, und nennt als wesentliche Merkmale desselben und der Menschheit, die er vertritt, erstens kluge Augen, zweitens ein Lästermaul, was auf die Verbindung einer großen intellektuellen Kultur mit frecher Opposition gegen Gott in Selbstvergötterung hinweist, alles Dinge, die sich in unsern Tagen schon sehr entwickelt finden. Der biblischen Vorbilder haben wir für den nahen tragischen Schluss der Weltgeschichte vor dem Kommen des Reiches Gottes ja viele und mannigfaltige. Die „Riesen“ vor der Sündflut, aus unnatürlicher Vermischung hervorgegangen, erinnern daran, was für großartige Erscheinungen oft die Folgen waren, wenn Gottes Kräfte und Wahrheit in den Dienst der Welt und der Zeit gestellt wurden. Gott allein dienen bringt zunächst an's Kreuz, in der Welt, wie sie ist, während vor dem Geist der Zeit huldigend niederfallen Erfolg hat. - Auch Babels Turm mit seiner falschen Verbrüderung und Assoziation, womit man sich für den abgehenden göttlichen Segen entschädigen und schützen will, ist ein Vorbild auf den Abfall der Endzeit (vgl. Geibels Gedicht: Babel). - So wenig aber jene Verbrüderung Bestand hatte, so wenig wird die Zivilisation auf bloß humaner Grundlage zum Ziele führen. Der Philosoph Hamann hat Recht, wenn er sagt: „Das Menschenleben nach der bloßen Vernunft auf atheistischer Grundlage verspricht einerseits für die Zukunft eine glänzende Entwicklung materiellen Fortschritts zum Nutzen und zur Annehmlichkeit des sinnlichen Daseins. Anderseits führt es, tatsächlich in der Geschichte, in der Politik zum Despotismus, im sozialen Leben zur Korruption, in der Wissenschaft zur Skepsis, im Ganzen aber zur konsequentesten Ausbildung und zur Herrschaft des Egoismus und dies wiederum zur Disposition der tiefen Melancholie unserer Tage, zur Selbstvernichtung.“

Wir schreiten im großen Ganzen immer weiter vom Christentum fort und werden in unsern öffentlichen und privaten Zuständen dem Ausgang des vorchristlichen Zeitalters immer ähnlicher, - nur dass das jetzige moderne Elend und Verderben viel größer ist als das alte, weil höhere durchs Christentum gesteigerte Kräfte es sind, die vom modernen Antichristentum missbraucht werden.

Balak und Bileam (4. Mose 23 ff.) sind ebenfalls Typen auf den unseligen Bund der Weltmacht mit einer Weltweisheit, welche auch die religiösen und sittlichen Erscheinungen in ihren Kreis zieht, ihnen aber eine materialistische Erklärung gibt, die sie auflöst. Ein Beispiel ist der Hypnotismus.

Professor Forel sagt, der Hypnotismus begründe und bestätige Spinozas Satz: die Illusion des freien Willens ist weiter nichts als die Unkenntnis der Motive unseres Handelns. Die sogenannten Wunderkuren in Gebetsheilanstalten beruhen einzig auf Suggestionen, sowohl verbal als durch Berührung. Alles Gebet sei eine Art Selbstsuggestion, mit bloß subjektiver Wirkung. Die schiefe Entwicklung wird befördert durch das moderne Majoritätsprinzip. An die Majorität zu glauben, ist finsterer Aberglaube, und diesen Aberglauben fordert der Liberalismus. An einem öffentlichen Gebäude der Schweiz steht dagegen: „Viele sind berufen, wenige auserwählt; unus prästantior multis.

Barrabas, den die Juden losbekamen, als sie den Herrn kreuzigten, kann uns ebenfalls Lehren, was uns bleibt, wenn die Entchristianisierung der Staaten und Völker weiter vorwärts schreitet bis zur entschiedenen öffentlichen Lossagung von Gott und Seinem Gesalbten. Die Gerechtigkeit und Tugend gebunden, das Laster und die Bosheit frei und Gegenstand besonderer humaner Barmherzigkeit. Raub, Empörung, Mord - war in jenem Verbrecher personifiziert und Annexion dessen, was uns nicht gehört, ja Leugnung alles Eigentums, ferner Verwerfung der Autorität Gottes und endlich Vernichtung alles dessen, was dem natürlichen Verlangen im Wege steht, - das bleibt und kommt auf, wenn Christus verworfen wird. - Solcher offenen und gewaltsamen Verfolgung des Christlichen geht freilich der verdeckte Verrat, der Verrat mit einem Fuß, voran. Schon die Gleichnisse Christi deuten klar auf einen Fortschritt in der Verderbnis der Christenheit hin, namentlich die Gleichnisse in Mat. 13 in ihrer Aufeinanderfolge. Da sehen wir 1. Die Aussaat. 2. Die Einführung der Kinder des Bösen unter die Kinder des Reiches. 3. Vögel und Sauerteig, d. h. Verderbnis auch der Guten. 4. Des Christentum wird ein verborgener Schatz und eine seltene Perle. 5. Endlich wird das Netz aus dem Meer gezogen und die Scheidung vollzieht sich. - Unheil und Gericht erscheinen in der Heiligen Schrift immer als Folge der Verwerfung einer gnädigen göttlichen Heimsuchung und diese wiederum als Folge einer ganzen Entwicklung und als Konstatierung des ganzen gottwidrigen Zustandes. So spricht Christus in Mat. 33,34 und Luk. 11,49 in Bezug auf die Zukunft: „Siehe, Ich sende zu euch Propheten und Weise und Apostel, und dieselben werdet ihr verfolgen und geißeln in euren Schulen, auf dass von diesem Geschlecht gefordert werde aller Propheten Blut, das auf Erden von Anfang an vergossen worden ist.“ - Und Joh. 5 sagt der Herr: „Wenn ein anderer kommt in seinem Namen, nicht, wie ich im Namen des Vaters, den werdet ihr aufnehmen.“ - Die Macht in der Menschheit antichristlich zu konzentrieren, dazu sind die Vorbedingungen vorhanden nicht nur in der Leichtigkeit des riesigen Weltverkehrs, sondern besonders auch durch die Atomisierung der Gesellschaft, durch die allmählige, immer weiter schreitende Auflösung aller bisherigen Gottesordnungen in Kirche, Staat und Familie. Je loser diese gottgewollten Bande sind, desto mehr hat der Feind gewonnenes Spiel. Das moderne Vereinswesen, das immer mehr an Stelle jener von Gott geordneten organischen Verbindungen tritt, ist zwar vielfach gut gemeint, kann aber dem allgemeinen Zerfall nicht wehren, sondern fördert ihn vielmehr. - Die Atomisierung der Gesellschaft, das bunte, unterschiedslose Durcheinanderwerfen der Stände befördert u. a. auch den Luxus der modernen Welt; denn nicht mehr als Glied einer Gemeinschaft, sondern in sich muss Jedermann jetzt Ehre, Ansehen und Beachtung suchen. - Was aber die gewaltigen Errungenschaften in Kunst, Wissenschaft und Gewerbe betrifft, so hängen diese zum Teil mit der jetzt herrschenden Hingabe an's Irdische zusammen und mit einer größeren Entfernung von Gott, wovon wir im unruhigen Kulturdrang der Kainiten und in der einfacheren Lebensweise der Sethiten ein Vorbild haben. Ausbeutung der Natur und Setzen eines künstlichen Lebens an Stelle des natürlichen ist noch nicht die dem Menschen verheißene Beherrschung der Natur und verkehrt sich so gern ins Gegenteil einer Wohltat, wie die furchtbar gehäuften Unglücksfälle und die Epidemien und nervösen Leiden der Neuzeit beweisen. - Andererseits ist es auffallend, wie die größten Entdeckungen und Erfindungen auf diesem Gebiet ursprünglich von solchen genialen Männern gemacht worden sind, die Gott die Ehre gegeben haben, von Kepler bis herab auf unseren Zeitgenossen Edison. Aber die rücksichtslose Ausbeutung dieser Errungenschaften und die Platzierung der Kultur an die Stelle des Kultus wird nicht von jenen ersten gottbegnadeten Entdeckern betrieben, sondern von einem materialistischen Geschlecht, und bringt schließlich mehr Unglück als Glück.

„Gebildet sind wir schon lange, aber noch lange nicht bei Trost“ (Bogumil Goltz). Ach, die Trostlosigkeit der Gegenwart, die desto dunkler und unheimlicher wird, je mehr sie der Sonne der Welt, Christus, den Rücken kehrt, je mehr die Sterne, die Lehrer des Himmelreiches, und der Mond, die Kirche, ihren Schein, himmlische Gesinnung, und damit den Einfluss verlieren! Rastlos und unstet ist das Geschlecht unserer Tage und schweift so auf der Erde umher wie Satan im Buche Hiob (Kap. 1). - Die Darwin'sche Theorie vom Kampf ums Dasein befördert die allgemeine Demoralisation.

Ängstlich zieht auf den Wogen der modernen Zeit das Schiff der Kirche einher, denn der Wind ist ihm entgegen, und was als Zeichen der Nähe der Zukunft des Herrn sie ermutigen und ihr Haupt empor richten sollte, macht sie noch ängstlicher, dass sie schreit: Es ist ein gespenstiger Wahn! In der Menschenwelt im Allgemeinen ist ein Hadern mit dem Schöpfer und ein gewisser Lebensekel bemerkbar (vgl. Jesaja 59,9 ff.). Selbstmord nimmt zu, ebenso Wahnsinn, diese fürchterliche Geißel infolge der Aufregungen des modernen Lebens und der Schädlichkeit unserer Zivilisation. Auch die Verbrechen mehren sich, wie Moreau, der französische Kultusminister, meinte, infolge des vermehrten Unterrichts ohne entsprechende sittliche und religiöse Bildung. Am Alkohol, dem falschen Tröster, sterben Tausende und Tausende und wird das Dasein ganzer Geschlechter vergiftet. Es wird über Verlogenheit der Tagespresse und Unredlichkeit und Zunahme von Betrug und Schwindel im öffentlichen Leben geklagt. Das allgemeine Vertrauen ist tief gesunken. Dennoch geht es auf dieser Bahn noch weiter. Weil die menschliche Gesellschaft Gott verloren hat, so muss sie nun Vorsehung spielen und die Sorge für alle und Jedes übernehmen, und ein Verwaltungsstaat, welcher der Sozialdemokratie zusteuert, ist an die Stelle der früheren Rechtsordnung getreten. Die Sozialdemokratie ist die natürliche Konsequenz des Atheismus, und der Sozialismus schickt sich nun an, für die Menschen zu sorgen, ihre Bildung, ihren Erwerb, ihre Ernährung, ihren Besitz, alles in seine Hand zu nehmen. Von der Ansicht ausgehend, alle Menschen seien gleich, will er nun allen Menschen gleichen Anteil an den Gütern des Lebens geben und erstrebt daher Kollektiv-Eigentum, Nationalarbeit, Verteilung der Produkte nach Maßgabe der Arbeit. Aber die bisherigen Versuche, auf solcher Grundlage Freiheit und Wohlstand der Menschen zu begründen, haben traurig fehlgeschlagen; es geht dies Beginnen über das den Menschen Mögliche hinaus. Die soziale Frage wird nur auf dem Wege der göttlichen Ordnungen gelöst, und diese richtet allein Der auf, des wir harren. „So tut nun Buße und bekehrt euch, dass eure Sünden getilgt werden, auf dass kommen Zeiten der Erquickung vom Angesicht des Herrn und Er den euch zuvor bestimmten Christus wieder sende“ (Apg. 3,19-21). Freilich, der Herr kommt nicht, es sei denn, dass zuvor der Abfall komme und geoffenbart werde der Mensch der Sünde, der sich über alles, was Gott und Gottesdienst heißt, erhebt und sich selbst in den Tempel Gottes setzt als Gott (vgl. 2. Thess. 2). Es gibt etwas, welches die Offenbarung dieses Geheimnisses noch aufhält und die Fürbitte und die bürgerliche, kirchliche und familiäre Ordnung noch stützt und aufrecht erhält. Wann aber dieses Aufhaltende weggetan oder weggenommen sein wird, dann bricht die Verderbensmacht, das Unheil, wie ein Strom, wie eine Sündflut herein und wälzt sich über die Menschheit dahin. O, wachen wir und beten wir, dass wir würdig werden, diesem allen zu entfliehen, und danken wir Gott, dass Er uns erwählt und berufen hat durch das Evangelium zum Eigentum Jesu Christi und halten wir in Treue und Gehorsam des Glaubens fest an den christlichen Überlieferungen und göttlichen Ordnungen. Gottes Wahrheit ist Schirm und Schild. In seiner Hütte deckt Er uns zur bösen Zeit; wenn wir unter dem Schirm und Schatten des Allmächtigen bleiben, so wird Er uns erretten und erhöhen mit des Morgens Anbruch.

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Du wirst sein wie Gott
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