Murray, Andrew - Die Schule des Gebets - Neunte Lektion

Was willst du? oder Euer Gebet soll erhört werden.

Und Jesus antwortete und sprach zu ihm: Was willst du, dass Ich dir tun soll? Der Blinde sprach zu Ihm: Rabboni, dass ich sehend werde. (Mk. 10,51)

Was willst du: Was willst du, dass Ich dir tun soll? Er sprach: HErr, dass ich sehen möge. (Luk. 18,41.)

Der Blinde hatte schon mit großem Andringen gerufen und gebeten: „Jesus, Du Sohn Davids, erbarme Dich meiner!“ Dies Gebet hat das Ohr des HErrn erreicht. ER wusste, was von Ihm begehrt worden war, und welche Antwort ER geben wollte. Aber dennoch fragte ER: „Was willst du, dass Ich dir tun soll?“ - ER will aus dem Mund dieses Beters nicht allein das allgemeine Gebet um Erbarmung hören, sondern das bestimmte Bekenntnis von dem, was er eigentlich verlangt. Bevor der Mann dies ausspricht, wird ihm nicht geholfen.

Es gibt heute noch manche Beter, an die der HErr dieselbe Frage richtet, und denen nicht geholfen wird, bis sie Antwort gegeben haben. Der HErr will nicht, dass unsere Gebete nur eine unbestimmte Berufung auf Seine Gnade, oder ein allgemeines Erflehen Seines Segens sein sollen, sondern der Ausdruck von bestimmten Begehren. Und das will ER aus sehr bestimmten Gründen. ER lehrt uns unsere Nöten und Bedürfnisse besser erkennen und fühlen. ER stellt uns auf die Probe, ob unsere Begehren wirklich aufrichtig und ernstlich sind. ER entdeckt uns, ob wir wirklich glauben, dass wir empfangen werden, was wir bitten. ER treibt uns an, nach einer bestimmten Antwort auszusehen und aufzumerken, wenn die Antwort kommt.

Und doch, wie viele unserer Christengebete sind solche unbestimmte Bitten. Einige rufen um Gnade und tun nicht das Mindeste, um ausfindig zu machen, was Gnade für sie tun will. Wenn sie um Vergebung der Sünden bitten, sollten sie da nicht auch zusehen, unter welchen Bedingungen Vergebung verheißen ist? Andere bitten um Freimachung von Sünden, nennen aber keine einzige Sünde beim Namen, um sie zu bekennen und davon erlöst zu werden.

So gibt es auch Kinder Gottes, die bitten um Segen für Andere, um Ausgießung des Heiligen Geistes, zu denen der Vater auch sagen muss: „Was willst Du eigentlich?“ Erst wenn wir in die Übungsschule des Gebets und des Glaubens kommen und gelernt haben, auf bestimmte Fragen und Begehren Antwort zu erlangen, wird auch unser allgemeines Gebet kräftig werden.

Wir wissen Alle, mit welchem Erstaunen die gebildete Welt die Nachricht von dem Sieg der transvaalschen Bauern vernommen hat. Was hat diesen Sieg zu Wege gebracht? Während die großen Heerlager Europas dem Feind in Massen gegenüberstehen, und die Soldaten losschießen ohne daran zu denken, dass jede Kugel treffen soll, taten die Boers, wie sie es auf der Jagd gelernt hatten: sie feuerten keine Kugel ab, ohne ein bestimmtes Ziel zu haben. Solch' Schießen musste den Sieg behalten. Ebenso ist es in der geistlichen Welt. So lange wir in einem Gebet eine Menge Begehren ausgießen, ohne uns Zeit zu nehmen nachzusehen, ob wir unsere Bitten im Glauben empor senden, werden Wenige derselben das Ziel treffen. Aber wenn Stille überdenken: „was ist denn nun mein Begehren? Bitte ich es im Glauben? Habe ich meine Bitte wirklich in des HErrn Schoß niedergelegt? Darf ich Antwort erwarten?“ Denn wir sollen es ja lernen, so zu bitten, dass wir von jedem Gebet sagen können, ob der HErr uns antwortet oder nicht.

Wir hören den HErrn Jesus vor der Menge der Worte im Gebet der Heiden warnen. Man hört oft viele Gebete in den Gebetstunden, in denen sich eine Menge Herzenswünsche ergießen, und wobei es doch nicht zu einem eigentlichen gläubigen Bitten kommt. Möchte doch jeder Beter sich stets gerade vor den Heiland stellen, damit ER Seine Frage an uns richten könne: „was willst Du?“ Da werden wir es dann erfahren, dass die Bündigkeit und Bestimmtheit, mit der wir unsere Gebete, sei es auch im Verborgenen, vortragen, viel zu deren Kraft und Fruchtbarkeit beitragen wird. Doch die Frage des HErrn bedeutet noch mehr. ER sagt nicht: was begehrst Du, was wünscht Du?“ sondern: „was willst Du?“. Es kann Jemand jeweils etwas wünschen, ohne dass er es wirklich will. Ich mag etwas wünschen, aber ich bin nicht bereit, den Preis dafür zu geben, oder mir die Mühe anzutun, die nötig wäre, um das Gewünschte mir anzueignen. Ich wünsche es wohl, aber im Grunde will ich es doch nicht. Mancher wünscht selig zu werden, und geht verloren, weil er die Seligkeit nicht eigentlich will. Ich kann etwas wünschen, weil ich es des Begehrens wert halte, aber erst, wenn ich bei mir beschließe, ich müsse es für mich erlangen, will ich es wirklich. Der Wille schließt die ganze Kraft des Herzens ein; wenn ich etwas, das für mich erreichbar ist, wirklich will, dann ruhe ich nicht, bis ich es habe.

Und wenn der HErr den Beter nun fragt: „was willst Du?“ so bedeutet das, nachdem ich Ihm doch schon gesagt, was mein Wunsch und Begehren ist, „Willst Du es wirklich? Ist es Dein fester Wille, so es zu erlangen ist, nicht ohne dasselbe zu bleiben? Willst Du es um jeden Preis? Willst Du es so ernstlich, dass, wenn Du auch lang warten müsstest, Du doch darum anhalten wolltest, bis Ich Dir es gebe?“ Ach wie oft werden Gebete kurze Zeit mit Ernst emporgesandt, und dann wieder vergessen. Und wie oft werden Gebete Jahre lang ausgesprochen, während man sich doch innerlich ohne Antwort zufrieden gibt. Beides liefert den Beweis, dass man nicht von ganzem Herzen will, was man verlangt hat. „Aber,“ kann man erwidern: „ist es nicht besser, wenn man sein Begehren Gott vorgetragen hat, es Ihm zu überlassen, anstatt unseren Willen vor Ihm geltend zu machen?“ Keineswegs, das ist gerade die Art des Glaubensgebets, zu dem uns Jesus erziehen möchte, dass man nicht bloß sein Begehren kund gibt, und den Beschluss Gott überlässt, sondern dass man anhält, bis man hat, was man begehrt. Dies wird uns aus dem Verlauf der Blindenheilung Matth. 9,28 deutlich, wo Jesus sagt: „glaubt ihr, dass Ich das tun kann?“ Der Glaube: „es wird geschehen,“ wodurch der Mensch Jesum nahe tritt, ist zugleich der entschiedenste Ausdruck seines Willens: „ich lasse Dich nicht, Du segnest mich denn.“ Aber ist solch' ein Willensausdruck im Gebet nicht im Widerspruch mit der Unterwerfung unter den Willen Gottes, die uns doch ansteht? Keineswegs, sondern er ist eigentlich die Frucht dieser Unterwerfung. Erst wenn der Gläubige seinen eigenen Willen ganz an Gott übergeben hat, um durch Seine Gemeinschaft erneuert und geheiligt zu werden, empfängt er vom Vater das Recht und den Mut, den empfangenen neuen Willen geltend zu machen. Denn, erst wenn er den Willen Gottes durch Wort und Geist in den seinigen aufgenommen hat, ist es auch wirklich der Wille des Vaters, dass das Kind die Macht seines Willens in Seinem Dienste gebrauche. Der Wille ist des Menschen höchstes Vermögen; die Gnade will vor Allem den Willen heiligen und in seiner Wirksamkeit herstellen. Gleichwie der gehorsame Sohn, der sich ganz in des Vaters Dienst stellt, auch von dem Vater mit der Leitung seiner Geschäfte betraut wird, so wird auch das Kind Gottes mit allem Ernst gefragt: „Was willst Du?“ - Manchmal ist es von unserer Seite nur Trägheit, wenn wir, vor der Mühe des Glaubensstreites zurückschreckend, unter dem Schein der Demut, keinen Willen zu haben vorgeben. Die wahre Demut ist mit dem stärksten Glauben gepaart; da sucht man zu erkennen, welches Begehren nach dem Wort und Willen Gottes ist, und erwartet dann die Erfüllung der Verheißung: „Was Ihr bitten werdet im Glauben, das soll Euch widerfahren.“

HErr, lehre uns beten. O HErr, lehre mich so beten, wie Du es haben willst, so, dass ich die Bitte empfange, mit der ich vor den Vater komme, sei es für mich selbst, sei es für die Welt um mich her.

HErr, ich sehe in der heiligen Schrift, wie die Gebete der Glaubensmänner von Alters her, auf welche so kräftige Erhörungen erfolgten, allezeit bestimmte Begehren waren. Sie wussten, was sie wollten und was Gott für sie tun sollte. Und ich sehe auch, HErr, wie in unseren Gebeten so viel fromme Gewohnheiten, angelernte Formen sind, so viel gemütliches Herzählen von Bedürfnissen, die wir kennen, ohne dass es zu einem gewissen, zuversichtlichen Verlangen dessen kommt, was wir haben wollen. HErr, ich will Deine heutige Lektion zu Herzen nehmen; o, lehre mich so mit Dir verkehren, dass wir Beide, Du und ich, wissen, was ich will.

Und fragst Du mich nun: „was willst Du, dass Ich Dir tun soll?“ HErr, mein Begehren ist, dass Du meinen Willen in Deinen Besitz nehmest, und heiligest, damit ich im Gebet das Werkzeug werden könne, durch welches Gottes Geist von der Erde rufen, und die Dinge verlangen kann, die Gott sicher tun will. Ja, HErr, das ist's, was ich will, dass mein Wille durch das Wort und den Geist so eins geworden sei mit des Vaters Willen, dass ER mir geben kann nach Deiner Verheißung, was ich begehre. Lass meinen Willen in Allem, was nach Deinem Wort ist, so fest werden, dass ich stets Deine Stimme höre: „Dir geschehe, wie Du geglaubt hast.“ Amen.

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