Murray, Andrew - Die Schule des Gebets - Dritte Lektion.

Murray, Andrew - Die Schule des Gebets - Dritte Lektion.

Der Vater, der im Verborgenen ist, oder das Kämmerlein. Matth. 6,6-8.

Die erste Unterweisung, die der HErr Jesus Seinen Jüngern gab, steht in der Bergpredigt. ER machte sie in derselben mit dem Königreich Gottes, und dessen Beschaffenheit bekannt. Gott ist nicht allein der König dieses Reiches, sondern ER ist darin Alles in Allem. In der Erkenntnis Gottes, im Umgang mit Ihm steht die Seligkeit. Aus Ihm, von Ihm und durch Ihn allein hat das Reich seinen Bestand in der Welt. Darum hat das Gebet und das Gebetsleben, als der Umgang mit Gott, einen nicht zu umgehenden Anteil in der Unterweisung des HErrn von dem Reich Gottes.

Das Erste, was der HErr Seine Jünger hier lehrt, ist, dass sie im Verborgenen beten sollen und dass sie ein Kämmerlein haben müssen, einen einsamen Platz, wo sie mit Gott allein sein können.

Wenn, wie wir aus Jesu Unterweisung an die Samariterin gehört haben, die Anbetung nicht mehr an gewisse Zeiten oder Plätze gebunden ist, sondern von dem Menschen mit Hingabe seines ganzen Wesens im Geist und in der Wahrheit geschieht, so muss doch Jesus, wie jeder Lehrer eine Schulstube haben. Die Schulstube ist das Kämmerlein. Das Kämmerlein findet sich überall. Kein Platz ist zu wunderlich dazu. Oben auf dem Söller oder auf dem Speicher, unten im Keller oder draußen im Stall oder im Gebüsch, gleichviel wenn man nur einen Platz hat, wo man allein sein kann, um Gott zu suchen und zu finden und von Ihm gefunden zu werden. Ohne das kann uns Jesus kaum in die Schule des Gebets nehmen. Jeder Lehrling im Gebet muss dafür sorgen, dass er einen stillen Platz und eine stille Zeit im Verborgenen hat, wo er täglich zu dem Vater betet, der ins Verborgene sieht. Da wird Jesus sicher zu uns kommen und uns beten lehren.

Ein Lehrer liebt es, dass sein Schulzimmer hell und angenehm sei, damit seine Schüler mit Lust und Liebe kommen. Der HErr sucht uns auch das Kämmerlein recht anziehend zu machen, wenn ER uns dreimal auf den Vaternamen hinweist. „Bittet den Vater,“ „Euer Vater, der ins Verborgene sieht“, und „Euer Vater weiß, dass ihr dies Alles bedürft.“ Das Eine, worauf es im Kämmerlein ankommt, ist, dass ich meinem Vater dort begegne. Die himmlische Luft, mit der der HErr Jesus das Kämmerlein erfüllen will, und die ich einatmen soll, ist die Vaterliebe, die unendliche Vaterschaft Gottes. Das Atemholen unserer Seele aber soll sein: innige, herzliche Kindlichkeit, gänzliche Übergabe und volles Vertrauen. Das Gebet, das aus dem Glauben: „der Vater ist bei mir im Kämmerlein“ geboren wird, hat Kraft. Aber hören wir, was der HErr uns in dieser Beziehung lehrt.

Erstens: Bittet euren Vater, der im Verborgenen ist. Der HErr, unser Gott, hält sich vor dem fleischlichen Auge verborgen. So lange der Mensch in seiner gottesdienstlichen Wirksamkeit sich zumeist mit sich beschäftigt, mit eigenen oder andern Menschengedanken abgibt, so wird er Gott, der ein Geist ist, nicht finden. Aber wenn er sich von der Welt und von andern Menschen zurückzieht, um mit dem Einigen Gott allein zu tun zu haben, dann wird sich Gott ihm offenbaren. Sich selbst, die Welt und die Menschen aufgebend und verlassend, sucht er sich in das verborgene Anschauen Gottes durch den Geist Gottes einführen zu lassen; Solchen wird sich der verborgene Gott offenbaren. Die äußerliche Verborgenheit, die Abkehr von Allen, die uns sehen könnten, ist ein Abbild von der innerlichen, geistlichen Verborgenheit, und auch eine Hilfe zu derselben zu gelangen, wobei dann der Mensch wirklich mit dem einigen Gott, der im Verborgenen ist, verkehrt. Darum sagt der HErr gleich bei Beginn Seiner Anweisung zum Gebet: „Geht in euer Kämmerlein, und schließt die Türe zu, und betet zu eurem Vater, der im Verborgenen ist. Denkt nicht, weil ER verborgen ist, sei ER schwer zu finden. Im Gegenteil, geht ins Verborgene mit der gewissen Überzeugung, dass euer Vater allezeit da ist und über euch wacht. Lasst es euren Hauptgedanken im Kämmerlein sein: „Mein Vater ist da und will Sich mir offenbaren. Sobald dieser Gedanke in euch sprosst, wird kein Gefühl von Schwachheit und Sündhaftigkeit euch mehr vom verborgenen Gebet zurückhalten können. Denn euer Vater, der ins Verborgene sieht und über euch wacht, wird euer Gebet zu einem freudigen und gesegneten machen.“

„Und euer Vater, der ins Verborgene sieht, wird es euch vergelten öffentlich.“ Mit dieser herrlichen Verheißung sichert es uns der Heiland zu, dass das verborgene Gebet nicht fruchtlos bleiben soll; sein Segen soll sich über unser ganzes Leben ausbreiten. Der HErr will, dass der Glaube an den gewissen Segen des Gebets unsere Grundgesinnung im Kämmerlein sei. „Die zu Gott kommen, müssen glauben, dass ER sei, und Denen, die Ihn suchen, ein Vergelter sein würde.“ Ebr. 11. Nicht von der Kraft und Lebendigkeit eines Gebets hängt der Segen ab, sondern er kommt durch die Kraft und durch die Treue meines Vaters im Himmel. „Euer Vater wird es euch vergelten öffentlich.“ In diesem Glauben kann ich die Sache, die ich Ihm übergeben, Ihm auch getrost überlassen. ER ist verantwortlich. Ich habe nur fortzufahren im stillen Vertrauen auf Ihn. Ich bitte als ein Kind und vertraue wie ein Kind; als Vater wacht ER über mich und sorgt für die Antwort.

Durch das dritte Wort Jesu, wird unser Vertrauen in die väterliche Fürsorge Gottes verstärkt. „Euer Vater weiß, was ihr bedürft, ehe denn ihr bittet.“ Es könnte das Gebet auf dieses Wort hin fast als weniger nötig erscheinen; Gott weiß ja, und viel besser als wir, was wir bedürfen. Aber wenn wir nur erst Einsicht in die Ursachen bekommen, die das Gebet nötig machen, so wird dies Wort eine große Wirkung unseres Glaubens werden. Wir sehen dann ein, dass es sich nicht darum handelt, etwas von unserem Gott durch den Drang und die Menge der Worte zu erpressen, wie die Heiden es wollen. Es wird vielmehr eine heilige Stille in uns gewirkt, und wir fragen uns mit Bedacht: „Wird der Vater auch damit übereinstimmen, dass ich diese Sache wirklich nötig habe?“ Wenn ich aber dann darüber gewiss werde, dass ich wirklich bedarf, um was ich bitte, und dass es nach Gottes Wort ist, dann liegt auch eine außerordentliche Ermutigung in dem Bewusstsein: „Mein Vater weiß es auch, dass ich dies bedarf, und es haben muss.“ Bin ich nicht gewiss, so leitet mich der Zweifel darüber in erneute Untersuchung, ob mein Gebet dem Wort und dem Geist Gottes gemäß ist. Während also die geistliche Trägheit das Wort übers Gebet missbraucht und deshalb, weil der Vater weiß, was wir bedürfen, wenig bittet, erreicht der kindliche Sinn im Umgang mit dem Vater im Segen die Verheißung und lässt es seine Freude und seine Stärke sein, sagen zu können: „Mein Vater weiß, dass ich diese Dinge bedarf.“

Ihr, die ihr euch aufs Neue in die Schule Jesu begeben habt, um beten zu lernen, beherzigt diese Seine Lehre, und vertraut euch Ihm an, um in derselben befestigt zu werden. Geht viel ins Kämmerlein, lasst es euer liebstes Plätzchen werden, denn der Vater hat euch viel zu geben, und Jesus will euch lehren, wie ihr darum bitten sollt, und wie ihr es empfangen könnt. Es sei euer höchstes Vorrecht und eure größte Freude, mit eurem Vater allein sein zu dürfen. Der Glaube, dass ER das verborgene Gebet öffentlich vergelten will, sei eure Stärke. Und die Gewissheit, dass euer Vater weiß, was ihr bedürft, gebe euch eine kindliche Freimütigkeit, alles was ihr nötig habt, von Ihm zu erwarten.

HErr! lehre uns beten.

HErr Jesus! Von ganzem Herzen danke ich Dir für die Anordnung des Kämmerleins, wo Du Deinen Lehrlingen begegnen und sie mit dem Vater bekannt machen willst. O mein HErr! bestärke mich in dem Glauben, dass daselbst allezeit ein Segen zu finden ist; wie düster und elend es auch in meinem Innersten aussehen möge, der Vater ist mit mir da im Verborgenen, um mir willkommen zu heißen und mich zu erhören. Lass mir das Kämmerlein mehr und mehr lieb werden, als der Platz, wo ich mit Dir und durch Dich mit dem Vater in den wunderbaren, unaussprechlich seligen Verkehr des Gebets eintreten kann.

Und, HErr! erhöre mich, wenn ich Dich bitte, Deinem Volk überall das Kämmerlein zu segnen. Lehre alle jungen Christen, dass in demselben der Brunnquell aller Freude und aller Stärke muss gesucht werden. Bringe Alle zurück, die durch Trägheit und Untreue abgewichen, und nun missmutig sind, weil sie nicht wissen, was sie im Kämmerlein vorbringen sollen. HErr, bringe ihnen zum Verständnis, dass ein kindliches Bekenntnis ihrer Schuld, das Beste ist, das sie Dir bringen können, und dass Du Solches allezeit annehmen willst, so wie auch, dass nichts sicherer ist, als die väterliche Vergebung, die Du ihnen erwirken wirst. O, möchte ich es einsehen, dass der Glaube an Deine und des Vaters Liebe das Kämmerlein hell und herrlich macht.

Und segne besonders das Kämmerlein aller Deiner Knechte, die in Deinem Dienst arbeiten, dass sie in dem Gebetsleben die Freude und den Mut, die Kraft und den Segen für alle ihre Arbeit andauernd finden. HErr, ziehe uns alle ins Kämmerlein zu Dir selbst. Amen.

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